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Kapitel 3

Überraschenderweise war es wärmer geworden. Es gab Windstille und keinen Schneefall. Er folgte dem Lauf des Flusses, der wenig Wasser führte, überquerte ihn bei einer ihm günstig erscheinenden Gelegenheit und kam auf ein schneearmes Gebiet. Der Untergrund aus Schotter verlangte zu einem vorsichtigen Fahren. Bald gab es wieder eine Unterlage mit Schnee. Nach Überwindung des nächsten Hügels, ging es wieder bergab. Große Felsblöcke musste er umfahren. Eine kurze Rast, kaltes Essen und ein keineswegs warmer Espresso brachten keine Stimmung, die er gerne gehabt hätte. Er kam in ein Gebiet, wo er dann froh war, die Ketten nicht demontiert zu haben. Der Untergrund war weich und nach seiner Ansicht noch vor kurzer Zeit von viel Wasser überschwemmt gewesen, der ein Weiterkommen nur mit den Rädern nahezu unmöglich gemacht hätte. Nach mehreren weiteren Hügeln erreichte er am Abend eine zerstörte Landschaft.

Vor ihm lag einer der Nebenflüsse des Kuskowim Rivers. Er führte schmutzig braunes Wasser. Viele Häuser waren zerstört. Die Rollbahn war für Flugzeuge mit nur einer Luftschraube unbrauchbar geworden. Als die Bewohner dem Jeep ansichtig wurden, liefen ihm Frauen und Kinder entgegen. Sie deuteten ihm zu trinken. Das wenige Trinkwasser, das er mit sich transportierte war bald verteilt. Ihre Sprache verstand er nicht aber mit den Gebärden ihrer Hände und ihrem Gesichtsausdruck konnte er die Erleichterung erkennen. Bald begriff er, zu Essen hatten sie genug. Es mangelte an Trinkwasser. Einige Männer mussten am Rücken, von einer sehr weit entfernten Quelle, das kostbare Nass heranbringen. Als sie zurückkamen konnten sie die Frauen und Kinder wahrnehmen, die den Jeep umringten. Wenig später führten ihn die Frauen zu einer notdürftig wiederhergestellten Behausung. Auf einem Matratzenlager befand sich eine junge Frau vor einer Geburt. Jim deutete den Frauen das Trinkwasser zu erhitzen.

»Feuer unter der Schüssel.«

Er eilte zum Jeep zurück und holte seine medizinischen Geräte.

Man war schweren Herzens seiner Aufforderung gefolgt und in dem kochenden Wasser sterilisierte er jene Geräte, die er nun benötigte. Die junge Frau konnte einem Mädchen das Leben schenken. Eine Erweiterung, auf die Jim vorbereitet war, musste nicht vorgenommen werden.

Er durchtrennte die Nabelschnur und Verband die Wunde. Das Leuchten in den Augen der Frauen konnte Jim erkennen. Als Tierarzt hatte man in ihn die Wildnis geschickt, als Geburtshelfer bei Menschen war er nie vorbereitet worden.

Das heiße Wasser hatte man aufgehoben. Für Jim war es auch ein Erlebnis. Hier in Alaska, wo es Schnee in höheren Lagen in Überfluss gab, konnte man in tieferen Regionen kein trinkbares Wasser finden. Seine Müdigkeit verlangte Rückkehr zum Jeep. Wieder kaltes Essen und eingewickelt in Decken verbrachte er die Nacht.

Als er am kommenden Tag den Jeep verließ, fand er den Eisbär, der neben dem Jeep die Nacht verbracht hatte. Er hatte dort geschlafen. Die Trockenmilch war längst verbraucht. Jim ging zu der nächsten Behausung, die etwa einhundert Meter entfernt war. Man hatte ihn kommen gesehen und er durfte eintreten. Man bot ihm ein Frühstück an. Jim winkte ab und versuchte dem alten Mann den Hunger des Eisbären mit einer Zeichnung zu erklären. Jim wurde in den Keller geführt. Getrockneter Fisch und getrocknetes Fleisch hing von der Decke. Jim nahm von dem Fleisch, was er tragen konnte und wollte mit Geld bezahlen. Das Geld wurde nicht angenommen. Der Mann deutete ihm mit der Hand, die er zu seinem Bauch führte, die Geburt eines Mädchens.

