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Zwischen Mamluken und Mongolen

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1250 – 1260

Mit Turanschahs blutigem Herzen zu Ludwigs Füßen und seiner in den Nil geworfenen Leiche erlosch die Dynastie der Aiyubiden. Das Mamluken-Regiment, das Turanschahs Vater al-Malik al-Salih geschaffen hatte, hatte die Christen in Mansura vernichtet und Ägypten gerettet. Dieses Korps von Berufssoldaten war zur Macht hinter dem Aiyubiden-Thron aufgestiegen, und im Lauf der 1250er-Jahre übernahmen die Mamluken den Thron. Es war ein langwieriger Prozess; zehn Jahre nahm er in Anspruch. Dazu gehörten Marionettenherrscher und innere Kämpfe zwischen verschiedenen Mamluken-Fraktionen. Die ehemaligen Militärsklaven schürten Zwietracht in Kairo, dessen Bürger die Anwesenheit von Türken in ihrer Mitte fürchtete. Aktai, der Führer des Bahriya-Regiments, wurde von seinem Rivalen Qutuz ermordet, und das Regiment wurde, als Baibars an Einfluss gewann, 1254 aus Ägypten vertrieben. Für den Rest des Jahrzehnts verbesserte Baibars seine Führungs- und Kampfqualitäten im Namen verschiedener Duodezfürsten der Aiyubiden in Syrien. In Ägypten manipulierte Qutuz Kandidaten für den Thron und erklärte sich im Jahr 1259 selbst zum Sultan.

Die Kampfesweise zu Pferde der Mamluken und Mongolen

Ludwig IX. scheute – das muss man ihm anrechnen – nicht die Konsequenzen seines gescheiterten Kreuzzugs. Statt nach Frankreich zurückzukehren, blieb er vier Jahre lang im Heiligen Land, kaufte Gefangene frei und befestigte die restlichen Kreuzritterbastionen in Akkon, Caesarea, Jaffa und Sidon unter erheblichen persönlichen Kosten. Er stellte ein ständiges französisches Regiment in Akkon auf, eine kleine, aber schlagkräftige Truppe, und hielt auch Ausschau nach potenziellen Verbündeten gegen die muslimische Übermacht.

Seit geraumer Zeit drangen widersprüchliche Nachrichten vom Vormarsch der Mongolen in den christlichen Westen – und keimte die Hoffnung, dass die Könige der Mongolen Christen werden könnten oder gar waren. Doch die Fakten sprachen eine andere Sprache. In den 1240er-Jahren wurde Osteuropa von den Mongolen überrannt. Im Jahr 1249 hatte Ludwig, während er in Zypern seinen Kreuzzug vorbereitete, Gesandte der Mongolen in Persien empfangen. Als Antwort schickte er zwei dominikanische Mönche (von denen André de Longjumeau die nötigen Sprachen beherrschte) zu ihnen, um den Mongolen »zu zeigen und sie zu lehren, wie sie glauben sollten«. Die Missionare bewiesen einen fantasievollen Einblick in das Nomadenleben ihrer potenziellen Konvertiten, indem sie ein Zelt als Kapelle mitnahmen, das mit Szenen aus dem Leben Christi, sowie Kelchen, Büchern und allem geschmückt war, was die Mönche zur Feier der Messe benötigten.1

Die Reise dauerte zwei Jahre und führte die beiden Mönche ins Herz Zentralasiens bis an den Hof der Mongolen. Longjumeau kehrte schließlich zurück und traf Ludwig in Caesarea an, als er die Befestigung der Stadt nach seinem Scheitern am Nil beaufsichtigte. Sein etwas verworrener Bericht war eine einzige Desillusionierung. Die Mönche hatten ein Bild der Verwüstung gesehen: Städte in Trümmern, Berge von Menschenknochen. Man hatte sie mit der Warnung zurückgeschickt, dass die Khane der Mongolen alle ihre Widersacher mit dem Schwert erschlagen würden: »Und dies künden wir dir zur Warnung. Denn Frieden kannst du nur bei uns haben. … Wir befehlen dir, uns jedes Jahr so viel von deinem Gold und Silber zu senden, dass du uns zum Freund behältst. Andernfalls werden wir dich und dein Volk zu Staub zermalmen.« Unterwerfen oder sterben: Vor dieser Wahl sollte in Kürze der ganze Nahe Osten stehen. Ludwig antwortete nicht.2

