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4.

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Verdreckt, ungewaschen und voller Haß starrten sie sich zwei weitere Tage später gegenseitig an. Ihre Körper waren aufgedunsen, verquollen, und ihre Stimmung hatte den übelsten Punkt erreicht, den es gab.

Der Haß konzentrierte sich auf Stan Ellen.

Niemand respektierte ihn, sie respektierten sich gegenseitig längst nicht mehr, und Blake oder Hentrop war es völlig egal, ob der Alte brüllte, tobte, fluchte oder befahl.

Auch der Erste mischte kräftig mit.

„Frisches Wasser“, höhnte er, „Früchte, Inseln, was? Wo sind denn deine Inseln, Kapitän? Deine Scheiß-Roteiros haben uns keinen Schritt weitergeholfen, wir segeln immer noch fast auf Ostkurs, wir sollten auf Südost gehen, da ist Land, das fühle ich ganz deutlich.“

Ellen gab keine Antwort. Aus rotgeränderten Augen sah er den Ersten an. Er ließ sich beleidigen und beschimpfen, ihm war es einerlei, er hatte genauso genug wie die anderen auch.

„Drehen Sie das Stundenglas um, Wintham“, sagte er mit schwerfälliger Stimme.

„Was geht mich das Stundenglas an, was schert mich die Zeit! Wir haben genug davon, Zeit wie Sand an den Stränden. Dreh es selbst um, wenn du willst!“

„Wo wollen Sie hin, Blake?“ fragte Ellen.

„Mir was zu fressen holen“, sagte Blake.

Ellen lachte sarkastisch. „Möchte wissen woher.“

„Aus der Vorpiek, da sind Ratten.“

Blake riß einen Belegnagel aus der Nagelbank und marschierte schwerfällig nach vorn. Wintham folgte ihm.

„Mensch, daran hab ich gar nicht gedacht“, sagte er. „Klar, da vorn tummeln sich Ratten, Fleisch, das man rösten kann. Aber ob da überhaupt noch eine Ratte lebt?“

„Die überleben uns alle. Anfangs fressen sie uns die Vorräte weg, und wenn nichts mehr da ist, fressen sie Holz oder ernähren sich sogar von Tauwerk, Stiefeln und anderen Ratten. Die können überall leben, die stellen sich um, wenn sie nichts Richtiges mehr haben.“

Ellen, der selbst am Ruder stand, rief ihnen etwas nach, aber die beiden Männer drehten sich nicht einmal um.

Sie waren ganz von dem Gedanken besessen, Ratten zu fangen, sie wollten überleben, auch wenn es ein Scheißleben war.

Blake ging jedoch vorher noch einmal in den Mannschaftsraum. In der engen Koje lag einer, der sich halb aufgerichtet hatte und ihn anstarrte.

„Wasser!“ rief er.

„Geh an Deck!“ schrie Blake ihn an. „Du bist nicht kränker als wir anderen auch.“

„An Deck werde ich sterben“, klagte der Mann.

„Besser an Deck krepieren als hier unten. Los, ’raus mit dir! Du willst dich nur drücken, ich beobachte dich schon eine ganze Weile.“

„Jesus Christus“, jammerte der Mann, „hilf mir doch, nur einen Schluck Wasser. Ich habe kaum noch Zähne im Maul, und wenn das so weitergeht …“

Blake riß den Mann mit einem Ruck aus der Koje und ignorierte Winthams grimmigen Blick, der ihm gefolgt war.

„Pack dich jetzt an Deck!“ schrie Blake. „Dort oben wirst du solange bleiben, bis du Land siehst oder verreckst.“

Der Mann taumelte in panischer Angst an ihm vorbei und konnte zu Blakes Verwunderung sogar laufen.

„Faulenzer, Drückeberger!“ schrie der Bootsmann und sah sich wild um. Aber von den anderen rührte sich keiner, sie waren wirklich am Sterben – und niemand konnte ihnen helfen.

Er ging wieder zurück, nahm aus der verwaisten Kombüse eine Lampe mit und zündete sie an. Damit marschierte er, dicht gefolgt von Wintham, zur Vorpiek und riß das Schott auf.

Der blakende Schein erhellte die Vorpiek nur dürftig. Es stank entsetzlich hier drin. Träge Brühe schwappte über die Grätings, er hörte ein warnendes Pfeifen.

Ratten! Ein flüchtiger Blick genügte ihm, um zu erkennen, daß es mindestens zwanzig waren, die sich hier vor langer Zeit eingenistet und vermehrt hatten. Seit sie kaum noch etwas zu fressen hatten, war ihr Paarungsdrang zurückgegangen.

Er hängte die Lampe an einen Balken, sprang auf die Gräting und schlug mit dem Belegnagel zu.

Die erste Ratte fiel tot auf die Gräting, die anderen flohen. Einige flitzten zwischen seinen Beinen hindurch, eine andere sprang den Ersten an, der aufschreiend zurückwich, und der Rest verschwand irgendwo.

„Verdammt, halte sie doch auf!“ schrie Blake.

