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Kapitel 1:

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Kilometer für Kilometer rollte der Kleinbus samt großem Anhänger über die Autobahn Richtung Osten. Adrian Barbu, der Fahrer blickte auf die Uhr, er war gut vorangekommen in den letzten Stunden und die Autobahn vor ihm war nur wenig befahren. Es war eine gute Entscheidung am frühen Samstagmorgen loszufahren. Noch eine Stunde dann wollte er in der Nähe von Passau eine Pause einlegen. Es war noch ein weiter Weg bis ans Ziel.

Während der Kleinbus monoton über den heißen Asphalt rollte, hatte Adrian mal wieder Zeit über seine Arbeit nachzudenken, seine Tätigkeit als Fahrer für ein Bus – und Transportunternehmen aus Bukarest, welches sich darauf spezialisiert hatte, Menschen von und nach Deutschland zu bringen, die dort als sogenannte Saisonarbeiter oder Erntehelfer arbeiten. Mehrmals im Monat pendeln die Kleinbusse der Firma zwischen Bukarest, Timisoara und anderen rumänischen Städten und Süddeutschland, Adrians Touren führen ihn stets in die Nähe von Mannheim.

Dort steuert er die landwirtschaftlichen Betriebe und Bauernhöfe an, die außerhalb der Stadt auf beiden Seiten des Rheins liegen und wohin die Fahrgäste gebracht werden wollen. In diesen Betrieben arbeiten die Menschen dann ein paar Monate, bevor sie meist mit Adrians Bus wieder zurück in die Heimat fahren.

Es ärgerte ihn, dass er mit seinem Gespann nicht schneller als 80 km/h fahren konnte. Er hatte immer einen Anhänger an seinem Bus hängen, welcher für das Gepäck der Fahrgäste vorgesehen war. In seinem Bus hatten acht Personen Platz. Meistens aber hatte Adrian nicht mehr als drei bis fünf Fahrgäste und dann hat das Gepäck der Leute auch im Bus Platz, man müsste den Anhänger nicht mitführen. Er wollte eines Tages einen eigenen Bus zu besitzen und nicht mehr Angestellter zu sein. Dann würde er selbst bestimmen wie und wann er fuhr was und wen er transportierte. Ein eigener Bus, das war sein Traum, das war sein großes Ziel, dafür arbeitete er.

Doch Adrian tröstete sich damit, dass er durch den Umstand den Anhänger mitführen zu müssen auch zu einem kleinen Nebenjob gekommen war. Er transportierte gebrauchte und auch mal neue Elektrogeräte und andere Gegenstände, Pakete und Kisten von Deutschland nach Rumänien. Er tat das immer wenn es die Platzverhältnisse im dem Anhänger zuließen und das war in dieser Jahreszeit recht häufig der Fall.

Auch heute hatte Adrian wieder vier Elektrogeräte auf seinem Anhänger, zwei Waschmaschinen und zwei Trockner hatte ihm sein Bekannter Marius auf den Hänger geladen. Platz war ausreichend denn das Gepäck seiner drei Fahrgäste passte noch gut in den Bus, so dass im Anhänger genügend Platz war, für die Geräte die heute für Petru Ionescu bestimmt waren. Eigentlich brachte er fast alle Sachen die ihm Marius auf den Anhänger lud zu Petru. Dieser hatte in Bukarest ein Geschäft in welchem er diese Geräte weiterverkauft. Petru handelt eigentlich mit Allem was man brauchen kann und nützlich ist.

Manchmal kam es schon vor, dass einer seiner Fahrgäste ein gebrauchtes Gerät in Deutschland bei Marius erwarb, dieses wird dann ebenfalls mit dem Anhänger nach Bukarest gebracht.

Adrian kann die 30,- Euro die er pro Gerät von Marius bekommt gut gebrauchen denn wirklich gut bezahlt ist sein Job nicht und er muss seine Familie, die er viel zu wenig sieht, ernähren. Manchmal konnte er sogar ein paar Euro in sein Sparschweinstecken. Das Geld war für seinen Traum, dem Kauf eines eigenen Busses, vorgesehen.

Adrian lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern etwas außerhalb von Bukarest in einer Dreizimmerwohnung. Noch waren seine Töchter klein, sie konnten sich ein Zimmer teilen aber Adrian dachte daran, dass sie sich bald eine neue, größere Wohnung suchen müssen. Er dachte daran, dass er mehr Miete zahlen müsse. Er war froh, dass seine Frau nebenbei ein paar Lei verdient, sie arbeitet stundenweise als Verkäuferin in einem Supermarkt. Mit seinem Lohn alleine wäre es kaum zu schaffen. Adrian wusste, dass er bei seinem Arbeitgeber keine Gehaltserhöhung bekommen würde.

All diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf während sein Bus immer weiter Richtung Osten rollte. Adrian ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die große Weltpolitik, von welcher er nicht viel verstand und die ihn auch kaum interessierte, bald dafür sorgen würde, dass er seine finanzielle Situation verbessern konnte.

Adrian hatte auch diesmal bei Marius Nagy übernachtet. Er fährt immer wenn er nach Deutschland kommt zu Marius. Dort kann er schlafen, sich erholen für die Rückfahrt, die er meist ein oder zwei Tage später antritt. Er macht dann noch Besorgungen, Marius ist ihm dabei behilflich denn Adrian versteht die deutsche Sprache nicht. Manchmal sammelt er schon das Gepäck seiner Fahrgäste ein. Manchmal sitzt er auch nur mit Marius zusammen am See. Marius ist ein leidenschaftlicher Angler.

Adrians dachte jetzt an Marius. Dieser war vor vielen Jahren mit seinen Eltern von Rumänien nach Deutschland übergesiedelt. Er betreibt in einer kleinen Ortschaft in der Südpfalz ein Geschäft, dort repariert er gebrauchte Elektrogeräte und veräußert diese dann weiter. Es sind überwiegend Waschmaschinen, Kühlschränke, Trockner u.a.

Marius hatte er vor ca. einem Jahr kennen gelernt. Damals wollte ein Fahrgast eine Waschmaschine mit nach Rumänen nehmen, musste diese vor der Fahrt aber erst im Geschäft von Marius abholen.

Marius hatte das ältere Haus in dem er lebt und die Werkstatt neben dem Haus, von seinen Eltern geerbt. Sein Vater hatte das Anwesen gekauft als er von Rumänien damals nach Deutschland gekommen ist. Er hatte dort eine kleine Autowerkstatt betrieben, Marius Vater hatte Automechaniker gelernt, damals, als man an den Fahrzeugen noch selbst etwas reparieren konnte und sie nicht an einen Computer angeschlossen hat um Fehler zu finden. Aber dann wurden die Fahrzeuge immer moderner und sein Vater älter. Irgendwann hat sein Vater die Werkstatt geschlossen. Adrian hatte kein Interesse daran die Autowerkstatt weiterzuführen. Er hatte eine Elektrikerlehre gemacht und schraubte lieber an Haushaltsgeräten herum als an Fahrzeugen. Da die Werkstatt leer stand fasste Marius den Entschluss eine Firma zu gründen und Haushaltsgeräte zu reparieren bzw. zu verkaufen.

Marius Eltern waren inzwischen verstorben. Er lebt nun alleine in dem großen Haus, er hat keine Familie und er vermisst auch keine, was Adrian nicht verstand. Marius war schon immer ein Einzelgänger. Er wollte „frei“ sein, wie er immer sagte. Er wollte tun und lassen was ihm gefällt und niemanden Rechenschaft ablegen oder Rücksicht nehmen zu müssen.

Sicher manchmal war er einsam aber meistens genoss Marius die Ruhe, deshalb saß er auch stundenlang am See und angelte. Und wenn er nicht am See war, war er unterwegs, half hier und dort aus um sich etwas dazu zu verdienen. Eine Familie? Nein dafür hätte Marius auch überhaupt keine Zeit.

Marius hatte einen Bekannten, der ihm stundenweise in seiner Werkstatt half. Einen fest angestellten Mitarbeiter konnte er sich nicht leisten, dafür warf die Firma zu wenig ab.

Die Geräte die Marius repariert und wieder verkauft holt er sich bei Privatpersonen oder Elektromärkte, die diese eigentlich als Elektroschrott entsorgen sollen. Nicht wenige von diesen runderneuerten Geräten verkauft Marius an die Menschen die als Saisonarbeiter und Erntehelfer tätig sind. Die Leute nehmen die Geräte dann mit in ihre Heimat. Aber Marius beliefert eben auch seinen Bekannten Petru in Bukarest mit solchen gebrauchten Geräten. Nebenbei arbeitet er auch noch für die landwirtschaftlichen Betriebe in der Südpfalz und auf der anderen Rheinseite im Badischen. Er repariert dort alles was so anfällt, ob in den Unterkünften der Arbeiter, Bewässerungsanlagen in den Feldern, Traktoren und andere Gerätschaften, er ist ein handwerkliches Allroundgenie. Durch seine Arbeit dort, akquiriert er wiederum unter den Arbeitern die Kunden für seine Geräte.

