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Nochmal. Keine Angst!

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Wechselnde Pfade

Vier Wochen nach ihrem Tod beginnt eine Wanderung mit Freunden. Eine Pilgertour im Weserbergland. Im schützenden Schockzustand gehe ich mit auf den Weg. Alles gut, keine großen Emotionen, ich wundere mich schon. Doch am letzten Tag zieht die Angst eine Mauer hoch, mitten in der Klosterkirche von Loccum.

Wieder nach Hause, was für ein Zuhause?

Wieder in den Alltag, was für ein Alltag?

Neue Ziele..., Ziele?

Neue Wege?

Es beginnt ein schwieriges halbes Jahr.

So beschließe ich, weiter zu laufen.

Immer wieder zieht es mich hinaus.

In die Sonne, in den Regen, über die Felder, in den Wald.

Während die Zimmerdecke bedrohlich absinkt, ziehe ich die Wanderschuhe an und fühle mich wohl unter dem freien Himmel.

Der erscheint mir hoch genug.

Schatten und Licht

Eine Straße am Waldrand. Die Sonne dringt durch das Blätterdach und zaubert einen Straßenbelag aus Schatten und Licht.

Ich versuche erst gar nicht, mich zu entscheiden. Wenn ich weiter will, muss ich durch beides hindurch. Durch das Dunkle und Helle, durch das Böse und Gute, durch Verzweiflung und Zuversicht, durch Schmerz und Freude.

Was ich noch nicht sehen kann, sind die feinen Überschneidungen von ganz oder gar nicht, die Zwischentöne des Lichts, der Tanz der Staubkörner, die Spritzer des Drecks. Während ich über den Sonnenteppich laufe, wirbele ich jede Menge davon auf.

Sie sind da, doch ich nehme sie nicht wahr.

Zusammen mit der gesunden Waldluft atme ich sie bereits ein.

Sie werden sich noch öfter zeigen, die Möglichkeiten, die Auswege, die Boten der Hoffnung.

Alles ist Gnade

So war es schon immer.

Das Licht ist die Hoffnung, aber in den Schatten lauert das Unheil. Ohne das eine weiß ich nichts vom anderen.

Ich habe kurz gezögert, als ich bei der Beerdigung von der Kapelle bis zum Grab hinter dem Sarg hinterhergehen sollte. Nun läuft sie immer wieder vor meinen Augen ab, die Szene, als der Sarg in der Dunkelheit des Erdreichs verschwindet. Langsam, aber scheinbar unaufhaltsam empfängt ihn die Endgültigkeit. Leichte Panik steigt in mir auf und ich muss aufpassen, nicht von einem Sog des Mitsterbenwollens erfasst zu werden. Doch ich bleibe am Leben, um Kontrolle bemüht. Komischerweise werde ich später bei jedem Grabbesuch das eingemeißelte Datum von Geburt und Tod überprüfen, nur um jedes Mal wieder festzustellen, dass alles richtig ist.

Die weinenden Gesichter ziehen an mir vorüber. Hier am offenen Grab ist noch nichts davon zu spüren, aber jede Trauerträne kündigt bereits eine an, die irgendwann vor Freude über das Gesicht laufen wird.

Im Grab ist es dunkel, aber das Leben braucht Licht.

Nimm beides oder du hast gar nichts und nichts zu haben ist gnadenlos.

Fürchte dich nicht

Ein Sonnentag.

Die Kinder freuen sich über die Freiheit auf ihren Fahrrädern und spielen das Spiel "Nicht über meinen Schatten fahren!"

Keiner darf über den Schatten der anderen fahren, was aber natürlich jeder mit viel Geschrei und Freude versucht.

Wie konnte ich bloß dieses unbeschwerte Spiel mit den Schatten verlernen.

Wie konnten sie nur plötzlich so mächtig werden.

Ohne Hilfe komme ich da nicht heraus, aus dem geschlossenen Raum der Dunkelheit. Doch für jede Tür, die zuschlägt, gehen zwei neue auf. Ich werde wieder ans Licht kommen.

Vielleicht nicht wie ein Zug, der aus dem Tunnel ins Sonnenlicht fährt und dann gleich die Panoramastrecke entlang der Küste nimmt. Vielleicht eher wie ein Seevogel, der sich mit verklebten Federn aus dem Wasser einer Ölkatastrophe retten kann.

Es wird eine Möglichkeit geben, um wieder zu fliegen.

Ich werde ins Licht fliegen oder fahren oder springen oder kriechen.

Aber ich werde. Keine Angst.

Nochmal.

Keine Angst!

Der Witwer überquert den Berg

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