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Hildegard Knef

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Für sie soll’s rote Rosen regnen

Sie schien am Ende zu sein. Damals, als sie 1962 für Lulu nach Wien kam. Nackt war sie schon einen Augenblick lang im Film ohne Titel durchs Bild gehuscht. Aber als Willi Forst, der Wiener Kultregisseur, sie mit 25 zur nackten »Sünderin« stilisierte, war das anno dazumal den deutschen Kinogehern zu viel – eine Göre, mit 14 alleingelassen, vom Halbbruder verführt und zur bezahlten Geliebten abgestempelt, den Strich vor Augen. Das schockte eine ganze Generation und die Filmverleiher. Für die war Hildegard Knef plötzlich indiskutabel als Starbesetzung.

Die Knef wich zu Schnee am Kilimandscharo und Silk Stockings mit Bombenerfolg an den New Yorker Broadway aus. Dass Produzent Otto Dürer sie dann zu Lulu – mit Nadja Tiller in der Titelrolle, Mario Adorf und O. E. Hasse, Regie Rolf Thiele – nach Wien holte, war für sie ein kleines Comeback beim deutschen Film: »Ich bin eben ein ›Survivor‹, eine, die sich kurz vor dem Absturz doch wieder festkrallt«, lautete ihr Lebensmotto.

Als Puzzlespiel mit drei oder vier weiblichen Körpern hatte Regisseur Rolf Thiele seine Lulu angelegt. »Von einer nehme ich die dünnen Beine, von einer den mageren Rücken, dann ein Profil nicht älter als 14, 15 Jahre. Nadja Tiller, meine ›Lulu‹ war ja auch ein dünnes, hochaufgeschossenes Ding, ehe sie zum Weib wurde. Daran soll auch Curd Jürgens beteiligt gewesen sein. Jürgens-Ex Simone behauptete, Curd habe Nadja mit 16 entjungfert.

Mit Lulu wurde Hildegard Knef jedenfalls beim deutschen Filmverleih wieder salonfähig. Produzent Karl Spiehs holte sie für Regisseur Alfred Weidenmann für die Verfilmung des Erfolgsromans Die Festung, den der Deutsche Henry Jaeger in mehrjähriger Haft geschrieben hatte, nach Wels. »Meine Rolle spielthauptsächlich im Bett und im Nachthemd. Zu guter Letzt werd ich auch noch erwürgt.« Ihr letzter Film hatte außerdem Wartezimmer zum Jenseits geheißen.

Ihr Partner Martin Held stapfte unrasiert und verlottert durch die Szenen, dabei parkte vor dem Atelier sein eleganter, britischer, graphitgrauer Jaguar E. Kalauerte die Berlinerin Knef zum Berliner Held: »Übrigens, weil du’n Jaguar fährst, hat sich der Weidenmann jleich en englisches Sakko jekooft.« Was für den Wiener der Schmäh, ist an der Spree eben der Kalauer.

Die Knef – »Wien bleibt Wien, da biste machtlos« – liebte solche Sprüche. Eine ihrer Lieblingsgeschichten: »Filmgala in Karlsruhe, ick muss durch Menschenmassen zum Kino, die schreien ›Hildchen, Hildchen‹. Auf eenmal springt ein Mann im Regenmantel vor, reißt auf, ist drunter pudelnackt und ruft: ›Bitte mal anfass’, ich hab heut Geburtstag!‹ …«

Mit Weidenmann sollte sie dann Schüsse im Dreivierteltakt, einen Zirkusfilm, drehen. »Zirkusfilm – das sollte ich schon einmal«, erzählte mir die Knef. »Ich steh im Münchner Vier Jahreszeiten im Lift, da geht im dritten Stock die Tür auf, rein kommt Richard Eichberg, ein Produzent. ›Hildchen‹, schreit er, ›ick hab’n solchen Stoff for dir. Zirkusfilm. Trikot ha’ ick schon!«

Ursprünglich wollten die Knef und ihr David »Tonic« Cameron ja in Wien beim Lulu-Dreh heiraten. Klappte mit den Papieren nicht. Als Heidelinde Weis – als Edeltraud verführt sie einen 13-jährigen Knaben mit abstehenden Ohren, wird schwanger und ehelicht einen Mann mit Holzbein – nach Wels kam, traf sie ihre Trauzeugin wieder: Die britische Staatsbürgerin Hildegard Frieda Albertine Palastanga, weitaus bekannter als Hildegard Knef.

