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3 /13 Der Markt

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Der große Marktplatz bildete das Stadtzentrum. An seiner südlichen Schmalseite lag der Kalifenpalast. Ihm gegenüber, also an der nördlichen Schmalseite, befand sich der Basar. An der östlichen Breitseite des Platzes stand die prächtige große Moschee mit dem Hospiz und der Armenküche und ihr gegenüber, im Westen, das Gerichtsgebäude mit der Koranschule – der Koran ist Grundlage der Rechtsprechung – der Bibliothek und der Polizeiwache mit dem Gefängnis. Ungefähr in der Mitte des Platzes befand sich der überdachte Marktbrunnen.

Ali hatte in aller Ruhe seine Einnahmen gezählt, war dann in die Moschee zum Dhohr-Gebet gegangen, um sich bei Allah für den erfolgreichen Diebstahl zu bedanken und ihn zu bitten, den reichen Türken noch einmal wiederkommen zu lassen. Dann war er über den Markt, seinem Lieblingsplatz, geschlendert und hatte nach weiteren Opfern Ausschau gehalten. Schon bald sah er zu seiner größten Freude, dass sein Gebet erhört worden war. Hoch zu Maultier und frisch eingekleidet mit einer türkisgrünen seidenen Pumphose, die von einer breiten, roten, golddurchwirkten Schärpe gehalten wurde, einem ebenfalls türkisenem Batisthemd, über diesem eine blutrote offene Samtweste mit goldenen Knöpfen und großen, bestickten Taschen, auf dem Haupte ein Fes in leuchtendem Purpur mit einer goldenen Quaste und an den Füßen safrangelbe Halbschuhe aus weichem Leder mit hochgebogener Spitze, ritt Osman langsam durch die dichte Menschenmenge über den Marktplatz. Deutlich zeichnete sich der pralle Geldbeutel in seiner Westentasche ab.

Ali eilte ihm entgegen, riss noch schnell im Vorübergehen an einem der Marktstände einem Pfau eine lange Schwanzfeder aus und drängelte sich, flink wie ein Wiesel, an den Dienern vorbei, heran an den Türken, wobei er ihm mit der Pfauenfeder im Gesicht herumwedelte und gleichzeitig mit der anderen Hand geschickt den Geldbeutel aus der herrschaftlichen Westentasche zog.

Empört darüber, dass man ihm mit einer Feder im Gesicht herumwedelte, griff der Kaufmann zu seiner Peitsche, um Ali mehr Ehrerbietung einzubläuen und auch die Diener wollten sich schon auf den unverfrorenen Tagdieb stürzen. Doch dieser beteuerte treuherzig, er habe doch nur ein paar lästige schwarze Fliegen aus dem edlen Antlitz des hohen Herrn verjagen wollen, damit dieser ungestört die kostbaren Waren der Händler betrachten könne. Wenn er aber geahnte hätte, dass man ihm diese wohlgemeinte Hilfe mit Prügel entgelten würde, hätte er gewiss die Fliegen auf dem hochherrschaftlichen Antlitz in Ruhe gelassen.

Bei seiner wortreichen Verteidigung fand Ali genug Zeit, den türkischen Geldbeutel unter seiner weiten Djellaba zu entleeren und ihn, weil das ganze Manöver vor dem Gemüsestand stattfand, gefüllt mit einer dicken Gurke zurück in Osmans Jackentasche gleiten zu lassen.

Inzwischen hatte sich schon eine große, neugierige Menschentraube um die türkische Gesellschaft gebildet und Ali nutzte eine günstige Gelegenheit, um in der Menge zu verschwinden, wie ein Sandkorn in der Wüste.

Herr Osman ritt nun weiter zum Südtor des Basars, um endlich seinen Einkauf zum Abschluss zu bringen. Arglos betrat er erneut den Laden des Tuchhändlers, um die bereits ausgewählten Stoffe zu kaufen und zusätzlich noch einen Seidenschal für seine Lieblingsfrau Leila.

