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1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Diskussionen um die Public Corporate Governance, die Führung, Steuerung und Aufsicht öffentlicher Unternehmen, haben Mitte der 1990er Jahre begonnen. Die IFAC (The International Federation of Accountants) legte 2001 Richtlinien für die Steuerung von öffentlichen Unternehmen vor (IFAC 2001). Auf der Basis der darauf folgenden Diskussionen verfasste die OECD 2006 Guidelines zur Corporate Governance von Unternehmen in Staatsbesitz (OECD 2006). Der Bundesrat legte in seinem Bericht 2006 dar, mit welchen Leitsätzen Unternehmen im Besitz des Bundes zu steuern sind (Schweiz. Bundesrat 2006). Deutschland und Liechtenstein beschritten einen anderen Weg, indem für die Thematik der Public Corporate Governance Codices erarbeitet und in Kraft gesetzt wurden. 2011 hat die EU zur Führung und Steuerung von öffentlichen Unternehmen 19 Empfehlungen definiert. Ein wichtiges Augenmerk wird dabei auf die Themen Transparenz (Empfehlung 3), Autonomie (Empfehlung 1), Steuerungsmodelle unter Einbezug der betroffenen Einheiten (Empfehlung 9) oder auch Verbesserung der Koordination (Empfehlung 18) gelegt (COST 2011). Im Jahr 2015 hat die OECD die Erfahrungen aus 10 Jahren Einsatz der Guidelines zum Anlass genommen, sie einer kritischen Analyse zu unterziehen. Im Herbst 2015 sind sie publiziert worden (OECD 2015) und stellen weiterhin Empfehlungen dar.

Kantone haben Anfang 2000 begonnen, die Thematik der Steuerung von öffentlichen Unternehmen anzugehen und mit Gesetzen und Weisungen zu regeln. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass alle Kantone zusammen rund 1000 Beteiligungen an 600 Unternehmen halten, welche gesamthaft einen Buchwert von über CHF 7 Mrd. darstellen (Meister 2009). Bis Ende 2015 haben praktisch alle Kantone mittels Gesetz, Verordnung oder Richtlinien geregelt, wie mit den öffentlichen Unternehmen zu verfahren ist, oder haben Projekte dazu gestartet.

In der Praxis bereitet die Umsetzung der Leitsätze des Bundesrates aus seinem Bericht 2006 jedoch einige Mühe (Schweiz. Bundesrat 2006), wie auch der Bericht aus dem Jahr 2009 zeigt (Schweiz. Bundesrat 2009). Die Problemstellung findet ihre Ursache darin, dass der moderne Staat auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene immer weniger alle Aufgaben selbst erfüllt und lediglich dafür sorgt, dass die Realisierung geschieht. Basierend auf diesem Modell der Gewährleistung, ist neben der Sicherstellung der Erfüllung der ausgelagerten Aufgabe auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung klar festzulegen, was aus der Eignersicht (z. B. als Kapitalgeber) an übergeordneten Zielen zu erreichen ist bzw. welche Rahmenbedingungen einzuhalten sind. Zur Erhöhung der nötigen Transparenz bei der Aufsicht über öffentliche Unternehmen hat der Bund in einem Bundesgesetz die Grundlage geschaffen. In diesem Erlass wurden mehrere Gesetze angepasst mit der Zielsetzung, dass über die Ziele und die Zielerreichung im Parlament Bericht erstattet werden kann (Bund 2010). Am 25. April 2012 legte dies der Bundesrat in der Kurzberichterstattung zur Erfüllung der strategischen Ziele der verselbständigten Einheiten des Bundes im Jahr 2011 fest und präsentierte, in welchem Umfang und auf welche Weise die Eignerziele erfüllt wurden (Bundesrat 2012). Seither findet die Berichterstattung über die Unternehmen des Bundes in diesem Rhythmus statt.

Auch die Regierung des Landes Liechtenstein hat in den vergangenen Jahren eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema geführt und Vorgaben zur Public Corporate Governance in Form eines Gesetzes in Kraft gesetzt (Land Liechtenstein 2009). Dieses Gesetz über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen sorgt als Rahmengesetz für Regelungen, welche für alle öffentlichen Unternehmen verbindlich sind. Die zweite Stufe stellen Spezialgesetze dar, in welchen die einzelnen öffentlichen Unternehmen im Detail strukturiert sind. Im Sommer 2012 hat das Land Liechtenstein als dritte Stufe im Sinne von «Soft Law» Empfehlungen zur Führung und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen in Liechtenstein in Kraft gesetzt (Public Corporate Governance Code). Darin werden zwei unterschiedliche Ansätze von Empfehlungen dargelegt. Zum einen diejenigen, welche im Sinne von «comply or explain» im Abweichungsfalle im Geschäftsbericht zu begründen sind. Zum anderen Abweichungen, bei denen keine Offenlegung erfolgen muss.

