Читать книгу Unter fremdem Himmel - Roland E. Koch - Страница 10

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Es war höchste Zeit, ich fuhr los. Wieder kam ich zu spät. Die ganze Zeit horchte ich hinter mich, als könnte ich dort etwas vernehmen, das, was die drei jungen Männer taten, die Besitzerin, Roddy, Valentina, ich horchte, und ich sah nichts. Ich dachte daran, was passierte, wenn das Haus von der Polizei kontrolliert würde.

Ich arbeitete zerstreut, Herr Steinke hatte mehr Aufträge angenommen als am Tag zuvor, vielleicht hatte sich herumgesprochen, dass er wieder vom einen auf den anderen Tag reparierte, und die Leute brachten ihre schon lange defekten Räder. Ich arbeitete gehetzt, als könnte ich dadurch die Geräusche überlagern, es machte mich nervös, dass ich nichts sah außer Ritzeln, Ventilen, Kugellagern, kein Bild.

Gegen zehn kam Herr Steinke und brachte mir etwas zu essen. Er gab mir fünfzig Euro, für den Abend vorher und schon einen Vorschuss für heute. Dann wurde es ruhig, ich aß und trank, nahm ein Fahrrad nach dem anderen dran, wie Patienten rief ich sie auf, um mich abzulenken, und erst gegen zwölf musste ich eine Pause machen.

Ich schlief fast vier Stunden, dann war ich ausgeruht. Draußen hatte es zu stürmen begonnen, ich arbeitete jetzt schneller und hatte bis sechs alles fertig. Es war noch dunkel, als ich losfuhr, aber in einer Bäckerei brannte Licht, und ich ging am Hintereingang in die Backstube. Dort kaufte ich eine große Tüte Brötchen und ein frisches Brot.

Ich wusste einen Moment lang wieder, dass ich einmal als Kind mit meiner Mutter an einer Bäckerei vorbeigekommen war, der Duft erinnerte mich daran, es war die Beerdigung meiner Großmutter, und ich ging mit im Trauerzug, aber dann war das kurze Aufflackern vorbei, und ich hatte nur dieses eine Bild gesehen, nicht die Umgebung, nicht die Zeit. Ich musste heftig gegen den Sturm ankämpfen und schob das Fahrrad zeitweise. Als ich an der Weide vorbeikam, dämmerte es, die Schafe standen da, aber von dem alten Mann war nichts zu sehen.

Nervös kam ich bei der Mühle an, alles war dunkel, und wahrscheinlich schliefen sie noch. Aber die Scheune war leer, die Fahrräder standen dort, ich hörte nichts von den Männern. Plötzlich ging die Tür auf, und Roddy kam hereingelaufen, er hatte geweint, und er trug seine Brille nicht. Ich ging auf ihn zu, aber er erschrak und rannte weg. Ich rief ihn, folgte ihm, berührte ihn an der Schulter, aber er hatte Angst vor mir und erkannte mich nicht. Sah er ohne seine Brille so schlecht, oder war ich als ein anderer zurückgekommen? Ich lief ins Bad und sah mich im Spiegel an, aber ich war wie am Vortag, müde, meine Haare standen hoch vom Wind, meine Augen schienen stumpf.

Es gelang mir, ihn festzuhalten, aber er zitterte und wimmerte, schlug um sich und war nicht mehr der Junge, mit dem ich gestern auf der Bank gesessen hatte.

Wo ist deine Brille?, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er nicht antworten konnte.

Ich zog ihn in die Küche, Valentina war nicht da, und ich versuchte, ihn zu beruhigen, summte die Melodie, die er gemocht hatte, sprach besänftigende Silben, wie man sie zu einem Pferd sagt, das nicht erschrecken soll, aber es half kaum. Ich wollte ihm Wasser zu trinken geben, doch er schlug nach dem Glas, fiel auf den Boden, schlug und trat um sich, dann war er still. Ich beugte mich zu ihm, er hatte gespuckt, und er roch merkwürdig, aber ich konnte ihn jetzt zu mir ziehen, aufrichten, im Arm halten. Es tat mir gut, ihn so zu spüren, seinen aufgeregten Herzschlag, dabei die Kühle seiner Haut, die feucht und verschwitzt war.

