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Folge deiner Angst

Menschen, die vor wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben und ihrer Karriere stehen, wird heute häufig der Ratschlag, „folge deiner Leidenschaft“, gegeben. Dieses Klischee schadet nicht, wenn es Menschen dazu anregen soll, geisttötende Jobs zum reinen Überleben nicht anzunehmen oder uns daran zu erinnern, mutig zu sein und unsere Meinung zu sagen, wenn Menschen um uns herum widersprechen. Aber in einer Gesellschaft, die mit zahlreichen, sich teilweise überschneidenden sozialen und ökologischen Krisen konfrontiert ist, kann die Besessenheit mit Ausleben von Leidenschaften eine gefährliche Ablenkung sein, wenn diese Leidenschaften dazu führen, dass wir schmerzhafte Realitäten ignorieren. Der wichtigere Ratschlag – für uns alle, individuell und kollektiv – ist, erst einmal „unseren Ängsten zu folgen“.

Wenn es eine anständige menschliche Zukunft auf einem stabilen lebenden Planeten geben soll, müssen wir uns mit unseren tiefsten Ängsten konfrontieren, nicht nur mit denen, die uns selbst betreffen, sondern auch mit Ängsten, die mit den zutiefst ungerechten und grundlegend unhaltbaren Gesellschaften, die existieren, zu tun haben. Die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, sind das vorhersagbare Ergebnis der sozialen, politischen und ökonomischen Systeme, auf denen unsere Gesellschaften aufgebaut wurden. Während es in der Tat so ist, dass die Leute, die diese Systeme betreiben, häufig habgierig sind, manchmal inkompetent und zuweilen unmenschlich, so ist unser Hauptproblem nicht die Natur der verantwortlichen Menschen, sondern die Beschaffenheit der Systeme, für die sie verantwortlich sind.

Um höflich zu sein, sprechen wir in Diskussionen selten direkt über diese Systeme. Wenn wir es wagen, so vermeiden wir häufig Namen und genaue Beschreibungen. In den Vereinigten Staaten ist es üblich, dass Menschen sich für Diversität aussprechen. Aber über die Pathologie der weißen Vorherrschaft sprechen wir nur selten: der Ideologie, die EuropäerInnen geschaffen und dazu benutzt haben, 500 Jahre lang ihre Eroberung des Großteils der Welt zu rechtfertigen. Trotz der bedeutenden Erfolge der Bürgerrechtsbewegungen müht sich diese Kultur noch immer damit ab, den anhaltenden Auswirkungen weißer Vorherrschaft – Rassismus – ehrlich ins Auge zu blicken, obwohl wir behaupten, sie überwinden zu wollen.

Die krankhafte Habgier, von der diese Unterwerfung angetrieben war, entwickelte sich letztendlich zum neoliberalen Kapitalismus, mit seiner Forderung nach endlosem Wachstum und seiner unvermeidlichen Wohlstandsunterschiede. Aber statt ein ökonomisches System abzulehnen, das nicht mit unseren grundlegenden moralischen Prinzipien und einer ökologisch tragbaren Zukunftsperspektive vereinbar ist, tun wir so, als ob oberflächliche Reformen, die mit Begriffen wie „bewusster Kapitalismus“ oder „grüner Kapitalismus“ verkauft werden, diesen Weg magisch verändern würden. Die extravistische und expansive Besessenheit der heutigen energiereichen und Hochtechnologie-Welt hat uns an einen Punkt gebracht, an dem die menschliche Existenz auf diesem Planeten in großem Umfang nicht mehr gesichert ist. Einige der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen weltweit sind bereits mit katastrophalen Bedingungen konfrontiert, und es gibt keine Garantie, dass die Reichen vor solchen Schicksalen unbegrenzt geschützt bleiben. Trotzdem werden kritische Stimmen von der Behauptung erstickt, dass es keine Alternative zu „unser Art zu leben“ gibt, vor allem in den Vereinigten Staaten.

