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III.

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Sie liegt im Bett. Die Dienerin Johanna steht am Fußende, neben ihr sitzt auf der Bettkante Michael, verstört und sichtlich ungehalten, daß die Beamten wieder eintreten. Er hält Frau Gerda an beiden Händen fest, denn sie hat einen verzweifelten Versuch gemacht, zu ihrer Mutter zu gelangen. Michael hat sie verhindert, das Zimmer zu verlassen.

„Fühlen Sie sich so gekräftigt, daß Sie uns einige Fragen beantworten können?“ fragt Trettner, zu Frau Gerda tretend.

Michael macht eine abwehrende Bewegung, aber Frau Holl erklärt, sie sei selbstverständlich bereit, jede erwünschte Auskunft zu erteilen. „Ich habe das allergrößte Interesse daran, daß die Verbrecher so schnell als möglich gefunden und überführt werden!“

Die Beamten ersuchen Michael, das Zimmer wieder zu verlassen. Dann sagt Trettner: „Selbstmord Ihres Gatten ist nach Lage der Dinge vollkommen ausgeschlossen — trotzdem wollen wir die Frage auch nach der psychologischen Seite hin klären. Hat Herr Holl in letzter Zeit Selbstmordgedanken geäußert?“

„Das nicht direkt. Aber er war sehr unruhig und zerstreut.“

„Worauf führen Sie das zurück?“

„Ich kann keine stichhaltigen Gründe dafür angeben. Vielleicht hatte er eine Geliebte.“

„Haben Sie Anhaltspunkte?“

„Ja und nein.“

„Halten Sie Selbstmord für möglich?“

„Sie sagen doch selbst —“

„Könnten nicht doch Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die offenbar zwischen Ihrem Gatten und Ihnen bestanden, ihn sehr deprimiert haben?“

„Nein. Daraus machte er sich gar nichts.“

Der Arzt hatte inzwischen die Beschlagnahme des Glases mit Limonade angeordnet, das in Frau Gerdas Zimmer stand. Ein Beamter, der unauffällig den Raum durchsuchte, kam mit einem kleinen Arzneifläschchen. Es war leer.

„Lag hinter dem Waschtisch“, meldet er.

Der Regierungsrat liest die Aufschrift: „Somnacetin. Ein starkes Schlafmittel.“

„Ich muß immer Schlafmittel nehmen“, erwidert Frau Gerda schroff.

„Hat Ihnen der Arzt dieses Mittel verordnet?“

„Nein. Ich erhalte es ohne Rezept von einem befreundeten Apotheker.“

„Wie heißt er?“

„In der Innenstadt.“ Frau Gerda gibt den Namen des Apothekers an.

„Wann haben Sie die Flasche gekauft?“

„Vor etwa acht Tagen. Ich kann mich nicht genau entsinnen.

„Dann haben Sie fast täglich diese Schlafmittel eingenommen?“

„Ja, fast täglich.“

„Nahm Ihr Mann auch Schlafmittel?“

„Ja! Er konnte sehr schlecht schlafen!“

„Hat er gestern abend auch Somnacetin eingenommen?“

„Das weiß ich nicht. Er hielt sich seine eigenen Mittel“.

„Wir haben aber nichts gefunden.“

Frau Gerda schweigt.

„Werden Sie die Banditen, die Sie überfallen haben, wiedererkennen, wenn wir sie Ihnen gegenüberstellen?“ fragt der Kommissar.

„Sicher“, erwidert Frau Gerda ruhig. „Ich glaube sogar zu wissen, wer der eine der beiden gewesen ist!“

„Und das sagen Sie uns erst jetzt?“

„Weil ich meiner Sache noch nicht sicher bin. Ich möchte unter keinen Umständen irgend jemand ungerecht verdächtigen!“

Sie wendet den Kopf und sendet Johanna einen langen Blick zu. Michael tritt eben wieder ein. Er erschrickt. Welch leidenschaftlicher Haß flammt da im Gesicht dieser Johanna auf!