Mit den Fingern zeigte er Jim, wie er mit dem chirurgischem Instrument die Nabelschnur durchtrennt hatte. Darüber war Jim mehr als überrascht. Jim nahm das Fleisch und kehrte zur Türe zurück. Als er nochmals zurückblickte, konnte er die glücklichen Augen einer Frau erkennen. Es musste die Mutter des Mädchens sein. Jim deutete eine Verneigung an und lenkte seine Schritte zum Jeep. Auf halben Weg kam ihm der Eisbär entgegen. Er richtete sich auf und führte die vorderen Pranken zueinander. Jim ging weiter und etwa zehn Meter vor dem Eisbären legte er das Fleisch vorsichtig auf den Boden. Jim ging einige Schritte zurück und wartete. Der Eisbär kam, beroch was ihm Jim serviert hatte und fing an die Fleischstücke zu fressen. Jim wartete auf das Ende der kargen Mahlzeit. Die darauffolgende Zeremonie, die er bereits bei der Hütte kennengelernt hatte, wiederholte sich. Daraufhin kehrte der Eisbär gemächlich zum Jeep zurück und legte sich in dessen Nähe nieder.

Dieses Erlebnis war für viele der Bewohner völlig unverständlich. Ab nun betrachteten sie Jim nicht als einen Menschen, sondern als ein Wesen, das gekommen war, um ihnen Hilfe zu bringen.

Davon wusste Jim aber nichts. Unrasiert und hungrig wie er war, setze er sich vor das Display und versuchte neuerlich eine Message zu senden. Zu seinem Erstaunen hatte er Erfolg.

Kurz umriss er den Ablauf der vergangenen Stunden und ersuchte um ärztliche Hilfe, sowie um einen Jeep, der der Bevölkerung das Trinkwasser von dem nahen Gebirge bringen konnte. Ärztliche Hilfe war notwendig.

Er konnte keine gebrochenen Gliedmaßen in der notwendigen Form versorgen, wie es in jedem Spital geschieht. Offene Brüche gab es zahlreiche. Er ersuchte auch um jemanden, der die Sprache der Bewohner versteht. Er erwähnte auch den Eisbären, der ihm noch bei der Kettenmontage die Wölfe abgehalten hatte und ihm seither wie ein Hund folgt. Die Bevölkerung habe ihm das Futter für den Eisbären geschenkt. Dann drückte er auf „Senden“.

Eine Stunde war vergangen und als Antwort kam, gab es als Kommentar, man müsse Vieles überdenken.

Jim hatte sich rasiert und das Frühstück eingenommen. Als nach zwei weiteren Stunden keine Antwort am Display zu erkennen war und er auch keine Ahnung hatte, ob wieder atmosphärische Störungen jeglichen Kontakt unterbrachen, wendete er sich an die Bevölkerung. Er fragte nach der Funkstation. Was er wollte hatte man nicht verstanden, aber man führte ihn zu einem zerstörten Haus. Vorgedrungen in die Kellerräumlichkeiten konnte er die unzerstörten Geräte finden, nach denen er gesucht hatte. Strom gab es nicht. Der Generator aber funktionierte noch.

Kurz entschlossen setzte er einen Funkspruch ab und bat um Hilfe.

Trinkwassermangel, kein Arzt und keine Rollbahn für kleine Flugzeuge. Nach Eingabe der Koordinaten, verwies er auf zerstörte Gebäude und viele Verletzte mit offenen Brüchen. Zum Schluss, seinen Vornamen. Er schaltete den Generator ab. Er war sich nicht sicher, ob es in dieser Ortschaft noch genügend Benzin gab.

In Anchorage war seine Botschaft nach Washington weitergeleitet worden. Dort führte die Berichterstattung über eine kleine Ansiedlung, in der die Bevölkerung von der Umwelt abgeschnitten war und viele Verletzte hatte, keineswegs zu dem Ergebnis, das Jim erwartet hatte. Wegen einigen wenigen Personen in einem unzugänglichen Gebiet, begann eine langwierige Beratung.

Dagegen war Jims Funkspruch im Norden von einer Militärbasis aufgefangen worden. Der Kommandant wurde unterrichtet. Er konnte sich an einen Mann erinnern, der ihm vor vielen Jahren das Leben von Bronco gerettet hatte. Ob das dieser Jim war?

Er setzt sich mit Washington in Verbindung. Das brachte plötzlich Bewegung. Er erkundigte sich noch, ob dieser Jim ein Jim Hanson war, den man von Anchorage losgeschickt hatte und dem es trotz widriger Umstände gelungen war, diese Ortschaft zu finden. Man konnte es bestätigen. Eine größere Militärmaschine, ausgerüstet mit Lebensmitteln, Treibstoff, Arzt und Pflegepersonal, sowie Soldaten wurde losgeschickt. An Bord gab es zwei Jeeps. Alles Material, sowie die Einsatzkräfte sollten mit Fallschirmen landen.