Auf der kommunalen Ebene ist in den vergangenen Jahren erkannt worden, dass die Public Corporate Governance von eigenen Beteiligungen dann eine Herausforderung darstellt, wenn in den Unternehmen Probleme entstehen bzw. entstanden sind. Im Rahmen der Studie von 2014 nahmen Stadtpräsidenten Stellung zu diesen Fragen. Mehrere Personen brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass die öffentlichen Unternehmen so gut geführt würden, dass keine Probleme entstehen (Sonderegger 2014, 12 ff.).

Die Auslagerung von Aufgaben soll nur dann erfolgen, wenn neben einer effektiven Aufgabenerfüllung insbesondere auch eine Effizienzsteigerung erreicht werden kann. Die knappen öffentlichen Mittel sollen so wirtschaftlich wie möglich eingesetzt werden. Eine weitere Heraus forderung ist der Umgang mit dezentralisierter Verantwortung, welche im Rahmen der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung an das Unternehmen übertragen wird. Wie kann in den Unternehmen, welche quasi «an der langen Leine» geführt werden, die Aufsicht sichergestellt werden? Mitglieder von Verwaltungsräten haben als Mitglieder der Strategischen Führungsebene erkannt, dass sie Verantwortung tragen und damit auch zur Verantwortung gezogen werden können, wenn die Aufgabenerfüllung nicht vollständig und korrekt erfolgt.

Ein ganz wesentliches Element der Public Corporate Governance ist nach Ansicht der Autoren die Eignerstrategie (bzw. Trägerstrategie), falls es, wie z.B. bei Stiftungen nicht um direkte Eigner, sondern stattdessen öffentliche Institutionen als Träger handelt. Dieses neue Element hat sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt und wird nicht nur in Liechtenstein, sondern auch in einer immer grösseren Zahl von Kantonen und Städten/Gemeinden zur Anwendung gebracht. Dennoch bestehen gewisse Vorbehalte, und es liegen Unklarheiten bezüglich Aufwand und Nutzen vor, was dieses Instrument anbelangt. Es lohnt sich jedoch mit Sicherheit, diese Art von Klarstellung von offenen Fragen zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen zu prüfen und umzusetzen. Unterstützt wird diese Argumentation durch die neue Fassung der OECD-Richtlinien, indem eine «Owner Policy» für öffentliche Unternehmen gefordert wird (OECD 2015).

Im vorliegenden Handbuch werden diese und weitere Aspekte konkret thematisiert, wie etwa der Einfluss der Politik bei der Wahl des strategischen Gremiums, bei der Leistungserfüllung oder auch bei der Festlegung des Umfangs des Reportings.

1.2 Zielsetzungen

Mit dem vorliegenden Buch sollen folgende Zielsetzungen erreicht werden:

1 Theoretische Grundlagen der Public Corporate Governance aufzeigen.

2 Die Bedeutung der Public Corporate Governance für die öffentliche Hand und für Unternehmen klarstellen.

3 Bei der Entscheidungsfindung, bei der konkreten Umsetzung und der Führung eine Hilfestellung leisten.

4 Antworten auf offene Fragen im Zusammenhang mit der Thematik Public Corporate Governance geben.

5 Grundlagen für eine bessere Führung und Steuerung von öffentlichen Unternehmen einführen.

6 Zu wichtigen Themen mit konkreten Mustern und Checklisten Hinweise für die Umsetzung in der Praxis geben.

Das Buch richtet sich an Praktiker und Studierende, die sich mit der Gestaltung von Steuerungssystemen für öffentliche Unternehmen befassen. Als Handbuch stiftet es einen Nutzen, indem es den Adressaten hilft, die Corporate Governance im öffentlichen Unternehmen besser zu verstehen und zu verbessern. Schliesslich soll damit:

■ Die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der öffentlichen Leistungserbringung verbessert werden.

■ Die demokratische Kontrolle über die öffentlichen Unternehmen gestärkt werden.

■ Den Ansprüchen der Rechtsstaatlichkeit Genüge getan werden.

