Читать книгу … wegen ein paar Steinen: Detektei Vokker: Ein Wien-Krimi - Roland Heller - Страница 9

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Es war wirklich ihr letztes Wort. Jedenfalls, soweit es ihre Unterhaltung mit uns betraf.

Sie sollte nie wieder dazu kommen, uns gegenüber irgendwelche Äußerungen zu dem Fall zu machen.

Am Montag war sie nämlich tot. Ermordet.

Aber darauf komme ich noch. Zunächst einmal fuhr ich mit Ivo zurück zu meiner alten Dienststelle. Es war noch immer Sonntag, und es war noch immer so, dass der Tag in meteorologischer Hinsicht seinem Namen alle Ehre machte.

Weshalb ich mit Ivo in den „Polizeipalast“ zurückkehrte, ist schnell erklärt. Eigentlich hatte ich ja keine Sehnsucht nach dem Gebäude und vor allem nach gewissen Kollegen, die sich hämisch gefreut hatten, dass sie mich endlich rausgeekelt hatten, Aber manchmal lief der Informationsfluss über die Polizeizentrale einfach besser.

So auch in diesem Fall.

Ein Vizeleutnant hatte eine interessante Meldung durchgegeben. Er hieß Patrick Muhr. Ich kannte Muhr nicht, Aber ich wusste, dass sich ganz in der Nähe seiner Dienststelle die große Leichenhalle und ein noch größeres Krankenhaus befanden. Diese flüchtige Assoziation sollte sich rasch als richtig herausstellen.

„Ich habe einen Bericht zu machen“, sagte Muhr, der den dröhnenden Bass eines Markthallen-Auktionators hatte. „Es hängt mit dem Flugzeugunglück zusammen, Inspektor“, meldete er an Ivo Barisic.

Ivo reichte mir den Zweithörer. Er stellte gleichzeitig das Bandgerät ein. „Schießen Sie los, Vizeleutnant“, sagte er.

„Sie erinnern sich doch sicher, dass gestern Abend im Anflug an Schwechat eine DC-9 heruntergekommen ist?“

„Klar“, sagte Ivo. „Die Zeitungen sind voll davon. Es hat neunundsechzig Tote gegeben.“

„Ja, alles, was an Bord war“, sagte er. „Die Toten sind sofort geborgen worden und zur Identifizierung ins Leichenschauhaus gebracht worden.“

Jetzt durchzuckte mich ein erster Gedanke, der sich später als wahr herausstellen sollte. Das Flugzeug war durch irgendein Ereignis beim Anflug auf den Flughafen Schwechat einfach vom Himmel gefallen. Gott sei Dank weit genug entfernt vom Tanklager der OMV, der österreichischen Mineralölverwaltung. Augenzeugen wollten beobachtet haben, dass die Maschine noch in der Luft in mehrere Teile zerbrochen oder explodiert war. Die genauen Untersuchungen liefen noch.

„Ich erinnere mich, dass die Liste der Toten bis gestern Abend noch nicht vollständig war“, sagte Ivo.

„Jetzt ist sie es“, meinte Muhr grimmig. „Bis auf einen Toten, der ist nämlich gestohlen worden!“

Ich spitzte die Ohren.

„Moment mal, Vizeleutnant. Handelt es sich dabei um einen männlichen Passagier?“, fragte Ivo.

„Ja... das wissen Sie schon?“, fragte er erstaunt. „Ich habe doch gerade erst die Meldung bekommen. – Hm, da die Leiche fehlt, kann ich nicht feststellen, ob es sich um eine männliche oder weibliche Leiche handelt. In den Unterlagen steht nur; keine Daten, da verschwunden.“

„Was ist mit dem Toten?“, drängte ich.

Ivo beschäftigte natürlich dasselbe Problem.

Muhr dürfte meinen Einwand gehört haben, deshalb erklärte er als Wiederholung: „Das ist es ja gerade. Eine der Leichen ist verschwunden“, sagte Vizeleutnant Muhr. „Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass es eine fast unmenschliche Aufgabe ist, neunundsechzig zum Teil verstümmelte und verkohlte Leichen zu identifizieren...“

„Verkohlt?“, warf Ivo dazwischen.