Es ist schwierig, sich den Herausforderungen von RassistInnen, KapitalistInnen, ImperialistInnen und Hochtechnologie-Industriesystemen ehrlich zu stellen. Aber was noch schwieriger zu sein scheint, ist sich der tiefgehenden Pathologie des Systems von biologischem Geschlecht und Gender zu stellen. Diese Pathologie hat einen Namen – Patriarchat –, seine Ursprünge reichen weit in die menschliche Geschichte zurück, nicht nur Jahrhunderte, sondern mindestens sechstausend Jahre, bis zum Anfang der institutionalisierten männlichen Herrschaft, als „Männer entdeckten, wie man ›Unterschied‹ in Herrschaft umwandelt“, und sie so „das ideologische Fundament für alle Systeme von Hierarchie, Ungleichheit und Ausbeutung“ legten.5

Die Behauptung von Männern im Patriarchat, dass sie ein Recht auf die Kontrolle der Sexualität und Reproduktion von Frauen hätten, das mit Gewalt unterstützt wird, hat eine Welt hervorgebracht, die streng geordnet ist durch „Macht über (andere)“, d. h. Macht definiert als die Fähigkeit, anderen deinen Willen aufzuzwingen oder sich der Auferlegung von anderen zu widersetzen. Im Gegensatz dazu steht die Idee von „Macht mit (anderen)“, die auf einer gemeinsamen Konzeption mit anderen beruht.6 Diese Dynamik von Herrschaft und Unterordnung bestimmte allmählich nahezu alle Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt. Die Pathologie des Patriarchats, d. h. die Vorstellung, dass eine Gruppe von Menschen eine andere kontrollieren könnte – sie sogar besitzen sollte, sogar das Leben an sich – ist der Kern der heutigen Krise. Feministischer Widerstand, von alten Veteraninnen der Frauenbefreiungsbewegung und jungen Digital Natives, fordert diese Pathologie weiterhin heraus, wobei es einige Erfolge an einigen Orten und zu einigen Zeiten gibt. Aber das patriarchale System von biologischem Geschlecht und Gender hat sich als stabil erwiesen: Überall strukturiert die institutionalisierte männliche Gewalt auch weiterhin unser Leben und beeinflusst unser Selbstverständnis.

Die Realität des Patriarchats in all seinen Dimensionen ist nur schwer zu ertragen. So ist es kaum erstaunlich, dass die Welt voll von Verleugnungen und Ablenkungen ist, sowohl von Menschen, die oben stehen, als auch unten und überall dazwischen. Wir haben Angst und sollten diese auch haben. Um es persönlicher auszudrücken: Was Menschen erschaffen haben und wohin das führen könnte, versetzt mich in Schrecken. Ich bin nicht nur entsetzt über die ungerechten und nicht nachhaltigen Systeme, die wir Menschen erschaffen haben, sondern auch über den Willen von so Vielen, die Wahrheit zu leugnen oder davon abzulenken. Dieses Buch ist Teil meines ständigen Kampfes, mit diesem Schrecken umzugehen. Ich nehme den Rat von James Baldwin ernst, wenn es um den Umgang mit Schrecken geht: „Wenn du auch nur etwas Verstand hast, wirst du verstehen, dass du besser nicht weglaufen solltest. Es gibt keinen Ort, an den du laufen könntest. Geh’ also auf ihn zu. Zumindest weißt du so, was dich treffen wird“.7

Wenn wir verstehen wollen, was uns getroffen hat und was uns wahrscheinlich auch in Zukunft weiterhin treffen wird, vermutlich mit zunehmender Gewalt, müssen wir radikal werden. Auch wenn der Begriff „radikal“ häufig dazu benutzt wird, Menschen oder Ideen als „verrückt“ oder „extrem“ abzulehnen, bezeichnet er in diesem Zusammenhang eine Analyse, die die Grundursachen von sozialer Ungleichheit und ökologischer Nicht-Nachhaltigkeit versucht zu verstehen, anzusprechen und letztendlich zu beseitigen. Ich bin davon überzeugt, dass wir feministische Analysen brauchen, um diese Krise zu verstehen: ein intellektuelles Projekt, um die unrechtmäßigen Autoritätsstrukturen zu begreifen, in denen wir leben. Wir brauchen Feminismus, eine politische Bewegung, um Widerstand gegen diese Autoritätsstrukturen zu organisieren. Wir brauchen Feministinnen und Pro-Feministen, Menschen, die zusammen auf das zugehen, was uns trifft. Feministische Analysen allein, die unsere Bewegungen informieren, und unseren Widerstand verstärken, werden uns nicht retten – dazu sind auch noch andere radikale Perspektiven und Bewegungen notwendig –, aber ich bin überzeugt, dass es ohne radikalen Feminismus, der zum Widerstand beiträgt, keine Hoffnung auf Rettung für uns gibt.

