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II

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Der Pfarrer wenigstens hatte noch versucht zu vermitteln. Nahm sich Zeit für die Anhörung mit den Anrainern beim Bürgermeister.

„Immer wieder einmal mit einem Kompromiss guten Willen demonstrieren“, hatte er gefordert, „vielleicht gibt es ja auch noch andere Lösungen.“

Der Edtauer lachte daraufhin aber nur sein dämlich süffisantes Lächeln und bat, es sollten doch alle am Boden bleiben und der Realität ins Auge sehen.

Fakt sei, dass Thalheim neue Wohnungen brauche. Das sei – wie er betonte – im Bauausschuss der Gemeinde so diskutiert und beschlossen worden. Hier biete sich eine Möglichkeit, bei der alle betroffenen Parteien zufrieden wären. Und die Anrainer hätten seit Jahren Bescheid gewusst, dass ihre Wohnbauten keinen Bauabschluss darstellen – sprich: dass die Nachbarflächen noch verbaut werden würden.

Gustls Augen blitzten zornig. „Ich verstehe nicht, warum man das Bauamt ausgerechnet mit Ausschuss besetzt hat!“

Da hatte plötzlich der Bürgermeister einen ungesund roten Kopf.

„Fairerweise sollte man sagen, dass bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung zur Umwidmung der Flächen alle Fraktionen dafür gestimmt haben. Und nicht nur für die Umwidmung, sondern auch für die Bebauung und für den geplanten Wohnkomplex, welcher durch die Firma Novum des Herrn Zellinger realisiert werden sollte…“

Ursprünglich hätte gleich neben dem Friedhof eine neue Siedlung entstehen sollen – ein vergleichbarer Wohnkomplex“, führte er weiter aus, „Doch damit konnten Sie, Herr Pfarrer, sich nicht so richtig anfreunden. Die Kirche überlegte bereits seit langem wegen einer Friedhofserweiterung den Ankauf dieser Grundstücke in die Wege zu leiten. Nun war ihr die Gemeinde mit der neuen Flächenwidmung zuvor gekommen.

Also versuchten Sie durch einen Grundstückstausch gegen gleichwertige Felder am Ortsrand die Interessen der Kirche zu wahren ...“

Der Pfarrer nickte zwar, aber irgendwie beschlich einen das Gefühl, dass er sich vom Bürgermeister ausgebootet vorkam.

Seitens der Gemeinde hatte es zu den Anfragen der Kirche natürlich keine Einwände gegeben, solange der geplante Wohnbau realisiert würde. Er hatte sich also mit dem Abt von Stift Kremsmünster, dem Besitzer

besagter Felder, in Verbindung gesetzt und den Grundtausch organisiert – und nicht nur das: Weil die Zeiten nicht rosig waren und das Stift rote Zahlen schrieb, wurden auch gleich noch für weitere angrenzende Flächen, die zum Besitz des Stifts gehörten, Verkaufsoptionen herausgehandelt.

Die Herren waren sich einig. Der Rest war Formsache.

Dass dabei die Anrainer weder informiert noch befragt worden waren, davon hatte der Pfarrer allerdings nichts gewusst.


*


Gustl hatte als erster herausgefunden, was lief. „Da ist was faul“, ließ er Gottfried wissen, „angeblich wollen die da weitere Wohnblöcke hin bauen, anstatt Einfamilienhäuser ...“

Aus der Gemeinde hieß es auf seine Anfrage lapidar: Jeder Anrainer hätte ein entsprechendes Informationsschreiben erhalten. Und nachdem kein Anrainer protestiert und sich dagegen ausgesprochen hatte, würde nun eben gebaut.

Gustl fragte herum. Kein einziger Anrainer konnte sich an irgendein Gemeindeschreiben erinnern. „Hat wahrscheinlich die Post schlecht gearbeitet“, vermutete die Sekretärin in der Gemeinde.

Doch Rückscheinbriefe gehen nicht verloren. Diese Briefe waren erst gar nicht ausgeschickt worden.

Der Bürgermeister war bekannt dafür, dass er sich oft „großzügig“ über Amtswege hinwegsetzte, um unnötige Probleme zu vermeiden. Und er war vor allem aber auch dafür bekannt, dass er in Vorwahlzeiten allen möglichen Leuten alle möglichen Versprechungen machte – und mit seinem „Wort und Handschlag“ besiegelte.

Drei Jahre zuvor, gleich nach Fertigstellung des ersten Wohnkomplexes – eine Bezeichnung, die Gottfried besonders passend fand – hatte ihnen der Bürgermeister sein Wort gegeben, auf dem angrenzenden Grundstück würden höchstens noch sechs Einfamilienhäuser gebaut: „Sie können sich hier getrost eine Wohnung kaufen – ich verspreche Ihnen, dass die schöne Aussicht erhalten bleibt. Diese sechs Einfamilienhäuser werden der Bauabschluss – das heißt: keine weitere Verbauung der angrenzenden Felder.“

Da haben die meisten Wohnungsinteressenten, genau wie Gustl und Gottfried, beruhigt den Kaufvertrag unterschrieben.

