Читать книгу PIHOQAHIAK - Roman Spritzendorfer - Страница 5

Оглавление

Kapitel 1

Die Dunkelheit brach an als Jim endlich den Platz der Blockhütte gefunden hatte. Die ungewohnte Fahrt mit dem Geländewagen, der immer wieder querende kleine Gewässer zu bewältigen hatte, forderte seine Geduld. Vorangegangen war eine Anreise mit dem Hubschrauber. Jim versperrte den Wagen und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Alle Ausrüstungsgegenstände und Lebensmittel waren noch nicht abgeladen worden. Mit ihm hatte er lediglich eine kleine Tasche, die Stablampe und den Schlafsack. Endlich ein Stuhl, ein kleiner Tisch und Frieden. Der Schein der Petroleumlampe verbreitete ein heimeliges Licht. In der Hütte, die für einige Zeit sein Heim sein wird, war niemand lange Zeit anwesend gewesen. Der überall liegende Staub zeugte davon. Nach den ersten Schlucken des brennend heißen Espressos holte er die Karte aus dem Sack. Die Gebiete, die er nun nach dem Erdbeben aufsuchen sollte, waren rotumrandet eingezeichnet worden.

Man schrieb den Spätsommer 1985, ein plötzliches Erdbeben hatte viele Gebiete zerstört, die nur mit kleinen Flugzeugen erreicht werden konnten. Auch die Funkverbindungen waren unterbrochen worden.

Jim war bekannt, sich in vielen Situationen zurecht zu finden. Er sollte in diese Gebiete vordringen und Bericht erstatten. Man vertraute auf die herrschenden Wetterbedingungen, packte das Nötigste zusammen und wurde mit einem Jeep losgeschickt, der mit Hightech der letzten Technologie versehen worden war.

Vor vielen Jahren hatte ein ehemaliger Kamerad hier in dieser Holzhütte bis nahe zu seinem Lebensende die Jahre verbracht. Diese Hütte lag in der Nähe des durch Erdbeben schwer in Mitleidenschaft beeinträchtigten Gebietes. Regelmäßig war der Zustand dieses Gebäudes in all den Jahren überprüft worden. Nun war es für einige Zeit sein Heim.

Er prüfte den Holzvorrat für den kleinen Ofen, verzichtete auf großartige Säuberung, überließ es der im Jeep installierten Technologie seine Ankunft zu melden und kroch in den Schlafsack. In dem einzigen Raum gab es zu dieser Zeit eine nahe dem Gefrierpunkt liegende Temperatur. Türe und Fenster waren verriegelt, somit stand einem wohltuenden Schlaf nichts im Wege. Er konnte nicht einschlafen. Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit der High School.

Seine vielfache Begabung hatte niemals zu einem Erfolg beigetragen. Es war ihm zuwider, sich den Ansichten des Lehrkörpers zu unterwerfen. Einigen seiner Mitschüler war dies egal. Sie krochen dem Vortragenden in den Arsch. Dafür erhielten sie gute Noten und wurden auch freundlicher behandelt. Jims Großvater, der sich mit einer Ranch und Pferdezucht seinen Lebensunterhalt verdiente, war für Jim ein achtenswerter Mann. In den Ferien lernte Jim den Umgang mit Pferden. Empfindsamkeit und Respekt den Tieren gegenüber erlaubten Jim auch jene Pferde zu besteigen, an die sich andere nicht heranwagten. Kleine Reparaturarbeiten übernahm sein Großvater mit seinen Mitarbeitern und Jim erwarb jene Fachkenntnisse, die dem Vortragenden in der High school fremd waren. Wer kein Diplom oder einen Doktorgrad sein Eigen nannte, war von vielen Professoren nie akzeptiert worden. Für Jim war dies unverständlich. Seine Mutter mühte sich ab, ihm diese Schule zu ermöglichen. In ihrem Sinn sollte er es im späteren Leben bequemer haben.

