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IN JEDEM, DER TRÄUMT,
STECKT EIN KLEINER SCHAMANE

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Die Essenz der Fähigkeit des Schamanen zu reisen und zu heilen ist seine Fähigkeit, kraftvoll zu träumen. Im modernen Alltag stehen wir am Rand dieser Fähigkeit, wenn wir träumen und uns daran erinnern, etwas mit unseren Träumen zu machen.

Wir alle träumen, und wie die Kagwahiv aus Brasilien sagen: «Jeder, der träumt, ist ein kleiner Schamane.« Unsere Träume zeigen uns, wie weit wir gehen können und wann die Zeit für uns gekommen ist, uns auf tiefere Reisen zu begeben. »Die Arbeit wird dir zeigen, wie es geht«, lautet ein estländisches Sprichwort. In Bezug auf die Seele können wir sagen: Der Traum wird dir zeigen, wie du deine Seele heilen und nähren kannst.

Wenn Sie mehr darüber wissen möchten, was Träume sein können, dann sehen Sie sich näher an, was »Traum« in verschiedenen Sprachen bedeutet. Sie werden Hinweise darauf finden, was Träumen für unsere Ahnen bedeutete, bevor wir die Achtung vor Träumern und den Kontakt mit dem Träumen verloren haben.

 Für ein träumendes Volk aus Venezuela, die Makiritare, ist der Traum eine »Reise der Seele« (adekato).

 Laut dem alten Stamm der Assyrer ist ein Traum ein Zephyr, eine sanfte Brise, die durch das Schlüsselloch oder die Türritze weht und in Ihr Ohr flüstert.

 Für die alten Ägypter war ein Traum ein »Erwachen« (rswt).

 Nach griechischen Schriften des Altertums ist ein Traum ein »spiritueller Bote« (oneiros), der aus der Republik der Träume (Demos Oneiron) kommt

Im Altenglischen war ein Traum »Fröhlichkeit« und »Träumerei« der Art, die man erleben kann, wenn man zu viele Kelche Wein gebechert hatte. Doch zu Chaucers Zeiten bedeutete dasselbe Wort mit einer anderen, nördlichen Ableitung auch eine Begegnung mit den Toten. Und wie in Nordeuropa (dem deutschen Traum, dem holländischen droom und so weiter) leitet sich das englische Wort dream, das uns überliefert wurde, vom Altgermanischen Draugr ab, was einen Besuch der Toten bedeutet.

Wie der bedeutende Ethnograf des Indianervolks der Tuscarora, J. N. B. Hewitt, ausführt, bedeutet das alte irokesische Wort katera’swas zwar »ich träume«, doch es deutet noch viel mehr an als nur das, was wir normalerweise damit meinen. Katera’swas drückt das Träumen als Gewohnheit aus, als täglichen Teil des Auf-der-Welt-Seins. Der Ausdruck birgt auch die Nebenbedeutung von aktiver Glücksbringung - also: Ich bringe mir Glück, weil ich durch meine Träume Glück und Wohlstand manifestieren kann. Der verwandte Begriff watera’swo bedeutet nicht nur »Traum«, sondern lässt sich auch übersetzen mit: »Ich beschaffe mir Glück.«2 Wie frühe jesuitische Missionare berichteten, glaubten die Irokesen daran, dass das Vernachlässigen von Träumen Unglück bringen würde. Jean de Quens notierte während eines Besuchs bei den Onondaga: »Den Leuten wird gesagt, wenn sie ihre Träume missachten, werden sie Unglück haben.« Wenn Sie also Glück haben wollen, dann sollten Sie viel träumen.3

Unter den Stämmen der Dene werden dieselben linguistischen Begriffe verwendet, um Träume, Visionen und spontane Erscheinungen sowie Trancezustände auszudrücken.4 Das deutet darauf hin, dass sie alle den Träumer an denselben Ort - den Ort, an dem Schamanen tätig sind - bringen können. Unter den Wind River Shoshone bedeutet das Wort navujieip »Seele« und »Traum«. »Navujieip« wird lebendig, »wenn Ihr Körper ruht und in irgendeiner Form erscheint.«5

Im schottischen Gälisch findet sich ein reichhaltiger und spezieller Wortschatz für viele verschiedene Formen des Träumens und Sehens und der übersinnlichen Phänomene. Die beste Literaturquelle hierfür ist das Werk des Pastors John Gregorson Campbell, der Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf der schottischen Insel Tiree gelebt hat. Er sammelte die mündlichen Überlieferungen gälischer Sprecher und verewigte sie in zwei Büchern, Superstitions of the Highlands and Islands of Scotland (1900) und Witchcraft and Second Sight in the Highlands and Islands of Scotland (1902).

Der Begriff da-shealladh (wird ungefähr »Dej-hejlouw« ausgesprochen) lässt sich häufig als »zweite Sicht« übersetzen, was buchstäblich »zwei Sichten« bedeutet. Er bezieht sich auf die Fähigkeit, Erscheinungen von Lebenden und Toten zu sehen. Der taibshear (»Teischer« ausgesprochen) ist der Seher, der sich darauf spezialisiert, das Energiedoppel (taibhs) zu beobachten. Ein Traum oder eine Vision ist ein bruadar (»Bru-itar«). Der bruadaraiche (ungefähre Aussprache: »Bru-i-teretscher«) ist mehr als nur ein Träumer im gewöhnlichen Sinne. Er ist die Art von Träumer, der in die Vergangenheit oder Zukunft sehen kann. Das ist ein Kleinod, das der näheren Untersuchung wert ist. Die Tiefe des Praktizierens von Träumen in einer Kultur spiegelt sich in ihrem aktiven Vokabular für solche Dinge. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die heutige deutsche Sprache ein einziges Wort zur Verfügung stellt, das so reichhaltig wäre wie bruadaraiche, aber ich bezweifle, ob wir den schottischen Begriff importieren können, da er (zumindest so, wie er von meiner Zunge rollt) nach etwas klingt, das in einem Schafsmagen gekocht worden ist.