Was bedeutet das? Er ruft sich blitzschnell in Erinnerung, was er bisher über das Verhältnis der beiden Frauen weiß. Johanna steht schon seit vielen Jahren in Frau Gerdas Diensten. Er erinnert sich jetzt an Kleinigkeiten, die er früher kaum beachtet hat, die ihm aber doch aufgefallen sind: An den stummen Widerstand, den Johanna allen Befehlen ihrer Herrin entgegensetzte. Die schweigende Vertraulichkeit, die sie an den Tag legte. Und eine seltsam träge Zurückhaltung, die sie allen Familienmitgliedern gegenüber zeigte.

Nur ein Mensch schien ihre ganze Liebe zu besitzen:

Ihr Sohn Alexander.

„Ich bitte um Verzeihung“, sagt Michael. „Ich muß fort. Man erwartet mich im Auswärtigen Amt.“

„Geduldigen Sie sich bitte noch einen Augenblick! Wir kommen gleich zu Ihnen“, erwidert der Regierungsrat.

„Wo ist Alexander?“ fährt Michael, zu Johanna gewendet, fort. „Ich möchte ihn mit einem Auftrag fortschicken.“

„Sie dürfen hier niemanden fortschicken!“ sagt der Regierungsrat schnell.

Michael sieht sich um. „Alexander ist ja auch nicht hier.“

Durch die offene Tür sieht man im anstoßenden Zimmer Hans, den Chauffeur des Hauses, zwischen der Zofe und der Köchin stehen.

„Wer ist das, Alexander?“ fragt rasch der Kriminalrat.

„Johannas Sohn.“

„Ja, mein Sohn!“ ruft Johanna unnatürlich laut. „Er hat ein kleinen Bummel gemacht und ist noch nicht zurückgekehrt.“

„Dann wird es aber Zeit, daß er jetzt nach Hause kommt“, bemerkt der Regierungsrat und sieht auf die Uhr. „Wie alt ist denn Ihr Sohn?“

„Siebzehn Jahre“, erwidert Johanna.

„Wäre es nicht besser, Sie ließen einen so jungen Mann nicht bis in den Morgen hinein bummeln?“ meint Trettner jovial. „Haben Sie denn so viel Geld, um dem Jüngling solche Nachtfahrten zu ermöglichen? Hat er keine Stellung?“

Hier mischt sich Frau Gerda ein:

„Alexander ist mein Gärtner.“

Einen Augenblick sehen die Beamten Frau Holl schweigend an.

„Dulden Sie denn, daß Ihr Angestellter die Nächte außer dem Hause verbringt? Ein so junger Angestellter?‘

Frau Gerda zuckt die Achseln.

„Was soll ich tun? Sie wissen ja, wie das heutzutage ist! Man hat keine Gewalt über die Leute.“

Die Blicke richten sich auf Johanna. Sie lacht frech. Michael, der noch immer im Zimmer steht, empfindet zum erstenmal gegen sie mehr als Unbehagen. Er haßt sie.

„Mit siebzehn Jahre schon Gärtner?“ bemerkt Trettner, sich an Frau Holl wendend. „Sie haben doch einen sehr gepflegten Garten. Diese Kreuzungen von Astern, die herrlichen Gladiolen.“

„Alexander ist kein gelernter Gärtner“, erwidert Frau Gerda.“ Er zieht stets einen Gärtner, der in der Kantstraße wohnt und stellungslos ist, zu Rate.“

Trettner schüttelt verwundert den Kopf.

Der Lärm von Stühle- und Schränkerücken, der schon lange in das Schlafzimmer Frau Gerdas gedrungen ist, verstärkt sich unangenehm.

„Was heißt das?“ fragt sie plötzlich zornig. Zum erstenmal verliert sie die überlegene Ruhe.

„Ich habe angeordnet, daß Haussuchung gehalten wird“, erwidert der Regierungsrat.

