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3 Theoretischer Ausgangspunkt II:
Vom Deutungsmusteransatz zum Konzept des Deutungslernens von Schüßler

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Noch einmal zurückgreifend auf die Erläuterungen Oevermanns stehen Deutungsmuster immer in einem engen Zusammenhang mit zwischenmenschlicher Interaktion und Kommunikation:

„Soziale Deutungsmuster sind intersubjektiv kommunizierbare und verbindliche Antworten auf objektive Probleme des Handelns“ (Oevermann 1973, S. 12).

Auch nach Arnold und Schüßler sind Deutungsmuster ein Produkt lebenslanger, zwischenmenschlicher Interaktion und Kommunikation, sie werden durch die Sozialisation in sozialen Gruppen „tradiert“ und im Verlauf des Lebens in Interaktionen auf „Viabilität“ geprüft:

„In Interaktionen werden diese Interpretationen hinsichtlich ihrer inneren Stimmigkeit und Funktionalität überprüft und zu Deutungsmustern generiert, die durch ihren kollektiven Sinngehalt Verständigung ermöglichen“ (Schüßler 1998, S. 90).

Die Interaktion wird somit zu einer Interpretation des Selbst, des Gegenübers, der Umwelt sowie einer Reflexion dieser Interpretation. Schüßler bezeichnet die Interaktion als einen „interpretativen Prozess“ (ebenda, S. 90), in dem die Interagierenden wechselseitig die Handlungen und Aussagen interpretieren und diese Interpretationen den jeweils nächsten Handlungsschritt bestimmen. Diese Interaktions- und Interpretationsleistung auf der Grundlage der Deutungsmuster konstituiert erst die soziale Wirklichkeit. Dieser interpretative Prozess vollzieht sich nach Schüßler jedoch grundsätzlich in jeder Alltagssituation und wird gerade hierin selten bewusst erlebt, sondern vollzieht sich automatisch. Diese automatische und unbewusste Interpretation führt dann dazu, dass die Wirklichkeit als gegeben und unveränderbar und nicht etwa als Konstrukt wahrgenommen wird.

Dieser interpretative Prozess nach Schüßler – oder anders: dieses interpretative Paradigma (Interaktions- und Interpretationsleistungen konstituieren die soziale Wirklichkeit und sind in veränderten Handlungskontexten selbst einer Überarbeitung unterworfen) – basiert auf den drei Prämissen des symbolischen Interaktionismus von Blumer (1973), welche hier frei wiedergegeben werden sollen:

1 Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der Bedeutungen, welche sie für diese Dinge haben.

2 Die Bedeutung solcher Dinge entsteht aus der sozialen Interaktion mit Mitmenschen oder wird von ihr abgeleitet.

3 Bedeutungen werden in einem interpretativen Prozess (in der Auseinandersetzung mit der Umwelt) benutzt, gehandhabt und geändert (vgl. Blumer 1973, S. 81).

Hieran wird erkennbar, dass diese als Deutungsmuster, Deutung oder Bedeutung bezeichneten präexistenten Strukturen immer durch Interaktion entstehen und durch Interaktion weiterentwickelt werden. Gerade hier setzt das Konzept des Deutungslernens an. Bei einem Lehr/​Lernkontext handelt es sich um eine Interaktion, also wird auch ein Lehr-/​Lernkontext von den Deutungen bestimmt, die alle Beteiligten an der Interaktion besitzen. D. h. auch in einem Lehr-/​Lernkontext wird sowohl der Lehrende als auch der Lernende das Gegenüber, den Lehrinhalt sowie den Lernkontext interpretieren und somit die „Lehr-/​Lernwirklichkeit“ mitkonstruieren. Schüßler (1998, S. 91) fasst diesen Interpretationsprozess im Lehr-/​Lernkontext wie folgt zusammen:

„Für den Lernprozess heißt das, dass der Lehrende und die Lernenden erst durch zirkuläre Kommunikations- und Interaktionsprozesse die Wirklichkeit im Lehr-/​Lern-Prozess entwerfen und mithin – wenn auch unbewusst – das beeinflussen, was gelernt wird.“

Abbildung 3:

Deutungen im Interaktionsprozess

Abbildung 3 verdeutlicht diesen Interaktionsprozess: Die Pfeile stellen die jeweilige Interpretation/​Deutung dar. Der Lernende interpretiert den Lehrinhalt, den Lehrenden sowie den Lernkontext auf der Grundlage seiner vorhandenen Deutungsmuster. Gleiches gilt für den Lehrenden. Somit wird der Lehr-/​Lernprozess zu einem zirkulären Interaktions- und Interpretationsprozess, zu einer sozialen Konstruktion der Wirklichkeit.

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