Die Historikerin Gerda Lerner, deren Werk dazu beigetragen hat, die Ursprünge des Patriarchats zu verstehen, drückte diese Hoffnung auf das feministische Projekt aus, als sie schrieb:

„Das System des Patriarchats ist ein historisches Konstrukt. Es hat einen Anfang, und es wird ein Ende haben. Seine Zeit scheint zur Neige zu gehen – es dient nicht länger den Bedürfnissen von Männern oder Frauen, und seine unauflösliche Verstrickung mit Militarismus, hierarchischer Struktur und Rassismus ist eine unmittelbare Bedrohung für den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten“.8

Meine größte Angst ist, dass Lerner sich über unsere Fähigkeit, das Patriarchat zu überwinden, irrt. Dass egal, wie offensichtlich es ist, dass die destruktiven Systeme, die wir Menschen entwickelt haben, – sogar wenn sie schon so bedrohlich sind, dass wir beinahe von den Klippen stürzen – wir nicht umkehren werden. Meine größte Befürchtung ist nicht nur, dass die Machthabenden nicht umkehren werden, sondern dass es an einem gewissen Punkt für alle unmöglich sein wird, umzukehren. Anders gesagt, dass wir bereits zu nah am Abgrund stehen. Lerner hat recht damit, dass das Patriarchat den Bedürfnissen der Menschen – Männer und Frauen – nicht dient. Leider aber dient es nach wie vor dem Bedürfnis einiger Menschen nach Reichtum und Status. Es sind diese Bedürfnisse, die starke Motivationen zum Leugnen und Ablenken schaffen.

Leider ist die radikalfeministische Kritik des Patriarchats in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur weniger geworden, sondern sie wird in einigen feministischen Kreisen sogar abgelehnt. Auch wenn keine intellektuelle oder politische Bewegung sich je darüber einig sein könnte (oder sollte), wie die Welt zu verstehen ist, die Uneinigkeit innerhalb des Feminismus über die Natur des Patriarchats – sogar darüber, ob das Patriarchat ein nützliches Konzept ist, um die heutige Gesellschaft zu analysieren – macht eindringlich bewusst, wie sehr das Patriarchat in den Gesellschaftsstrukturen und im Alltag „normalisiert“ und verankert ist.

Trotz all dieser Ängste, die mich plagen, versuche ich weiter, unsere patriarchale Welt zu verstehen – und mir eine andere vorzustellen. Dieses Buch ist mein Versuch, zu Diskussionen über das Patriarchat beizutragen. Das bedeutet, auf Meinungsverschiedenheiten darüber, wie wir die Welt sehen und verändern wollen, zuzugehen, einschließlich intensiver umstrittener Meinungsverschiedenheiten, die Feminismus und FeministInnen bitter voneinander getrennt haben. Aber all dies führt zu der völlig berechtigten Frage: Wen interessiert es denn überhaupt, was ich zu sagen habe?

Identitätspolitik und meine Identität

Ich bin ein Mann (ein kritischer)9 und weiß (auch kritisch),10 1958 geboren, mit einer Frau verheiratet (auch wenn meine sexuelle Geschichte kompliziert ist), ein weltlicher Christ (kurz gesagt mit einer Theologie, die übernatürliche Behauptungen über einen Gott oder einen auferstandenen Retter ablehnt, und alle religiösen Traditionen als Mythos, Symbol oder Poesie ansieht)11, ein lebenslanger Bewohner der USA (auch kritisch),12 mit zwei Graduiertenabschlüssen und einer Festanstellung an einer Fakultät einer Universität, durch die ich zu den obersten 20 Prozent der US-amerikanischen SteuerzahlerInnen gehöre. Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben als Journalist13 oder Professor14 gearbeitet, Jobs, für die ich eine umfangreiche Ausbildung erhalten habe, sowie auch Unterstützung für mein Schreiben und Reden. Ich bin etwas größer als der durchschnittliche Mann in den Vereinigten Staaten, ohne chronische Krankheiten und ohne nennenswerte Risikofaktoren für Krankheiten.

Mit anderen Worten, ich wurde im wohlhabendsten und machtvollsten Nationalstaat in der Geschichte der Welt geboren, zu einer Zeit von schnellen ökonomischen Expansionen, in Identitätskategorien hinein, die mit unverdienter Macht und Status einhergehen, neben einem guten Teil Glück im genetischen Würfelspiel. Die beiden offensichtlichen Vorteile, die ich verpasst habe, sind, reich und schön geboren worden zu sein.

Aus dieser gesellschaftlichen Position, also mit erheblicher Privilegien, heraus, einschließlich des zentralen Privilegs ein Mann zu sein, schreibe ich ein Buch, in dem ich nicht nur eine Analyse der Pathologie des Patriarchats anbiete, sondern zu hitzigen Diskussionen innerhalb des Feminismus Partei ergreife. Auf den ersten Blick mag dies wie ein extremer Fall von „mansplaining“ erscheinen, der Begriff, der für die Art und Weise benutzt wird, mit der Männer häufig Frauen Dinge erklären, oft auf eine herablassende Art, die besonders ärgerlich ist, wenn Männer versuchen, Frauen über Geschlechterpolitik „aufzuklären“.

