Читать книгу Nur eine Affäre... - Ron Wall - Страница 3
Wie weit soll sie gehen?
ОглавлениеEs war zwei Uhr, als die beiden Businessmänner endlich ihr Vorhaben, Silke zu einem Drink einzuladen, aufgaben. Enttäuscht verließen die zwei die Hotelbar. Jetzt saß Silke alleine an dem großen schicken Tresen dieses noblen Golfhotels in Südengland. Der Barkeeper saß gähnend auf einem Hocker und las in einem Buch.
Was mache ich hier, wieso hoffe ich, dass er zurückkommt? Liegt es am Reiz, nach der verbotenen Frucht zu greifen? Ihr Mann Johannes, ihre beste Freundin Irene und deren neuer Freund Marc – den Irene erst seit drei Wochen kannte – waren bereits vor 30 Minuten auf ihre Zimmer gegangen. Johannes und Irene hatten beim Essen viel Wein getrunken und anschließend an der Bar das schwer verdauliche englische Essen mit reichlich Whisky hinuntergespült. Neben ihr hatte sich Marc mit dem Alkohol ebenfalls zurückgehalten. Marc war es dann auch, der die beiden Betrunkenen auf ihre Zimmer brachte. Warum der Glaube, die Hoffnung, dass er wieder zu ihr an die Bar zurückkommen würde?
Silke war mittlerweile 49 Jahre alt und seit 26 Jahren mit Johannes verheiratet. Er war Anwalt und Sprecher einer großen Bank in Frankfurt. Als Vizedirektor hatte ihr Mann ein sehr gutes Einkommen. Dank Johannes’ Karriere war die Familie nicht auf ein zweites Gehalt angewiesen und Silke hatte sich ganz auf ihre zwei Kinder, den Hund und das schöne Heim konzentrieren können. Kevin, der Ältere, hatte das Haus bereits vor zwei Jahren verlassen, um, wie sein Vater, in Köln Jura zu studieren. Seit Sarah, ihre Tochter, vor einem Jahr für ihr Archäologiestudium nach Berlin gezogen und der Familienhund Benny, ihr geliebter Labrador, vor sechs Monaten altershalber verstarb, war es im Haus ruhig geworden.
Anfangs hatte Silke gehofft, dass ihr Mann etwas kürzertreten und mehr Zeit zu Hause verbringen würde. Leider wurde nichts daraus, denn neben seinem Job hatte er eine Affäre mit seiner Sekretärin. Der Zufall hatte ihr den Beleg dafür geliefert. Eine Hotelquittung in einem seiner Anzüge. Ein Anruf beim Hotel bestätigte den Verdacht, dass ihr Schwerenöter dort regelmäßig mit einer jüngeren Frau abstieg. Johannes hatte keine Ahnung, dass sie von der Affäre wusste, die nicht die erste war. Silke war unsicher, wie seine Reaktion auf eine Aussprache wäre, der Konfrontation auszuweichen schien einfacher. Die Familie, die Kinder, ihre Freunde, die Nachbarn … Versöhnung oder Scheidung – Auszug aus der geliebten Villa? Er war Anwalt, was hätte sie gegen ihn ausrichten können? Nein, ihn zur Rede zu stellen, dazu fehlte der Mut. Das Risiko, ihr gewohntes Leben aufgeben zu müssen, wäre ein zu hoher Preis gewesen, da war es einfacher, auch wenn es schmerzte, wegzusehen und zu schweigen.
Silke hatte ihren Mann in den 26 Jahren Ehe nie betrogen, aber jetzt saß sie seit über einer halben Stunde wie ein Schulmädchen an dieser leeren Bar und hoffte, dass Marc, der neue Freund ihrer besten Freundin, für einen Absacker zurückkäme.