„Ja, verkohlt“, bestätigte er, „Es wird einem übel, wenn man daran denkt. Jedenfalls war in der Nacht nicht genügend Personal aufzutreiben, um den Job zu erledigen. Man entschloss sich deshalb, die Aufgabe heute Morgen in Angriff zu nehmen, und bahrte die Opfer der Katastrophe einfach im Kühlhaus auf.“

„Ich fange an, zu verstehen. Dieser Raum wurde dann abgeschlossen, und als man ihn heute Morgen öffnete, um die notwendigen Identifizierungsarbeiten vorzunehmen, fehlte eine Leiche!“

„Ja, genauso ist es“, sagte Muhr verblüfft. „Hat man Sie denn schon informiert?“

„Nein. Wann ist der Raum abgeschlossen worden?“

„Um null Uhr fünfzig.“

„Wann wurde er geöffnet?“

„Sieben Uhr dreißig.“

„Wurde der Raum bewacht?“

„Nein, was hätte das für einen Sinn gehabt, Tote bewachen zu lassen?“

„Es ist doch wahrscheinlich, dass einige der Toten wertvolle Ringe trugen, Schmuck und dergleichen...“

„Ach so, daran denken Sie. Nun, die Tür des Kühlraumes wurde versiegelt. Heute Morgen wurde sie in Gegenwart des Oberarztes geöffnet...“

„Also keine Bewachung“, sagte Barisic.

„Ein Leichenschauhaus ist keine Bank“, bemerkte Muhr mit einem Unterton von Ärger. „Da gibt es kein ständiges Kommen und Gehen, und jeder, der etwas will, muss durch die Rezeption und ein Anmeldeformular ausfüllen!“

„Hat der Leichendieb auch eins ausgefüllt?“, wollte ich wissen.

„Lass deine dummen Sprüche. Nein, zum Teufel!“, sagte Ivo.

„Da ist offensichtlich ein Fehler gemacht worden. Aber wer rechnet schon damit, dass ein Toter gestohlen wird?“, meinte Muhr. Es klang fast so, als fühlte er sich persönlich verantwortlich für den Diebstahl.

„Wie heißt der Tote?“

„Wenn die Passagierliste stimmt, muss es sich um einen gewissen Ludwig Fischer handeln.“

„Sind die Angehörigen schon benachrichtigt worden?“

„Fischer hat keine Angehörigen. Er war Junggeselle und lebte in einer Wohnung im 14. Bezirk. Von Beruf war er Makler.“

„Was für ein Makler?“

„Häusermakler.“

„Die AUA-Maschine kam aus Amsterdam, nicht wahr?“

„Ja.“

„Weiß man schon, welche Geschäfte Fischer nach Holland führten?“

„Nein, ich gebe Ihnen den Bericht noch schriftlich durch.“

Ivo legte auf. Ich stieß einen dünnen Pfiff aus. Wir setzten uns. „Jetzt haben wir es“, sagte ich.

„Noch nicht ganz, aber beinahe“, sagte Ivo.

„Fischer fliegt nach Amsterdam“, sagte ich. „Amsterdam ist das internationale Diamanten-Zentrum. Vielleicht war Fischer ein Schmuggler. Nehmen wir das einmal an. Als die Maschine abstürzte, liefen seine Kontaktleute Amok. Für sie war der tote Fischer möglicherweise ein paar Hunderttausend, vielleicht sogar ein paar Millionen wert. Sie mussten also die Leiche in ihre Hände bekommen...

„Um dem Toten die wertvollen Steine abnehmen zu können“, nickte Ivo. „Alles schön und gut. Aber deshalb hätten die Täter den Toten doch nicht in Lisa Balotas Wohnung legen und später wieder von dort abzuholen brauchen.“

„Das ist eine Frage, die noch zu klären ist. Wir können uns die Antwort darauf immerhin vorstellen. Der Täter wusste, dass die Wohnung leer stand, weil Lisa die Absicht hatte, eine Woche in Zürich zu bleiben. Also brachte er den Toten in Lisas Wohnung. Doch dann kam Lisa plötzlich und unerwartet zurück. Sie sah den Toten und sauste los, ohne sich in der Wohnung genau umzusehen. Wir müssen annehmen, dass sich der Täter zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung befand. Er konnte sich leicht ausrechnen, dass Lisa zur Polizei laufen würde... also schnappte er sich den Toten und verschwand!“

„Jetzt haben wir immerhin eine Theorie.“

„Womit wir“, erklärte ich, „den Grundstein zur Lösung des Falls gelegt hätten.“

„Gehen wir jetzt essen?“, fragte Ivo Barisic.

„Denk an deine schlanke Linie“, sagte ich warnend. „Es wird dir gut bekommen, wenn du dich zunächst einmal mit mir in den 14. Bezirk bemühst. Mich interessiert, was man dort über diesen Herrn Fischer weiß.“

„Ich hätte es mir denken können“, meinte Ivo Barisic mit gespieltem Groll, „wenn man dich vor die Wahl zwischen ein Steak und einen diffizilen Fall stellt, schnappst du mit Sicherheit nach der verdammten Arbeit!“

… wegen ein paar Steinen: Detektei Vokker: Ein Wien-Krimi

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