Читать книгу Die beste Zeit ist genau jetzt - Robin Lang - Страница 3

1 10. September 2016

Оглавление

- Lucca -

Ich schaute mich in meinem Zimmer um – hatte ich tatsächlich alles Wichtige eingepackt?

Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und nahm alles in mich auf.

An der Wand hingen Bilder aus alten Tagen.

Ich auf Skiern zusammen mit meiner Schwester, ich inmitten meiner Volleyballmannschaft, mit einem breiten Grinsen im Gesicht – kurz nach dem Aufstieg in die nächst höhere Spielklasse. Meine Urkunden von Leichtathletikwettkämpfen.

Wieso hatte ich das nur alles hängen lassen?

Aber sie jetzt abzunehmen würde auch keinen Sinn mehr machen.

Ich griff an meine Räder, drehte mich auf der Stelle und rollte aus meinem Zimmer raus, meinen Rucksack auf dem Schoß. Ich schloss die Tür leise hinter mir und stand meinen Eltern gegenüber.

Meine Mutter hatte Tränen in den Augen.

„Lucca, bist du sicher, dass du das willst? Wieso musst du von uns weggehen? Wieso in eine andere Stadt. Du hattest es doch so gut bei uns, oder?“

Meine Mama – sie verstand es einfach nicht!

Die letzten sieben Jahre war ich in einem goldenen Käfig groß geworden. Nie hatte ich es wirklich geschafft, zu leben.

Seit dem Unfall hatte ich fast alle Entscheidungen meinen Eltern überlassen. Der Hausunterricht, das Fernabitur, die Lehre im Hotel meiner Eltern. Meine Schwester hatte ihre Flügel ausgestreckt und das heimische Nest verlassen, kaum, dass sie 18 geworden war. So hatte ich seit fünf Jahren mit meinen Eltern allein in diesem Haus gelebt. Sie hatten für mich alles umbauen lassen. Ich bekam einen Treppenlift, das Badezimmer war vergrößert worden – ich will nicht undankbar klingen, aber ab und zu hatte ich das Gefühl, dass sie mich mit all den Umbaumaßnahmen dazu bringen wollten, nie wegzugehen.

Es war ein Unfall, ich hatte nie jemandem einen Vorwurf gemacht. Aber die Schuldgefühle meiner Umgebung hatten mir manchmal die Luft zum Atmen genommen.

Nun war ich 24 und es wurde für mich Zeit, hier rauszukommen.

Ich war noch nie weit oder lange von zu Hause weg gewesen – sieht man von den Klassenfahrten in der Schule bis Klasse acht oder den Aufenthalten in der Reha in den letzten Jahren ab.

Unzufrieden mit der Situation hier war ich schon länger, aber ich brauchte die richtige Gelegenheit, den richtigen Job. Ich brauchte einen neuen Anfang – aber nicht auf Teufel komm raus. Es musste passen!

Ich konnte mich noch gut erinnern, wie ich vor über zwei Wochen in meiner Pause die Zeitung gelesen hatte und dort die Anzeige sah, die mein Leben verändern sollte. Es war eine eher unscheinbare Anzeige, eine Werbeagentur suchte eine neue Kraft für die Rezeption. Man sollte über Erfahrung, Freude am Umgang mit Menschen, aber auch Ellenbogen zum Durchsetzen, Teamfähigkeit und gute Englischkenntnisse verfügen. Das passte alles genau auf mich. Neben Englisch sprach ich noch Spanisch und Französisch – was sollte man sonst tun, wenn man fast ein Jahr nur im Krankenhaus gelegen hat? Ich hatte mir zuerst leid getan, die Welt verflucht, die mitleidigen Blicke meiner Freunde ausgehalten, mit meinem Freund Schluss gemacht, mir noch ein bisschen leid getan und dann angefangen, nach vorne zu blicken.

Ich hatte meine Energie kanalisiert, wie es einer der mich betreuenden Psychologen so schön ausgedrückt hatte.

Zum einen begann ich, wie verrückt die Unterrichtsinhalte nachzuarbeiten, lernte die Sprachen und dann arbeitete ich so intensiv an und mit meinem Körper, dass ich vier Jahre nach meinem Unfall am Heidelberger Rollimarathon teilgenommen hatte. Es war ein harter Kampf bis dahin gewesen. Gegen viele Widerstände, aber wenn ich eines gelernt hatte: aufgeben gab es nicht, weder mich selber, noch mein Ziel.