1.3 Methodisches Vorgehen

Das methodische Vorgehen der Autoren lässt sich wie folgt darlegen:

1 Auswertung der vorhandenen Literatur zum Thema Public Corporate Governance;

2 Analyse von Studien und Berichten;

3 Erarbeitung von konkreten Lösungsvorschlägen auf der Grundlage von Praxisproblemen (vgl. konkrete Beispiele im Kapitel 11).

Die unterschiedliche disziplinäre Herkunft der Autoren hat bei der Erarbeitung, Überarbeitung und Weiterführung des Buches immer wieder zu spannenden Diskussionen geführt. Es wurde deutlich, dass das Thema Public Corporate Governance für die Praxis nur dann hilfreich bearbeitet werden kann, wenn bewusst unterschiedliche Perspektiven eingenommen und eingebracht werden.

1.4 Begriffsbestimmungen

Nachstehend werden die wichtigsten Begriffe dieses Buches knapp klargestellt, damit in der Folge keine Unsicherheit besteht, was jeweils darunter zu verstehen ist.

Public Corporate Governance (PCG) ist ein interdisziplinäres Thema der Bereiche Recht, Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft. Dabei werden zahlreiche Begrifflichkeiten jeweils unterschiedlich verstanden und interpretiert, weshalb in der Folge die wichtigsten Stichworte mit der verwendeten Definition dargelegt werden (alphabetische Reihenfolge).

Zur Vereinfachung des Textes und zur Verbesserung der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und der weiblichen Form verzichtet.

1.4.1 Aufsicht

Unter Aufsicht im Bereich der PCG ist die Beobachtung und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen zu verstehen. Ziel der Aufsicht ist die Prüfung der Umsetzung der Vorgaben durch die öffentliche Hand an das öffentliche Unternehmen. Ein Nebenzweck der Aufsicht ist die Gewährleistung von Compliance mit bestehender Regulierung und die Vermeidung von Schaden. Die Aufsicht kann hierarchisch unterteilt werden in Oberaufsicht, Aufsicht und unmittelbare Aufsicht.

1.4.2 Ausgliederung

Wird eine Einheit, welche bis heute die Aufgaben als Bestandteil z.B. der Verwaltung erbracht hat, in eine separate Organisation im Besitz des Staates übertragen und in diesem Zusammenhang allenfalls eine neue Rechtsform begründet, wird in der Literatur von einer Ausgliederung gesprochen (siehe Abbildung 1: Auslagerung und Ausgliederung (eigene Darstellung)

1.4.3 Auslagerung

Auslagerung bedeutet, dass Aufgaben, welche bislang durch eine staatliche Stelle erbracht werden, an eine Organisation oder ein Unternehmen übertragen werden, die im Besitz des Staates oder in anderem Besitz sein kann. Ob in diesem Zusammenhang eine Leistung selbst erbracht werden soll oder ob sie von einem Dritten eingekauft wird, wird als Make-or-buy-Entscheidung im Rahmen dieses Buches nicht behandelt.


Abbildung 1: Auslagerung und Ausgliederung (eigene Darstellung)

1.4.4 Autonomie

Mit dem Begriff Autonomie wird das Ausmass der Eigenständigkeit der Organisationseinheit oder des Unternehmens beschrieben, in welchem sich das öffentliche Unternehmen bezüglich Leistungen, Entwicklung, Organisationsstruktur, Finanzierung und Personal eigenständig entwickeln kann und darf.

1.4.5 Beteiligungscontrolling

Unter dem Begriff «Beteiligungscontrolling» werden Aufgaben, Werkzeuge und Massnahmen zur Führung, Aufsicht und Kontrolle bezüglich Gesetz, Leistungsvereinbarung und Eignerstrategie für alle Unternehmen und Organisationen subsumiert, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Ziel ist es dabei, die Beteiligungen des Gemeinwesens an Unternehmen mit einem öffentlichen Zweck systematisch zu bewirtschaften. In der Literatur wird Beteiligungscontrolling als Oberbegriff dafür verstanden, was an Aktivitäten im Umfeld der Führung, Aufsicht und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen getan werden muss, auch bezüglich Gesetz, Eignerstrategie und Leistungsvereinbarung. Im Rahmen dieses Buches wird auf die Verwendung dieses vielschichtigen und mehrdeutigen Begriffs verzichtet und jeweils die Tätigkeit angesprochen, welche zu erfüllen ist: Führung, Aufsicht, Controlling oder Kontrolle.

