Читать книгу Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen - Roland Muller - Страница 12

Оглавление

2 Grundlagen

2.1 Einführung

Im folgenden Abschnitt werden einige grundlegende Aspekte dargelegt, die zur Public Corporate Governance in der Literatur gefunden werden können, was für die Steuerung von öffentlichen Unternehmen aktuell bereits beschrieben ist und welche Konzepte eine Rolle spielen. In der Literatur sind sie bereits ausführlich behandelt worden, weshalb an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung vorgenommen wird.

Die konzeptionellen Grundlagen basieren auf Erkenntnissen der Betriebswirtschaft, der Rechtswissenschaft und auch, jedoch eher am Rande, der Politikwissenschaft.

Bei Public Corporate Governance handelt es sich um ein internationales Thema, das wegen der verwaltungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen national geprägt ist. Dieses Buch diskutiert das Thema vor dem Hintergrund der Praxis und der institutionellen Rahmenbedingungen in der Schweiz und in Liechtenstein. Die Autoren sind allerdings überzeugt, dass viele Grundsätze und Themen auch in anderen Kontexten wesentliche Anregungen geben.2

2.2 Die Funktion des Staates

Es sind die politischen Instanzen, welche über die Aufgabenbreite des Staates entscheiden. Dies geschieht in den üblichen, demokratisch legitimierten Verfahren. Die Leistungstiefe des Staates ist gegenüber dem ursprünglich eingesetzten Wohlfahrtsstaat eingeschränkt: Der Staat erfüllt nur noch die Aufgaben im Kernbereich der staatlichen Verantwortung selbst. Zu beachten ist, dass die Verantwortung des Staates für ausgelagerte Aufgabenbereiche nicht aufgehoben wird. Seine Rolle im Entwicklungsprozess ist hingegen eine völlig andere: Der Staat soll die Gesellschaft vermehrt aktivieren, indem auch direktere Partizipation der Bürger/Kunden an der Leistungserstellung ermöglicht und gefördert wird. Auch die daraus entstehende Gewährleistungsverwaltung handelt zielgerichtet, jedoch autonomer und mit einem gewissen Verhandlungsspielraum. Über die konkrete Definition der Staatsaufgaben entscheidet nicht der Markt, sondern sie ist nach wie vor das Resultat eines demokratischen Verfahrens.

Die Grenzen zwischen Staat und Wirtschaft sind nicht klar gezogen, sondern durch Überschneidungen charakterisiert. Durch «Empowerment» der Einwohner sollen diese zur Eigenerstellung öffentlicher Güter angeregt werden. Dies geschieht in vielfältigen Formen der Leistungserbringung, in denen öffentliche und private Verantwortung miteinander verbunden werden. Der traditionelle Staat verändert sich zum Partner, zum Moderator und Katalysator.

Diese gegenseitige Durchdringung von Staat und Markt zeigt sich auf doppelte Weise:

■ Private, welche die Erfüllungsverantwortung übernehmen, werden in eine öffentliche Verantwortung und Kontrolle eingebunden (vgl. dazu Art. 35 Abs. 2 der schweizerischen Bundesverfassung: «Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen»).

■ In diese Vorgehensweise bringt der Staat bewusst Mechanismen ein, die eine effiziente Aufgabenerfüllung erwirken, ohne auf hoheitliche Durchsetzung zu greifen (Schedler und Proeller 2009).

Die Auslagerung von Aufgaben wird in der Schweiz seit vielen Jahren betrieben und ausführlich durch den Bundesrat im «Corporate Governance Bericht» vom 13. September 2006 behandelt (Schweiz. Bundesrat 2006). Der Fokus des Berichts liegt auf den Fragestellungen, welche Aufgaben auslagerbar sind bzw. nach welchen Kriterien eine Auslagerung zu beurteilen ist.

Lagert der Staat gewisse Tätigkeiten an Organisationen ausserhalb der Verwaltung aus, so übernimmt er gegenüber den Bürgern die Verantwortung dafür, dass die Leistungserbringung legal, legitim, wirtschaftlich und wirkungsvoll erfolgt. Er leistet damit Gewähr für eine ordnungsgemässe Leistungserbringung, die das öffentliche Interesse berücksichtigt. Gleichzeitig kann er aber je nach Situation die jeweils beste Form der Aufgabenerfüllung auswählen. Er lässt den politischen Kräften den Entscheid offen und liefert die Optionen, aus denen gewählt werden kann. Dies bedingt allerdings, dass sich der Staat für jede konkrete Situation entscheiden muss, welchen Weg er wählt.