Jetzt sah die Geschichte plötzlich ganz anders aus. Genaues wusste man anfangs ja nicht, fix allerdings war, dass Novum schon den Zuschlag für vier oder fünf Wohnblöcke habe – zu debattieren gäbe es da nichts mehr. Die Einfamilienhäuser-Siedlung war damit vom Tisch.

Einige Anrainer machten sich auf zum Bürgermeister. Der Herr war natürlich vielbeschäftigt und nicht gleich immer für jedermann zu sprechen. Völlig gestresst und mit den Vorwürfen konfrontiert, fiel er aus allen Wolken: „So etwas hab ich nie versprochen, könnte ich ja gar nicht ...“

„Doch“, sagte Gustl, „hast du!“

„Ich habe nie, ich betone, nie gesagt, dass dort Einfamilienhäuser gebaut würden. Im Flächenwidmungsplan waren zu der Zeit Einfamilienhäuser vorgesehen, davon werde ich wahrscheinlich gesprochen haben ...“

Er blickte auf die Uhr, „Und ich muss mich entschuldigen, leider hab ich noch einen wichtigen Termin beim Herrn Landeshauptmann.“

Gustl aber ließ nicht locker und folgte ihm in Richtung Auto.

„Du bist mir so ein Bürgermeister! Nicht vorbereitet bist, Ausred’ fällt dir auch keine ein und jetzt scheißt dich an und musst plötzlich zum Landeshauptmann.“

„Sparen Sie sich Ihre Unflätigkeiten, auf dem Niveau rede ich sowieso nicht mit Ihnen. Und ich wollte Sie nicht vertrösten. Im Gegenteil, ich hab mir extra die wenigen Minuten zwischen der Bauausschusssitzung und dem Termin beim Landeshauptmann für Sie freigenommen, um einen ersten Eindruck von Ihrem Anliegen zu bekommen.“

Jetzt sagte er plötzlich wieder „Sie“, damals im Bierzelt, vor der Wahl, hatte er ihm freundschaftlich das „Du“ angetragen.

„Ja dann sag uns eben noch schnell, dass das passt mit deinem Versprechen damals – dass du uns diese Wolkenkratzer nicht vors Küchenfenster hinstellen lässt“, sagte Gustl, „dann sind wir schon zufrieden, gehen und lassen dich in Ruh‘.“

„Das war erstens kein Versprechen und zweitens meinte ich damals nicht...“

„Du hast noch nie auch nur irgendwas so gemeint, wie du es gesagt hast, du hast nur ein Glück: nämlich kein Unternehmer zu sein, sondern Politiker. Als Unternehmer würdest du längst vor Gericht stehen. Leider sind zu viele Leute egoistische Ichmenschen. Die kaufst du mit deinen zweifelhaften Zusagen. Damit du nicht abgewählt wirst.“

Aber das war das letzte Mal, dass Gustl wegen irgendwas auf die Barrikaden stieg. Mit der Hand hielt er sich die Brust, während er mit einem bleichen, verkrampften Gesicht dahinwetterte.

Die Umstehenden lachten über seine theatralische Art und der Bürgermeister hatte plötzlich Oberwasser.

„Schau‘n Sie August, die Wohnungen sollten immerhin an sozial Bedürftige vergeben werden. Da konnte die Gemeinde nicht dagegen entscheiden. Es gibt so viele Menschen, die – wie ihr Cousin vor drei Jahren – unbedingt eine Wohnung brauchen. Sie wissen ja, ohne Wohnung keine Arbeit und umgekehrt. Hier sollen nun vom Land geförderte Wohnungen entstehen, die sich speziell eben auch Kleinverdiener leisten können. Wir von der Gemeinde werden die meisten Zuteilungen durchführen, damit sichergestellt wird, dass auch wirklich nur die Bedürftigen zum Zug kommen...“

Gustl ärgerte sich: “Weißt du was Bürgermeister, du lügst sobald du den Mund aufmachst. Und wennst es noch so schön daherredest, mich wirst du nicht einwickeln. Ich kenn‘ dich, da geht‘s um viel Geld, um das von deinem sauberen Freund Zellinger, aber auch um dein Geld. – Ich hab einen guten Tipp für dich“, spottete er, „Du solltest nach Italien gehen, Palermo, dort hast mit deiner Art sicher die besten Voraussetzungen für die Finanzverwaltung.“

„Jetzt beruhigen Sie sich doch August, ich hab doch damals lediglich gesagt, dass derzeit im Flächenwidmungsplan eine Einfamilienhausverbauung vorgesehen ist und zu der Zeit war das so. Jeder Mensch weiß doch, dass sich so ein Flächenwidmungsplan jederzeit per Gemeindebeschluss ändern kann.“

„Falscher Hund, falscher – aber wir hören uns noch! Pfiat di Bürgermeister“

„Ja pfiat di“

Ärgerlich stieg der Edtauer in seinen Mercedes und fuhr los. Gustl stand noch kurz unschlüssig vor dem Gemeindeamt, fluchte lautstark und schlurfte dann davon.


Nachspiel

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