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Begriffliches

Ich möchte einige Begriffe meiner Arbeit voranstellen, weil damit die Differenzierungsschärfe verdeutlicht werden soll, mit der ich die FKE auf den Prüfstand stelle. Zum zweiten wird der jeweilige Begriffsinhalt und -umfang präzisiert, an dem ich mich im Folgenden ausrichte.

Die FKE ist noch weit davon entfernt, Gegenstand einer bestimmten Fachdisziplin zu sein. Zu Beginn der systematischeren Weiterbildung von Führungskräften in Unternehmen waren es bei uns vor allem Volkswirte und Betriebswirte, die nach Auswertung der amerikanischen Erfahrungen auch die Notwendigkeit der Weiterbildung des Führungspersonals bei uns postulierten. Diese Vertreter traten besonders für den Aufbau externer Institute ein, z. B. mit einer Denkschrift zur Gründung des Universitätsseminars der Wirtschaft (USW), und sahen in der Führungskräfte-Weiterbildung im Wesentlichen eine inhaltliche Fragestellung, die später durch die Forderung nach speziellen Lehrmethoden ergänzt wurde. (ARNDT et al 1967)

Heute finden sich in der FKE Vertreter verschiedener Disziplinen aus den Sozialwissenschaften, die mit ihrer jeweiligen Fachterminologie in der praktischen FKE arbeiten. Der Versuch, die FKE als Identitätsobjekt einer eigenständigen Fachdisziplin zu verfolgen, hat sich nicht durchgesetzt. Die von mir geprägte Begrifflichkeit der Management-Andragogik, die sich der Besonderheit des Lernens von professionell arbeitenden und sich entwickelnden Erwachsenen mit Führungsverantwortung in Organisationen annimmt (STIEFEL 1967, S. 439 ff.), ist in ihrer Differenziertheit in der Praxis nur in Ansätzen erkennbar.

Im Folgenden nun die wesentlichen begrifflichen Werkzeuge.

Personalentwicklung (PE) – Human Resource Development (HRD) – Führungskräfte-Entwicklung (FKE) – Talent Management (TM) – Human Resources (HR)

Personal oder neudeutsch Human Resources (HR) bilden das begriffliche Dach, unter dem das Teilsystem PE – neben anderen Teilsystemen wie Rekrutierung – angesiedelt ist. PE befasst sich mit der Entwicklung aller Mitarbeiter eines Unternehmens. Für PE steht in der Praxis häufig Human Ressource Development (HRD) weil es in der Wirtschaft einen Trend zur Verwendung von Anglizismen gibt.

FKE ist ein Teil von PE, der sich nur mit der Entwicklung von Führungsverantwortlichen und zumeist Führungsnachwuchskräften befasst.

Der modische Begriff Talent Management (TM) ist kein Fachbegriff, sondern eine von der Beraterszene lancierte nebulöse Begrifflichkeit, die mannigfache Facetten enthält, wie ein Beitrag in einer anspruchsvollen Fachzeitschrift aufzeigt (DRIES 2013, S. 272 ff.). In manchen Unternehmen steht der Begriff für die gesamte FKE-Arbeit; in der Mehrzahl verfolgt man unter TM nur die Entwicklung von Potentialträgern (sogenannten »high potentials«). Daneben hat man in manchen TM-Praktiken auch die Suche und Rekrutierung von Potentialträgern als Aufgabe angesiedelt. Dieser Teil der HR-Arbeit wurde früher als Hochschulmarketing verfolgt.

Ich kann für mich erfahrungsbasiert festhalten, dass die Verwendung von modischen Anglizismen in der praktischen Entwicklungsarbeit in Unternehmen nicht unbedingt für Qualität steht, sondern eher zur »Schaufenstergestaltung« gehört – ein Merkmal, das sich auch in vielen anderen Bereichen der FKE manifestiert.

FKE als Entwicklung einzelner Führungskräfte und des gesamten Managements

Die FKE kann sich auf den einzelnen Manager ausrichten, der bereits in einer Führungsverantwortung ist oder als Nachwuchskraft auf Führungsaufgaben vorbereitet werden soll. Die FKE kann sich jedoch auch die Entwicklung des gesamten Managements vornehmen, deren Vertreter sich qua Zuschreibung mit einem bestimmten Bedarf auseinandersetzen müssen. Im ersten Fall wird auch von »Manager Development«, im zweiten Fall von »Management Development« gesprochen.

Eigentlich deckt der deutsche Begriff FKE sowohl »Manager Development« als auch »Management Development« ab, in der Praxis sucht man jedoch überzeugende Management Development-Programme häufig vergeblich.

FKE – Entwicklung ist mehr als Training

Das E in FKE umfasst alle direkten und indirekten Maßnahmen, um die Kompetenzen von Führungskräften zu entwickeln. Dazu gehören mannigfache Maßnahmen am Arbeitsplatz (workplace learning) und natürlich auch die Trainingsmaßnahmen, die innerbetrieblich und überbetrieblich (off-the-job learning) durchgeführt werden.