Im Jahr 1253 erhielt Hülägü Khan, der Bruder von Möngke Khan, dem Großkhan des Mongolenreiches und Enkel Dschingis Khans, den Befehl, mit seinem Heer nach Westen »bis zu den Grenzen Ägyptens« zu ziehen. Die Vernichtung des Islam war das Ziel, ein Schritt zur mongolischen Weltherrschaft. Im Jahr 1256 traf Hülägü in Persien ein.3

Zwei Jahre danach versetzten die Mongolen der islamischen Welt einen Schlag, der noch jahrhundertelang nachklang. Im Januar 1258 belagerte Hülägü Bagdad, das seit einem halben Jahrtausend der Sitz des Kalifats der Abbasiden war, eine Quelle der Gelehrsamkeit und Kultur und das intellektuelle Zentrum der islamischen Welt. Mithilfe von chinesischen Belagerungsmaschinen fielen Anfang Februar Bagdads Mauern. Die Kapitulation änderte nichts daran: Die Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt; Moscheen, Paläste, Bibliotheken und Krankenhäuser wurden zerstört. Die Schätzungen der Todesopfer schwankten extrem zwischen 90 000 und 800 000. Der Tigris färbte sich schwarz durch die Tinte Tausender Bücher, die ins Wasser geworfen wurden; ihre Ledereinbände riss man ab, um daraus Sandalen herzustellen. Der letzte Abbasiden-Kalif wurde in eine Decke eingerollt und von mongolischen Reitern zu Tode getrampelt. Die Plünderung Bagdads erschütterte den Islam in seinen Grundfesten.

Im September 1259 überquerte Hülägü mit einem gewaltigen Heer von vielleicht 120 000 Mann auf Ponton-Brücken den Euphrat, Syrien fest im Blick. Die christlichen Königreiche von Outremer befanden sich in einer misslichen Lage. Hethum I., der christliche König von Kleinarmenien im Südwesten der heutigen Türkei, erkannte die Oberherrschaft der Mongolen an; es war bekannt, dass Hülägüs General Kitbuqa von Nestorianern zum Christentum bekehrt worden war, und Hethum glaubte naiv, die Mongolen wollten Jerusalem für die Christen zurückerobern. Er versuchte, andere christliche Enklaven zu überreden, sich den Mongolen zu unterwerfen; nur sein Schwiegersohn Bohemund VI., der Herrscher des kleinen Fürstentums Antiochia und Graf von Tripolis, antwortete. Als Aleppo fiel, wurden die Muslime mit dem Schwert erschlagen; armenische Christen brannten die große Moschee nieder. Damaskus sah das Unheil kommen und öffnete den Mongolen im März 1260 einfach die Tore. Die Christen der Stadt feierten hemmungslos die Niederlage ihrer muslimischen Nachbarn, läuteten die Kirchenglocken und tranken Wein während des Ramadan – Erniedrigungen, die nicht vergessen werden sollten. Binnen kurzer Zeit nach der Kapitulation vieler Aiyubiden-Fürsten war fast ganz Syrien in den Händen der Mongolen, die weiter nach Süden an die Grenze zu Ägypten vorrückten. Der islamischen Welt drohte der Zusammenbruch.