Im Gewährleistungsstaat «wird der Entscheid über die Aufgabenbreite und die ideologische Ausgestaltung des Staates (neoliberaler vs. Sozial- und Wohlfahrtsstaat) entkoppelt von Fragen der Umsetzung des Service Public und der Aufgabenwahrnehmung. Die Aufgabenbreite wird durch politische Instanzen in demokratischen Verfahren festgelegt. Bei der Aufgabenerfüllung trägt der Staat in allen öffentlichen Aufgabenbereichen die Gewährleistungsverantwortung, erbringt aber lediglich sog. Kernaufgaben des Staates selbst» (Schedler und Proeller 2009, 35). Gleichzeitig entsteht eine Gewährleistungsverwaltung, welche zielgerichtet, aber autonomer und mit mehr Verhandlungsspielraum handelt. Die Konzeption des Gewährleistungsstaates erlaubt somit ein politisch-administratives System, welches sowohl sozialstaatliche als auch neo-liberale Züge zulässt. Die öffentliche Verwaltung übernimmt im Gewährleistungsstaat die Verantwortung für die Sicherstellung der Leistungserbringung der demokratisch festgelegten Aufgaben.

Eine Möglichkeit, ausgelagerte Aufgaben zu erfüllen, ist der Einsatz von staatseigenen (öffentlichen) Unternehmen. Sie entstehen durch Neugründung (meist wenn neue Aufgaben organisiert werden) oder durch Ausgliederung bestehender Organisationseinheiten. Öffentliche Unternehmen können unterschiedliche Rechtsformen annehmen (vgl. Kapitel 5, Rechtsformen für die Auslagerung und Unternehmensgründung, 77 ff.). Sie werden im Gewährleistungsstaat als Leistungserbringer angesehen, die sich im Prinzip nur wenig von anderen Leistungserbringern unterscheiden.

Für die Public Corporate Governance bedeutet diese Staatsidee, dass:

1 der Staat die Erfüllung von Aufgaben in unterschiedlichen Formen und Strukturen sicherstellen kann, insbesondere auch mit ausgegliederten Eigenbetrieben und Beteiligungen.

2 diese organisatorischen Lösungen jedoch stets den Anforderungen der Legalität, Legitimität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit zu genügen haben.

3 in jedem konkreten Fall eine neue Abwägung vorgenommen werden muss, wie diese Kriterien zu gewichten sind.

4 der Staat Aufgaben an öffentliche Unternehmen auslagern kann und die Leistungserbringung nach denselben Kriterien beurteilen muss.

2.3 Gewährleistung, Leistung und Eigentum

Der Staat und seine Institutionen sind der Garant dafür, dass politisch beschlossene Aufgaben im vorgegebenen Mass erfüllt werden. Dabei steht er jedoch nicht alleine da, sondern er kann Elemente der sogenannten Daseinsfürsorge an Dritte delegieren. Dies war schon immer so, allerdings hat das Ausmass der Delegation an Dritte in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, so dass von einem Übergang vom Leistungsstaat zum «Gewährleistungsstaat» gesprochen wird. Wählt er für die Leistungserbringung die Form des Staatsbetriebs, so ist im Rahmen der Diskussion zwischen den folgenden drei wesentlichen Funktionen bezüglich Verantwortung zu differenzieren

Gewährleistung: Als Gewährleister hat das Gemeinwesen die nicht delegierbare Verantwortung, dass eine bestimmte Aufgabe in einer definierten Qualität erfüllt wird. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass bei der Festlegung wichtiger Rahmenbedingungen oder des Auftrags die demokratischen Verfahren eingehalten und die Rechte der Betroffenen geschützt werden. Die Ziele der Aufgabenerfüllung müssen sich an den von der Politik verfassungsmässig vorgesehenen öffentlichen Interessen ausrichten. Dazu gehört auch die Sicherstellung einer demokratisch legitimierten Aufsicht. Im Vordergrund steht hier in aller Regel die politische Perspektive – die Gewährleistungsverantwortung ist in erster Linie eine politische Verantwortung.

Leistung: Der Erbringer der Leistung (hier das öffentliche Unternehmen) trägt die Erfüllungsverantwortung, die ebenfalls im Rahmen der Erfolgskriterien beurteilt werden kann: Die Aufgabe ist legal, legitim, effizient und effektiv zu erfüllen. Im Vordergrund steht hier die Management-Perspektive – die Erfüllungsverantwortung ist in erster Linie eine Verantwortung des Managements (der leistungserbringenden Organisation) gegenüber dem Auftraggeber.