Die Nachricht am Display von Jim war kurz: „Wir kommen.“ Um Bestätigung wird ersucht. Dem kam Jim nach.

Noch vor Einbruch der Nacht kam das Flugzeug. Jim hatte mit Hilfe der Bevölkerung zwei riesige Scheiterhaufen errichtet.

Als die Maschine von Weitem zu hören war, wurden sie in Brand gesetzt. Die Ausrüstung und die begleitenden Personen konnten ohne Schwierigkeiten zu Boden schweben. Ein zweimaliger Anflug war notwendig gewesen. Dann verschwand die Maschine.

Der neue Kommandant fragte nach Jim und dieser meldete sich bei ihm. Jim hatte tagelang keine Dusche gehabt und roch dementsprechend. Das störte den Kommandanten Ariel Mathewson nicht. Jim hatte Haltung angenommen. Ariel fragte ihn, wie die letzten Stunden verlaufen waren. Darüber berichtete Jim, während die Soldaten ein Notlazarett errichteten.

Die Bevölkerung stand im Hintergrund. Kaum war das Lazarett errichtet, wurden die schwerverwundeten Männer gebracht. Der Arzt und seine Helferinnen begannen ihre Arbeit. Einer der Soldaten, der die Sprache der Bevölkerung beherrschte berichtete Ariel von einem Polar Bear Man, der sich um die Bevölkerung angenommen hatte.

Später als sich Jim und Ariel näher kennengelernt hatten, nannte Ariel Jim mit der Bezeichnung der Einheimischen. Er wollte mehr darüber wissen. Jim erzählte von dem Eisbären, der während der Landung des Materials und der vielen Menschen das Weite gesucht hatte, sicherlich aber in der Nähe geblieben ist. In einem großen Kreis um den Jeep hatte er seinen Urin entleert und dadurch sein Territorium bekanntgegeben. Kein Wolf würde sich innerhalb dieses Kreises vorwagen. Mit ihm habe ich schon bei der Hütte, wo ich vor einigen Tagen Station gemacht habe, Kontakt aufgenommen. Er suchte nach Futter, das ich ihm nicht geben konnte. Er bekam Trockenmilch in einer Schüssel. Das funktionierte. Vielleicht hat er seine Mutter verloren und mich hat er als Ersatzmutter akzeptiert. Die ersten Fleischstücke hat er erst hier aus dem Vorrat der Bevölkerung erhalten. Von der Hütte bin ich, ohne mich zu verabschieden losgefahren. Er ist mir gefolgt. Seit er hier ist, muss ich den Jeep nicht mehr verriegeln. Dorthin will ohnehin niemand von der Bevölkerung. Ich würde ihn gern untersuchen, ob er nicht verletzt ist. Dazu wäre eine Betäubung aber notwendig.«

»Die können wir zur Verfügung stellen.«

»Danke, das wäre neben einer weiteren Verpflegung des nanook mein größter Wunsch.«

»Was haben sie bevor sie zur CIA gekommen sind gemacht?«.

»Durch einen mir unbekannten Gönner, dessen Name ich nun kenne, den ich persönlich nie zu Gesicht bekommen habe, konnte ich mein Studium zum Tierarzt abschließen. Anschließend eine kurze Zeit beim Militär und bin sehr bald zur CIA gekommen. Davor einige Einsätze, die infolge ihrer Belanglosigkeit keine Bedeutung haben, konnte ich später dennoch meinen Beruf als Tierarzt ausüben. Auf Urlaub in Anchorage wurde mir der Auftrag erteilt Erkundigungen über die Folgen des Erdbebens zu berichten.

Wenn ich alles überlege, scheint es mir, daß man mich ohne jegliche Einschulung losgeschickt hat. In diesem Spätherbst schien alles sehr einfach zu sein. Der Hubschrauber setze mich mit dem Jeep ab und die Hütte zu finden, überließ man mir. Der nicht erwartete Blizzard und das nicht funktionierende Display, sowie die Begegnung mit einem jungen Eisbären haben meine Ansichten über einfache Einsätze eine neue Richtung gegeben.«

»Man hat mir von einem Mann berichtet, der sich ohne Hemmungen auch über Befehle hinwegsetzen würde, falls es die Notwendigkeit verlangt.«

»Die armen Teufeln verrecken zu lassen, das hatte ich nicht vor.