Als er nun aber, um zu bezahlen, aus seinem Geldbeutel eine prächtige Gurke zog, bog sich der Basarhändler vor Lachen. Beschämt stammelte Osman, seine Frau habe in ihrer Geistesabwesenheit offensichtlich Gold mit Gurke vertauscht und er werde sie dafür zur Rechenschaft ziehen und hart bestrafen. Fluchtartig verließ er mit hochrotem Kopf den Basar, bestieg sein Maultier und ritt so schnell nach Hause, dass ihm seine Diener kaum folgen konnten.

Kaum angekommen, rief er so laut und wütend nach Leila, dass diese vor Schreck ganz blass wurde.

„Du dummes Weib, was hast du getan? Kannst du nicht Gold von Gurke unterscheiden? Was hast du mit meinem Geld gemacht, das ich dir vorhin gegeben habe? Hast du es vielleicht ins Gurkenfass gelegt?“, brüllte er wutschnaubend und fügte noch hinzu: „Du hast wohl schon lange nicht mehr die Peitsche gespürt?!“

Zitternd vor Angst stand die kleine Frau vor ihm.

„Welche Gurke, wovon sprichst du, mein Herr und Gebieter?“ fragte sie zaghaft.

„Du weißt genau, wovon ich spreche, falsches Weib! Von der Gurke spreche ich, die du mir an Stelle des Geldes in meinen Geldbeutel gesteckt hast!“

„Warum sollte ich eine Gurke in einen Geldbeutel stecken?“, fragte Leila verwundert und schaute ihren Mann an, als habe der den Verstand verloren. „Außerdem“, fügte sie hinzu und deutete auf Muck, den kleinen Lakai, der eben erst zusammen mit den anderen Dienern ganz atemlos angekommen war, „hat der da gesehen, wie ich deinen Geldbeutel so, wie du ihn mir gegeben hattest, in deine Jackentasche gesteckt habe.“

Der kleine Muck bestätigte dies durch heftiges Nicken. Osman, der Türke, war ratlos. Das alles grenzte an Zauberei. Nein, das war Zauberei! Allah hatte sein Gebet nicht erhört und der böse Geist trieb weiterhin seinen Schabernack mit ihm.

Nach dieser Erkenntnis wusste Osman genau, was zu tun sei: er musste noch einmal in die Stadt reiten, in der Moschee Allah um Vergebung seiner Sünden sowie um Befreiung von dem Dämon bitten und dem Imam einen größeren Geldbetrag als Spende für die Moschee und die Armen geben. Außerdem musste er der unschuldigen Leila, die er so grob beschimpft und sogar mit Peitschenhieben bedroht hatte, zur Wiedergutmachung ein sehr kostbares Geschenk kaufen. Da kam nur teuerster Goldschmuck in Frage.

Wieder wollte er seinen Geldbeutel mit Goldstücken füllen, da fiel ihm ein, dass jedes Mal, wenn er das Gold in einem Behältnis mit sich geführt hatte, es von dem bösen arabischen Dschinn in wertloses Zeug, wie Steine oder Gurken, verwandelt worden war. Man musste das Geld also ganz einfach offen und für alle Welt sichtbar vor sich her tragen, so dass es auch Allah gut sehen und bewachen konnte.

Glücklich über diesen klugen Einfall, bat Osman seine Frau, ihm ihre lange goldene Halskette zu leihen. Er würde sie ihr heute abend wieder zurückgeben und noch wertvolle Ohrringe dazu. An dieser Kette befestigte er nun viele Goldmünzen und hängte sie sich um den Hals. Dann begab er sich ins Speisezimmer und ließ sich von seinen Dienern ein Fladenbrot, eine leckere Hammelkeule, geschnittenen Weißkohl mit Öl, Essig, Pfeffer und Kümmel, Weintrauben, Apfelsinen, Feigen, türkischen Honig und kühle Limonade servieren. Nach dem Essen ruhte er ein Stündchen, wobei er genüsslich seine Nargileh rauchte, trank dann noch einen starken Mokka und bestieg sein Maultier. Die Diener folgten ihm zu Fuß.

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