Inzwischen war Adrian an dem Rastplatz angekommen den er sich schon zuvor ausgesucht hatte. Kaum war er in den Parkplatz eingefahren wurde er auch schon von einer Polizeistreife angehalten. Was folgte war eine gründliche Kontrolle von Menschen und Gepäck. Das geschah öfters, hier kurz vor der Grenze nach Österreich, aber er hatte nie Probleme und auch diesmal waren die Beamten zufrieden. Ein kurzer Blick in die Kartons, die älteren Waschmaschinen und Trockner waren nicht wirklich relevant und so stand einem Kaffee und einem Stück Apfelkuchen für Adrian und seine Fahrgäste nichts mehr im Weg.

Adrian setzte sich abseits seiner Fahrgäste, er war etwas angespannt, denn als er vor drei Tagen nach Deutschland kam war so einiges anders als gewohnt. Bereits auf dem Weg dorthin hatte er einen Anruf seines Chefs bekommen, er müsse sich, nach seiner Ankunft in Mannheim bei der Polizei melden, dort habe man Fragen an ihn, betreffend eines Fahrgastes, der mit Adrian vor ca. sechs Monaten von Bukarest ebenfalls in die Nähe von Mannheim gefahren war.

Da Adrian kein deutsch sprach, hatte er Marius gebeten ihn zu begleiten, um ihm dort als Dolmetscher zu fungieren.

So hatte sich Adrian am Vortag bei der Polizei gemeldet. Dort hatte er erfahren, dass der Fahrgast um den es ging, einige Tage zuvor tot auf einem Feld eines der landwirtschaftlichen Betriebe aufgefunden wurde. Der Mann, so sagte der Polizeibeamte weiter, sei keines natürlichen Todes gestorben sondern hatte ein Loch in der Stirn, welches von einem Geschoß einer Pistole stammte. Adrian war schockiert. Er beantwortete die Fragen der Polizei so gut er konnte, aber es war nicht viel was er über den Fahrgast wusste.

Man hatte ihm ein Passfoto gezeigt. Er erkannte den Mann, ja er war mit ihm in seinem Bus nach Deutschland gekommen. Adrian erinnerte sich, dass der Mann sehr ruhig war. Er stieg in Bukarest in den Bus, nachdem er sein Ticket vorgelegt hatte, setzte sich in die hintere Reihe und zog seinen Kopfhörer auf mit welchem er wohl Musik hörte. Er sprach während der ganzen Fahrt nur wenige Worte, hielt sich abseits der anderen Fahrgäste. Er hörte entweder Musik oder er schlief. In der Nähe von Mannheim stieg er an der angegebenen Adresse, einem abgelegenen Aussiedlerhof aus, nahm sein Gepäck aus dem Anhänger und entfernte sich in Richtung des landwirtschaftlichen Betriebes, vor welchem Adrian angehalten hatte. Danach hatte er den Mann nicht mehr gesehen.

Den Namen des Mannes wusste Adrian nicht mehr aber er hatte damals ein Ticket vorgelegt und der Name in diesem Ticket stimmte mit seinem Ausweis überein. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte Adrian ihn nicht mitgenommen.

Ob der Mann denn rumänisch sprach wollte der Polizeibeamte wissen. Adrian konnte das bestätigen, der Mann sprach zwar nicht viel aber die wenige Sätze die er redete, sprach er in rumänischer Sprache.

Adrian fragte nach was denn genau mit dem Fahrgast geschehen sei, aber der Polizeibeamte konnte oder wollte nicht weiter auf Einzelheiten eingehen.

Marius hatte offensichtlich schon irgendwas gewusst von der Sache. Als Adrian bei Marius nachfragte, sagte ihm dieser, dass er auch nur die Gerüchte gehört habe die aus dem Kreis seiner Kunden zu hören waren, er hätte sich aber nicht weiter mit der Sache beschäftigt.

Nun auf dem Rückweg dachte Adrian an die Geschichte. Wer weiß schon wen ich da alles mit meinem Bus herumfahre. Was war da wohl geschehen? Es blieben viele Fragen. Was Adrian nicht wusste – die Antworten darauf wären für ihn alles andere als beruhigend. Er ahnte nicht, dass er schon tief in einer Geschichte steckte, von der er erst viele Monate später erfahren wird. Auf alle Fälle musste er seinem Chef von der Sache berichten.


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