Bin ich also außergewöhnlich arrogant oder besonders ignorant? Oder beides?

Es ist verführerisch, mir eine Rechtfertigung zusammen zu basteln, um von möglicher Kritik abzulenken, dass ich keinerlei Recht habe, mich in diese Themen einzumischen, unabhängig von der Qualität meiner Analyse. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie ich dies tun könnte. Erstens könnte ich darauf hinweisen, dass ich während meiner Arbeit in feministischen Projekten während der letzten drei Jahrzehnte oft von Frauen ermutigt wurde zu schreiben. Das ist wahr, aber einige Frauen von anderen feministischen Projekten haben mir gesagt, dass ich mich in fast allem irre, und haben vorgeschlagen, dass ich den Mund halte. Welche Frauen repräsentieren „Frauen“ und können mir erlauben zu sprechen?

Ich könnte auch darauf hinweisen, dass einige Männer eher feministische Bücher lesen, die von Männern geschrieben wurden als welche von Frauen, eine unglückliche aber leider wahre Beobachtung. Aber auch wenn ich dieses Buch mit männlichen Lesern im Kopf schrieb und hoffe, dass Männer dieses Buch lesen werden, bin ich auch davon überzeugt, dass ich Frauen einige wichtige Erkenntnisse zu bieten habe. Und unabhängig vom biologischen Geschlecht der Lesenden wird die umstrittene Thematik garantiert dafür sorgen, dass einige Leute meine Abhandlungen als kontraproduktiv verdammen werden.

Die Rechtfertigung für dieses Buch kann aber nicht nur von der Zustimmung von feministischen Kameradinnen abhängen oder der Idee, dass es eine Strategie ist, um Männer zu erreichen. Ich schreibe, weil ich glaube, dass ich etwas Nützliches zu sagen habe, das auf Jahrzehnten von Lehre, Forschung, Organisieren und kritischer Selbstreflektion basiert.

Ich erkläre Frauen ihre Erfahrungen nicht, sondern benutze die Arbeit von Feministinnen, um meine Erfahrungen mit dem System von biologischem Geschlecht und Gender zu verstehen, in dem ich gegenwärtig in den Vereinigten Staaten lebe. Feministische Kritik am Patriarchat hat sich aus den Kämpfen der Frauenbefreiungsbewegung entwickelt, und sie ist der Schlüssel zur Befreiung der Frauen. Aber die Kritik am Patriarchat ist auch Teil eines Kampfes für eine gerechte und nachhaltige Welt für alle.

Um es noch deutlicher zu sagen: Ich behaupte nicht, dass Identität unwichtig in unserem Verständnis der Welt ist, sondern dass Identität alleine nicht den Wert der Analyse einer Person, wie die Welt zu verstehen ist, bestimmt. Seit meinem ersten Austausch mit intellektuellen und politischen Bewegungen, die die Konsequenzen von „Identität“ untersuchen, wie Feminismus und Critical Race Theory, wurde mir immer wieder bewusst, wie mein bisheriges Versagen, diese Themen selbstkritisch zu reflektieren, mich arrogant und ignorant gemacht hatte. Selbst mit den erheblichen Anstrengungen, die ich seither unternommen habe, um diese Themen zu verstehen, ist mir klar, wie meine unverdienten Privilegien nicht nur mein alltägliches Leben vereinfachen, sondern mir auch erschweren, zu sehen, wie leicht ich es habe.

Diejenigen von uns, die das Privileg haben, Systeme und Strukturen der Macht zu studieren und zu verstehen, müssen auch zum Kampf für eine bessere Gesellschaft beitragen. Anders gesagt: Wenn ich verstehe, wie Gruppen, in denen ich Mitglied bin, ungerechterweise andere dominieren – kann ich dazu nicht schweigen. Das würde ja den Kampf nicht voranbringen. Wenn Menschen in untergeordneten Gruppen immer wieder die gleichen Fragen von Mitgliedern der dominanten Gruppe gestellt bekommen, sagen sie klar und deutlich, dass es nicht ihre Aufgabe ist, uns immer wieder zu erziehen. Diese Ermüdung ist gut zu verstehen. Verantwortung für meine Rolle in diesem Prozess der Erziehung zu übernehmen, fordert von mir, die Ergebnisse dieses Prozesses öffentlich zu diskutieren.

Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass jedes Mal wenn jemand wie ich sprechen will, das, was ich (oder wir) zu sagen habe, zum Kampf gegen das Patriarchat beiträgt. Um es deutlicher zu sagen, formuliere ich es persönlicher: Wann ist es richtig, dass Bob spricht? Wie immer in menschlichen Angelegenheiten gibt es hierauf keine definitive Antwort. Offensichtlich denke ich, dass ich im heutigen Moment der Geschichte über diese Themen sprechen muss, sonst würde ich ja nicht darüber schreiben. Einige Menschen, denen ich vertraue, dass sie mich zur Rechenschaft ziehen, haben dem zugestimmt. Genauso offensichtlich ist es, dass andere Menschen nicht zustimmen werden (und in Reaktionen auf frühere Versionen von einigen meiner Argumente, die online in Essays veröffentlicht wurden, nicht zugestimmt haben). Einige, die mir widersprechen, werden dies heftig tun. Die produktivsten Widersprüche sind immer höflich, aber ich kann von unhöflichen Widersprüchen auch lernen und habe das auch bereits getan.

Aber einer Behauptung kann ich mich nicht entziehen, auch wenn sie arrogant klingen mag: Ich schreibe, weil ich glaube, dass ich etwas beizutragen habe, und ich glaube, dass ich eine Verantwortung habe, etwas beizutragen. Gleichzeitig schreibe ich aber auch für mich selbst, um eine Verbindung mit anderen Gleichgesinnten herzustellen. Das gibt mir die Möglichkeit, mit meinen eigenen Ängsten umzugehen.

Mein Thema ist die Welt, in der wir leben – die Vereinigten Staaten am Ende des 20. und am Anfang des 21. Jahrhunderts. Ich versuche, diese Welt in einem historischen und globalen Kontext zu verorten, d. h. meine Bemühungen hier sind auf diesen Ort und diese Zeit gerichtet. Es ist nicht mein Ziel, zu erklären, wie die ganze Welt funktioniert, stattdessen versuche ich mein Leben, meinen Platz in der Welt zu verstehen.

Das Ende des Patriarchats bietet eine unbeschönigte Analyse des Zustands der Welt, in der wir leben. Ich habe versucht, es so klar wie möglich zu schreiben, sodass es möglichst vielen LeserInnen zugänglich ist. Wenn dieses Buch anderen Leuten hilft – selbst denjenigen, die einem Teil oder meiner ganzen Analyse widersprechen – etwas mehr Klarheit über ihre eigenen Ansichten zu gewinnen, sehe ich das als Erfolg. Wenn mir dies mit intellektueller Ehrlichkeit und Bescheidenheit gelingt, werde ich zufrieden sein.

5 Gerda Lerner: Zukunft braucht Vergangenheit, S. 194.

6 Die Unterscheidung zwischen „Macht über“ und „Macht mit“ wird normalerweise Mary Parker Follett zugeschrieben, einer Theoretikerin, politischen Organisatorin und sozialen Aktivistin, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere einflussreiche Bücher schrieb. Diese Begriffe werden heute in einer Vielzahl von akademischen, politischen und geschäftlichen Zusammenhängen benutzt. Mir ist dieser Begriff zum ersten Mal in Diskussionen mit feministischen Aktivistinnen begegnet. Siehe Amy Allen: „Feminist Perspectives on Power“. In: Edward N. Zalta (ed.): The Stanford Encylopedia of Philosophy (Sommer 2014). <http://plato. stanford.edu/archives/sum2014/entries/feminist-power/>

7 James Baldwin in einem Interview von Mavis Nicholson, „Mavis on Four“ (1987). <https://www.youtube.com/watch?v=3Wht4NSf7E4> Baldwin, ein bekannter US-amerikanischer Autor und Essayist seit den 1950ern bis zu seinem Tod 1987, war eine führende Stimme für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit im Allgemeinen.

8 Gerda Lerner: Die Entstehung des Patriarchats, S. 283.

9 Robert Jensen: Getting Off: Pornography and the End of Masculinity. Vergriffen, aber gratis zu bestellen unter <http://robertwjensen.org/>

10 Robert Jensen: The Heart of Whiteness: Confronting Race, Racism and White Privilege.

11 Robert Jensen: Plain Radical: Living, Loving, and Learning to Leave the Planet Gracefully.

12 Robert Jensen: Citizen of the Empire: The Struggle to Claim Our Humanity.

13 Robert Jensen: Writing Dissent: Taking Radical Ideas from the Margins to the Mainstream.

14 Robert Jensen: Arguing for Our Lives: A User’s Guide to Constructive Dialog.

Das Ende des Patriarchats

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