Als Karl Spiehs sie abermals nach Wien holte, für seinen Großen Liebesreigen, da brachte sie auch gleich ihren Hit Eins und eins, das macht zwei (Musik: Charlie Niessen) als Kennmelodie mit. Denn neben den Filmen hatte sie mit Chansons begonnen, schrieb selbst Texte, sang mit ihrer rauen, rauchigen Stimme, von der Ella Fitzgerald sagte: »Sie ist die größte Sängerin ohne Stimme!« Rauchen wie ein Schlot spielte da wohl mit. Aber mit 42 war sie die erfolgreichste Sängerin deutscher Sprache. Ihre Chansons belegten die Hitparaden-Plätze: Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke, Für mich soll’s rote Rosen regnen, Von nun an ging’s bergab. Für Marlene Dietrich, Freundin und Vorbild, sang sie Sag mir, wo die Blumen sind und Was, dir geht’s gut, da muss doch was zu machen sein.

Beim Liebesreigen logierten Hilde und Tonio im Bristol im vierten Stock, chinesischer Salon, dazu gehörten auch zwei schwarze Ebenholz-Elefanten mit hängenden Köpfen und Rüsseln. Hildes erste Handlung: Sie sperrte die beiden in eine Glasvitrine. Mit dem Kommentar: »Marsch, in den Stall! Elefanten mit hängenden Köpfen bringen Unglück.« Denn sie war abergläubisch, die Knef. Konsultierte vor jedem Film, jedem Tapetenwechsel ihren US-Leibastrologen Carroll Righter. Und in ihrem Haus, dem Birkenhof in Kempfenhausen am Starnberger See, ging die alte Landsdorfer, die bäuerliche Kartenlegerin der Knef, ein und aus. Als ich dort die drei Meter hohe Hecke schneiden durfte – Hilde im O-Ton: »Gewellt wie der Donauwalzer« –, drängte die Knef mich, mir doch endlich auch die Karten legen zu lassen. Die alte Landsdorferin schlug auf, studierte dann meine Handfläche und kam zu dem umwerfenden Urteil: »Ja, nacha, san ehna ja a völliger Normäulerotiker …«

Als Berlinerin liebte die Knef Wien: Das Alte Haus in Grinzing, den Weißen Rauchfangkehrer, den Tafelspitz im Sacher mit Regisseur Willi Forst und seiner Frau Melanie. Mit denen waren sie und Tonio dann auch bei Modezar Fred Adlmüller und Herbert Schill eingeladen. Da Adlmüller damals in der Mahlerstraße wohnte, wollten Hilde und David durch den Hintereingang zurück ins Bristol. Hilde kam zuerst. Mit Kopftuch und dunkler Brille. »Hier dürfen Sie nicht herein, mein Fräulein«, plankte der Nachtportier ab. Im gleichen Moment kam David. »Oh«, sagte der Portier, »mit Ihnen selbstverständlich, Herr Hubschmied!«

Neben ihren Texten, Chansons und Romanen fand Hilde aber auch noch Zeit, wenn’s um speziellen Spaß ging. Ich hatte ihr ein Wiener Erdbeben geschildert. Größtes Malheur: Ausgerechnet das große »E« für die Schlagzeile »Erdbeben« war in der Setzerei nicht zu finden. Einfach verschwunden!

Da schrieb die Knef zurück: »Min libr Frund, sintmaln Din gross ›E‹ abhandngkommn ist, schrib ich Dir disn Brif ohn jds ›E‹ …«

Sie hielt es durch – ohne E – bis zum Schluss: »Alls Lib, Din Hild Knf!«

Als sie mit David Cameron 1973 in die alte Mühle bei Altmünster am Traunsee übersiedelte, hatte sie ihren Bestseller Der geschenkte Gaul schon geschrieben. Ihre Liebes- und Lebensbeichte schaffte vier Millionen Auflage.

Und der Gaul schaffte Geld heran. Ehemann David Cameron baute und baute an der alten Mühle, vier mächtige Stockwerke hoch, das Geburtsdatum eingemeißelt: 1449. Hilde vergrub sich in ihrem Zimmer, schrieb für Verleger Fritz Molden neue Texte: Ich brauch Tapetenwechsel, werkte an dem Buch ihrer Leiden – 60 Operationen. Daneben führte David Regie bei Schwester Georg mit Inge Meysel und Grit Boettcher, weil auch Ljuba Welitsch, ganz Opernstar, mitspielte. Damals ging Tonio zum ersten Mal in 15 Jahren Ehe fremd, auch bei seiner Salzburger My Fair Lady landete er im Bett. Anonyme Anrufer vernaderten ihn bei seiner Frau.