1.4.6 Board of Directors

Das Board of Directors ist die Strategische Führungsebene und wird je nach Rechtsform auf Deutsch als Verwaltungsrat, Aufsichtsrat oder Stiftungsrat tituliert. Davon zu unterscheiden ist das Executive Board, welches die Operative Führungsebene umfasst und im deutschen Sprachraum als Geschäftsleitung, Geschäftsführung oder Direktorium bezeichnet werden kann.

1.4.7 Controlling

Unter Controlling wird aus der betriebswirtschaftlichen Sicht als Führungsaufgabe verstanden, indem konkrete Ziele gesetzt, überprüft und kommuniziert werden. Zudem ist dabei auch die Überwachung über die Zielerreichung zu implementieren. In diesem Verständnis wird der Begriff Controlling im Zusammenhang mit dem Parlament vermieden, da ihm keine Führungsaufgabe zukommt.

1.4.8 Corporate Governance

Corporate Governance definiert das System der Leitung und Überwachung von Unternehmen oder mit anderen Worten die Unternehmensführung und -kontrolle. Mithilfe der Corporate Governance soll im Wesentlichen ein inneres und äusseres Kräftegleichgewicht erzielt werden. Die interne Corporate Governance betrifft die Kompetenzen, Funktionen sowie das Zusammenwirken von Aufsichts-, Führungs- und Kontrollorganen im Unternehmen. Die externe Corporate Governance bezieht sich auf die funktionalen Beziehungen zwischen den Exekutivorganen, den Anspruchsgruppen, allen voran den Aktionären und dem Kapitalmarkt. Nach dem Swiss Code of Best Practice umfasst Corporate Governance die Gesamtheit der auf das nachhaltige Unternehmensinteresse ausgerichteten Grundsätze, die, unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene, Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle anstreben.

1.4.9 Eigner

Beim Eigner handelt es sich um den Besitzer bzw. Eigentümer von Anteilen (Teil oder gesamthaft) eines Unternehmens oder einer Organisation, welche Aufgaben erfüllt.

1.4.10 Eignerstrategie

In einer Eignerstrategie werden zwei Dinge festgelegt: Erstens ist eine Absicht zu definieren, welche der Eigner mit der Beteiligung an einer Unternehmung verfolgt. Zweitens sind Rahmenbedingungen zu schaffen bezüglich der Ziele und der Art ihrer Erreichung. Beides sind zentrale Aufgaben der politischen Exekutive, die diese als Gesamtgremium wahrnehmen muss.1

Synonym kann auch der Begriff Trägerstrategie verwendet werden, insbesondere wenn es sich um die Organisationsform der Stiftung handelt.

1.4.11 Eignerziele

Im Rahmen der Eignerstrategie ist die Absicht festgelegt worden, die der Eigner mit einer Beteiligung am Unternehmen verfolgt. Auf dieser Grundlage werden langfristige Ziele aus Sicht des Eigners definiert (Eignerziele), welche dem öffentlichen Unternehmen als Leitplanken dienen, innerhalb deren die unternehmerische Entwicklung möglich ist. Der Bundesrat nennt sie – etwas verwirrend – strategische Ziele (vgl. Leitsatz 17; Schweiz. Bundesrat 2006). In diesem Werk werden sie als Eignerziele bezeichnet, um klarzustellen, dass es die Ziele des Eigners sind.

Sie dienen der Unternehmensführung als Grundlage zur Formulierung einer Unternehmensstrategie.

1.4.12 Entpolitisierung

Unter Entpolitisierung wird in diesem Werk die Erreichung von Entscheidungen und Handlungen ohne Dominanz der politischen Rationalität verstanden. Organisatorisch kann dies eine Verringerung der Anzahl gewählter Politiker in Gremien bedeuten. Nicht gemeint ist damit, dass die Steuerung und Kontrolle ohne Politik zu erfolgen hat.

1.4.13 Gewährleistung

Im Rahmen der Gewährleistung stellt die öffentliche Hand sicher, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen erbracht werden. Als Gewährleister hat das Gemeinwesen die nicht delegierbare Verantwortung, dass eine bestimmte Aufgabe in einer definierten Qualität erfüllt wird.

1.4.14 Hoheitliche Aufgaben

Hoheitliche Aufgaben sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch staatliche Stellen auf der Grundlage einer klaren rechtlichen Legitimation einseitig erbracht werden und in die Freiheit Einzelner eingreifen können.

1.4.15 Konzessionsvertrag

Der Konzessionsvertrag ist in der Praxis meist als Begriff gleichbedeutend mit Leistungsauftrag oder Leistungsvereinbarung. Zu beachten ist, dass in diesem Zusammenhang ein konzessioniertes Unternehmen über ein wohlerworbenes Recht verfügt, das nur unter besonderen Voraussetzungen entzogen werden kann.