So hatte ich mich also schlau gemacht über die Firma „Mc & M“, ich hatte sie im Internet gesucht, mir die Fotogalerie angesehen – wobei mir nur eine Kollegin direkt total unsympathisch war. Außerdem suchte ich Informationen über den Standort des Büros. Und als ich feststellte, dass es in einem Gebäude lag, das nach neusten Standards gebaut war, also über behindertengerechte Parkplätze, Aufzüge und Toiletten verfügte, war die Sache für mich klar. Ich schrieb die Bewerbung und ließ nichts aus, spielte mit offenen Karten, holte mir Referenzen aus all unseren Abteilungen im Hotel. Mein Onkel – und der Mitinhaber – war mir eine große Hilfe, denn mein Vater hätte mir am liebsten gar kein Zeugnis ausgestellt. Wie gesagt, meine Eltern wären froh, wenn ich für immer bei ihnen bleiben würde. Aber für mich stand fest, dass ich mit 24 Jahren auf eigenen Beinen stehen musste – wenn auch nur im übertragenen Sinne.

Mein Weg schien der richtige gewesen zu sein, denn ich wurde nicht nur zu dem Bewerbungsgespräch eingeladen, nein, ich hatte sogar den Job bekommen. Und die Stelle hatte noch ein Gutes – ich hatte bereits am Tag der Bewerbung eine wundervolle Frau kennengelernt. Sue war nur zwei Jahre älter als ich, arbeitete seit Februar in der Firma und hatte mir sogar angeboten, übergangsweise bei ihr zu wohnen.

Auf dieses Angebot war ich eingegangen.

Ich sollte bereits zum 15. September stundenweise anfangen, um alle Abläufe kennen zu lernen und um eingearbeitet zu werden.

Die Frau, die den Job bisher gemacht hatte, würde zum 1. 10. aufhören. Bis dahin wollte ich die Zeit nutzen, um mich an die Leute, das Aufgabenfeld und die Umgebung zu gewöhnen. Außerdem wollte ich mir eine bezahlbare Wohnung suchen. Wobei bezahlbar relativ war, ich hatte noch so gut wie nichts von dem Schmerzensgeld meines Unfalls gebraucht – man konnte mich durchaus vermögend nennen. Aber man konnte eben nicht alles mit Geld bezahlen!

Ich schaute auf die Uhr – noch eine Stunde, dann würde Sue zusammen mit „ihrer Familie“ hier auftauchen, um mir beim Umzug zu helfen. Es handelte sich dabei um Teile ihre Clique, die wohl wie Pech und Schwefel zusammen hielten.

Ihren Freund hatte ich schon kennengelernt – wie es der Zufall so wollte, war sie mit unserem Chef zusammen. Ein super sexy Typ aus den USA, der Sue zuliebe nach Deutschland übergesiedelt hat. So, wie ich Sue verstanden hatte, würde sie noch ein befreundetes Pärchen mitbringen, das beim Schleppen helfen sollte.

Sue und ihr Freund Nate – oder Jonathan McCabe – hatten mich hier auch schon besucht. Nate hatte einen guten Eindruck auf meine Eltern gemacht und ihnen sowohl als mein zukünftiger Chef als auch als mein vorübergehender Mitbewohner fest versprochen, dass er immer auf mich aufpassen würde.

Das hatte sie etwas beruhigt, denn Nate war 30 – für meine Eltern ein klares Indiz dafür, dass er auch verantwortungsbewusst sein würde.

So saßen wir nun in der Küche und warteten. Diese angespannte Stille, dieses unangenehme Schweigen herrschte so oft in diesem Haus, dass ich manchmal einfach nur schreien wollte. Auch nach sieben Jahren konnten meine Eltern nur schwer mit der Situation umgehen.

Zum Glück klingelte es – ob Sue und ihre Freunde zu früh waren?

Mein Vater schien auch froh, der Küche entkommen zu können, er sprang förmlich auf, um zu öffnen.

Wir hörten Stimmen aus dem Flur, Stimmen, die immer lauter wurden.

„Nein, Lucca will dich nicht sehen, es ist mir egal, was du gehört hast …“

„Bitte, Herr Thoma, nur kurz, ich … “

Oh nein, warum heute?