Worüber ich mich hier verwunderte, war das Display. Es funktionierte wieder. Man hat aber in Anchorage viel Zeit mit Beratung verschwendet. Das hatte die Inbetriebnahme der Funkstation zur Folge.«

»Ihr Funkspruch hat in der Basis einiges bewirkt. Er wurde nach Washington weitergeleitet. Eigenartigerweise bekamen wir bald den Auftrag Hilfe zu leisten.«

»Danke«

»Von einem Tierarzt mit Titel, der bei seiner Ankunft Geburtshilfe geleistet hat und einen Eisbären als Gefährten mit sich führt, der ihm die Wölfe fernhält, habe ich erst durch den Schamanen erfahren. Für die Bevölkerung sind sie kein Mensch. Man nennt sie den Polar Bear Man. In wenigen Stunden haben sie für die Bevölkerung mehr erreicht, als jegliche Verwaltung in den Jahren davor.«

»Dennoch sind die Häuser zerstört, jederzeit kann wieder heftiger Schneefall einsetzen. Hoffentlich ist das ihren Begleitern bewusst. Wenn daraufhin wieder die Temperatur fällt und nicht wieder steigt, verbringen wir Weihnachten unter dem Geheul der Wölfe. Auf der zerstörten Rollbahn kann keine schwere Maschine landen.«

»Ohne schweres Gerät können wir weder Felsen noch die aus Steinen und Beton errichteten Häuser in den Griff bekommen. Davon habe ich bereits Mitteilung gemacht.«

»Bitte um Entschuldigung, es soll nicht wie eine Anklage klingen. Ihre Leute sollen aber auf einen Wettersturz vorbereitet sein.«

Eine kurze Berichterstattung über ein Erdbeben in einem arktischen Gebiet, wurde in den Printmedien nur kurz erwähnt.

Dem Entzug des Trinkwassers, das nun und von einer hoch in den Bergen liegenden Quelle mühsam zu Tal geschleppt werden musste, widmeten die Printmedien nur wenige Zeilen.

Porter Torres, langjähriger Sportfotograph, nun aber bei der Washington Post für Beiträge aller Art angestellt, ging zu seinem Chef und bat um einen Sonderurlaub. Er würde gerne in dieses kleine Dorf fliegen und sich mit den Gegebenheiten auseinandersetzen.

»Sofern sie überhaupt dorthin kommen, das ist absolute Wildnis. Falls sie mit geeignetem Material zurückkommen können, sind wir tagelang ausverkauft. Was treibt sie in ein Gebiet zu reisen, wo Wölfe und vielleicht auch Eisbären sich herumtreiben?«

»Diese armen Teufel schenkt niemand Beachtung, aber sie sind auch Menschen. Wenn sie von den Bergen Wasser holen müssen, obwohl der Fluss daneben Unmengen ungenießbares Wasser führt, das ist eine Geschichte wert. Dieses Dorf liegt so weit im Norden und dort gibt es derzeit keinen Schnee. Ob das auch mit der stärker werdenden Erwärmung der Erde einen Zusammenhang hat, diese Frage stelle ich mir schon lange.«

»Na gut, sollten sie nicht vor Weihnachten zurück sein, alles Gute zum Neuen Jahr.«

»Danke«

Porter bekam die Unterstützung der Washington Post und kam mit unzähligem Kamera- und Fotomaterial eine Woche später auf die Basis der US Streitkräfte. Dort wurde er sofort dem obersten Befehlshaber vorgeführt. Der Adjutant glaubte nicht an einen langen Aufenthalt von Porter.

Porter wurde vorgelassen und vor ihm stand jener Mann, den er oftmals als Reiter in diversen Bewerbungen ausdrucksvoll abgelichtet hatte. Porter musste lächeln. Das gibt es nicht, dachte er sich. Sein vis-à vis lächelte ebenfalls. Der Adjutant wunderte sich.

Der General kam ihm entgegen.

»Hier herrscht absolutes Fotoverbot. Das gilt für jeden Mann.«

»Das ist mir klar. Mein Wunsch ist es aber in das Erbebengebiet gebracht zu werden.«

»Willkommen Porter, wer hat sie geschickt?«

»Meine Sportreportagen sind Feuilletons gewichen, die die Washington Post druckt. Mein Chef hat mir kurzerhand schon Frohe Weihnachten gewünscht. Er glaubt nicht an eine rasche Rückkehr. Ich habe um Sonderurlaub angesucht.«

Ein, zwei Tage werden sie in einem Zimmer einen Platz finden. »Keine einzige Aufnahme oder ich schicke sie zurück.«

»Was ich aber zu sehen bekomme, kann ich nicht so rasch vergessen.«

»Das kann ich nicht verhindern, gedruckt darf es dennoch nicht werden. Haben sie mich verstanden?«

»Jawohl, Sir.«.