1.4.16 Leistungsauftrag und Leistungsvereinbarung

Unter einem Leistungsvertrag oder einer Leistungsvereinbarung wird eine Abmachung zwischen öffentlicher Hand und dem Unternehmen verstanden, in dem die gegenseitigen Leistungen definiert und die zu erbringenden Entschädigungen festgehalten werden.

In der Literatur und im Alltag sind beide Begriffe gleichzeitig im Einsatz, und meist werden sie synonym verwendet. Zu beachten ist, dass auf der Stufe Bund der Begriff Leistungsauftrag verwendet wird, welcher von der Exekutive (Bundesrat) mit der jeweiligen Einheit (Unternehmen, Amt) abgeschlossen wird und oft im Sinne eines Rahmenvertrags eine Laufzeit von vier Jahren aufweist.

Im sozialen Bereich sind Leistungsvereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ungeachtet der organisatorischen Aufstellung seit vielen Jahren eingeführt und geläufig.

Im vorliegenden Buch werden die beiden Begriffe gleichwertig verwendet.

Der Leistungsvertrag kann auch Konzessionsvertrag heissen.

1.4.17 Öffentliches Unternehmen

Jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, gilt als öffentliches Unternehmen (OECD 2015, 15). Öffentliche Unternehmen erfüllen öffentliche Aufgaben oder Aufgaben, welche im öffentlichen Interesse stehen.

Anstelle von öffentlichen Unternehmen könnte auch der Begriff staatliche Unternehmen verwendet werden.

1.4.18 Operative Führungsebene

Die Operative Führungsebene (z.B. Geschäftsleitung, Executive Board usw.) ist für die operative Führung der Unternehmung verantwortlich und setzt die Unternehmensstrategie um.

1.4.19 Public Corporate Governance

Public Corporate Governance ist ein Teilbereich der Public Governance, der deren Spielregeln untergeordnet ist. Public Corporate Governance ist für all jene Fälle der Public Governance relevant, in denen sich der Staat für eine Leistungserfüllung durch verselbständigte Organisationen im Eigentum des Staates (öffentliche Unternehmen) entscheidet (Schedler, Gulde et al. 2007, 12 ff.).

1.4.20 Public Governance

Unter Public Governance wird die formale Gestaltung der Steuerung im öffentlichen Raum verstanden. Dazu kann der Staat Steuerungseingriffe vornehmen oder alternative Formen suchen bzw. anwenden (Schedler und Proeller 2009, 36).

1.4.21 Staatliches Unternehmen

Der Begriff staatliches Unternehmen macht Sinn für die Stufen Bund und Kantone, nicht jedoch für kommunale Unternehmen. Aus diesem Grund wird in diesem Handbuch, auch in Anlehnung an die OECD-Richtlinien, generell von öffentlichen Unternehmen gesprochen.

1.4.22 Strategische Führungsebene

Die Strategische Führungsebene (z.B. Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat) zeichnet verantwortlich für die Festlegung der Unternehmensstrategie und die langfristige Entwicklung des Unternehmens. Synonym wird andernorts auch vom «Board» gesprochen (Schedler, Gulde et al. 2007).

1.4.23 Trägerstrategie

Analog zur Eignerstrategie (siehe 1.4.10) werden in einer Trägerstrategie z.B. für Stiftungen zwei Aspekte definiert: Erstens eine Absicht, welche die Stifter mit der Beteiligung an einer Unternehmung verfolgen. Zweitens sind Rahmenbedingungen zu schaffen bezüglich der Ziele und der Art ihrer Erreichung.

In der Folge werden die genannten Begriffe in der dargelegten Definition verwendet. Die Autoren sind sich bewusst, dass bei einigen Begriffen die Diskussion um den jeweiligen Inhalt noch nicht abgeschlossen ist.

1.4.24 Unternehmensstrategie

Die Unternehmensstrategie basiert auf den Leitplanken von Gesetz, Eignerstrategie und Leistungsvereinbarung und fokussiert auf das Unternehmen selbst. In der Unternehmensstrategie legt die Strategische Führungsebene

fest, welche Unternehmensziele zu erreichen sind und wie letztlich der Kundennutzen zustande kommt, wofür das Unternehmen eigentlich da ist.

Es sind einige Themen rund um die Public Corporate Governance von Bedeutung, auf die das vorliegende Werk nicht oder nur am Rande eintritt. Die folgende Aufzählung nennt diese und liefert eine kurze Begründung zur Abgrenzung.