Akkon befand sich in Aufruhr. Ende der 1250er-Jahre wurde die Stadt zum Epizentrum der wachsenden Rivalität zwischen Genua und Venedig, die in einem regelrechten Krieg kulminierte, dem sogenannten Krieg von St. Sabas. Die vorgeblich um den Besitz des gleichnamigen, zwischen genuesischem und venezianischem Viertel gelegenen Klosters geführte Auseinandersetzung war ein Abbild des größeren Kampfes um die Handelsvorherrschaft im ganzen Mittelmeer und im Schwarzen Meer. Der Wettstreit erfasste so gut wie alle Fraktionen der Stadt und jene der umliegenden Kreuzfahrerstaaten. Die Johanniter waren für die Genuesen, die Templer und Deutschen Ordensritter für Venedig; die Pisaner stellten sich zuerst auf die Seite Genuas, ehe sie zu Venedig wechselten; die mächtigen Barone von Outremer ergriffen ganz ähnlich Partei. Der jahrelange Konflikt umfasste Seeschlachten, Blockaden und Belagerungen in einem ungeahnten Ausmaß. In Akkon selbst beschossen sich die beiden Parteien aus kürzester Entfernung mit Katapulten und schleuderten Felsblöcke über die Mauern der befestigten Komplexe in ihre Nachbarviertel. Die Chroniken berichten, dass es 1258

… das ganze Jahr über mindestens 60 Maschinen gab, von denen jede einzelne die Stadt Akkon bewarf, die Häuser, Türme und Wehrtürme, und sie zerschlugen jedes Gebäude, das sie trafen, und machten es dem Erdboden gleich … Das hieß, dass fast alle Türme und starken Häuser in Akkon zerstört waren, außer den religiösen. 20 000 Männer starben in diesem Krieg auf der einen oder anderen Seite … Die Stadt Akkon wurde durch diesen Krieg völlig verwüstet, als wäre sie in einem Krieg zwischen Christen und Sarazenen zerstört worden.4

Die Zahl der Todesopfer dürfte übertrieben sein, doch der Konflikt legte mit Sicherheit große Teile der Stadt in Schutt und Asche. Häuser, Lagerhäuser, Schiffe und Wehrtürme wurden zerstört, ehe die Genuesen endlich abzogen und ihr Viertel eingeebnet wurde. Sie zogen die Küste entlang nach Tyrus. Akkon hatte einen umfassenden Wiederaufbau nötig; der Handel war beschädigt, die Spaltung zwischen den Gruppen hatte sich verschärft, und die Bevölkerung war dezimiert.

Um die gleiche Zeit spürte das Königreich Jerusalem allmählich den Druck des mongolischen Vordringens. Hülägüs wahre Absichten wurden in einem Befehl an einen seiner Feldherren von 1257 deutlich: Er sollte »bis zur Küste des Meeres vorrücken und diese Länder den Händen der Kinder Frankreichs und Englands entreißen«.5 Akkon hatte Hethums Drängen, sich den Mongolen anzuschließen, nicht nachgegeben. Noch im selben Jahr erhielt die Stadt die unverblümte Aufforderung, sich zu unterwerfen. Wenn man nach den Militärorden geht, war die Entschlossenheit groß: »Lasst deshalb diese Tataren – diese Dämonen des Tartarus – nur kommen, und sie werden die Diener Christi gerüstet und bereit zum Kampf antreffen.«6 Im Februar 1260 forderte Hülägüs General Kitbuqa die Stadt unmissverständlich auf, die Mauern zu schleifen. Der Kriegsrat in Akkon ignorierte ihn und verstärkte stattdessen die Befestigungen. Er ging sogar so weit, dass bei der Suche nach geeignetem Baumaterial von den außerhalb liegenden Friedhöfen die Grabsteine geraubt wurden. Es gab keinen Grund, sich große Hoffnungen im Falle einer freiwilligen Unterwerfung oder eines Bündnisses zu machen. Sowohl Armenien als auch Antiochia waren zu Vasallen degradiert worden. Als der Herr von Sidon einen ungestümen Angriff wagte, schlugen mongolische Kräfte zurück, plünderten die Stadt und machten sie dem Erdboden gleich. Die Mongolen hegten eine uneingeschränkte Verachtung gegenüber anderen Volksgruppen. Nach Europa wurden Hilferufe gesandt, nicht nur aus Angst vor den Mongolen, sondern auch in der Hoffnung, dass bei dem Schwinden der Macht des Islam und der Fokussierung der Mongolen auf Ägypten womöglich die Chance bestand, das eigene Herrschaftsgebiet zu vergrößern. Der Appell lautete:

Wir glauben wirklich, dass Jerusalem und das ganze Königreich Jerusalem, mit Gottes Hilfe, ohne Weiteres erlangt werden könnten, wenn jene, die sich Christen nennen, rasch und mannhaft bereit wären, uns beizustehen. Denn die Sarazenen sind jetzt größtenteils verschwunden. Und was die Tataren angeht, wenn sie auf Widerstand seitens der Lateiner stoßen, so sind wir überzeugt, dass sie je stärker [der Widerstand], auf den sie zu stoßen fürchten, desto eher ihre blutgetränkten Schwerter in die Scheide stecken werden.7

Doch es folgte kein Kreuzzug auf den Appell. Akkon war zu bangem Abwarten verdammt. Als der Mongolensturm kam, waren die Kreuzfahrerstaaten lediglich Zuschauer. Anfang 1260 trafen mongolische Botschafter mit einer vertrauten Botschaft in Kairo ein:

Vom König der Könige des Ostens und Westens, dem Großkhan. An Qutuz, den Mamluken, der flüchtete, um unseren Schwertern zu entrinnen.

Du solltest an das denken, was anderen Ländern zustieß … und dich uns unterwerfen. Du hast jetzt gehört, wie wir ein riesiges Reich erobert und die Erde von den Schweinereien gereinigt haben, die sie beschmutzten. Wir haben riesige Gebiete erobert und die ganze Bevölkerung umgebracht. Du kannst dem Schrecken unserer Heere nicht entkommen. Wohin kannst du fliehen? Welche Straße wirst du nehmen, um uns zu entrinnen? Unsere Pferde sind schnell, unsere Pfeile scharf, unsere Schwerter wie Blitze, unsere Herzen so hart wie die Berge, unsere Soldaten so zahlreich wie der Sand. Festungen werden uns nicht abhalten noch Heere stoppen. Deine Gebete an Gott werden gegen uns nichts nutzen. Wir lassen uns nicht von Tränen rühren noch von Klagen bewegen. Nur jene, die unseren Schutz erbitten, werden sicher sein.

Beeile dich mit deiner Antwort, ehe das Kriegsfeuer entfacht ist … Leistest du Widerstand, so wirst du die furchtbarste aller Katastrophen erleiden. Wir zertrümmern deine Moscheen und enthüllen die Schwäche deines Gottes, und dann werden wir deine Kinder zusammen mit den Alten töten.

Derzeit bist du der einzige Gegner, gegen den wir ziehen müssen.8

Qutuz war erst drei Monate zuvor an die Macht gelangt. Sein Regime war schwach, doch seine Antwort entschlossen. Er ließ die mongolischen Botschafter in Stücke hauen und ihre Köpfe an den Stadttoren aufhängen. Er machte sich bereit, zum Kampf auszuziehen, statt eine Belagerung abzuwarten. Die Lehre von Bagdad war nicht vergessen.

Jedes Heer, das Qutuz theoretisch aufstellen konnte, wäre zahlenmäßig im Verhältnis von zehn zu eins unterlegen; doch das Glück war auf seiner Seite. Im August des vorigen Jahres war Möngke, der Großkhan der Mongolen, gestorben, sodass ein struktureller Mangel des Mongolenreichs zutage trat. Jede Auseinandersetzung um die Nachfolge erforderte unweigerlich, dass die führenden Khane nach Zentralasien zurückkehrten. Als die Nachricht Hülägü in Syrien erreichte, bereitete er den Abzug des Großteils seiner Männer vor, an die 100 000 Mann, und ließ General Kitbuqa mit einem Verteidigungsheer vonrund 11 000 Mann zurück. In einem Brief an Ludwig IX. erklärte Hülägü persönlich, dass der Abzug des Großteils seines Heeres, samt Zehntausenden Pferden, aus logistischen Gründen notwendig sei. Das Futter im Norden Syriens sei aufgebraucht, und es sei Sitte der Mongolen, sich im Sommer in gemäßigtere Regionen zurückzuziehen. Der Umstand, dass die Mongolen, sobald sie den Euphrat überschritten hatten, an der Grenze ihrer operativen Möglichkeiten Krieg führten, war eine Schwäche, die die Mamluken später ausnutzen sollten.