Jim stand vor dem Diplom, wurde aber nicht zu dieser Prüfung zugelassen und musste Wiederholen. In den darauffolgenden Ferien fand Jim durch das Ableben seines Großvaters und dem Verkauf der Ranch eine andere Beschäftigung. Mit dem neuen Führerschein verdingte er sich als Auslieferer verschiedener Waren. Der Sprung in das kalte Wasser des Kommerzes nahm Einfluss auf sein Verständnis des täglichen Lebens. Zurückgekehrt zur Schule war nichts mehr wie früher. Seine Lehrer und neuen Mitschüler erschienen ihm noch seltsamer als je zuvor. Die Schulnachricht an seine Mutter, in der zwischen den Zeilen deutlich zu lesen war, es wäre alle Mühe vergebens gewesen, wenn ihm nun das Diplom nicht gelingen würde, verursachte ein Umdenken. Der Verkauf in den Ferien, in dem manche Waren durch intensive Werbung als das Nonplusultra gelobt worden waren, deren Überprüfung man aber den Käufern überließ, fanden in Jims Gedankengänge Platz. Das Diplom konnte er erwerben. Sein Traum Tierarzt zu werden schien jedoch in eine noch weitere Entfernung entwichen zu sein. Nach dem Ableben seiner Mutter eröffnete ihm der Sachverwalter, er könnte das Studium zum Tierarzt beginnen und auch vollenden. Die einzige Bedingung war, fleißiges Lernen und sich den Gegebenheiten anzupassen. Für seinen Lebensunterhalt und die Studiengebühren sowie den damit verbundenen praxisorientierten Abschnitten gäbe es von einem nicht genannten Gönner ausreichend Geld. Er sollte das überdenken.

»Wird das Geld auch bis zum Abschluss reichen?« war damals seine neugierige Frage gewesen.

»Es wird.« Jim zögerte nicht und folgte dem Vorschlag.

Getrieben von dem Wunsch Tierarzt zu werden und seinen Gönner nicht zu enttäuschen bekam er sein Doktorat.

Noch bevor er seinen erlernten Beruf auszuüben begann, wollte er die Grundausbildung bei der Armee hinter sich bringen. Während dieser Militärdienstzeit Zeit schwieg er sich über seine Hochschulausbildung aus.

Fast am Ende seiner Militärzeit begegnete ihm im Areal der Kaserne ein Offizier mit einem Pferd, dessen rechter Hinterlauf einen Hinweis auf Schmerzen zeigte. Der Offizier ritt Jim entgegen und als er nahe genug war, nahm Jim Haltung an, grüßte und sprach den Reiter an. Jim war ein einfacher Soldat und trug auch keine Rangabzeichen. Was Jim aber erstaunte, der Offizier hielt an. Das Pferd setzte seinen rechten Hinterlauf nur vorsichtig auf den Boden auf. Das bestätigte Jims Verdacht. Er sprach darüber zu dem Offizier. Dieser sprang ab und besah sich, was Jim ihm erzählt hatte.

»Sir, wenn sie es mir erlauben, werde ich mir den Hinterlauf ansehen. Vielleicht kann ich die Ursache erkennen.«

Der Offizier, schon erstaunt über die Kühnheit, von einem einfachen Soldaten angesprochen zu werden, erlebte nun die Überraschung seines Lebens.

Jim näherte sich vorsichtig dem Pferd. Das wurde geduldet. Er hob vorsichtig seine Hände zu den Nüstern. Auch das wurde akzeptiert. Dann begann Jim das Pferd zu streicheln. Auch hier erlaubte es das Pferd. Daraufhin ging Jim zum Hinterlauf, der nicht ganz auf dem Grasboden ruhte. Jim streichelte den Lauf.

Das Zucken bestätigte Jim einen Schmerz im Hufbereich. Vorsichtig hob er den Huf an und konnte einen Nagel erkennen, der tief neben dem Eisen eingedrungen war. Vorsichtig setzte er den Lauf wieder ab. Er erzählte, was er gesehen hatte.