Beide lachten. Dann wurde Porter in eine Unterkunft gebracht. Es war ein wohlig warmes Zimmer mit einem Ausblick auf die weite Fläche des Umlandes. Zu sehen bekam er nichts.

Der Flug mit dem Helikopter fand früher statt als erwartet. Mit seiner Ausrüstung war Porter in einen Hubschrauber geklettert, der für militärische Einsätze vorgesehen war. Von Komfort war keine Rede mehr.

Als sie weit genug von der Basis entfernt waren, begann Porter die Landschaft festzuhalten.

Teile des Helikopters oder die beiden Piloten kamen ihm nicht in den Sinn. Die nackte Erde wechselte mit jenen Gebieten, in denen der Schneefall diese in eine helle Fläche verwandelt hatte. Dazu kam ein bedeckter Himmel. Man hatte ihm einen Gehörschutz angeboten. Doch dieser behinderte Porter beim Fotografieren. Kurzfristig befreite er sich vom Gehörschutz, ließ den Kameramotor laufen und am Ende des Filmes, war er froh den Gehörschutz wieder aufsetzen zu können.

Er spulte einen neuen unbelichteten Film ein und war bereit für den Überflug des Zielgebietes. Nie war er in Krisengebieten eingesetzt gewesen. Was er aus der Luft zu sehen begann und festhalten konnte, übertraf seine Erwartungen.

Als der Helikopter aufsetzte, war der Film ebenfalls voll von Aufnahmen. Porter verabschiedete sich von den Piloten, die sofort nach Beladung von Schwerstverwundeten wieder abhoben. Für langwierige Gespräche gab es keine Zeit. Sie wollten ohne Probleme zur Basis zurück.

Porter wurde zum Kommandierenden geleitet. Er stellte sich vor und erzählte, was er vorhatte. Ariel hörte Porter ohne zu unterbrechen zu.

»Sie werden genug zu Sehen und zu Fotografieren bekommen. Fragen sie um Zustimmung. Sie bekommen einen Kameraden mit, der die Sprache der Einheimischen oberflächlich versteht. Es ist ein Völkergemisch. Gehen sie nie außerhalb des unmittelbaren Lagers allein ohne Bewaffnung, auch wenn es ihnen noch so wichtig für Aufnahmen erscheint. Wenn sie Jim sehen können, dem ein Eisbär folgt, halten sie Abstand. Der Eisbär ist sein Gefährte. Details werden sie später erfahren. Der Eisbär hält auch die Wölfe im Zaum. Einen Platz in der Mannschaft werden sie erhalten. Trinkwasser gibt es nun genug, muss aber nach wie vor von einer sauberen Quelle geholt werden. Einen Komfort wie in der Basis gibt es nicht. Die Bevölkerung ist freundlich gesinnt, achtet mehr den Polar Bear Man als den Schamanen. Damit kann ich leben. Ob wir Geräte bekommen, die einen Wiederaufbau unterstützen, das weiß niemand.«

»Wer ist Jim und wer der Polar Bear Man?«

»Es ist ein und dieselbe Person, auch der Schamane hat sich damit abgefunden. Es ist nicht nur für mich, sondern auch für ihn unverständlich. Für die Bevölkerung gilt er als ein Geist in Menschengestalt. Ein ausgebildeter Tierarzt mit Abschluss. Ein Helfer in der Not, der einen ungewöhnlichen Einsatz der US Streitkräfte ermöglicht hat.

Schwerstverwundete werden mit einem ständigen Hubschraubereinsatz ausgeflogen. Leichtverwundeten war er mit Rat und seiner mitgebrachten medizinischen Versorgung beigestanden. Seither bekommt auch der Eisbär Nahrung von der Bevölkerung. Das wird niemand in Washington als Wahrheit empfinden können.«

Was Jim niemanden erzählt hatte, war seine Tätigkeit in der CIA.

Bisher konnte er immer von einer Tätigkeit als Tierarzt sprechen, nicht aber wo und schon gar nicht über die Tiere, die man ihm anvertraut hatte.