Mein Gott , durchfuhr es Silke erneut, was mache ich hier? Bin ich verrückt? Sie öffnete ihre Tasche und wollte bezahlen, als der Hauch eines Kusses auf ihren Nacken traf und einen Schub der Wollust durch den Körper gleiten ließ. Bevor eine Reaktion möglich war, wurde ihr Körper von hinten zärtlich umarmt. Wie reagiere ich jetzt, aufstehen, ihn ohrfeigen, oder … oder mich dem Reiz des Seitensprungs hingeben? Marc nahm ihr die Entscheidung ab. Der neue Partner ihrer besten Freundin zog sie sanft nach hinten und gab ihr einen liebevollen, langen Kuss auf den Mund.
Silke genoss, entgegen jeglicher Vernunft, die Umarmung und die zärtlichen Lippen dieses schönen Jünglings. Wie toll dieser Mann küssen konnte! Ein angenehmes Gefühl des Verlangens breitete sich in ihrem Körper aus. Eine Weile schmuste das Paar, immer hemmungsloser werdend, bis ihr wieder bewusst wurde, dass dies hier wohl nicht der richtige Ort war, um sich einem fremden Mann hinzugeben. Wieder zur Besinnung gekommen, sah Silke sich erschrocken um. Außer dem Barkeeper, der immer noch in seinem Buch las und anscheinend keine Notiz von ihrem Ausrutscher genommen hatte, war die Bar zum Glück weiterhin leer.
»Wir müssen das beenden, sofort, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist«, entfuhr es ihr. Marc ignorierte ihren Einwand, beugte sich erneut zu ihr, liebkoste ihren Mund und streichelte dabei zärtlich den Nacken. Und … Silke ließ es, entgegen jeglicher Vernunft, wieder zu. Mein Gott, ich kann mich nicht wehren, ich bin feucht und erregt. Er muss aufhören, sofort! Nein, nicht aufhören, nur noch ein einmal, ein letzter inniger und langer Kuss. Obwohl die Vernunft und das schlechte Gewissen irgendwo in ihrem Gehirn gegen ihr Bewusstsein hämmerten, war der Reiz des Verbotenen, der Trieb, die Erregung stärker. Marc hörte zu ihrer Enttäuschung nach einer Weile auf, ihre Lippen mit den seinen zu verwöhnen.
Dieser schöne Jüngling beugte seinen Kopf seitlich an ihr vorbei und flüsterte ihr ins Ohr: »Lass uns gehen.«
»Wohin?«
»Lass dich überraschen.«
Widerstandslos stand Silke auf.
Er legte einen Geldschein auf den Tresen. Der Barmann hob kurz seinen Kopf, bedankte sich und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.
Beim Aufstehen bemerkte Silke, dass sie zwischen den Schenkeln nicht nur feucht war, sondern ihr ganzer Unterleib leicht krampfte. Ihr Körper sehnte sich nach einer Vereinigung mit ihm. Ein paar Küsse, eine Umarmung von diesem groß gewachsenen Adonis und ihr Körper war erregt und willig, sich ihm hinzugeben.
Johannes, ihr Mann, war ein guter Versorger, aber leider ein miserabler Liebhaber; schon immer gewesen. In all den Jahren der Ehe hatte ihr Angetrauter es nie geschafft, ihr einen Orgasmus zu bescheren. Und jetzt verließ eine bisher treue Ehefrau die Hotelbar mit dem Freund ihrer besten Freundin, war feucht, erregt und gerade dabei, ihre Prinzipien von Treue und Loyalität über Bord zu werfen, wenn auch nur für eine Nacht, wie sie glaubte.
Die großen leeren Marmorhallen und Gänge – die ihr am Nachmittag bei der Ankunft, als die Sonne hindurchschien, gut gefallen hatten – waren jetzt leer, geisterhaft und wirkten leicht bedrohlich.