Eigentum: Als Eigner oder Beteiligter eines öffentlichen Unternehmens trägt das Gemeinwesen die Verantwortung, dass zum einen die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Unternehmung langfristig erhalten bleibt und dass zum Zweiten die Führung des Betriebs nach anerkannten Grundsätzen erfolgt. Politisch sollte zudem festgelegt werden, inwiefern eingesetztes Kapital und Risiko zu entschädigen sind oder wie viel Defizit ein Gemeinwesen zu decken gewillt ist (in der folgenden Grafik als «Rendite» umschrieben). Im Vordergrund steht hier sowohl eine politische als auch eine Corporate-Governance-Perspektive – die Eignerverantwortung ist in erster Linie eine Verantwortung des Gemeinwesens gegenüber den Stakeholdern der Unternehmung, aber auch gegenüber dem Steuerzahler. Zu beachten ist, dass Eigentum jedoch nur eine der Möglichkeiten darstellt, die Gewährleistung sicherzustellen. In Ergänzung zu den Ausführungen zum Stichwort «Gewährleistung» wird an dieser Stelle auf folgende weitere Formen hingewiesen: Erfüllung durch die Verwaltung selbst, Erfüllung durch externe Anbieter (mittels Vertrag), Erfüllung durch interne Anbieter (mittels Leistungsvereinbarung). Diese Themen werden jedoch im Rahmen dieses Werks nicht vertieft.


Abbildung 2: Aufgabendifferenzierung im Gewährleistungsstaat (Schedler, Gulde et al. 2007)

Die Gewährleistungsverantwortung verbleibt bei der Public Corporate Governance stets bei der auslagernden Staatsebene als Gewährleister (z.B. Bund), während die Erfüllungsverantwortung delegierbar ist (z.B. Mastronardi 2007). Hingegen behält die auslagernde Ebene die sogenannte Auffangverantwortung, d.h., bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Aufgabe durch den Beauftragten muss sie in der Lage sein, die Aufgabe selbst zu erbringen oder durch andere Dritte erbringen zu lassen.

Diese Auffangverantwortung ist nach der dargestellten Konzeption ein Teilbereich der Gewährleistungsverantwortung, wie die Verantwortung für die Auswahl der geeigneten Governance-Form (also beispielsweise: regulierte Marktlösung; Netzwerklösung; Kontrakt mit privaten und/ oder öffentlichen Anbietern):

■ Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines geeigneten Marktumfeldes für die gewählte Governance-Form (z.B. die Regulierung des Telekommunikationsmarktes durch die ComCom).

■ Die Verantwortung für die Auswahl geeigneter Leistungserbringer, sofern eine solche Wahlmöglichkeit in der gewählten Governance-Form vorgesehen ist (z.B. durch Ausschreibungen im öffentlichen Regionalverkehr).

■ Die Verantwortung für die Überwachung der Leistungserbringung und -abgabe an die Öffentlichkeit.

■ Die Verantwortung für die Gewährung der Rechte aller Betroffenen (z.B. durch Schaffung einer Rekursinstanz). Mit der Auslagerung von Aufgaben an private und/oder öffentliche Unternehmen allein ist es also nicht getan.

■ Handelt es sich um eine Aufgabe im öffentlichen Interesse, so ist der Staat gefordert, eine ganze Reihe von Massnahmen durchzuführen, um die zuverlässige Leistungserbringung zu gewährleisten. So hat der Eigner konkrete Ziele an die Unternehmung zu formulieren (Eignerziele). Diese Aspekte werden in Kapitel 6 (Eignerrolle der öffentlichen Hand, 111 ff.) vertieft und konkretisiert.

■ Der Gewährleister formuliert eine Leistungsvereinbarung mit der Unternehmung (siehe Kapitel 7 Gewährleistung durch Leistungsvereinbarung und Finanzierung, 141 ff.) Dies zeigt bereits an dieser Stelle, dass die Steuerung vielfach über zwei oder mehrere Kanäle erfolgt.

