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Einleitung
Оглавление„Würden Sie die Angeklagte verurteilen?“ Die Frage gilt nicht nur für den vorliegenden Roman. Sie ist eine Frage unserer Zeit. Sie schwebt tausendmal auf den Lippen der Unbeteiligten, die Prozesse und Verhandlungsberichte verfolgen. Aber vielleicht erscheinen uns die aktuellen Prozesse nur darum so problematisch, weil wir so wenig Fühlung mit dem Gestern haben. Unser Zeitalter liebt die Schnelligkeit. Immer neue Eindrücke stürmen auf uns ein. Niemand hat Muße, über Vergangenes nachzudenken. Und doch ist die Justiz als Problem keine ausschließliche Angelegenheit unserer Epoche. Man denke nur an die Satiren Daumiers, Gilberts, Bennets. Jedes Zeitalter, jedes Land weist Autoren und Zeichner auf, die die Justiz in der heftigsten Weise angegriffen haben. Schon vor dem Kriege gab es auch in Deutschland viele Prozesse, hinter denen der Schatten eines Fehlurteils stand. Man erinnere sich des „Falles Hau“, man denke an den Steinheil-Prozeß, an den Freispruch der Brunhilde W. in Düsseldorf. Aus einem einfachen Offiziersprozeß wurde die „Affaire Dreyfuß“. Die Gegner der Todesstrafe führen im Laufe der letzten Jahrhunderte ungezählte Justizmorde auf.
Der Roman: „Würden Sie Gerda Holl verurteilen?“ ist auf Tatsachen aufgebaut, die noch in der Erinnerung vieler Leser haften werden. Die Heldin dieser Tragödie lebt noch. Es war also ein Gebot des natürlichen Gefühls, nur das Wesentliche der Begebenheit zu benützen. Aber obgleich die Handlung im Interesse der Spannung vertieft wurde — das Leben bietet ja immer nur Rohmaterial — trotzdem der Mordprozeß also einige Erweiterungen erfahren hat, ist das Tatsächliche grundlegend geblieben. Das Leben hat hier einen der interessantesten Konflikte geschaffen. Im Roman ist, wie im Prozeß, der Ausgang der gleiche. Er versöhnt mit der Unerbittlichkeit des Schicksals, das diese verwirrenden Fäden gesponnen hat, und mit der Tatsache, daß die Justiz eine menschliche Einrichtung und die Richter den menschlichen Fehlern unterworfen sind. Es ist notwendig, das immer wieder zu betonen. Es ist Demagogie, die Justiz und die Richter in ihrer Gesamtheit deshalb ständig anzugreifen.
So lange es eine Gerechtigkit gibt, werden Ungerechtigkeiten geschehen. Umsomehr gereicht es der Menschheit zur Ehre, daß Fehlgriffe mit derselben Heftigkeit bekämpft werden, mit der wir für nachgewiesene Verbrechen die gerechte Sühne fordern.
In dem vorliegenden Roman ist die Aufklärung Konstruktion des Autors. Das Drama selbst, dessen Schauplatz aus oben erwähnten Gründen verlegt werden mußte, endete mit einer Frage, die bis heute unbeantwortet geblieben ist.
Robert Heymann.