Du brauchst keine Angst zu haben, sagte ich mehrmals, hier tut dir keiner was.

Auf einmal war es, als hätte er mich verstanden. Jetzt sah ich auch seine Brille, die in einer Ecke unter dem Tisch lag, holte sie und hielt sie unter den Wasserhahn, dann trocknete ich sie sorgfältig mit einem Taschentuch ab. Ich gab sie ihm, aber er wollte sie nicht aufsetzen. Der Geruch war stärker geworden, und ich wusste, was passiert war.

Das ist nicht schlimm, sagte ich, wir gehen ins Badezimmer und waschen dich.

Ich redete wie eine Krankenschwester, und es war schwer, ohne Antwort zu bleiben. Ich brachte Roddy ins Bad, zog ihm seine Sachen aus, schickte ihn zur Toilette, putzte ihn notdürftig ab und stellte ihn unter die Dusche. Er reagierte nicht auf das auf kalte Wasser, ich sah nichts in diesem Moment, ich verstand nichts, ich hielt nur erschrocken still, als ich die Flecken auf seinem Körper bemerkte, zuerst dachte ich an Blutschwämme, aber es waren Narben wie von Verbrennungen.

Es ist gut, sagte ich wieder, wusch ihm vorsichtig die Haare, trocknete ihn ab und musste fast weinen über die Schmerzen, die das Kind hinter sich hatte. Ich hatte nichts, um sie wiedergutzumachen, niemand hatte etwas, ich sah nichts außer diesen Flecken und Narben. Ich wickelte Roddy in Handtücher und brachte ihn in die Küche zurück. Er setzte seine Brille auf und fing an zu zeichnen, so als habe er nun wieder ein Bild vor Augen, das er unbedingt wiedergeben musste. Er trank auch Wasser, und ich suchte Valentina, um sie zu fragen, was passiert war, aber sie hatte sich eingeschlossen und reagierte nicht.

Ich stand vor der Tür und versuchte zu sehen, ich erkannte, dass auch sie Schmerzen hatte, dass auch sie geweint und gezittert hatte, ich sah ein großes Mietshaus, das im Osten liegen konnte, ein Eckhaus mit breiten, abgetretenen Treppen, verwohnt und vernachlässigt, eine Wohnung voller Frauen, aber dann war das Bild verloschen, und ich rief Valentina, bis sie öffnete.

Sie hatte tatsächlich geweint, aber sie zog nur die Nase hoch, als ich sie fragte.

Wir können nicht mehr lange hier bleiben, sagte sie. Wir müssen woanders hin.

Ist gut, sagte ich. Wir finden schon was. Was ist mit den drei Typen?

Die sind schon wieder weg.

Ich gab Valentina die Hälfte meines Geldes.

Davon kannst du dir was kaufen, sagte ich, wie zu einem Kind.

Sie umarmte und küsste mich, diesmal musste ich lachen.

Wie alt bist du eigentlich?, fragte ich.

Ich hab im Mai Geburtstag, sagte sie. Machen wir dann ein Fest?

Ja, sagte ich, wie alt wirst du denn?

Sie antwortete nicht. Ich suchte nach einer Hose für Roddy, aber es war keine da.

Ich besorge eine, sagte sie. In der Kleiderkammer gibt es reichlich.

Was war mit dem Jungen?, fragte ich.

Er hat geweint, ich weiß es nicht.

Ich ging nachsehen, aber Roddy hatte sich beruhigt.

Valentina kochte Tee, und wir saßen eine halbe Stunde um den Tisch herum wie eine Familie, deren Mitglieder sich einmal am Tag treffen, bevor sie wieder auseinandergehen, zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen. Wir aßen das frische Brot und die Brötchen, das Erste, das ich in diesem Land gekauft hatte, von dem ersten Geld, das ich verdient hatte.

Haben die ihm was getan?, fragte ich weiter.

Nein, er hat geträumt.

Haben die was mitgenommen?

Ich habe denen den Weg zur Kleiderkammer erklärt, die wollten sich da was holen, sagte sie.

Unter fremdem Himmel

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