Wieso tauchte Tobi, mein Exfreund seit sieben Jahren, ausgerechnet heute hier auf? Das Schicksal ersparte mir auch gar nichts.

Gefolgt von meiner Mutter machte ich mich auf den Weg zur Haustür, wo mein Vater alles tat, um Tobi loszuwerden.

„Lucca – bitte, ich muss mit dir reden!“, rief er, als er mich sah.

Mein Vater warf mir einen fragenden Blick zu, ich nickte nur kurz und fuhr an allen vorbei raus auf den Hof, Tobi folgte mir.

„Du siehst gut aus …“

„Tobi, lass die Floskeln, was willst du? Du hast seit damals nicht mit mir geredet, also warum heute?“

„Ich habe gehört, dass du weggehst. Ich finde, du solltest nicht gehen, du gehörst doch hier her! Ich wollte mich noch mal für alles bei dir entschuldigen, ich …“

„Mein Entschluss steht fest, es geht dich nichts an und was die Entschuldigung angeht – die kommt ein bisschen spät, meinst du nicht?“

„Ich …“

Zum Glück fuhr in diesem Moment ein schwarzer Lieferwagen mit der Aufschrift „Studio Mr. Van T.“ durch die Einfahrt – das Motorgeräusch übertönte alles, was Tobi noch hätte sagen wollen. Kaum hielt der Wagen, öffnete sich die Beifahrertür und Sue kam herausgesprungen. Sie rannte auf mich zu und nahm mich zur Begrüßung in den Arm.

„Hi, Süße, fertig für den großen Tag? Ich freu' mich so, das wird sooooo toll!“

Sie klang, als wäre sie 13 und wir wären auf dem Weg zur Klassenfahrt oder sowas. Nate kam angeschlendert, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und nahm seine Freundin in den Arm.

„Beautiful – überfall Lucca doch nicht so, wenn du Pech hast, dann überlegt sie sich das nochmal!“ Aber er lachte dabei übers ganze Gesicht.

Dann wendete er sich Tobi zu.

„Und wer bist du? Willst du auch helfen?“

In diesem Moment stiegen noch zwei Männer aus dem Van. Sie waren um einiges älter als ich und wirkten ziemlich imposant. Sie trugen T-Shirts, die nichts von ihren Tattoos verdeckten, zumindest nicht an ihren Armen. So, wie sie aussahen, zogen sich die Tattoos aber bestimmt auch weiter über den Körper.

Der eine ergriff das Wort: „Ich glaube nicht, dass dieser Milchbubi uns helfen könnte!“ Dabei lachte er und schlang seinen Arm um den anderen Mann, der in das Gelächter mit einstimmte. Die Umarmung sah nicht so aus, als wäre sie einfach nur eine kumpelhafte Geste.

Dann wandte er sich an mich und streckte mir seine (zum Teil ebenfalls tätowierte) Hand entgegen.

„Hi, ich bin David und das ist mein Mann Michael. Du musst Lucca sein. Sue spricht von nichts anderem mehr.“

Dann sah er noch mal zu Tobi – oder besser auf ihn herab. Tobi schaute völlig überfordert von einem zum anderen.

Ich wusste, was er denken musste. Bei uns in der Gegend sah man solche Männer selten – Nate mit modischem Bart, langen Haaren, die zum Zopf gebunden waren, David und Michael ziemlich tätowiert, groß, breitschultrig. Davids blonde Haare waren an den Seiten kurz rasiert, dafür hing ihm das Deckhaar bis weit über die Schultern. Michael hatte eine schier unendliche Zahl von kleinen Ringen im rechten Ohr, dazu noch Stecker in Augenbrauen und Nase. Seine Haare waren rabenschwarz und eindeutig gefärbt, die Augen geschminkt.

Aber beide Männer – ich schätzte sie auf Mitte 30 – machten einen so ruhigen, netten Eindruck, nicht zuletzt, weil Michael mir zuzwinkerte, dass ich am liebsten laut losgelacht hätte.

Mein Umzug würde ein Spektakel auslösen in unserem kleinen Dorf, da war ich mir nun noch sicherer.

Tobi war mehr der Schicki-Micki Typ, immer wie aus dem Ei gepellt, kein Haar lag falsch, die Klamotten gebügelt – der Traumtyp in unserem kleinen Ort. Etwas, was auch vor sieben Jahren so gewesen war und heute immer noch so war. Mit seinen 27 Jahren war er einer der begehrtesten Junggesellen. Wenn ich ihn aber jetzt so neben diesen Männern stehen sah, musste ich David recht geben – er wirkte wirklich eher wie ein Milchbubi.