Auf der Straße kam ein Jeep mit zwei Chargen entgegen. Jim winkte dem Fahrer anzuhalten. Dem folgte der Fahrer nur mit Widerwillen.

Man wollte die Ursache kennenlernen. Der Anblick des Offiziers ließ den Widerwillen vergessen. Jim fragte nach dem Werkzeugkasten. Er suchte nach einer passenden Zange, fand aber nur einen Seitenschneider. Den entnahm er und ging wieder zum Pferd. Das Tier stand immer noch ruhig. Jim hob wieder den Hinterlauf und entfernte den Nagel. Er bedankte sich bei den Chargen für die Hilfe, übergab ihnen den Seitenschneider, ging zum Offizier und brachte ihm den Nagel.

»Eine Wundsalbe sollte unbedingt auf jenen Bereich gestrichen werden, aus dem ich den Nagel entfernt habe. Einer Entzündung des Laufes sollte sie entgegenwirken. Das Pferd wird gesund werden und sie werden weiterhin mit dem Hengst viel Freude haben.«

Sprachlos war der Offizier dem Vorgang gefolgt.

»Niemand darf sich Bronco unerlaubt nähern.

Allein schon ihr Erkennen eines unsicheren Auftrittes des Hinterlaufes hat mich erstaunt. Dazu ihr Mut mich anzusprechen. Mehr noch, wie sie sich Bronco genähert haben und akzeptiert worden sind. Sie haben keine Rangabzeichen. Sie sind auch nicht der Jüngste. Wie ist das alles möglich?«

»Bis jetzt habe ich mich über meine Fachausbildung als Tierarzt ausgeschwiegen und wollte die Grundausbildung als Soldat kennenlernen.«

»Warum über eine Fachausbildung schweigen?«

»Ich wollte keine andere Behandlung als alle anderen, die sich zum Militär gemeldet haben. Mein Alter hat oftmals dazu geführt, dringliche Fragen beantworten zu müssen. Diese Fragen konnte ich beantworten. Oftmals gab es Gelächter der Zuhörer. Das hat mich nicht getroffen. Eines habe ich erlernt. Einem Befehl musste man gehorchen. Als Tierarzt beim Militär möchte ich nicht dienen. Auf die Empfindsamkeit der Tiere würde man keineswegs in der Form eingehen, die sie aber verdienen. Sir, darf ich sie an die Wundsalbe erinnern. Ihr Pferd wird ihnen dankbar sein.«

Der Offizier lächelte und salutierte.

»Danke«

Auch Jim hatte Haltung angenommen und grüßte militärisch. Jim setzte seine Schritte zur Unterkunft fort. Es war ein Sonntag und viele seiner Kameraden hatten die gute Witterung genützt und waren mit ihren Freundinnen unterwegs. Jim hatte keine feste Beziehung und die wenigen Studentinnen, die mit ihm das Doktorat erworben hatten, waren in festen Händen.

Als er in der Unterkunft verschwinden wollte, wurde er vom Adjutanten des Generals angehalten und zum Folgen aufgefordert.

Sie gelangten in das Kommandogebäude, wo er noch niemals gewesen war. Die Wachen salutierten wie gewohnt. Vor einer Türe musste sich Jim gedulden. Minuten vergingen und er wurde von einer jungen Dame angesprochen und weitergeleitet.

In den Raum, den er betrat, saßen in einem Halbkreis mehrere Offiziere, die Zigarren rauchten. Jim nahm Haltung an und grüßte. Er durfte bequem stehen. Einer in deren Mitte sprach Jim an, erwähnte die Danksagung seines Freundes und wollte wissen, warum er nie über seine Fachausbildung gesprochen hatte.