2.4 Corporate Goverance für öffentliche Unternehmen – Public Corporate Governance

Aufgrund der dargestellten Aspekte stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis die verschiedenen Governance-Konzepte zueinander stehen. Vereinfachend unterscheiden die Autoren an dieser Stelle die Public Governance von der Public Corporate Governance. Das erste, die Public Governance, bezeichnet die Steuerung im öffentlichen Raum, die auch nichthierarchische Elemente mit einbezieht. Erstellt das Gemeinwesen Leistungen selbst, so geschieht dies im Rahmen der eigenen Organisation, also in der Form hierarchischer Führung – das traditionelle Government. Werden hingegen Dritte mit einbezogen, so entstehen marktähnliche oder netzwerkartige Kooperationsformen, die nicht hierarchisch sind. Andere Formen von Steuerung sind daher notwendig – die moderne Governance. Public Corporate Governance ist damit ein Teilbereich der Public Governance, der den Spielregeln der Public Governance untergeordnet ist. Public Corporate Governance ist für all jene Fälle der Public Governance relevant, in denen sich der Staat für eine Leistungserfüllung durch verselbständigte Organisationen im Eigentum des Staates (öffentliche Unternehmen) entscheidet (Schedler, Gulde et al. 2007, 12 ff.).


Abbildung 3: Einbettung der Public Corporate Governance in die Public Governance (Schedler, Gulde et al. 2007)

Wie bei jeder staatlichen Tätigkeit, steht das öffentliche Interesse im Vordergrund der Betrachtung. Es definiert den Spielraum der Public Governance, oder mit anderen Worten: Das öffentliche Interesse legt die Grenzen für die Public Governance-Arrangements fest, die für eine konkrete Lösung zur Verfügung stehen. Die Ausformulierung des öffentlichen Interesses entsteht in einem politischen Prozess. Jegliche Form der Public Governance-Arrangements, sei dies nun ein Netzwerk, eine Public Private Partnership, ein Regulatormodell (wie z.B. auf der Grundlage des Stromversorgungsgesetzes), oder auch eine Erfüllung durch ein öffentliches Unternehmen, muss aus unterschiedlichen Perspektiven des öffentlichen Interesses beurteilt werden:

■ Politisch/demokratisch: Sicherstellung einer demokratisch legitimierten Definition der Aufgaben, die erfüllt werden (politische Definition des Gemeinwohls/des öffentlichen Interesses, dem die Aufgaben dienen sollen); sodann demokratische Überwachung der Aufgabenerfüllung; politische Sicherstellung der definierten Aufgabenerfüllung; politische Verantwortlichkeit der Zuständigen. Im Fokus steht damit die Legitimität des staatlichen Handelns.

■ Rechtlich: Basierung des staatlichen Handelns auf eine rechtliche, d. h. gesetzlich definierte Grundlage; gestützt darauf Sicherstellung des Rechtsschutzes für alle Betroffenen; Wahrung von Rechten und Durchsetzung von Pflichten. Im Fokus steht die Legalität des staatlichen Handelns.

■ Betrieblich: Die Organisation der Aufgabenerfüllung ist so zu wählen, dass vorgegebene Ziele kostengünstig und termingerecht erreicht werden. Im Fokus stehen die Effizienz und Effektivität des staatlichen Handelns. Nicht selten wird eine Erfüllungsform gewählt, die marktnahe operieren muss, um vom Effizienzdruck des Wettbewerbs zu profitieren. In diesen Fällen ist die Marktfähigkeit der Unternehmung ein Indikator für die Qualität der Leistungserbringung. Mit anderen Worten: Die Unternehmung muss sich gegenüber einer allfälligen Konkurrenz im Markt behaupten können. Werden hingegen Leistungen erbracht, die nicht in wettbewerblich organisierten Märkten angeboten werden, so ist die Effizienz und Effektivität der Leistungserbringung anders zu messen, beispielsweise über Indikatoren.

Es gibt gute Gründe, weshalb Leistungen in öffentlichen Unternehmen erbracht werden anstatt in der klassischen Verwaltung:

■ Entkoppelung der Leistungserbringung von der operativen Regulierung der klassischen Verwaltung.

■ Entkoppelung der leistungserbringenden Organisation von der – oft operativen – politisierten Steuerung über das Budget.

■ Ermöglichung von Kooperationen zwischen Gemeinwesen (public-public) oder zwischen Gemeinwesen und Privaten (public-private).

■ Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung der leistungserbringenden Organisation, damit aber auch Verpflichtung zu mehr Effizienz und Effektivität.