Im Speisesaal beim Abendessen war Silke ganz aufgedreht gewesen. Seit Langem endlich wieder ein Wochenende weg von ihrem Haus in Wiesbaden und weg von Frankfurt, ihren Mann wieder einmal ganz für sich und ohne Nebenbuhlerinnen, wenn auch nur für drei Nächte, das waren vier Tage weg vom Alltag, und die wollte sie genießen. Silke hatte sich, trotz ihrer 49 Jahre, jung und aufgedreht gefühlt unter all diesen betagten Hotelgästen. Das Durchschnittsalter der gut situierten, golfenden Rentner, die hier wohnten, musste über siebzig Jahre liegen. Diese Gäste hielten sich nach dem Essen nur kurz in der Bar auf und gingen allesamt früh auf ihre Zimmer, die wollten bei Sonnenaufgang raus zum Golfen, genau wie ihr Mann. Ob der mit seinem Brummschädel, den er morgen sicherlich haben würde, um sieben aufstehen und nach dem Frühstück die 18 Löcher spielen konnte, war zu bezweifeln. Irene, ihre beste Freundin, hatte sich, entgegen ihrem Vorhaben, nur ein Glas zu trinken, ebenfalls die Kante gegeben.
Silke war das gewohnt. Wenn Johannes und Irene zusammenkamen, dann füllten sich die zwei gegenseitig bis zum Umfallen ab. Das war der Grund, dass sie ihre beste Freundin nur selten einlud, wenn ihr Mann zu Hause war.
Zum ersten Mal hatte es etwas Positives, dass sich ihr Mann und Irene gegenseitig bis zur Besinnungslosigkeit betranken, es gab ihr die Möglichkeit, hier und jetzt nach der verbotenen Frucht, einem einmaligen Seitensprung, zu greifen. Angespannt, erregt und voller Erwartung schritt Silke neben diesem gut 20 Jahre jüngeren Mann durch die zu dieser Zeit leeren Hotelhallen.
Plötzlich und unerwartet, ein sanfter Stoß von ihm, die Wand stoppte ihren Seitwärtsschritt, mit dem Rücken zur Wand stehend, seine starken Arme hielten ihren Körper fest, während ihre Lippen sich erneut liebkosten, immer heftiger und fordernder. Ein letztes Aufflackern von Vernunft kämpfte sich durch ihr Gehirn.
»Nein, nicht hier, bitte Marc. Ich bin die Frau eines angesehenen Bankdirektors, wie peinlich, wenn wir hier von einem bettsenilen Hotelgast oder einem Angestellten erwischt werden. Was für ein Skandal!«
»Genieße den Reiz des Verbotenen«, war seine Antwort.
Silke war bereits zu erregt, um vernünftig reagieren zu können. Seine Lippen und zärtlichen Hände hatten den Honigtopf bereits geöffnet. Die brave Ehefrau hatte vom süßlichen Nektar genascht und wollte mehr, viel mehr. Er öffnete ihre Bluse und knetete sanft ihren Busen, danach wurde ihr Rock hochgezogen. Verdammt, hier im Hotelgang, wenn jemand kommt, aber, aber … ja, es macht mich scharf. Die Möglichkeit, erwischt zu werden, es turnt mich wirklich an. Ich werde … ja … Die Gefahr, entdeckt zu werden, übte einen bisher nicht gekannten Reiz aus.
Zärtlich streichelten Marcs Finger über Silkes Körper. Dann fordernd, stark unnachgiebig, während seine Lippen die ihren abwechselnd zärtlich und dann wieder herausfordernd küssten. Mein Gott, der weiß, wie man mit einer Frau umgeht. Dieser Frauentraum machte keinen der Fehler, die Männer häufig beim Verführen begehen, er tat genau das Richtige, um sie aus der Reserve zu locken. Der wusste genau, wie weit seine Hände an die Brust oder zwischen ihre Schenkel gleiten durften, um ihre Erregung zu steigern. Abwechselnd fuhren seine samtenen Fingerspitzen, in einem Hauch von nichts, über ihre Brüste und Oberarme, um kurz darauf wie ein vom Wind umwehendes Seidentuch ihre Oberschenkel und den Intimbereich zu berühren.