13 Jahre lang lebten Hildegard Knef und ihr Mann David »Tonio« Cameron-Palastanga, sieben Jahre jünger als sie, zusammen. Zuletzt zweieinhalb Jahre in ihrer großen ausgebauten Mühle mit Blick auf den Traunstein. Die Scheidung ging dann ruckzuck. »Montag reichte ich die Scheidung ein. Donnerstag erfuhr ich dann den Termin: Freitag, 15 Uhr, Saal 226 im Kreisgericht Wels.«

Es sollte eine einvernehmliche Trennung geben. »Wir waren schon auf der Autobahn, auf dem Weg zum Scheidungstermin, als plötzlich der Wagen von Hilde stoppte«, schilderte Cameron später. »Unser gemeinsamer Rechtsanwalt sprang heraus.«

»Wir haben keinen Scheidungsgrund«, keuchte der Anwalt. »Zum Beispiel schwere Beschimpfung. Haben Sie die Knef jemals ›du blöde Ziege‹ beschimpft. Oder ›dumme Kuh‹ …«

»Das wäre mir zu billig und banal«, lehnte Cameron, ganz Gentleman, ab. »Aber vielleicht auf Englisch – ›you bitch‹ – was so viel wie ›du Hündin‹, aber doppelsinnig, bedeutet.«

Als der Richter dann nach dem Scheidungsgrund fragte, trug der Anwalt prompt vor: »Er hat Frau Knef ›you bitch‹ beschimpft.«

»You bitch?«, staunte der Rat.

»Das heißt ›du Hündin‹ – schlimmer als ›du, du dumme Ziege‹!«

Worauf die Ehe – schuldlos für Hilde – prompt geschieden wurde.

Der Knef war die Scheidung vorerst einmal 8,5 Millionen Schilling wert: »Ich schick doch meinen Mann nicht mit dem leeren Einkaufsnetz weg. »Sie hatten keine Gütertrennung, das gemeinsame Vermögen – »Tonio« arbeitete für sie als Plattenproduzent, Manager und Übersetzer – wurde auf rund 1,7 Millionen D-Mark geschätzt. Allein in die Mühle hatten sie 12,5 Millionen Schilling investiert. Gesamtvermögen: Rund 25 Millionen Schilling.

Um »Tonio« auszuzahlen, entschloss sich die Knef schließlich zum Verkauf der Mühle: »Ich muss raus aus der Mühle, die wie ein toter Elefant auf mir liegt.« Zurück nach Berlin, sang sie doch auf ihrer Langspielplatte Ich seh die Welt durch deine Augen neben Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen und natürlich Ick hab noch eenen Koffer in Berlin.

Drei Monate nach der Scheidung – laut Urteil »entsprechend Desinteresse beider Ehepartner eine einvernehmliche Lösung« – war ich bei Hilde in Berlin zur Premiere ihre neuen Films Jeder stirbt für sich alleine, den Filmproduzent Karl Spiehs – »schon wieder een Wiener« – nach dem Buch von Hans Fallada drehen ließ. In der Luxussuite 1138/49 im 11. Stock des Luxushotels Kempinski beim Ku’damm wurden Austern und französischer Chablis serviert. Mitten im Gewühl der Premieren-Party mit Promis von Carl Raddatz, ihrem Filmpartner, Alfred Vohrer, ihrem Wiener Regisseur, Produzent Spiehs und Pali Meller-Markovicz, Klassikchef der Deutschen Grammophon, und natürlich Baron von Schell – drückte ich mich mit Hilde in ein stilles Eck: »Ja, verdammt noch mal«, kam das Geständnis, »ick hab mich verknallt, und ich liebe ihn, jawoll. Es ist verrückt. Ick hätte nie jedacht, dass es für mich so was noch mal geben wird.«

Was es da überraschenderweise für Hildegard Knef doch noch einmal gab – war ein neuer Mann. Paul Rudolf Freiherr Schell von Bauschlott, 14 Jahre jünger als die Knef. Der Baron ungarischer Abstammung ist ein Bruder von Catherina Schell, der schönen Ungarin, die Co-Star von Peter Sellers im Pink Panther-Film war. Die Familie Schell wurde 1714 zu Baronen, Paul Rudolfs Mutter war eine gebürtige Gräfin Teleki von Szék. Sein Onkel war zwischen den Weltkriegen ungarischer Ministerpräsident. Als die Familie 1949 aus Ungarn flüchtete, ließ sie große Ländereien zurück. Im Sog der Knef in Berlin hatte Baron Schell prompt seine Signation weg: »Der geschenkte Paul«.