1.5 Abgrenzung

Es sind einige Themen rund um die Public Corporate Governance von Bedeutung, auf die das vorliegende Werk nicht oder nur am Rande eintritt. Die folgende Aufzählung nennt diese und liefert eine kurze Begründung zur Abgrenzung.

1.5.1 Thematische Abgrenzungen

Öffentliche Aufgaben oder Aufgaben, welche in einem öffentlichen Interesse sind, können in verschieden organisierten Einheiten erfüllt werden. In diesem Buch wird im Prinzip eine Eingrenzung auf die Themen verselbständigte Unternehmen mit oder ohne Rechtsperson vorgenommen.

1.5.2 Führung einer Körperschaft

Die Ausführungen in diesem Buch erörtern Führungsfragen in der Gemeinde, im Kanton oder im Bund nur insofern, als sie für die Schnittstelle zur öffentlichen Unternehmung und für die Steuerung, Kontrolle und Aufsicht relevant sind.

1.5.3 Start-up-Phase

Die Start-up-Phase, also die Gründungsphase eines ausgelagerten Betriebs oder einer ausgelagerten Aufgabe stellt eine besondere Situation dar, auf welche die Empfehlungen dieses Buchs nicht eingehen. Konkrete Praxiserfahrungen z.B. bei der Fusion von Stromversorgungsunternehmen zeigen, dass es in der Gründungsphase Sinn machen kann, besondere Regelungen für die Public Corporate Governance vorzusehen.

1.5.4 Führung in der Krise

Gerät ein öffentliches Unternehmen in eine Krisensituation, kann es aus politischen Gründen (z.B. um die Akzeptanz der getroffenen Lösungen

zu erhöhen) angezeigt sein, kurzfristig einen politischen Durchgriff auf die Unternehmensführung vorzunehmen.

1.5.5 Konkret ausformulierte Muster

Im vorliegenden Buch sind alle Grundlagen betreffend Public Corporate Governance auf wissenschaftlicher und praktischer Ebene erarbeitet und dargestellt. Zudem sind in allen Abschnitten Checklisten und Empfehlungen für die Umsetzung in der Praxis eingefügt. Konkret ausformulierte Muster z.B. einer Eignerstrategie sind in Kapitel 11 publiziert. Wichtig ist aber der Hinweis, dass diese nicht ohne kritische Prüfung und nicht ohne individuelle Anpassungen übernommen werden können.

1.6 Zur Bedeutung von informellen Strukturen

In diesem Handbuch werden eine Reihe von Hinweisen vorgestellt, die sich auf die formale Gestaltung der Corporate Governance einer öffentlichen Unternehmung beziehen. Die Autoren sind sich dabei bewusst, dass die tatsächliche Steuerung einer öffentlichen Unternehmung in der Praxis oft von informellen Absprachen beeinflusst ist. Politische Entscheidungen werden vorab in Arbeitsgruppen vorbereitet, die einen entsprechenden Auftrag haben können – oder auch nicht. Das Ausmass der Formalisierung von Steuerung hängt nicht zuletzt auch von der «Chemie» ab, die zwischen den Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung und öffentlicher Unternehmung – und deren jeweiligen engeren Mitarbeitenden – herrscht.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Auf Bundesebene war über viele Jahre eine Gruppe von Personen in den verantwortlichen Funktionen tätig, die sich gegenseitig kannten und schätzten, was die informelle Absprache deutlich erleichterte. Das zuständige Exekutivmitglied, der Departementssekretär, der Leiter einer Verwaltungseinheit und CEOs von Bundesunternehmen gehörten dieser Gruppe an. Die Formalisierung von Zielvorgaben wurde zwar in dieser Zeit vorangetrieben, aber das Ganze war gemäss Aussagen der Betroffenen getragen von einer kollegialen Atmosphäre.

Wo solche informellen Kontakte nicht im gleichen Ausmass vorhanden sind, haben die formellen Steuerungsinstrumente einen grösseren Stellenwert. Fehlendes Vertrauen muss hier zuerst aufgebaut werden. Dazu kann die Transparenz, die durch die Instrumente geschaffen wird, einen wesentlichen Beitrag leisten.