Die bisher stets auf die Etikette achtendene Dame mit Klasse spürte, wie die Erregung sich ihrer bemächtigte, und zum ersten Mal in ihrem Leben wurde Silke durch die Berührung eines Mannes richtig geil. Es spielte keine Rolle mehr, dass lediglich eine Marmorsäule ihnen etwas Sichtschutz bot, der bereits hochgezogene Rock erleichterte das Spreizen der Beine. Der sinnliche Rausch, das Begehren begrub die Vernunft. Zärtlich begann dieser fast noch Fremde, den sie vor ein paar Stunden zum ersten Mal getroffen hatte, ihren Intimbereich in rhythmischen, wellenförmigen Bewegungen zu massieren. Silke konnte sich nicht mehr zurückhalten und begann zu stöhnen, während ihr ganzes Wesen nach einem Orgasmus zu lechzen begann.
Er schob ihr seine rechte Hand zwischen die Zähne. Sie verstand und biss darauf, um nicht das ganze Hotel zusammenzuschreien.
Gegen die Wand gelehnt genoss ihr brennender Körper den Rausch, die Erregung und den sich anbahnenden Höhepunkt. Die Wollust, die er zuvor in ihr heraufbeschworen hatte, entlud sich kurz darauf in einer erlösenden und befreienden Woge der Befriedigung, die durch ihren gesamten Körper bebte. Silke genoss diesen Rausch, diesen Höhenflug von Leichtigkeit. Sich mit geschlossenen Augen noch etwas treiben lassen, einfach genießen.
Wow, mein erster Orgasmus von einem Mann herbeigeführt. Was für ein herrliches Erlebnis! … Wie lange stehe ich mittlerweile hier halbnackt herum? Was mache ich jetzt, er ist nicht befriedigt? Besorge ich’s ihm mit der Hand?
Trotz ihres Alters und 26 Jahren Ehe, Silke war verunsichert. Erfahrungslos mit solchen Situationen, noch nie erlebt und keine Ahnung, wie reagieren. Instinktiv griff sie ihm zwischen die Beine und spürte sein erregtes Glied. Ja, Irene hatte nicht gelogen, als ihre beste Freundin ihr anvertraute, dass ihr neuer Freund nicht nur ein fantastischer Liebhaber, sondern auch äußerst gut bestückt sei.
Marc lächelte freundlich. »Kann ich meine Hand zurückhaben?«
Hand wie – ach ja – seine Hand steckte immer noch in ihrem Mund.
Er zog seine offensichtlich schmerzende Hand zurück.
»Habe ich zu fest zugebissen?«
»Nein, nein, alles gut.« Marc schmunzelte, während er ihre Finger von seiner Hose wegzog.
Wollte er nicht befriedigt werden? Es war verwirrend.
»Habe ich etwas falsch gemacht? Ich kann es dir auch mit dem Mund bes…«, lächelnd winkte der Schönling ab. »Wir sollten jetzt gehen. Ich möchte dir etwas zeigen.« Er hob ihren Schal, das Jäckchen und die kleine Handtasche, die zu Boden gefallen waren, auf.
Nachdem ihre Utensilien wieder an ihrem Platz waren, die Jacke über die Schulter gelegt, das Make-up aufgefrischt und nichts mehr auf diesen Quickie hinwies, hielt der Frauenverwöhner ihr galant seinen Arm hin. Zärtlich eingehakt ging es Richtung Rezeption. Der Portier, ein junger dunkelhäutiger Bursche, döste vor sich hin und erschrak, als Gäste zu so später Stunde vor ihm standen und ihr Auto verlangten. Der Portier setzte sein geschultes Lächeln auf und nachdem ihm Marc die Parkkarte vorgelegt hatte, beeilte der Nachtwächter sich, den Wagen aus der Hotelgarage zu holen.
Vor dem Ausgang stehend, sich zärtlich umarmend, wartete das Liebespaar auf ihr Auto. Silke genoss diese neue unbekannte Zuneigung. Wortlos in Stille, die Zweisamkeit in sich aufsaugend, sich von der immer noch angenehm warmen Juli-Brise umschmeicheln lassen, Gänsehaut pur. Es war der bisher sinnlichste Moment in ihrem Leben. Dass sie Marc kaum kannte, nicht wusste, wer er war, ihn vor acht Stunden das erste Mal gesehen hatte, das alles spielte im Augenblick keine Rolle. Seine Nähe, seine Zuneigung, dieses Gefühl von Geborgenheit, an seinen Körper angelehnt und von ihm umarmt zu werden, war einfach zu schön, zu verführerisch, um sich gegen diesen Rausch von Sinnlichkeit zu wehren. Ihr Mann, ihre Freundin, das schlechte Gewissen waren weit weg. Die Lust auf seine Lippen, nach den wunderbaren Händen und dem muskulösen Körper waren zu dominant, um sich momentan vernünftig und angepasst zu verhalten.