„Haussuchung? Das soll heißen, daß Sie mein Privatleben durchstöbern? Daß Sie meine Schränke durchsuchen lassen? Und nur deshalb, weil ich von Verbrechern überfallen worden bin?“

„Unsere Anordnungen stehen natürlich damit im Zusammenhang!“ fällt Trettner ein. „Wir müssen wissen, welche Leute als verdächtig gelten können. Und dann,“ hier ändert Trettner um eine Nuance den Ton, „und dann verstehen wir nicht, wie Sie, gnädige Frau, sich bezüglich der Zeit des Überfalls so irren konnten. Dieser Überfall hat in den frühen Morgenstunden stattgefunden. Sie nannten uns die elfte Abendstunde. Solche irrigen Aussagen erschweren uns natürlich die Nachforschungen ungemein, so daß wir umsomehr auf das Ergebnis unserer eigenen Feststellungen angewiesen sind.“

Frau Holl schaut die Anwesenden der Reihe nach an.

„Aber der Überfall hat tatsächlich abends zwischen elf und zwölf Uhr stattgefunden. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen.“

„Der Tod Ihres Gatten ist erst gegen 3 Uhr morgens eingetreten“, wirft der Kriminalrat ein.

„Was beweist das? Er hat eben noch so lange gelebt.“ Sie bricht in Tränen aus. „Ich hätte ihn also noch retten können, wenn ich nicht hier hilflos angebunden gewesen wäre!“ ruft sie. „Mein Gott, wie entsetzlich, sich vorzustellen: Nebenan rang der Unglückliche stundenlang mit dem Tode ...“

„Wenn Sie glauben, der späte Tod Ihres Gatten beweise nichts gegen die Unrichtigkeit Ihrer Aussage, was die Zeit des Überfalls betrifft, so befinden Sie sich in einem verhängnisvollen Irrtum, gnädige Frau! Der Tote war regelrecht aufgehängt. In dieser Lage bleibt ein Mensch nicht viele Stunden hindurch am Leben!“

„Und wenn er nun erst später ermordet worden wäre? Wissen Sie und ich, was sich in dem Zimmer meines Mannes abgespielt hat, nachdem ich das Bewußtsein verloren hatte? Der Lärm, den ich hörte, muß ja nicht schon das Signal zur Ermordung meines Mannes gewesen sein!“

Trettner lächelt.

„Das ist richtig. Sie sind sehr scharfsinnig, gnädige Frau, aber diese seltsame Ruhe der Betrachtung des Falles, die Sie zur Schau tragen, ist mir, ich gestehe es offen, nicht sympathisch!“

Hier mischt sich Michael in die Vernehmung.

„Ich protestiere dagegen, daß Sie in versteckter Form Frau Holl geradezu der Mitwisserschaft oder Mittäterschaft an diesem furchtbaren Verbrechen bezichtigen!“ sagt er heftig. „Ich bin entschlossen, diesem unwürdigen Dialog ein Ende zu bereiten!“

„Herr Legationssekretär,“ sagt der Regierungsrat scharf, „ich bitte Sie, sich in einem der anstoßenden Zimmer zu unserer Verfügung zu halten. Ich habe schon einmal dieses Ersuchen an Sie gestellt. Wir werden Sie noch vernehmen, und schon deshalb dulde ich nicht, daß Sie länger bei Frau Holl verweilen!“

„Wahrscheinlich, weil ich auch verdächtig bin,“ lacht Michael zornig auf.

Trettner dreht ihm sein Gesicht zu:

„Verdächtig? Niemand ist hier zunächst verdächtig. Aber die Tatsache, daß Sie, Herr Legationssekretär, der letzte in dieser Nacht und der erste heute morgen — was dasselbe ist — in diesem Hause gewesen sind, werden Sie zugeben?“

Michael schaut den Kriminalrat mit hochgezogenen Brauen an. Wortlos verläßt er den Raum. An der Tür, schon im anderen Zimmer, wendet er sich um und zwingt den Polizisten, der den Regierungsrat und den Kriminalrat begleitet und die Tür hinter ihm schließen will, zurückzutreten: „Keine Sorge, Mama! Ich lasse Sie nicht aus den Augen! Es gibt noch höhere Instanzen als eine Mordkommission.“ Die Tür schließt sich hinter ihm. Er geht ins Eßzimmer und wird Zeuge einer Vernehmung, die ein Kriminalkommissar Weiß mit dem Personal anstellt.

Er hört eben:

„Und wer hat Ihnen und der Köchin für diese Nacht Erlaubnis zum Ausgang erteilt?“

„Frau Holl“, erwidert heulend die Zofe.