Die hawaiische Sprache bietet ein reichhaltiges Traumvokabular, das sich wunderbar für eine Studie eignet. Ein generelles Wort der Hawaiianer für Träume ist moe’ukane, das sich allgemein mit »Seelenschlaf« übersetzen lässt, jedoch eher als »Nacherlebnisse der Seele« verstanden wird, da es für die ursprünglichen Hawaiianer beim Träumen stark um das Reisen geht. Die Seele macht im Schlaf Ausflüge. Sie schlüpft aus ihrem normalen Körper - häufig durch den Tränenkanal, der auch als »Seelengrube« bezeichnet wird - und ist dann in einem »Körper aus Wind« unterwegs. Während dem Schlaf wird der Träumer auch von Göttern (akua) und Schutzgeistern der Ahnen (aumakua) aufgesucht, die die Gestalt eines Vogels, eines Fischs oder einer Pflanze annehmen können.

Wie alle praktischen Träumer erkennen die Hawaiianer, dass es große und kleine Träume gibt. Einem »Traum über einen wilden Meerbarben« (moe weke pahulu), der verursacht wird, wenn man etwas Falsches gegessen oder sein Essen zu schnell heruntergeschlungen hat, sollte man keine große Bedeutung beimessen. Der Ausdruck leitet sich von der weit verbreiteten Überzeugung ab, dass man krank wird und schlechte, wenn auch bedeutungslose Träume hat, wenn man Meerbarbenköpfe in der falschen Jahreszeit verspeist. Andererseits sollte man erkennen, dass ein Traum die Erinnerung an eine Reise in die Zukunft und damit äußerst wichtige praktische Informationen enthalten kann. Vor allem der »eindeutige« Traum (moe pi’i pololei), der klar ist und keiner Deutungen bedarf, ist besonders hilfreich.

Es gibt auch »Wunschträume« (moemoea), die einem etwas aufzeigen, wonach man sich sehnt. Dies kann in der normalen Realität erreichbar oder auch unerreichbar sein. Es gibt »Enthüllungen der Nacht« (ho’ike na ka po), die die Macht der Prophezeiung in sich bergen. Eine hochinteressante Kategorie hawaiischer Träume besteht aus Prophezeiungen, die als Geschenke der Schutzgeister unter den Ahnen angesehen werden und die Heilung der Beziehungen innerhalb einer Familie oder Gemeinschaft bewirken sollen. Träume werden außerdem von den aumakua zur Förderung der persönlichen Heilung geschickt.

Die Geister der Vorfahren vermitteln auch »Nachtnamen« (inoa po) für ungeborene Säuglinge, und es kursieren Warngeschichten über drohendes Unglück, das eintrifft, wenn die Eltern den Namen des Babys ignorieren, der ihnen in einem Traum mitgeteilt wurde. Die Hawaiianer achten ganz besonders auf Visionen, die in der Phase zwischen Schlaf und Erwachen auftauchen (hihi´o). Sie halten es für äußerst wahrscheinlich, dass solche Visionen klare Kommunikationen der Geister und »eindeutige« Einblicke in kommende Ereignisse enthalten.

In unseren Traumreisen können wir mit einem »Traummann« (kane o ka po) oder einer »Traumfrau« (wahine o ka po) zusammentreffen. Das mag zwar angenehm und sogar verlockend sein, doch die hawaiische Folklore lehrt, Vorsicht walten zu lassen. Wenn man zu viel Zeit außerhalb seines irdischen Körpers in seinem »Körper aus Wind« verbringt, könnte der physikalische Organismus geschwächt und schlapp werden. Außerdem sollte man sich vor Täuschern hüten, die die Gestalt verführerischer Sexpartner annehmen können, doch in Wahrheit etwas ganz anderes sind - nämlich trickreiche mo’o, eine Art Wasserkobold.

Wir sollten aus unseren saftigsten Träumen Energie für unser verkörpertes Leben schöpfen, statt sie dort zu lassen. Eine beliebte hawaiische Legende berichtet, wie eine Göttin das geschafft hat. Pele wurde auf ihrer Vulkaninsel durch rhythmisches Trommeln in der Ferne aufgeschreckt. Sie befahl ihren Dienern, sie drei Tage lang auf keinen Fall zu wecken, und ließ ihren Körper auf ihrem Bett aus Lava zurück. Dann reiste sie in ihrem »Körper aus Wind« so weit, bis sie schließlich die Quelle des magischen Trommelns fand: es war ein Luau-Fest, das ein stattlicher Prinz abhielt. Die Göttin und der Prinz verliebten sich und machten drei Tage lang stürmische Liebe. Anschließend kehrte Pele in den Körper zurück, den sie auf ihrem Lavabett zurückgelassen hatte. Da sie eine Göttin war, konnte sie arrangieren, dass ihr Prinz nach Big Island gebracht wurde, wo er fortan als ihr Begleiter mit ihr lebte. Für uns Menschen mag sich diese Art des Transfers zwar schwieriger gestalten, aber einen Versuch ist es immer wert!6

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