Irene, ihre beste Freundin, hatte Marc vor drei Wochen, unter einem Vorwand, in einem Café in Frankfurt angesprochen. Dieses Sahneschnittchen von Mann wollte ihre beste Freundin sich nicht entgehen lassen und bedrängte ihn so lange, bis er einem Rendezvous zustimmte. Irene war 39 und konnte problemlos als 29-Jährige durchgehen. Sie sah gut aus und mit ihrer offenen, frechen und jugendlichen Art genoss sie seit ihrer Scheidung die Männer in vollen Zügen.
Silke fragte sich, wieso Marc statt mit der knackigen, jugendlichen Irene jetzt mit ihr den Abend verbrachte. Leider war ihr das Glück, jünger auszusehen, von der Natur nicht vergönnt. Ihr Körper hatte keine Modelmaße – was ihr am Busen fehlte, hatten dafür ihre Hüften im Übermaß gespeichert. 67 Kilo in 157 Zentimeter Körpergröße verpackt, das bedeutete klein, füllig und zu allem Übel ein kleiner Busen, der es trotz der A-Körbchen schaffte, zu hängen. Passend dazu steckte sie in einem fast fünfzig Jahre alten Körper. Was wollte dieser ein Meter achtundachtzig große, blonde Frauentraum, dieser schlanke, sportlich gebaute Adonis von ihr? Wahrscheinlich sollte sie lediglich eine weitere Trophäe in seiner Kollektion von Eroberungen sein, eine andere Erklärung fiel ihr nicht ein. Im Moment spielten seine Absichten keine Rolle, es war schön und erregend, diese Nacht gehörte ihr, nur ihr mit ihm.
Ein kurzer Blick auf die Uhr, es war halb drei. Es blieben über vier Stunden, die nur ihnen gehörten. Ein zärtliches Aufschauen zu ihm. Er strich ihr ein paar Haare aus dem Gesicht und lächelte zurück. Das wohlige Gefühl, immer noch von diesen starken Armen gehalten zu werden, sein Lächeln. Wie schön dieser Jüngling war, so musste wohl Dorian Gray ausgesehen haben. Bereits beim Abendessen, kurz nach dem ersten Aufeinandertreffen, entflammte ihr Interesse für ihn. Zuerst hatte sie sich dagegen wehren wollen, aber je länger der Abend wurde, desto mehr durchlöcherte er ihre Fassade von Treue und Standhaftigkeit. Immer weiter hatten seine stahlblauen Augen, die an die Farbe der Karibischen See erinnerten, seine tiefe, männliche Stimme, sein spitzbübisches Lächeln und das schöne männliche Gesicht ihre Barriere der unnahbaren Selbstdisziplin durchdrungen. Je länger der Abend wurde, je mehr ihr Mann und Irene abstürzten und die zwei Schluckspechte sich nur noch gegenseitig wahrnahmen und nicht mehr auf den Rest der Welt achteten, desto mehr begann Silke, immer unverhohlener mit Marc zu flirten. Als er zu ihrem Erstaunen auf die anfänglich noch zaghaften verbalen Avancen einstieg, hatte sie sich beim Essen und danach an der Bar der Faszination des anzüglichen Flirtens, des verbalen Anmachens hingegeben. Johannes und Irene waren bereits nach dem Hauptgang so betrunken gewesen, dass sie nichts mehr von diesem frivolen Spiel mitbekamen: ein paar Anzüglichkeiten, ein kurzes Streicheln hier, eine leichte Berührung da … Als Silke merkte, dass aus dem Spiel mehr wurde, war es bereits zu spät gewesen. Die Lust, nach der verbotenen Frucht zu greifen, war da, und als Marc die zwei Schluckspechte auf ihre Zimmer brachte, blieb sie voller Hoffnung an der Bar sitzen. Obwohl es für eine treue Ehefrau unstattlich und falsch war.