„Das ist aber ein ganz ungewöhnlicher Vorgang! Oder haben Sie öfter schon Erlaubnis bekommen, die ganze Nacht außer dem Hause zu verbringen?“

„Oh ja“, sagt die Köchin, eine breitspurige Ostpreußin mit rotem Gesicht. „Was ist denn dabei? Wir wollen uns auch mal Berlin ansehen! Oder glauben Sie, das Vergnügen ist nur für die reichen Leute da?“

„Darnach hat Sie niemand gefragt“, erwidert der Kommissar. „Haben Sie selbst für diese Nacht um Urlaub nachgesucht — oder wurde er Ihnen angeboten?“

Die beiden Mädchen sehen sich an.

„Frau Holl,“ beginnt die Köchin zögernd, „Frau Holl hat gesagt, wenn wir wieder mal fortwollten, heute Nacht hätte sie nichts dagegen — das hat Frau Holl gesagt!“

„Und sonst — wenn Sie sonst ausgingen — wurde Ihnen da auch von Frau Holl ein solcher Vorschlag gemacht — oder haben Sie sonst immer selbst um Urlaub nachgesucht?“

„Ja, sonst haben wir das wohl so gehalten!“

„Achten Sie auf Ihre Aussage: Sie ist von großer Wichtigkeit! Bitte: Erinnern Sie sich an einen einzigen Fall, wo Frau Holl Ihnen einen nächtlichen Urlaub angeboten hat — außer gestern?“

„Nee“, erwidert statt der Köchin die Zofe, eine richtige Berliner Pflanze, mit einer kecken Stupsnase und einem phantastischen Wuschelkopf. „Nee! Sonst hat sie immer geschimpft, wenn wir nachts fortwollten...“

Der Kommissar nickt befriedigt und diktiert einer Stenotypistin, die teilnahmslos und verschlafen stenographiert, die Aussagen.

Was heißt das alles? denkt Michael. Plötzlich wird ihm erschreckend klar, daß die ganze Voruntersuchung immer mehr gegen Frau Gerda geführt wird. Ein heißer Haß gegen die Polizei quillt in ihm auf.

Aber er schweigt. Er nimmt sich vor, aufmerksamer Zuhörer zu sein, um im entscheidenden Moment einzugreifen.

Plötzlich fällt ihm Helen ein.

Helen!

Er will hinaus, um ein Telegramm an sie aufzugeben.

Arme Helen! denkt er. Arme, arme Helen! Zum Glück ist wenigstens deine Mutter am Leben geblieben! Was wirst du zu diesem traurigen Ende deines Vaters sagen? Er sieht sie in Gedanken vor sich: Im dunklen Reisekleid, die maßlos erschreckten Augen auf eine Zeitung geheftet — —

„Verzeihung“, sagt der Polizist, der die Tür besetzt hält. „Ich kann Sie nicht hinauslassen!“

„Herr Kommissar!“ ruft Michael. „Bin ich hier gefangen?“

„Keineswegs, mein Herr! Aber wir können nicht dulden, daß Sie sich entfernen, ehe Ihre Vernehmung stattgefunden hat.“

„Ich habe aber ein wichtiges Telegramm aufzugeben!“

„Wir werden es besorgen. An wen wollen Sie depeschieren?“

„An Helen Holl“, erwidert Michael widerwillig.

„Wer ist das?“

„Die Tochter des Hauses — und meine Braut!“

Der Beamte sieht ihn forschend an, wie Michael meint, nicht ohne Mitgefühl.

„Bitte schreiben Sie, wenn Sie wollen, bedienen Sie sich in meiner Gegenwart des Telephons! Die Post nimmt auch telephonische Aufträge für Telegramme entgegen.“

Michael depeschiert also an Helen:

„Abreise sofort! Säume keine Stunde. Ich erwarte dich! Michael.“

„Die Dame wird inzwischen aus den Zeitungen alles erfahren“, bemerkt Kommissar Weiß.

Michael schweigt. Er setzt sich und stützt den Kopf in die Hände. Es ist zu viel, was auf ihn einstürmt. Er stellt sich die zarte Helen vor, wie die Schreckensnachrichten über sie hinwegfluten — und er, Michael, kann sie nicht trösten, kann ihr nicht helfen!