Gerade der letzte Punkt ist oft die offizielle Rechtfertigung für die Schaffung einer öffentlichen Unternehmung. Effizienz und Effektivität sind oft schlecht messbar, so dass nicht selten ein direkter Vergleich mit dem Markt angestrebt wird. Ist nun Marktfähigkeit das Ziel der Politik für die Unternehmung, wird sie zum Indikator für gute Leistungserbringung – kaum je zum Hauptzweck des öffentlichen Unternehmens. Diesen Anforderungen muss der Staat in seinem Verantwortungsbereich immer gerecht werden, sei er nun selbst Leistungserbringer oder Dritte, sei er selbst Eigner oder Dritte. Legalität, Legitimität, Effizienz und Effektivität sind damit die Richtschnur für die Beurteilung von Public Governance-Arrangements. Da sie in ihren Anliegen regelmässig widersprüchlich sind, muss für jede einzelne Situation eine optimale Balance gefunden werden.


Tabelle 1: Erfüllungsformen im Vergleich (eigene Darstellung)

Die Tabelle 1 zeigt, dass bezüglich Steuerung die Erfüllung durch die zentrale Verwaltung den direktesten Zugriff erlaubt. Wird nun eine Aufgabe ausgelagert und erfolgt die Aufgabenerfüllung durch ein öffentliches Unternehmen im Besitz des Staates, so sollen insbesondere Effektivitäts- und Effizienzvorteile realisiert werden. Darüber hinaus ist zu beachten:

■ Über Delegierte in der Strategischen Führungsebene und/oder Vorgaben bezüglich zu erreichender Ziele und einzuhaltender Leitplanken (siehe Kapitel 6 Eignerrolle der öffentlichen Hand, 111 ff.) findet eine indirekte Steuerung statt.

■ Im Weiteren sind in der Leistungsvereinbarung die zu erreichenden konkreten Ziele definiert (siehe dazu Kapitel 7 Gewährleistung durch Leistungsvereinbarung und Finanzierung, 141).

■ Allfällige Konflikte sind mittelbar hierarchisch zu klären. Im verantwortlichen Gremium (Strategische Führungsebene) muss ein Prozess initialisiert werden, welcher über die eigene Körperschaft hinaus auch den Eigentümer mit einbezieht.

■ Sanktionen sind im Rahmen des Organisations- oder Unternehmensrechts geregelt. Handelt es sich beim Unternehmen um eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, sind die entsprechenden Mittel im Obligationenrecht geregelt. Für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sind sie aus verschiedenen Dokumenten abzuleiten.

Gegenüber der Auslagerung einer Aufgabe an eine private Unternehmung besteht der Vorteil eines Staatsunternehmens darin, dass es einer stärkeren demokratischen und rechtlichen Kontrolle unterliegt. Die Aspekte der Legitimität und der Legalität sind daher, so erforderlich, ein Vorteil dieser Variante. Für die Interpretation der Tabelle 1 ist deshalb folgendes zu beachten:

■ Das primäre Steuerungsmedium ist die Leistungsvereinbarung, in welcher alle Aspekte der Leistungserfüllung und der Art der Umsetzung definiert werden müssen.

■ Die Konfliktbewältigung geschieht ausserhalb der Hierarchie und bedient sich der Methoden, welche unter Vertragspartnern üblich sind.

■ Eskalationen von Konflikten geschehen unter Einbezug der Sanktionen, welche im Vertragsrecht vorgesehen sind.

Die Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen (Erfüllung durch ein öffentliches oder ein privates Unternehmen) erfolgt im Rahmen der Entscheidung, ob eine Aufgabe ausgelagert werden soll oder nicht (siehe Kapitel 4 Auslagerung von Aufgaben, 61).

Die Grundsätze der Public Corporate Governance können in einem staatlichen Gesetz (z.B. Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz (ÖUSG) des Landes Liechtenstein) oder in Richtlinien (z.B. Public Corporate Governance-Richtlinien des Kantons Basel-Stadt) festgehalten werden. In der Schweiz haben die meisten Kantone entsprechende Richtlinien erlassen. Es gibt aber auch schon Richtlinien in Städten. Ein gutes Beispiel für prägnante Grundsätze ist dabei die Richtlinie der Stadt Gossau SG, die im Anhang aufgeführt sind (11.6 PCG-Richtlinien der Stadt Gossau, 303).

2.5 Bedeutung und Nutzen der Public Corporate Governance

Um zu verstehen, was Public Corporate Governance für öffentliche Unternehmen bedeutet, muss zuerst verstanden werden, für welche Unternehmen Corporate Governance grundsätzlich von Bedeutung ist. Corporate-Governance-Grundsätze sind für alle Unternehmen gültig, ungeachtet der Grösse, und insbesondere für alle Profit- und Nonprofit-Organisationen. Ausserdem sind sie unabhängig von der Rechtsform von Bedeutung.

Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen aus der Praxis, können folgende Punkte aufgelistet werden, welche konkret einen direkten Mehrwert aus der Umsetzung von Corporate-Governance-Empfehlungen für öffentliche Unternehmen aufzeigen:

1. Geordnetes Verhältnis zwischen Eigner und Unternehmen:

Die Public Corporate Governance schafft klare Verhältnisse bezüglich der zu erreichenden Ziele und der zu berücksichtigenden Werte und damit eine saubere Rollenteilung zwischen Eigentümer und Unternehmen. Die strategische Führung kann darauf aufbauend ihre Unternehmensstrategie entwickeln und ihre Handlungsfähigkeit steigern.

2. Effizienz in Führung und Kontrolle:

Klare Aufgaben, präzise Kompetenzen und zugeordnete Verantwortlichkeiten erhöhen die Klarheit in der Führung. Dies führt zu einer präziseren Umsetzung von Controlling und Reporting, was letztlich zu einer Verbesserung der strategischen Führung führt. Die Fokussierung auf die klare zentrale Aufgabe schärft die Wahrnehmung und fördert die Entwicklung der Kernkompetenzen.

3. Reduktion des Führungsaufwandes der Exekutive:

Die saubere und definierte Übertragung der Aufgaben von der Exekutive hin zur Strategischen Führungsebene reduziert die Aufgabenfülle der Exekutivmitglieder. Dabei spielen die Aspekte strategische Führung und Personalführung eine wichtige Rolle.

4. Verbesserung des Ratings bei Banken:

Die konsequente Umsetzung der Erkenntnisse der Public Corporate Governance verbessert die Beurteilung bei den Ratings von Banken, welche nicht nur nach harten Fakten und Zahlen, sondern immer mehr auch auf Soft Factors basieren. In der Konsequenz führt die Umsetzung der Vorgaben der Public Corporate Governance auch bei öffentlichen Unternehmen zu einer besseren Ausgangslage bezüglich Kreditwürdigkeit und damit in der Folge auch zu einer verbesserten Ausgangslage bei der Beschaffung von Fremdkapital.

5. Reduktion von Versicherungsprämien:

Auf der Grundlage der Instrumente der Public Corporate Governance werden Risiken des öffentlichen Unternehmens gezielt analysiert und beurteilt. Basierend auf den Instrumenten des Risk Managements, ist es damit möglich, Risiken präziser zu beschreiben und ihr Eintreten zu bewerten. Für Versicherungsunternehmen wird die Übersicht verbessert: In der Folge profitiert das Unternehmen von reduzierten Versicherungsprämien.

6. Intensivierung der Kundenbeziehungen:

Kunden, welche auf stabile Beziehungen setzen, erhalten die Gewähr, einen Lieferanten zu haben, welcher seinerseits auf Kontinuität und langfristige Unternehmensentwicklung setzt. Auf dieser Grundlage können stabile Kundenbeziehungen aufgebaut und etabliert werden.

Die Fokussierung auf Qualität wirkt sich nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen im engeren Sinn, sondern letztlich auch auf die Bereitschaft zu Innovation und Entwicklung aus.

Die konsequente Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse kann mittels Markeneinsatz gezielt gesteigert werden. Im Rahmen der Untersuchung von öffentlichen Marken legt Henkel dar, dass der Einsatz von Marketinginstrumenten in öffentlichen Unternehmen eine zentrale Rolle zur Entwicklung der Kundenbeziehung darstellt. An den Beispielen von «ZüriWasser» (Wasserversorgung Zürich) und «Inselspital» (Inselspital Bern) legt die Autorin dar, dass Marketingmassnahmen zur Entwicklung der gestützten und ungestützten Bekanntheit und zur Reputation der Unternehmen beitragen (Henkel 2008).

7. Verbesserung der Lieferantenbeziehungen:

Unternehmen mit einer konsequenten Umsetzung von Public Corporate Governance sind mit ihren Instrumenten, insbesondere bezüglich des Qualitätsfokus, für die Entwicklung und Steuerung inkl. Qualitätsmanagement verlässlichere Partner als Lieferanten.

8. Vereinfachung von Kooperationen:

Haben mehrere Gemeinwesen die Absicht, eine Aufgabe gemeinsam zu erfüllen bzw. durch ein ausgelagertes Unternehmen ausführen zu lassen, schaffen präzise Grundlagen Voraussetzungen, mit denen Kooperationen einfacher strukturiert und realisiert werden können.