Ihre einzig logische Erklärung, wieso er sich mit ihr beschäftigte, war ihr gepflegtes Aussehen. Silke legte großen Wert auf ihr Äußeres. Die aufwendige Schminke, die damenhafte, gepflegte Kleidung, edle hochhackige Schuhe, das alles verlieh ihr eine gewisse Klasse. Zudem war eine verbale Schlagfertigkeit und spontaner Humor, was Männern an Frauen ebenfalls gefiel, einer ihrer weiteren Pluspunkte. Aber war das wirklich genug, um die Aufmerksamkeit dieses Frauentraums zu erlangen? Er wirkte nicht wie ein Gigolo, nein, im Gegenteil: Silke glaubte, beim Essen eine gewisse Nachdenklichkeit oder sogar melancholische Tiefgründigkeit in seinem Blick entdeckt zu haben. Nein, um einen Golddigger handelte es sich bei ihm sicherlich nicht. Ein Mann, der Jagd auf reiche ältere Damen machte, um von ihnen ausgehalten zu werden, das schien er wirklich nicht zu sein. Irene, ihre Freundin, war alles andere als wohlhabend oder geschweige denn reich, ums Geld ging es ihm wohl kaum.
Der Portier fuhr mit dem Wagen vor und riss Silke aus ihren Gedanken. Sie lag in den Armen dieses wunderbaren Mannes, es war halb drei und erst um sieben stand Johannes, ihr Mann, auf, um zum Frühstück zu gehen. Es blieben viereinhalb Stunden …
Sie kannte sich mit Autos nicht aus, aber es war offensichtlich ein Oldtimer, wahrscheinlich aus den 50er- oder 60er-Jahren. Johannes hätte genau gewusst, was das für ein Auto war, billig sah dieses Kunstwerk auf Rädern jedenfalls nicht aus.
Marc drückte dem Portier einen Geldschein in die Hand, der sich bedankte und höflich verabschiedete, während er beim Weggehen begeistert von dem Fahrzeug schwärmte. Irene hatte ihr erzählt, dass Marc einen deutschen Vater und eine englische Mutter hatte und seine Familie mütterlicherseits in Südengland ein kleines Ferienhaus in der Nähe ihres Hotels besaß. Marc wollte aber lieber mit Irene im Hotel absteigen, als im Cottage zu wohnen. Silke fragte sich gerade, ob die Ausfahrt dorthin ging, sollte ihr die Ehre zuteilwerden, die nicht einmal Irene, seiner Freundin, zugebilligt wurde.
Er begann das Verdeck von Hand nach hinten zu klappen. Dabei konnte Silke, im Lampenschein des Hoteleingangs, seinen tollen Körper und den knackigen Hintern begutachten. Wieder begann ihr Hormonhaushalt verrücktzuspielen. Ich werde wieder scharf, hoffentlich dauert die Fahrt nicht zu lange. Ich möchte endlich das volle Erotikprogramm erleben, einmal, nur einmal in meinem Leben. Heute Nacht will ich diesen Traum von Mann, hemmungs- und tabulos verführen. Sex ohne Grenzen mit einem Fremden, danach wieder brave, pflichtbewusste Hausfrau und Mutter: Ja, dieser jugendliche, sportliche Körper von Marc gehörte die nächsten Stunden ganz ihr allein.
Nachdem das Dach offen und festgezurrt war, öffnete er den Kofferraum, nahm eine Decke heraus und legte sie ihr über die Schulter. »Zusammen mit der Heizung wird es dir gefallen, mit offenem Verdeck mitten in der Nacht an der Küste entlangzufahren.« Marc öffnete ihr die Wagentür. »Steig ein und genieße!«
Das Cabrio war bequem. Ein sanfter Kuss, während der Motor startete und der Oldtimer losfuhr.