Der Vorstoß der Mongolen nach Syrien hatte viele muslimische Flüchtlinge und Truppen der Aiyubiden vertrieben, die sich nun um Qutuz wieder sammelten. Dazu zählten auch Baibars und das Bahriya-Kontingent der Mamluken, das nach einem Jahrzehnt von Kämpfen für und gegen verschiedene Seiten während des Zerfalls von Syrien kampferprobt war. Zu diesen Unternehmungen hatten auch Überfälle und Invasionsversuche gegen Ägypten selbst gezählt. Zwischen dem Bahriya-Kontingent und Qutuz herrschte eine langjährige Feindschaft wegen des Mordes an ihrem Führer Aktai, doch die Meinungsverschiedenheiten wurden, vorerst, beiseitegeschoben. Die Bedrohung durch die Mongolen brachte eine Koalition der Rivalen zustande. Baibars erhielt von Qutuz sicheres Geleit garantiert und brachte seine Mamluken nach Kairo, um sich dem heraufziehenden Sturm zu stellen. Seine Truppen waren eine willkommene Verstärkung.

Im Juli 1260 zog das ägyptische Heer mit einer Streitmacht von etwa 12 000 Mann aus, vermutlich etwas größer als das von Kitbuqa. Dem Heer gehörten ein kleines Korps Mamluken, ägyptische Truppen und Flüchtlinge an. Als Qutuz über die Küstenebene in Richtung Akkon marschierte, beschloss er, die Christen um ihre Zusammenarbeit zu bitten. Innerhalb von Akkon wurde heftig darüber diskutiert, wie man darauf reagieren sollte. Viele waren für eine Kooperation. Die Plünderung Sidons und die massiven, mongolischen Drohungen hatten die Christen aufgerüttelt. Qutuz war der dritte ägyptische Sultan binnen sechs Jahren; es gab keinen Grund zu der Annahme, dass er eine langfristige Gefahr darstellen könnte. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Christen den letzten Herrscher kaum von den verträglicheren Aiyubiden unterscheiden, die wichtige Handelspartner gewesen waren. Auch mochte ein gemeinsames militärisches Unternehmen mit Qutuz den mongolischen Druck verringern.

Der Großmeister des Deutschen Ordens, Hanno von Sangershausen, widersetzte sich jedoch vehement jeder Kooperation und redete den Entscheidungsträgern am Ende das Projekt aus. Es sei unklug, das Leben von Christen aufs Spiel zu setzen; im Nachspiel eines muslimischen Sieges könnte sich Qutuz dann gegen sie wenden: Man schone besser die eigenen Kräfte und sehe zu, während die beiden Rivalen den Kampf unter sich austrügen.

Die Christen mochten sich zwar für Neutralität entschieden haben, doch sie sicherten sich ab, indem sie Qutuz immerhin freies Geleit gewährten. Er durfte ihr Gebiet durchqueren, ohne einen Angriff befürchten zu müssen. Drei Tage lang lagerte das ägyptische Heer in den Obstgärten vor der Stadt und erhielt Proviant. Es herrschte eine gewisse Anspannung in der Stadt. Führende Emire betraten Akkon und schlossen eine Art Übereinkunft. Unter ihnen war laut christlicher Quellen »ein großer Feldherr namens Bendocdar, der später Sultan wurde«.9 Arabische Quellen hingegen behaupten, Baibars sei als Spion getarnt gekommen, um Informationen zu beschaffen und sich gegen eine künftige Gelegenheit zu wappnen. Während des Aufenthalts vor den Mauern von Akkon hielt Qutuz eine feurige Rede vor seinen zusammengewürfelten Truppen, die inzwischen die Macht der Mongolen fürchteten, um ihren Kampfesmut aufzupeitschen: Die Zukunft des Islam hänge davon ab. Baibars wurde mit der Vorhut vorausgeschickt, um die Aufstellung des Gegners auszukundschaften.