Während es eine große Verbreitung von Trainings für Führungskräfte in allen Unternehmen gibt, die sogar zu einem eigenen Berufsstand, dem Führungstrainer, geführt haben, wird der Einsatz von abgestimmten Entwicklungsmaßnahmen (z. B. Job Rotation etc.) weniger systematisch verfolgt.

Leadership und Leadership Development

Leadership ist ein anderer Begriff, der in der Praxis eine große Unschärfe aufweist. In manchen Unternehmen hat man den Begriff »Management« und »Manager« insgesamt durch »Leadership« und »Leader« ersetzt.

Mit Leadership wird das eingesetzte Verhalten eines Managers gegenüber seinen Mitarbeitern bezeichnet. Was dieses Verhalten im Einzelnen beinhaltet, wird durch die jeweiligen »inhaltlichen Leadership-Schulen« bestimmt. Eine der bekanntesten ist die von KOUZES / POSNER (1988), an deren »leadership practices« sich viele Unternehmen orientieren.

Wenn Manager »leadership practices« erwerben, werden sie dadurch nicht zum »leader«. Sie bleiben Manager, die bestimmte »leadership practices« einsetzen.

Um Leadership als angehender oder bereits installierter Manager zu lernen, gibt es die unterschiedlichsten Lernarchitekturen. Man kann an Outdoor-Übungen teilnehmen, die Expedition von SHACKLETON studieren, die SHAKESPEARE-Dramen nach den Rollen untersuchen oder MANDELAs Wirken in Südafrika auswerten. Es ist die hohe Kunst in der FKE, dass Unternehmen Leadership-Inhalte vermitteln und Leadership-Lernarchitekturen wählen, die zu ihrer verfolgten Strategie und ihrer Unternehmenskultur passen. Diese Übereinstimmung wird eher selten systematisch verfolgt. Stattdessen lassen sich Unternehmen von Trainergruppen eine umsatzstarke Veranstaltungsserie zur Auslastung ihrer angestellten Trainer anhängen, die für die Teilnehmer und für das Unternehmen völlig bedeutungslos ist.

Existenzgrund und Ziele der FKE

Der Existenzgrund der FKE soll die Frage beantworten, warum sich eine Organisation der Entwicklung ihrer Führungskräfte annimmt. Diese Frage kann sehr unterschiedlich beantwortet werden – angefangen damit, dass FKE als Instrument der Strategieumsetzung konzipiert wird, bis zu dem oft nicht eingestandenen Existenzgrund, dass FKE eine Art »Hygieneeinrichtung« darstellt, die man sich hält, weil sie auch in anderen Unternehmen anzutreffen ist und man als Arbeitgeber eine Attraktivität haben will.

Bei den Zielen der FKE-Arbeit unterscheidet man jene, bei denen die Verbesserung der gegenwärtigen Aufgabenerledigung verfolgt wird und jene, die Führungskräfte auf eine zukünftige Aufgabenbewältigung im Unternehmen vorbereiten. Für diese Ziele werden in Unternehmen Förderungsprogramme durchgeführt, die besonders anspruchsvoll sind, weil die später zu übernehmenden Aufgaben während der Qualifizierung noch nicht genau feststehen. Die Verbesserung der Aufgabenbewältigung ist in der Praxis wenig problematisch, wenn man geeignete Maßnahmen dafür wählt – wie etwa Coaching – und nicht ein unspezifisches Führungstraining. Dagegen ist der Bereich der Förderung, für den in der Wirtschaft erhebliche Mittel eingesetzt werden, in sehr vielen Unternehmen eine echte »Baustelle«.

Bei Existenzgrund findet man in Unternehmen zumeist sehr wolkige Statements, was dann dazu führt, dass das Thema der Bedarfsbearbeitung, das durch den Existenzgrund der FKE bestimmt wird, sehr unscharf angegangen wird.

Evaluierung oder Wirkungsforschung in der FKE-Arbeit

Mit der Evaluierung oder Wirkungsforschung will man die Effekte von eingesetzten Ressourcen in der FKE-Arbeit ermitteln. Ich sage bewusst Effekte oder Ergebnisse, weil sich neben den absichtsvoll verfolgten Zielen immer auch positive, vor allem aber auch negative Nebeneffekte ergeben können.

Systematische Evaluierung der FKE-Arbeit ist in den meisten Unternehmen ein Fremdwort. Man »produziert« Entwicklungsmaßnahmen nach dem Prinzip Hoffnung oder vielleicht noch auf der Basis von subjektiven Teilnehmerdaten. Dass es negative Effekte in der FKE-Arbeit gibt, die man auch als Kollateralschäden der FKE bezeichnen kann, ist in den meisten Unternehmen eher unbekannt.

Führungskräfte-Entwicklung: Worüber man in der Praxis ungern spricht

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