Im öffentlichen Raum (d.h., wo Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden) haben formelle Steuerungsinstrumente eine zusätzliche Funktion: Sie sind in der Lage, demokratische Legitimation herzustellen. Die Schriftlichkeit und Zugänglichkeit, und damit verbunden die Nachvollziehbarkeit durch Aufsichtsgremien, ist beispielsweise eine wesentliche Voraussetzung für die parlamentarische Kontrolle im Rahmen der Oberaufsichtsfunktion. So effizient und effektiv die informellen Absprachen zwischen CEO, Verwaltung und Politikern sein mögen, so sehr bedarf es im öffentlichen Raum transparenter Verfahren, welche die Rechtmässigkeit und die demokratische Legitimität der Steuerung öffentlicher Unternehmen sicherstellen.

1.7 Die Bedeutung des Politischen in der Public Corporate Governance

Öffentliche Unternehmen unterscheiden sich in zwei wichtigen Elementen von privatwirtschaftlichen Unternehmen:

1 Sie erbringen in der Regel Leistungen für die Öffentlichkeit, was in der Schweiz als Service Public bezeichnet wird. Daraus entsteht eine besondere Verantwortung, denn unter Umständen können weite Teile der Gesellschaft von der Leistungserbringung betroffen sein. Besteht keine Alternative zu diesen Leistungen, z.B. über den Markt, so ist die Abhängigkeit umso grösser.

2 Sie sind durch das Eigentum der öffentlichen Hand Teil des Staates und unterliegen der demokratischen Kontrolle.

Beide Elemente führen dazu, dass die Politik ein legitimes Interesse daran hat, auf die öffentlichen Unternehmen einzuwirken. Die Leistungspalette des öffentlichen Unternehmens wird in aller Regel über eine Leistungsvereinbarung festgelegt. Darin ist festgehalten, welche Leistungen vom öffentlichen Unternehmen in welcher Form erwartet werden. Die Regeln, die dem öffentlichen Unternehmen als Teil des Staates auferlegt werden, sind in Spezialgesetzen und in allgemeinen Bestimmungen festgelegt. Deren Einhaltung wird von staatlichen Organen überprüft, beispielsweise von der Finanzkontrolle des Bundes oder eines Kantons. Über allem steht immer der Anspruch, dass öffentliche Unternehmen öffentliche Leistungen zu erbringen haben und gegenüber der Öffentlichkeit Red und Antwort stehen müssen.

Im Grundsatz besteht dazu bestimmt Einigkeit. Die Schlüsselfrage ist nun aber, wie die Steuerung und Überwachung der öffentlichen Unternehmen durch die Politik (als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger) organisiert sein und wie sie erfolgen soll. Der Umstand, dass öffentliche Unternehmen ausgegliedert sind, macht deutlich, dass die Politik ihnen mehr Autonomie geben wollte als der allgemeinen Verwaltung. Dennoch muss sie ihre Aufsichts- und Steuerungsfunktion wahrnehmen können.

Aus der Sicht der Autoren lassen sich einige Grundsätze der politischen Steuerung öffentlicher Unternehmen festhalten, aus denen operative Lösungen abgeleitet werden können:

1 Gewährleistungs-Optik: Im Vordergrund steht immer der Auftrag der Politik, eine optimale Versorgung der Gesellschaft mit öffentlichen Leistungen sicherzustellen.

2 Strategische Angaben: Ist eine öffentliche Unternehmung in die grössere Selbständigkeit entlassen, so kann und soll sie nicht mehr über detaillierte Eingriffe in die operative Tätigkeit geführt werden. Vielmehr ist die Politik gefordert, der öffentlichen Unternehmung klare strategische Vorgaben zu machen: Wie soll sie sich positionieren? Was soll ihre Rolle im Staat sein? Auf welche Entwicklungen soll sie sich vorbereiten? Diese Vorgaben werden in der Folge als Eignerziele bezeichnet.

3 Management by Exception: Auch wenn sich die Politik im Regelfall auf die strategischen Vorgaben beschränken soll, so bleibt sie oft auch für operative Entwicklungen politisch verantwortlich. Daher kann es im Einzelfall notwendig sein, dass politische Überlegungen in operative Entscheidungen einfliessen. Dies kann aber nur die Ausnahme sein – die Regel muss bleiben, dass die Strategische Führungsebene gemeinsam mit der Operativen Führungsebene die Geschicke der Unternehmung lenkt.

4 Transparenz: Eine Vergrösserung der Autonomie einer staatlichen Organisation will kompensiert sein. Vermeintliche Einflussmöglichkeiten der Politik, die sie zugunsten einer strategischen Führung aufgeben muss, vergrössern das Misstrauen gegenüber der öffentlichen Unternehmung. Dies kann oft nur durch grosse Transparenz kompensiert werden. Transparente Prozesse der personellen Besetzung der Strategischen und der Operativen Führungsebene, transparente Rechnungslegung, transparente Leistungs- und Wirkungsberichte sind die Grundlage für Vertrauen gegenüber dem öffentlichen Unternehmen.