Aber die pfeifende Schar war schon an Deck und suchte sich neue Verstekke.

Blake donnerte das Schott der Piek zu und leuchtete mit der Lampe in jede Ritze und Ecke.

„Schau mal her, Erster!“ sagte er rauh. „Sieh dir das an!“

„Die fressen das ganze Schiff auf“, sagte der Erste erschreckt. „Himmel, die haben ja ganze Gänge gefressen!“

Blake nickte grimmig und leuchtete mit der Lampe weiter.

Ja, es gab Gänge im Schiff, kleine Tunnel, die vom Querschott der Piek bis in die Laderäume führten. Überall war Holz angefressen, benagt, abgespänt worden, und überall gab es diese Gänge. Da konnte einem angst und bange werden.

„Gesoffen haben sie das Bilgewasser“, stellte Blake fest. „Und sie sind nicht daran krepiert.“

„Willst du damit sagen, wir sollten es versuchen?“

„Warum nicht? Besser als gar nichts. Ratten fressen, Bilgewasser saufen, Hauptsache, wir überleben.“

„Aber – genausogut können wir Salzwasser saufen. Weißt du, was in der Brühe alles schwimmt?“

„Bilgewasser“, zählte Blake auf, „besteht aus Schmutz- und Schwitzwasser, und natürlich ist auch ein bißchen Seewasser dabei, das durch die Nähte leckt.“

„Tote Ratten schwimmen in der Brühe“, sagte der Erste angeekelt, „ab und zu schifft mal einer ’rein, wenn er hier eingesperrt ist, wie unser netter Priester etwa, oder – äh …“

Er sprach nicht weiter, als Blake die Ratte am Schwanz aufhob und sie in den Gang vor das Schott warf, nachdem sie es wieder geöffnet hatten.

„Du wirst der erste sein, der sie mir aus den Fingern reißt“, verkündete Blake und deutete auf die Ratte. „Und spätestens morgen schleicht ihr euch alle in die Bilge und sauft das Wasser. Mal sehen, was stärker ist: euer Ekel oder euer Selbsterhaltungstrieb.“

Stunden später schwamm das Fell der Ratte längst irgendwo hinter ihnen im Meer, hatte jeder einen winzigen Fetzen Fleisch im Magen und schlichen die ersten tatsächlich unter den fadenscheinigsten Ausreden nach vorn.

Blake stand jetzt am Steuer und lachte, bis ihm Tränen über das Gesicht liefen und sein Gelächter in ein haltloses Schluchzen überging.

„Sauft nicht die Bilge leer“, sagte er keuchend, „laßt mir auch noch einen Schluck übrig.“

Sogar Stan Ellen scheute sich nicht, Bilgewasser zu trinken. Besser, als vor Durst krepieren, war seine Devise. Die Brühe schmeckte zwar zum Kotzen, und es würgte sie bei jedem Schluck, doch später störte sich niemand mehr daran.

„Der Mensch wird zum Tier“, sagte Ellen, „sobald es ums nackte Überleben geht. Er scheut dann auch vor dem Letzten nicht zurück.“

„Und was ist das Letzte?“ fragte Blake.

„Man frißt seine eigenen Artgenossen“, erwiderte der Kapitän ausdruckslos.

Die Männer sahen sich beklommen an, schüttelten stumm die Köpfe und waren insgeheim doch davon überzeugt, daß Ellen recht hatte. Sie waren ja schon auf dem besten Weg dazu.

Sie beteten gemeinsam und flehten ihren Gott an, daß er ein Einsehen haben möge und sie endlich zum Land führen solle, aber es änderte sich nichts.

Sie waren von Wasser umgeben, von einem Himmel, der mit dem Meer manchmal zusammenschmolz, und in dem es nur noch sengende Hitze gab, nichts anderes.

Das Glück hatte sie verlassen, und Gott und die Welt verflucht segelten sie dahin, in einer lauen Brise, die kaum die Segel blähte, von einer Kalme zur anderen, endlos, wie Verdammte der Meere, für die es keinen Hafen mehr gab.

Selbst Ratten fingen sie nicht mehr, obwohl die in Scharen herumliefen. Aber diese listigen Nager waren gewitzt und hatten sich ihren Feinden längst angepaßt. Sie verkrochen sich in ihre Gänge und ließen sich nicht blicken, solange jemand draußen auf der Lauer lag.

Aber man hörte, wie sie nagten, zerrten, knabberten, wie sie das Schiff langsam, aber sicher fraßen. Nicht mehr lange, dann würde der erste Wassereinbruch erfolgen.

„Ob Thornton verhungert oder verdurstet ist?“ fragte der Rudergänger, als er über die See blickte.

Blake zuckte mit den Schultern.

„Der Halunke hat doch immer Glück. Ich wette, der liegt längst dick und vollgefressen an irgendeinem Strand herum und lacht sich eins ins Fäustchen.“

„Soviel Glück kann man gar nicht haben“, widersprach Hentrop.

Seewölfe Paket 7

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