Qutuz und sein Heer erwarteten die Mongolen am 3. September 1260 knapp 50 Kilometer südöstlich von Akkon an einem Ort mit dem passenden Namen Ain Dschalut (»Goliaths Quelle«) – wo David angeblich den Riesen Goliath gefällt hatte – zu einem Gefecht, das als epochal in die Weltgeschichte eingehen sollte. Die Hauptmasse beider Heere, die von Verbündeten und unzuverlässigen Helfern verstärkt wurden, war vergleichbar. Es war eine Schlacht zwischen ebenbürtigen Abteilungen türkisch-mongolischer, berittener Bogenschützen aus den eurasischen Steppen, die ähnliche Taktiken anwandten: Angriffe mit der Reiterei, Scheinrückzug und schnelle Einkreisung. Baibars führte die Vorhut beim Angriff auf die Mongolen an, die abwechselnd vorrückten und sich zurückzogen. Zweimal hätten die Mongolen um ein Haar das Heer von Qutuz geschlagen. Auf dem Höhepunkt der Schlacht, in einer kritischen Situation, nahm Qutuz seinen Helm ab, um den Männern sein Gesicht zu zeigen, und rief: »Oh Islam, oh Gott, hilf deinem Diener Qutuz gegen die Mongolen!«10 Indem er die Männer um die rot-gelben Banner der Mamluken-Einheiten scharte, gelang es ihm, sich der Niederlage entgegenzustemmen, sich neu zu formieren und den Feind zu besiegen. Kitbuqa fiel in der Hitze des Gefechts, und die Mongolen wurden niedergemacht. Wer entkam, wurde von Baibars verfolgt und erneut geschlagen.

Es war weder die erste Niederlage, die die Mongolen erlitten hatten, noch beendete sie deren Ambitionen in Syrien. Die Mongolen hatten ein relativ kleines Heer, das unklugerweise einen Gegner unterschätzt hatte, der ihnen fast ebenbürtig war. Hülägü hielt es für eine lokale Scharte, die er bei Gelegenheit auswetzen würde. Die Mamluken hatten es nicht mit der vollen Stärke der mongolischen Militärmacht aufgenommen; ein weiterer Gegenschlag war unvermeidlich. Der Sieg hatte jedoch unvorhergesehene Konsequenzen. Der Schlachtruf von Qutuz war prophetisch für die Fähigkeit der türkischsprachigen Völker, der Nomaden aus den Steppen Asiens, den Islam zu vereinen. Die Schlacht von Ain Dschalut verlieh diesen Außenseitern Ansehen und Legitimation.