Paul, Werbeagent in der Film- und Showbranche, arbeitete für Burt Lancaster und Richard Widmark in München. »Hilde ist die wichtigste Liebe in meinem Leben«, betonte er, nachdem er bereits sechs Wochen davor zu ihr nach Berlin gezogen war. Mit Knef-Tochter Tinta verstand er sich prächtig. Der Altersunterschied spielte für ihn keine Rolle – sie 50, er 36 – »Hilde ist nicht viel älter als ich. Man ist so jung, wie man denkt.« Und die Knef: »Tonio war ja auch acht Jahre jünger. Ick hab da schließlich Übung.«

»Wenn ich so schau, bin ich von Wienern umzingelt«, realisierte die Knef, als sie neben ihren Filmen auch noch Chansons textete und sang, dann auch noch zwei Bücher schrieb. Singende Bestsellerautorin oder schreibende Chansonette, je nach Belieben nahm sie mit kompakter Wiener Assistenz ihre neueste Langspielplatte auf. Schlichter Titel: Knef.

»Der Chef meiner neuen Plattenfirma, Ossi Drechsler – ein Wiener. Mein Leib- und Magenkomponist Hans Hammerschmied, natürlich auch ein Wiener. Ganz abgesehen davon, dass Der geschenkte Gaul bei Fritz Molden, auch in Wien, herauskam. Das Buch war noch gar nicht erschienen, da war es schon rund 550 000 D-Mark wert.« Jasmin, das Magazin für das Leben zu zweit, ließ sich den Vorabdruck der Knef-Memoiren mehr als 250 000 Mark kosten. Der Molden-Verlag soll mehr als zwei Millionen Schilling Garantie noch vor dem Erscheinungsdatum August 1970 gezahlt haben.

In ihrer grandiosen Karriere verdiente die Knef als die einzige deutsche Diva rund 35 Millionen D-Mark, Manager und Trittbrettfahrer betrogen sie um Millionen. In Berlin hatte Hilde zum Schluss den Gerichtsvollzieher am Hals. Die Folgen einer geplatzten Chanson-Tournee – geschätzte 250 000 Mark Schulden. Es läppert sich halt zusammen, wenn in der Showbranche etwas schiefläuft. Sie hatte ihren Tourneemanager Martin Biallas auf 250 000 Mark geklagt und den Prozess verloren.

Bialas drehte den Spieß um, worauf auch noch Reiseunternehmen und Hotel Geld einklagten: Das Sonesta-Hotel Amsterdam forderte 2185 Dollar – »allein das Telefon machte 400 aus …«

100 000 D-Mark wollte das Reisebüro Senator: »Frau Knef reiste mit Mann, Tochter und Orchester mit Jets, Bahn und Bus. Auch ein halbes Kilo Kaviar und Champagner sind offen.«

Manager Biallas forderte schließlich auch noch 80 000 Mark: »Ich habe Geld vorgeschossen. Sogar 3000 Mark an Paul von Schell als Haushaltsgeld. Dazu kommen meine Prozesskosten: 10 200 Mark.«

Auch beim Pariser Haute-Couture-Salon Pierre Balmain blieben 38 000 Francs für die Tourneegarderobe offen. Madame Knef trugen ja nur Balmain. Aber die Couturiers winkten ab: »Es ist uns eine Ehre …«

Zwar wurde die Ehe mit Tonio einvernehmlich geschieden, aber den Entschluss zur Trennung hatte sie innerhalb einer Nacht getroffen: »Er hatte mir Drogenabhängigkeit vorgeworfen, wollte mich amtsärztlich untersuchen lassen. Wollte das Besuchsrecht bei Tinta gerichtlich regeln lassen, obwohl er unsere Tochter jederzeit sehen konnte. Das kann wohl keine Liebe sein, also machte ich Schluss.« Sie bestand sogar darauf, dass er im Kempinski Hausverbot bekam. Hildegard Knef: »Ich bin ohne Bitternis. Ich war die Knef und ich bin es – solange man nicht meine Nummer aufruft …«

Ihre Nummer wurde am 1. Februar 2002 um 11.02 Uhr aufgerufen. Noch am Krankenbett hing ihr Lebensmotto: »Nicht wer wenig hat, ist arm, sondern wer zu viel wünscht.«

Adabei

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