Es war eine spezielle Marineeinheit, in der besonders Delphine für militärische Einsätze ausgebildet wurden. Sie sollten Minen an feindlichen Schiffen heften und vor allem gesund zurückkommen. Nicht nur an Booten und Schiffen, sondern überall dort, wo U-Boote durch Barrieren nicht eindringen konnten. Davon war aber auch in Washington nur wenig bekannt. Jim war dieser Einheit zugeteilt worden, da er sich für viele Tätigkeiten eignete.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fand er bald die Anerkennung seiner Kameraden. In dieser abgeschiedenen Station kannten die Kameraden in Folge mangelnden Kontakt mit anderen Personen ziemlich bald den Werdegang jedes Einzelnen. Viel wussten sie von Jim nicht. Seine Liebe zu den Pferden, die er immer in den Ferien besuchen konnte und der Ranch seines Großvaters war allen ein Begriff. Seine Zuneigung zu den Delphinen fiel auch den Vorgesetzten auf. Über seine Familie sprach Jim wenig. Warum er sich gerade der CIA angeschlossen hatte, darüber sprach er auch nicht. Eines war sicher. Irgendein tiefes Geheimnis umgab Jim.

Die Zeit seines Urlaubes in Anchorage neigte sich dem Ende. Auf seinen Arbeitsplatz konnte er nicht zurückkehren. Bis zu seiner Rückkehr wurde die Stelle neu besetzt. Jim war eine neue Order gegeben worden. Von seinem neuen Aufenthalt erfuhren seine ehemaligen Kollegen durch einen Bericht in der Washington Post. Die ersten Berichte und Fotos lagen auch auf den Tischen der obersten Chefs der CIA in Washington. Jim während seines Urlaubes in die Wildnis zu senden, um Informationen zu bekommen, war nie im Sinne von Washington gewesen. Die Fotos mit dem Eisbären im Schlepp und Jim, der der Bevölkerung beim Aufbau der einfachen Behausungen half, war ebenfalls nicht erwartet worden. Der Eisbär trug ein Sendehalsband. Anchorage wurde um einen detailgetreuen Bericht ersucht. Auch im Archiv bekamen die Mitarbeiter Arbeit. Sie mussten so rasch als nur möglich jede nur unbedeutende Notiz über Jim zusammentragen.

Der Bericht der Washington Post kam einem Militärschlag gleich.

Die Zeitung war bald ausverkauft. Man hatte sie auch der Navi zugestellt. Bald trudelte in Washington von der Marinestation die Anfrage ein, wann Jim zurückkommen würde. Einige Delphine verweigeren die Nahrungsaufnahme.

Im Archiv wurde John gefunden, der sich lange vor seinem Tode in Alaska niedergelassen hatte. Er unterstützte Jim während seines Studiums, konnte aber seinen erfolgreichen Abschluss nicht mehr erleben.

Die Bevölkerung erfuhr von einem erfolgreichen Einsatz einer

Sondereinheit der US Armee, die in einem Erdbebengebiet die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen begann.

Der Polar Bear Man war bald in aller Munde. Da der Bericht von allen Medien übernommen wurde, gelangte er auch zur Hochschule wo Jim sein Doktorat erhalten hatte. Plötzlich erinnerten sich alle Professoren an Jim, den sie nie für voll genommen hatten. Zurückhaltend und ohne bedeutsame Kontakte hatten sie ihn in Erinnerung.

In Washington war man über das Bekanntwerden der Basis im arktischen Raum keineswegs angetan.

Warum sollte man nicht davon profitieren? Endlich wieder ein positiver Bericht über die CIA, die unter einem schlechten Ruf litt. Und Jim, dem man ohne unser Wissen, dorthin geschickt hatte, machte vielleicht auch ohne sein Zutun daraus das Beste. Unvorstellbar für Menschen in einer überfüllten Stadt mit einer funktionierenden Infrastruktur bedeutete Jim der Retter in der Not jener, die trotz tosenden Flüssen keinen Zugang zu trinkbarem Wasser hatten.

In der Ortschaft gab es wenig Schnee, dafür starken Wind und die ständige Bedrohung durch einen Blizzard.

Porter fotografierte nahezu Tag und Nacht und schickte die Fotos mit kurzen Bemerkungen an die Redaktion. Washington Post hatte bald mehr Neider als je zuvor. New York Times versuchte mit allen Mitteln ebenfalls in diese Wildnis vorzudringen. CNN belagerte die US Armee, um einen Aufnahmetermin vor Ort. Alle erhielten die gleiche freundliche Antwort, nur wer keine Angst vor Eisbären hat und dies auch ernsthaft bestätigen konnte, wird zugelassen.