„Ich werde ihr entgegenfahren“, sagt er, plötzlich aufspringend. „Ich verlange meine sofortige Vernehmung.“

Aber dann fällt ihm wieder die Gelähmte ein. Ehe er zu Frau Holl ins Schlafzimmer zurückkehrte, war er bei der unglücklichen Mutter Frau Gerdas gewesen.

Er hatte sie zwischen Beamten und Ärzten zurückgelassen. Nie im Leben wird er die todestraurigen Augen vergessen, mit denen sie ihm nachsah.

Aber alle Versuche, sie zum Sprechen zu bringen, waren erfolglos. Nicht einmal den Augapfel konnte sie bewegen. Richtete man Fragen an sie, dann veränderten ihre Augen die Farbe, den Glanz, den Ausdruck, — aber wer war imstande, diese Sprache zu verstehen?

Der Kommissar gab Michael die Erlaubnis, sich in Begleitung eines Polizisten wieder ins Erdgeschoß zu begeben. Aber er fand die Großmutter dort nicht vor. Polizisten und herbeigerufene Sanitätsbeamte hatten sie in das erste Stockwerk getragen, wo sich ihr Zimmer am Ende der Galerie befand.

Als Michael dort eintrat, fand er den Polizeiarzt, ferner Dr. Marholm, den Hausarzt der Familie, und einen Sanitätsbeamten vor.

„Frau Leyden will sich unter keinen Umständen aus dem Hause transportieren lassen“, sagt der Hausarzt zu dem eintretenden Michael.

„Aber sie kann ja gar nicht sprechen“, erwidert dieser und eilt zu der Gelähmten.

„Der Ausdruck ihrer Augen sagt mir alles“, meint Dr. Marholm. „Es liegt ein Bluterguß im Gehirn vor. Wir müssen darauf bestehen, daß Frau Leyden in ärztliche Behandlung in ein Sanatorium kommt. Vollkommene Lähmung, wie ich sie in dieser Form noch gar nicht beobachten konnte! Haben Sie übrigens eine Ahnung, Herr Michael, was die alte Dame gestern abend noch im Erdgeschoß zu suchen hatte?“

Michael fühlt die Augen des Polizeiarztes auf sich gerichtet. Er ist überreizt und nervös durch so viel kriminellen Spürsinn.

„Mein Gott“, sagt er, „sie wird etwas in der Küche gesucht haben! Das Personal war doch ausgegangen!“

„Aber es muß eine furchtbare Aufregung vorhergegangen sein! — Oder sie ist von einem schrecklichen Ereignis überrascht worden!“ sagt der Polizeiarzt.

Michael zuckt die Achseln. Ihm kam das alles gar nicht wahrscheinlich vor. Er fand, daß alle diese Leute die einfachsten Begebenheiten rein kriminell beurteilten und dadurch zu Fehlschlüssen gelangen mußten.

Der Anblick Frau Leydens war grauenerregend. Diese kluge Frau, immer voll Interesse für die Ereignisse des Tages, künstlerisch veranlagt, eine ausgezeichnete Kennerin der zeitgenössischen Literatur, saß vor Michael und den fremden Leuten, den Ärzten und den Beamten, unfähig, ein Glied zu rühren oder eine Auskunft zu erteilen, und sah nur, schaute nur! Lebte und war tot! Ein lebender Leichnam, ein atmender Mensch — und doch nur ein Phantom!

Was wußte sie?

War dieser schreckliche Schlaganfall wirklich ein Zufall gewesen? Oder hing er mit den geheimnisvollen Vorgängen dieser Nacht zusammen?

Der Hausarzt behauptete es. Konnte keine andere Erklärung der Katastrophe finden. „Nie habe ich Anzeichen für einen solchen Zusammenbruch an Frau Leyden bemerkt“, sagt er immer wieder. „Von Arterienverkalkung keine Rede!“

„Und was wollte sie zu so später Abendstunde im Erdgeschoß des Hauses?“ das war die immer wieder aufgeworfene Frage.

Würden Sie Gerda Holl verurteilen?

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