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Klaipeda (Memel) – Stadt, Land, Meer

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Als Napoleon 1807 Berlin besetzte, flohen Regierung und Königshof nach Memel und erklärten es zur provisorischen Hauptstadt des preußischen Königreiches. Dort hob Friedrich Wilhelm III. mit einem Edikt die Leibeigenschaft in Preußen auf und empfing zweimal den Zaren. Als Klaipeda als älteste Stadt Litauens seine Gründung vor 750 Jahren feierte, kamen neben vielen Zehntausend Litauern vier Präsidenten aus Ostsee-Anrainern – nicht aber die Staatschefs von Deutschland und Russland, jenen beiden Ländern, die im Memelland herrschten, bevor und nachdem Litauen die Hafenstadt und das Memelland 1923 übernahm. Schon zwei Jahre nach der Gründung der Burg und der Stadt im August 1252 durch einen Vertrag zwischen dem Bischof von Kurland und dem livländischen Orden übernahm Memel von Lübeck das Stadtrecht.

Litauer gehen unbefangener mit der sechs Jahrhunderte währenden deutschen Vergangenheit Memels um als Deutsche. Das schließt den ebenso berühmten wie missbrauchten Gedichtvers Hoffmann von Fallerslebens im „Lied der Deutschen“, der Nationalhymne, ein: „Von der Maas bis an die Memel“. In einer Einführung in seine Geschichte und Literatur weist eine offizielle Broschüre darauf, dass die Grenzregion um das ostpreußische Tilsit und Memel vor dem Zweiten Weltkrieg zu Deutschland zählte. Diese waren zugleich aber Orte, in denen die litauische Nation und Kultur vor 140 Jahren wiedergeboren wurden.

Wechselvoller kann die Geschichte einer Stadt wie Memel, das auch vom Deutschen Orden, von Schweden (1629 bis 1635) und von Franzosen (1920 bis 1924) regiert wurde und Völkerbundsmandat war, kaum sein. Ordensburg – auch hier gibt es Pläne eines Wiederaufbaus – und Stadt wurden im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Die historische und kulturelle Bedeutung blieb, alte Fachwerkbauten wurden restauriert. Das Wechselhafte gilt auch für die bernsteinreiche Region „Kleinlitauen“, die sich jetzt auf drei Staaten verteilt – das Memelland kam zu Litauen, Teile Ostpreußens zu Polen und Königsberg als Exklave Kaliningrad zu Russland. Staatsgrenzen waren im vorigen Jahrhundert mehrfach – 1919, 1923, 1939 und 1945 – verschoben worden.

Klaipeda ist von der Ostsee abgetrennt durch die Kurische Nehrung, auf der Thomas Mann seinen Zyklus „Joseph und seine Brüder“ in seinem Sommerhaus im nahen Nida (Nidden) schrieb. Die Kurische Nehrung trennt das Kurische Haff von der Ostsee: ein knapp hundert Kilometer langer, allenfalls vier Kilometer breiter Streifen mit Wanderdünen, der zur Hälfte Litauen, zur Hälfte Russland (Kaliningrad/Königsberg) gehört. Zu weiteren großen Söhnen der drittgrößten Stadt Litauens zählen der Barockdichter Simon Dach, Dichter des „Ännchen von Tharau“, der Astronom Friedrich Wilhelm Argelander und der wohl bedeutendste lebende litauische Dichter Tomas Venclova. Fast genau ein Jahrhundert steht vor dem Theater die Figur des Ännchen als Brunnen und zeigt die Wechsel der Geschichte. 1939 wich sie einer Hitler-Büste, dann einem sowjetischen Panzer, bis sie 1989 als Nachguss heimkehrte.

Drei baltische Wege

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