„Das ist Tobi – er wollte gerade gehen, er hat alles gesagt, was er zu sagen hatte. Oder gibt es noch etwas?“

Tobi starrte mich an, als hätte er kein Wort verstanden. Er stotterte ein bisschen rum und meinte dann: „Ne, das heißt ja, ich … ich geh dann mal. Pass auf dich auf, Lucca!“

Mit diesen Worten sah er bedeutungsschwanger in die Runde – als wollte er mich vor diesen Menschen warnen!

David schien das zu merken, denn er sagte prompt: „Sag mal, Lucca – bist du Tattoo-Jungfrau? Das werden wir ändern, wir machen direkt einen Termin bei uns im Studio!“ Dabei zwinkerte er mir zu. Allerdings gefiel mir die Idee eines Tattoos ziemlich gut. Wenn ich nun bald an der Quelle sitzen würde, vielleicht würde ich es tatsächlich machen.

Nate klatschte in die Hände.

„Alles fertig, Lucca – was muss alles mit?“

Ich führte die vier in die Garage, wo wir alles eingelagert hatten, was auf jeden Fall mit musste. Dazu gehörten mein Rennrolli, wie ich ihn liebevoll nannte, außerdem mein Schreibtischstuhl und mein Bett. Das waren Dinge, auf die ich auf keinen Fall verzichten konnte – Sue hatte mir versichert, dass es für die Männer überhaupt kein Problem sei, die Sachen zuerst zu ihr und dann später in meine eigene Wohnung zu bringen.

Meine Koffer passten fast alle in mein Auto, genauso wie mein Alltagsrolli.

Nach nicht mal 20 Minuten waren all meine Sachen verstaut.

Meine Eltern hatten die ganze Zeit stumm daneben gestanden. Meine Mutter wieder mit Tränen in den Augen, mein Vater äußerlich ruhig, aber ich wusste, auch für ihn war es nicht leicht, mich gehen zu lassen. Allerdings würde er es nie zeigen und er würde nie versuchen, mich so unter Druck zu setzen wie meine Mutter.

Während ich das Einladen überwachte, bekam ich mit, wie sich David und Michael meinen Eltern vorstellten. Meine Mutter traute sich fast nicht, die ihr entgegengestreckten Hände zu nehmen, aber nach kurzer Zeit hörte ich sie mit den beiden sogar lachen.

Vielleicht würde ja doch alles gut werden?

Ich hoffte, dass meine Eltern meine Entscheidung bald akzeptieren würden, denn ich würde höchstens noch zu Besuchen zurück kommen – aber nur, wenn sie mich auch wirklich gehen ließen.

Ich beobachtete meine Eltern – sie waren alt geworden in den letzten Jahren.

Sowohl meine Schwester als auch ich waren Wunschkinder gewesen, wir waren gerade mal ein Jahr auseinander. Allerdings waren meine Eltern damals schon 40 und 43 Jahre alt gewesen. Und wenn ich mir die beiden jetzt so anschaute – heute sah man ihnen jedes ihrer Jahre an.

Mein Vater ging auf die 70 zu und trotzdem war er noch jeden Tag im Hotel. Wer weiß, wenn ich weg war, vielleicht würden sie dann endlich einen Gang runter schalten und ihr Leben genießen?

„Hey, Lucca – was sagst du, bereit? Ich werde mit dir fahren, die Jungs fahren mit dem Van, dann können sie Männergespräche führen und Kochrezepte austauschen, denn unsere Machos sind in Wirklichkeit butterweich. Michael steht auf Kitsch wie'n Mädchen und du findest kaum bessere Köche als David und Nate! Aber das bleibt unter uns, ja?“

Ich musste lachen – doch, ich würde mich wohl fühlen mit diesen Menschen!

Gerade, als ich zu meinen Eltern rüber wollte, zeigte mein Handy eine eingehende Nachricht an.

Als ich den Namen des Absenders sah, musste ich lächeln.

Wenn meine Eltern wüssten, dass er und ich so guten Kontakt hatten, dann würden sie wahrscheinlich an mir und meinem Geisteszustand zweifeln – noch mehr als sonst. Aber Herr Wagner – Max – und ich hatten vor langem unseren Frieden miteinander gemacht.