»Sir, meinen Grundwehrdienst wollte ich noch unbedingt abdienen. Ich habe sehr viel dazugelernt. Geld für eine Praxis habe ich nicht. Mein Traum, Tierarzt zu werden ist mir aber in Erfüllung gegangen. Meine Hochschulausbildung ist mir von jemanden bezahlt geworden, den ich nicht kenne.«

Aus dem Nebenzimmer war ein Hund gekommen, der sich Jim sofort mit Schwanzwedeln näherte. Jim war ohne Hemmungen in die Hocke gegangen und begrüßte den Hund.

»Also mit meinem Hund haben sie sich auch schon verbrüdert. Das gelingt aber nicht jeden.«

Das wurde von den anderen mit Schmunzeln betrachtet. Jim war wieder aufgestanden.

»Nächstes Monat ist ihre Grundausbildung abgeschlossen. Wenn sie nicht beim Militär verbleiben wollen, vielleicht gibt es eine andere Gesellschaft, wo sie willkommen sind. Befehle müssen sie aber auch dort befolgen.«

Damit war Jim entlassen. Er grüßte, machte eine Kehrtwendung und verließ den Raum.

Befehlen zu folgen waren die Worte gewesen. Das hatte Jim nie vergessen.

Nach dem Militär versuchte Jim eine Anstellung zu finden. In den zahlreichen Antwortschreiben war auch eine Einladung der CIA. Ohne irgendeine Ahnung was ihn erwarten würde, kam er der Einladung nach. Eine weitere Ausbildung würde auf ihn zukommen. Sollte er die Abschlussprüfung bestehen, würde man ihm ein Probejahr anbieten. Einer speziellen Ausbildung müsste er aber zustimmen. Sein Fachwissen als Tierarzt könnte ihm dabei behilflich sein. Die Anordnungen, die er zu befolgen hatte, kamen Jim erträglich vor. Er unterschrieb.

Die ersten Jahre mit den weniger gefährlichen Einsätzen waren bald vorüber. Dann wollte Jim in einer ihm unbekannten Landschaft seinen Urlaub verbringen. Die Wahl fiel auf Anchorage. Nach einer Woche Eingewöhnung, kam mit einem Wettersturz auch das Erdbeben. Man hielt ihn für den geeigneten Mann und schickte ihn los.

Die Müdigkeit ließ Jim die Augen zufallen. Den aufkommenden Sturm bekam er nicht mit. Mitten in der Nacht wachte er kurz auf, drehte sich um und schlief weiter bis in die Früh. Im Schlafsack war es warm, doch in den kleinen Raum gab es nicht mehr als Minus 5 Grad Celsius. Die Kälte bekam er zu spüren, als er aus dem Schlafsack kroch. Draußen heulte der Sturm und innerhalb der Hütte war es stockdunkel. Er nahm die Stablampe und entfachte den Docht der Petroleumlampe an. Da er am Abend nichts zu sich genommen hatte, spürte er das Verlangen nach etwas Essbarem. Vorerst musste aber der Ofen mit den wenigen Scheitern gefüttert werden. Das gelang. Mit der Wärme und dem Schein der Lampe wunderte er sich über das dämmrige Licht in der Hütte. Das Fenster war durch etwas außerhalb der Hütte verdeckt. Er bereitete sich das karge Frühstück vor und der Espresso half zu einem weiteren Wohlbefinden. Im Raum, der bescheiden eingerichtet war, wurde es wärmer. Mit dem Wasservorrat, den er am Abend noch aus dem Jeep geholt hatte, musste er sorgfältig umgehen. Dennoch gönnte er sich eine Rasur. Anschließend wollte er zum Jeep. Der Sturm hatte sich gelegt, einzelne Böen gab es dennoch.

Bevor er aber nach draußen ging, streifte er seine vorbereitete Winterkleidung über. Er prüfte den Colt und steckte ihn in den Gürtel. Den Colt zu prüfen war eine Gewohnheit geworden, auf die man in der Ausbildung Wert gelegt hatte.

PIHOQAHIAK

Подняться наверх