Der Eisbär war grösser geworden und verlangte mehr Futter. Seit er ein Sendehalsband trug, war man auch in der Basis interessiert ihm die notwendige Nahrung bereitzustellen. Ein Hubschrauber brachte das erforderliche Robbenfleisch. Damit war auch die Angst der Inuit beseitigt, ihre Wintervorräte könnten durch den ewigen Hunger des Bären dezimiert werden.

Jim erhielt einen versiegelten Brief. Gerichtet war er an Jim Hanson, in der Klammer stand Polar Bear Man. Absender war Washington.

„Hi, Jim. Ihren Urlaub konnten Sie in Anchorage nur wenig konsumieren. Sie haben durch ein unvorhersehbares Ereignis durch ihren persönlichen Einsatz vielen Menschen geholfen. Dort, wo Sie früher als Tierarzt tätig waren, beginnen die Kameraden sich Sorgen zu machen, ob Sie bald wiederkommen werden. Wenn es die Umstände fordern, verbleiben Sie vorerst bei den Inuit, wo sie sich derzeit befinden. Unabhängig davon, hat man Sie zum Major befördert. Davon wird auch die amerikanische Basis in der Arktis in Kenntnis gesetzt. Damit kommt der Wunsch nach schwerem Gerät, sofern es die Witterung zulässt, einen Schritt näher. Alles Gute – Ahmad Shoemaker“

Nachdenklich faltete Jim den Brief zusammen. Werde ich die Station mit den Delphinen jemals wiedersehen? Wie werden die beiden Damen reagieren, mit denen ich mich so gut verstanden habe?

Viel Zeit zum Nachdenken blieb Jim nicht. Die Beförderung von Jim war auch Ariel mitgeteilt worden. Um seine Befehlsgewalt brauchte er sich keine Gedanken machen, aber es war ihm ein Anliegen Jim herzlich zu gratulieren. Jim stand nach dem Lesen seiner Beförderung gedankenverloren vor dem Notlazarett. Ariel steuerte auf Jim zu.

»Herzlichen Glückwunsch Herr Dr. Hanson.«

Jim schreckte aus seinen Gedanken auf und drehte sich um.

Ariel stand erwartungsvoll vor ihm.

»Vermutlich werden sie mich die nächste Zeit nicht loswerden.«

rang sich Jim zu einem Kommentar durch.

»Sofern das Wetter durchhält bekommen wir ein Raupenfahrzeug. Damit steht einem Wiederaufbau nichts mehr im Wege.«

»Zurück zu ihrer Einheit können sie die nächste Zeit nicht. Ihre Gedanken befanden sich weit, weit weg.«

»Das stimmt, als ich von Anchorage aufgebrochen bin, hatte ich keine Ahnung, was ich hier vorfinden werde. Nun hat mir auch Washington vorgeschlagen, hier zu verbleiben. Wo ich sehr lange gearbeitet habe, habe ich mich nicht verabschiedet. Hoffentlich nimmt mir dies niemand übel. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu allen Kameraden.«

Ariel wartete ab. Vielleicht erfährt er endlich, wo Jim gearbeitet hatte. Doch Jim verriet darüber kein Wörtchen.

Das muss eine streng geheime Station gewesen sein. Damen und Herren, das war sicher. Und mit diesen hatte Jim eine gute Beziehung gehabt. Ariel erinnerte sich noch an einen Hinweis bevor er die Basis verlassen hatte. Er wird einen Mann finden, der sich in Schweigen hüllen kann und kein Angeber ist.

Von Jims Beförderung wussten bald alle Armeeangehörigen und Dorfbewohner. Jim musste sich den Gratulanten stellen. Geduldig ertrug er die Glückwünsche und betonte immer wieder, daß diese Beförderung keinen Einfluss auf seine Lebenseinstellung ausüben werde. Dem Arzt und Krankenpflegepersonal ließ er wissen, einer warmen Dusche und einer sauberen Kleidung könnte er nichts entgegensetzen. Sobald die Trinkwasserversorgung sichergestellt war, wäre es für ihn ein Anliegen sich entsprechend zu reinigen.

Einige Tage vergingen ohne, daß sich das Wetter umstellte.

Dann fiel über Nacht Schnee. Die Jeeps, mit denen die Trinkwasserversorgung von der hoch am Berg liegenden Quelle bisher durchgeführt worden war, konnte nicht hinauffahren. Man spannte die Hunde ein und versuchte es auf einer anderen Stelle. Bald fand man wieder sauberes Wasser.