9. Realisierung einer Haftungsprävention:

Public-Corporate-Governance-Instrumente helfen, die Verantwortung in der Strategischen Führungsebene beurteilen und zuteilen zu können, indem Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung klar geregelt sind.

10. Good Governance und Ethikausweis:

Öffentliche Unternehmen mit einer sorgfältigen Umsetzung von Public Corporate Governance setzen Guidelines in der Unternehmensführung umfassend um und sorgen damit für eine konsequente Steuerung in der Strategischen Führungsebene.

Die Verpflichtung aller Beteiligten auf der strategischen und operativen Ebene zur Einhaltung der Vorgaben der Public Corporate Governance führt letztlich zu einer unternehmensethisch konsequent aufgestellten Unternehmensführung.

11. Klare Definition der Leistungen (Leistungsvereinbarung und Globalbudget):

Die saubere Definition der zu erbringenden Leistungen (Produkte und Dienstleistungen) in Verbindung mit den bereitzustellenden finanziellen Mitteln führen zur Reduktion von Unsicherheiten.

12. Möglichkeit eines eigenen Auftritts und Entwicklung einer Reputation:

Der selbständige Auftritt eines öffentlichen Unternehmens (mit Handelsregistereintrag) ermöglicht die Erarbeitung einer eigenen Reputation, eines eigenen Images und letztlich einer eigenständigen Marke.

13. Stakeholder-Ausrichtung fördert das Vertrauen der Bürger:

Der Leistungsprozess, der auf Kunden, Stakeholder und Eigentümer gleichermassen ausgerichtet ist, führt letztlich zu einer Vertrauenssteigerung auf Seiten des Bürgers. Es ist klar, was das Unternehmen zu leisten hat und was vom Unternehmen erwartet werden kann. Die Transparenz, welche durch Public Corporate Governance geschaffen wird, bietet dazu die Grundlage.

14. Sicherung der Wiederwahl:

Politiker profitieren letztlich, dies vielleicht etwas offensiv dargestellt, durch die verbesserte Reputation des öffentlichen Unternehmens, das Public Corporate Governance umsetzt. Dies führt in letzter Konsequenz zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Politik und verbessert damit die Chance der Wiederwahl der Amtsinhaber.

2.6 Perspektiven der Public Corporate Governance

Wenn von den Interessen der Eigner die Rede ist, so sind sich die Autoren bewusst, dass Gemeinwesen als Eigner von Unternehmen selten eine konsistente Interessenlage aufweisen. Im Grunde wäre das Volk als Eigner zu sehen, was in der Praxis aber nicht handhabbar ist. Folglich treten Parlament (wo vorhanden) und Exekutive an seine Stelle. In der Regel vertritt die Regierung die Interessen der Eigner und handelt als Aktionär, unter der Oberaufsicht des Parlamentes oder der Gemeindeversammlung. Für den Eigner ist es wesentlich, seine eigene Rolle in der Corporate Governance zu erkennen und sein Verhältnis zu den anderen Akteuren zu definieren. Daraus kann abgeleitet werden, welches Modell der Public Corporate Governance für die konkrete Ausgestaltung dominierend sein soll bzw. welche Elemente in eine Public Corporate Governance mit einbezogen werden. Comforth (2003) hat eine Typologie entwickelt, an der sich die Praxis sehr gut orientieren kann. Für verschiedene dominierende Annahmen («theoretische Perspektive») zeigt er auf, von welchen Interessenlagen ausgegangen wird und welche Konsequenzen dies für die Zusammensetzung der Strategischen Führungsebene und für deren hauptsächliche Aufgabe hat. An dieser Stelle wollen die Autoren aber noch bewusst breiter bleiben. Die Frage ist hier, wie sich der Eigner mit seinen Interessen in die Organisation einbringen will.