Für ihn hatte sich vor sieben Jahren auch alles von heute auf morgen geändert. Zuerst war es etwas komisch, aber mit der Zeit wurde er zu einer der wenigen Personen, mit denen ich wirklich reden konnte.

Es war sein Auto gewesen, das mich angefahren und damit in den Rollstuhl befördert hatte. Ich war ihm vor's Auto gelaufen, er war nicht zu schnell, ich aber zu unaufmerksam. Leider hatte der Rest unserer kleinen Stadt das nicht so gesehen.

Max war damals Anfang 30 gewesen, erst vor Kurzem zugezogen, alleinlebend, nur mit seinen Hunden. Er war den Leuten hier sowieso suspekt gewesen, denn er hatte ein Haus am Ortsrand gekauft und alleine umgebaut.

Es war einfacher, ihm die Schuld für den Unfall zu geben. Ihm, dem Neuen, dem Unbekannten. Besser als mir, der „goldenen Tochter“, die sportlich, beliebt und aus gutem Hause war.

Er hatte mich damals oft im Krankenhaus besucht – sehr zum Missfallen aller, die die Geschichte gerne nur schwarz-weiß gesehen hätten.

Während meine Familie nie so genau wusste, wie sie mit mir reden sollten und meine Freunde mit der Situation völlig überfordert waren, kamen Max und ich uns immer näher. Nein, nicht so … , er war wie ein väterlicher Freund, ein großer Bruder. Er hatte nach einer schweren Zeit Ruhe bei uns im Dorf gesucht und war innerhalb kurzer Zeit zum absoluten Buhmann geworden. Durch mich!

Das tat er immer lachend ab – er habe sowieso keinen Kontakt gewollt, sondern eher die Ruhe gesucht, meinte er dann immer.

Ich hatte oft in seiner Werkstatt gesessen, Kaffee mit ihm getrunken und ihm zugesehen, geredet, geschwiegen, wenn ich die Stille in meinem Elternhaus nicht ausgehalten hatte.

Wenn ich ehrlich war, dann würde ich neben meinen Eltern nur Max vermissen, wenn ich jetzt wegging.

Ich öffnete die Nachricht.

„Die Spatzen pfeifen es von den Dächern – sogar ich hab es gehört :-) Du verlässt uns heute?“

„Das hab ich dir schon oft erzählt, tu nicht so!“

„Ich werd dich vermissen, Kleines, wer trinkt denn nun in Zukunft meinen Kaffee?“

„Du hast meine neue Adresse, komm mich besuchen – du wirst mir auch fehlen …“

Es stimmte, er würde mir fehlen, er hatte mir viel Halt und Freundschaft gegeben.

Ich musste an unsere letzte Unterhaltung zurückdenken.

Ich hatte ihm halb ernst halb lachend vorgeschlagen, mitzukommen, weil ihn hier doch sowieso nichts halten würde.

Er hatte mich ernst angeschaut und gemeint: „Wenn ich soweit bin, vielleicht tu ich das, Kleines, aber noch bin ich nicht soweit!“

Eine neue Nachricht riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich habe auch gehört, dass das Arschloch bei dir aufgetaucht ist – alles klar?“

(Max hatte Tobi nicht ein einziges Mal bei seinem Namen genannt - für ihn war er immer das Arschloch gewesen, womit er im Grunde ja recht hatte!)

„Ja, er kam, um sich zu entschuldigen für damals, als würde mich das heute noch interessieren! So, wir fahren ab, genieß die Ruhe und danke für alles!“

Wenn ich noch mehr mit Max schreiben würde, dann würden mir gleich die Tränen kommen. Es fiel mir wirklich schwer, ihn zu verlassen, meinen Fels in der Brandung!

Ich verstaute mein Handy und sah zu David, Michael und Nate hinüber, die miteinander herumalberten. Was wäre, wenn Max solche Freunde hätte? Wäre er dann ein anderer geworden? Auf jeden Fall konnte ich ihn mir mit den dreien zusammen besser vorstellen, als alleine mit seinen Hunden in seinem Haus. Aber er hatte ja gesagt, dass er noch nicht so weit sei. Wer weiß, was die Zeit so bringen würde?

Die beste Zeit ist genau jetzt

Подняться наверх