Qutuz war allerdings nicht dazu ausersehen, die Früchte seines Sieges zu ernten. Womöglich hatte er seinen führenden Emiren allzu großzügige Versprechungen gemacht – wie das Angebot der Statthalterschaft von Aleppo –, die er dann nicht hielt. Im Nachspiel von Ain Dschalut kochte das Misstrauen zwischen den Mamluken von Qutuz und jenen des Bahriya-Regiments erneut hoch. Letztere hatten Qutuz nie den Mord an Aktai verziehen. Es war vermutlich nur die Frage, wer zuerst zuschlagen würde. Auf dem Rückweg durch die Wüste nach Kairo äußerte Qutuz den Wunsch, anzuhalten und seinem Lieblingssport, der Hasenjagd, nachzugehen. Er verließ die Straße, in Begleitung seiner Emire. Als der Hase gefangen war, trat das Bahriya-Regiment offenbar in Aktion. Nach der wahrscheinlichsten Version der Ereignisse trat Baibars an den Sultan heran und bat ihn um einen Gefallen. Baibars schickte sich an, ihm die Hand zu küssen. Das war das Signal. Jetzt packte Baibars Qutuz mit aller Kraft, damit er nicht die Waffe ziehen konnte. Ein zweiter Emir durchbohrte ihn mit dem Schwert. Qutuz wurde mit Pfeilen vollends erledigt. Baibars handelte weder allein, noch war er wahrscheinlich derjenige, der zuerst zustach. Wie schon beim Mord an Turanschah wurde die Geschichte möglicherweise zu seinen Gunsten umgeschrieben. In dem darauffolgenden Wahlvorgang unter den Emiren beanspruchte Baibars für sich das Vorrecht, da er derjenige gewesen sei, der Qutuz zur Strecke gebracht habe. Auch wenn die Stellung des Mamluken-Sultans künftig auf ein unterstützendes Bündnis führender Emire angewiesen sein sollte, war Baibars im Begriff, eine uneingeschränkte persönliche Herrschaft zu etablieren.

Für Akkon dürfte der Mord an Qutuz als ein weiteres Zeichen für die Zerrüttung der islamischen Welt erschienen sein: Ein Herrscher folgte dem anderen in einem Blutbad zersplitterter kleiner Königreiche. Die Christen atmeten auf: Die Mongolen waren geschlagen, die islamische Welt blieb weiterhin zerstritten. Sie wussten allerdings nicht, dass mit Baibars eine neue türkische Dynastie den islamischen Nahen Osten vereinen sollte, und zwar mit einem kompromisslosen Eifer für den Dschihad, wie man ihn seit den Tagen Saladins nicht mehr gesehen hatte. Und sie konnten auch nicht wissen, dass die Mongolen – abgesehen von kleineren Überfällen – nie mit dem Bestreben zurückkehren sollten, ein Gegengewicht zu Baibars zu bilden. Sie schufen nicht den Spielraum, um zwei weit stärkere Gegner gegeneinander auszuspielen. Vor allem für Akkon hatten die von den Mongolen verursachte Verschiebung und der Aufstieg der Mamluken schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen. Da Bagdad in Trümmern lag, verschob sich der Fernhandelsweg, der früher in Akkon und Tripolis geendet war, nach Norden. Die schönen Tage des wirtschaftlichen Wohlstands waren vorüber, und die Herren von Outremer waren nicht mehr so reich. Nach und nach verpachteten oder verkauften sie ihre Burgen und Herrschaftstitel an die Ritterorden, die sich zu den einzigen ernstzunehmenden Verteidigern des Heiligen Landes entwickelten. Baibars sollte ihnen langsam, aber unaufhaltsam den Raum zum Atmen nehmen. Seine heimliche Aufklärungsaktion in Akkon sollte gut genutzt werden.

Baibars selbst vergaß nie die Bündnisse, die manche Christen mit den Mongolen eingegangen waren, geschweige denn den Brand der großen Moschee in Aleppo. Die restlichen Kreuzfahrerstaaten sollten es mit einer stabilen, vereinten islamischen Dynastie zu tun bekommen, sowie in Baibars mit einem unerbittlichen Gegner, der 17 Jahre lang an der Macht bleiben sollte. Von dem neuen Sultan hieß es, er sei von Statur klein und habe einen breiten Brustkasten mit einer mächtigen Stimme. In einem seiner blauen Augen befand sich ein ungewöhnlicher weißer Fleck. Als er zum ersten Mal als Sklave verkauft wurde, hatte er einen niedrigen Preis erzielt – ein Käufer hatte ihn prompt dem Auktionator als minderwertige Ware zurückgegeben. Dem Vernehmen nach saß etwas Böses in seinem Auge. Er blinzelte so gut wie nie.

Der Fall von Akkon

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