Lange schon hatte der Eisbär die Witterung der Hunde gefunden. Als sie aus ihrem Versteck hervorgeholt, nun täglich nahezu vor seiner Nase eingesetzt wurden, näherte er sich ihnen vorsichtig. Er legte sich im Schnee nieder und kümmerte sich nicht um ihre Laute. Der Schamane beruhigte die Bevölkerung. Den Hunden wird kein Leid geschehen.

Aber sie müssen sich an seine Nähe gewöhnen. Tage später lag der Eisbär gerade vor der Nase eines der Hunde im Schnee. Er rührte sich nicht. Der Hund kam näher und zur Verwunderung der ängstlichen Leute konnten sie ein ihnen unbekanntes Schauspiel erleben. Der Eisbär blieb liegen, wie er sich hingelegt hatte und der Hund kroch vorsichtig bis zu seiner Schnauze. Beide Tiere begrüßten sich in der ihnen von der Natur gegebenen Weise. Der Bann war gebrochen. Nach einiger Zeit erhob sich der Eisbär und kehrte langsam zum Jeep von Jim zurück. Der Schamane hatte es vorausgesagt. Woher er es wusste, verriet er nicht. Der Schneefall hielt an. Bald waren auch die Räder von Jims Jeep im Schnee versunken. Die Temperatur fiel einige Grade unter null.

Im Lager der Soldaten war es grimmig kalt geworden. Diese Zelte waren nicht für das arktische Klima vorgesehen. Es war eine Notunterkunft. Jim startete fallweise den Jeep. Nicht nur um die Batterie zu laden, im Inneren kroch die Temperatur in die Nähe des Gefrierpunktes. Die Bevölkerung verbrachte die Nächte in den Kellern. Der Eisbär war mit dem Schneefall sehr zufrieden. Fröhlich marschierte er im Schnee und lag oftmals auch am Rücken.

Das angekündigte Raupenfahrzeug ließ auf sich warten. Vor Weihnachten bekommen wir es sicherlich nicht, war nun auch die Ansicht von Ariel.

»Abwarten«konterte Jim, »wenn der Schneefall aussetzt, wird es geliefert.«

Ariel fragte sich, woher nur Jim diese Zuversicht hatte. Er fror, wie seine Kameraden. Dazu kam die Ungewissheit über den weiteren Aufenthalt. Nach einer sehr kalten Nacht kam der Transporthubschrauber. Am Haken befand sich ein Caterpillar. Es war ein Kettenlader. An Bord ausreichend Treibstoff, Nahrungsmittel und weiteres Werkzeug. Auch zwei Soldaten, die sich in der Kälte ablösen sollten.

Die Piloten erzählten von einem Schneetreiben. Das habe sie davon abgehalten, die ursprünglich eingegebene Route zu fliegen.

Alle Gebirgsteile haben sie umflogen. Der Rückflug ist für den kommenden Tag vorgesehen. Der Kettenlader wurde unter Begeisterungsstürmen der Bevölkerung sofort an den Platz gebracht, an dem er eingesetzt werden sollte. Eine kurze Unterhaltung mit dem Schamanen und die Aufräumungsarbeiten wurden endlich begonnen. Die zerstörten Häuser wurden entfernt und die Kellerabteile freigelegt. Die Keller waren größtenteils in gutem Zustand. Sie waren unter Einbindung des felsigen Gesteins vor langer Zeit erbaut worden. Die beiden Soldaten, die den Kettenlader bedienten, lösten sich regelmäßig ab. Von den Inuit wurden sie mit Nahrungsmitteln versorgt.

Von Porter war die Ankunft des Transporthubschraubers nicht überhört worden.

Er kannte seine Ankunftszeit nicht, aber durch den Lärm angelockt, stürmte er mit der vorbereiteten Kamera und zwei weiteren Filmen ins Freie. Eindrucksvoll waren nachher seine Aufnahmen mit dem aufgewirbelten Schnee gegen den klaren Himmel. Zum Frühstücken nahm er sich keine Zeit. Festgehalten waren alle.

Die begeisterte Bevölkerung, der Schamane und die Amerikaner. Die Filme wurden am kommenden Tag mit anderem Gepäck zur Basis geflogen. Vielleicht waren nicht alle Aufnahmen für die nächste Zeitung vorgesehen. Eindrucksvoll waren sie sicher.

PIHOQAHIAK

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