Theoretische PerspektiveInteressenlageAuswahlkriterien für Mitglieder der Strategischen FührungsebeneAufgabe der Strategischen FührungsebenePCG-Modell
Agency-TheorieZwischen Eigner und Managern besteht ein InteressenkonfliktRepräsentanten der EignerKonformität mit den Interessen der Eigner sicherstellenCompliance Modell
Stewardship TheorieEigner und Manager haben dieselben InteressenExpertenLeistung der Organisation verbessernPartnerschafts modell
Demokratische PerspektiveZwischen Öffentlichkeit und Eigner / Management besteht ein InteressenkonfliktDemokratisch legitimierte Laien-RepräsentantenIn politischen Prozessen die Organisation steuernDemokratisches Modell
Stakeholder TheorieZwischen relevanten Anspruchsgruppen und Eigner / Management besteht ein InteressenkonfliktRepräsentanten der AnspruchsgruppenInteressen der Anspruchsgruppen vertretenStakeholder Modell

Tabelle 2: Konzeptionelle Ansätze der Public Corporate Governance (Comforth 2003)

Sieht sich der Eigner primär als Auftraggeber («Principal» in der Agency-Perspektive), so wird er versuchen, klare Aufträge und Ziele zu definieren, die zu erreichen sind. Typischerweise wird er Anreize für das Management setzen, diese Ziele zu erreichen, und er wird vor dem Problem stehen, die Zielerreichung kontrollieren zu müssen. Das kann er unter anderem tun, indem er seine Vertreter in die Strategische Führungsebene entsendet, die die «Compliance» (Einhaltung der Vorgaben) überwachen.

Im Ansatz der Stewardship-Perspektive versteht sich der Eigner als Teil der Organisation, in die er sich partizipativ und begleitend einbringen will. Gemeinsam mit dem Management entwickelt der Eigner (bzw. seine Vertreter in der Strategischen Führungsebene) Strategien, um die Leistungserbringung der Organisation zu verbessern. Zwischen Eigner und Management besteht ein Partnerschaftsverhältnis.

Die demokratische Perspektive betont ihrerseits die Notwendigkeit einer demokratisch legitimierten Steuerung der öffentlichen Unternehmung. Innerhalb einer Strategischen Führungsebene laufen ständig (auch) politische Entscheidungsprozesse ab, die unter anderem auch von ideologischen Vorstellungen der Mitglieder geprägt sind. Aus diesem Grund kann es relevant sein, die verschiedenen Ideologien in der Strategischen Führungsebene vertreten zu wissen. Sie hat dann die Aufgabe, die Arbeit des Managements und der Organisationsmitglieder aus politischer Warte zu beurteilen und Einfluss zu nehmen.

Die Perspektive der Anspruchsgruppen (Stakeholder) schliesslich geht davon aus, dass es legitime Interessen von Anspruchsgruppen der Organisation gibt, die zu berücksichtigen sind – und die in keinem der oben erwähnten Modelle genügend erfasst würden. Die formalisierten Prozesse der Demokratie etwa schliessen all jene Stakeholder aus, die nicht Bürgerinnen und Bürger sind. Besteht ein Interessenkonflikt zwischen Eigner (bzw. dessen Vertretung, der Regierung) oder Management und den Anspruchsgruppen, so sind die Interessen der Anspruchsgruppen durch geeignete Mittel in die Entscheidungsprozesse der Organisation mit einzubeziehen. Die oben beschriebenen Perspektiven schliessen sich gegenseitig nicht aus, sondern in der konkreten Ausgestaltung der Public Corporate Governance werden sie unterschiedlich gewichtet. In ihrer Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass sie zunehmend komplex sind, mit anderen Worten: Das Compliance-Modell ist (konzeptionell) am einfachsten, das Partnerschaftsmodell ist bereits anspruchsvoller, die demokratische Perspektive steigert die Komplexität zusätzlich, und schliesslich führt eine konsequente Umsetzung der Anspruchsgruppen-Perspektive zu sehr hohen Ansprüchen an die Public Corporate Governance. In ganzheitlich orientierten Prozessen ist nämlich immer wieder neu zu beurteilen, welches die legitimen Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen sind und wie sie in die Steuerung der öffentlichen Unternehmung einbezogen werden sollen (Mastronardi 2007). In der Wahl des Steuerungsmodells ist daher auch zu berücksichtigen, welche Komplexität notwendig ist und ob die Akteure in der Lage sind, mit ihr umzugehen.

2 Für den folgenden Abschnitt wurden Textteile der Autoren aus folgenden Werken entnommen: Müller (2009): Bericht der Arbeitsgruppe zur Corporate Governance für Organisationen und Unternehmen im öffentlichen Sektor des Landes Liechtenstein; Schedler und Proeller (2009): New Public Management; Sonderegger (2004): Public Governance in kommunalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen; Schedler, Gulde et. al. (2007): Corporate Governance öffentlicher Unternehmen – Fragen zur Führung staatlicher Unternehmen; Sonderegger und Schedler (2010): Betriebliche Steuerung von kommunalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen.

Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen

Подняться наверх