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Litauens Geburtsurkunde
ОглавлениеQuedlinburger Stiftsdamen ist zu verdanken, dass Litauen im Jahr 2009 nicht nur die Hauptstadt Vilnius als europäische Kulturhauptstadt feiern konnte, sondern, wichtiger noch für das Selbstbewusstsein, auch sein tausendjähriges Bestehen. Sie berichten in einem Eintrag zum Tod des Missionars Bruno von Querfurt, der Litauer zum Christentum bekehren wollte: „Der Heilige Erzbischof und Mönch Bruno, zubenannt Bonifacius, wurde an den Grenzen von Ruscien und Lituen von den Heiden mit achtzehn Gefährten enthauptet und kam am 9. März im elften Jahr seiner Bekehrung in den Himmel.“ Die erste verbürgte Eintragung des Landesnamens in den Quedlinburger Annalen bot Anlass zu Feiern und Ausstellungen nicht nur in Litauen, sondern auch im Quedlinburger Schloss und im Roten Rathaus in Berlin.
Sie wiesen auf den Behauptungswillen der Litauer, die sich immer wieder gegen Fremdherrschaft wehren mussten. Nach dem Großfürstentum und den Phasen der Besetzungen kamen die beiden neuerlichen Erklärungen der Unabhängigkeit 1918 und wieder 1991. Wie stark dieser Wille war, zeigte sich nicht zuletzt Anfang der Fünfziger, als etwa 100 000 Partisanen sich vergeblich gegen die sowjetische Besatzungsmacht wehrten.
Nicht nur mit Quedlinburg, der „Wiege Deutschlands“, gibt es enge Bande zwischen Litauen und Orten im weiteren Umfeld des Harzes. Vilnius und Kaunas hatten wie andere Städte Mitteleuropas das „Magdeburger Recht“ übernommen. Auch die Sammlung der Bibliotheca Augusta, der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, hat Bestände, die für die litauische Forschung und für deutsche Baltisten (die sich traditionell stärker dem Litauischen und dem Altprussischen zuwenden als dem Lettischen) von einiger Bedeutung ist. Sichtbar wird das nicht zuletzt in der Zeitschrift „Archivum Lithuanicum“, in der umfangreiche Beiträge zu der litauischen „Wolfenbütteler Postille“ von 1573 erscheinen – diese wurde ediert und gedruckt in zwei Bänden, zusammen 1 700 Seiten lang. Da die dort gesammelten lutherischen Predigttexte umfangreich und früh sind, zählen sie zu den wichtigsten Texten für Sprachwissenschaftler, Theologen und Kulturwissenschaftler zugleich. Zu den digital zugänglichen Wolfenbütteler Beständen zählt das „Religionsgespräch in Vilnius“ von 1585.
Der Wolfenbütteler Bibliotheksbegründer August der Jüngere hatte viele der Bücher noch selber erfasst und in seinen Bücherradkatalog eingetragen – als einen der letzten persönlich eingeschriebenen Texte eben die litauische Postille. Dass die herzoglichen Sammler sich Litauen besonders zuwandten und nach Werken suchten, war wohl eine Folge von Briefen, die mit dem Geschenk der litauischen Grammatik von Daniel Klein von 1653/1654 die litauische Sprache erläuterten.