5 Vermeidung von Interessenkonflikten: Erfolgt eine politische Einflussnahme auf das öffentliche Unternehmen, so besteht eine Gefahr von Interessenkonflikten. Insbesondere in der kleinen Schweiz ist es nicht immer einfach, genügend gute Leute für politische Ämter und Vorstandsfunktionen zu finden. Die Versuchung einer Ämterkumulation ist daher latent vorhanden. Wer aber zu viele Ämter an sich zieht, läuft Gefahr, dass zwischen den verschiedenen Rollen Interessenkonflikte auftreten, die kaum überwindbar sind.

6 Einsitznahme von Exekutivmitgliedern: Grundsätzlich sollten Mitglieder der Exekutive nicht direkt Einsitz in die Strategische Führungsebene eines öffentlichen Unternehmens nehmen. So sollten z.B. Regierungsräte eines Kantons nicht Mitglieder des Verwaltungsrates des kantonalen Elektrizitätsversorgungsunternehmens sein. Dabei ist die betroffene Person einem dauernden Interessenkonflikt ausgesetzt. Im angeführten Beispiel müsste der Regierungsrat als Vertreter des Kantons auf möglichst tiefen Energiepreisen bestehen, als Mitglied der Strategischen Führungsebene müsste er zur Verbesserung der Rentabilität aber möglichst hohe Energiepreise ansetzen. Vor diesem Hintergrund wird die Thematik vertieft und die Vor- und Nachteile einer Einsitznahme dargelegt. Die Entscheidung hat letztlich jedes einzelne Mitglied der Exekutive selbst zu treffen, falls nicht eine übergeordnete Regelung den Umgang im Grundsatz definiert (6.4 Einsitznahme der Exekutive in der Strategischen Führungsebene, 118).

7 Orientierung an der Privatwirtschaft: Auch wenn öffentliche Unternehmen wesentlich unterschiedliche Kontextbedingungen vorfinden, gelten viele Grundprinzipien der Unternehmensführung auch für sie. Eine Orientierung an den Praktiken der Privatwirtschaft ist daher stets eine bereichernde Quelle in der Ausgestaltung der eigenen Strukturen und Prozesse im öffentlichen Unternehmen. Damit ist allerdings keine blinde Übernahme gemeint, sondern eine intelligente Auseinandersetzung mit Instrumenten, welche sich in der Privatwirtschaft bewährt haben.

1.8 Einfache Grundstruktur

Im Rahmen von Projekten, welche die Autoren seit Anfang der 2000er Jahre in der Praxis begleiten konnten, zeigte es sich, dass es ein überaus wichtiges Anliegen ist, einfache und übersichtliche Strukturen zu schaffen. Ziel von Public Corporate Governance ist es weiterhin, die Führung, Steuerung, Kontrolle und Aufsicht von staatlichen Unternehmen zu verbessern. Dennoch ist in verschiedenen Organisationen und Verwaltungen zu erkennen, dass oft in einem gut gemeinten Vorsatz Strukturen und Prozesse definiert werden, welche alles andere als einfach zu beurteilen sind.

Warum erscheinen die Themen Corporate Governance und Public Corporate Governance als kompliziert? Folgende Erkenntnisse dienen als Erläuterung: Es wird nicht konsequent genug versucht, eine Lösung für die jeweilige Situation zu finden. Oder es wird stur versucht, Muster zu übernehmen. Im Weiteren kann die Idee bestehen, dass alle öffentlichen Unternehmen gleich behandelt werden sollen. Tatsächlich muss jedoch die Umsetzung der Public Corporate Governance situativ erfolgen. Es muss dabei auch Rücksicht genommen werden auf die individuellen Umstände des Unternehmens. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass situativ bedeutet, dass Vorgaben und Regelungen zwar konsequent, aber abgestimmt auf das Unternehmen ausgerichtet und umgesetzt werden.

Es ist die Absicht der Autoren, in diesem Buch Strukturen und Prozesse zu entwerfen und einzuführen, welche einfach in Aufbau und Anwendung sind.

1 Synonym wird an anderer Stelle auch der Begriff «Eigentümerstrategie» verwendet (z.B. Schedler, Gulde et al. 2007). Dieser Begriff wird in diesem Handbuch nicht verwendet, weil es sich beim Begriff «Eigentum» um einen genau definierten Rechtsbegriff handelt.

Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen

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