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8.

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Lucio do Velhos Wunsch war natürlich stattgegeben worden. So stieg er vom Kommandantur-Hauptgebäude aus die rohen Stufen in den unterirdischen Kerker hinunter, während oben erneut zwei der malaiischen Freibeuter in Gegenwart des Stadtkommandanten, des Hafenkapitäns, Escribanos und Lozanos verhört werden sollten.

„Lassen Sie sich von dem Tiger nicht täuschen“, hatte Uwak, der Atjeh, ihn gewarnt.

„Deswegen will ich ihn besuchen – weil ich mich nicht täuschen lasse“, hatte do Velho auf seine unnachahmbare Art zurückgegeben.

Nachdem er die beiden Posten am einzigen Zugang des Kerkers hinter sich gebracht hatte, schritt er zwischen den düsteren Zellen auf einem durch blakende Pechfackeln erhellten Gang entlang. Dabei überlegte er, welche Fluchtmöglichkeiten der Tiger von Malakka hatte. Falls er sich seiner Ketten entledigen konnte, würde es ihm dann jemals gelingen, eine der beiden zum vergitterten Eingang des Kerkers führenden Treppen zu passieren? Wie sollte er die beiden Posten überwältigen, wie durch die Kommandantur ins Freie gelangen? Unmöglich. Und die zweite Treppe, die auf den hinteren Innenhof hinausstrebte? Nun, dort gab es kein Tor in der Mauer, und der Wehrgang wurde ständig durch Soldaten unter Aufsicht gehalten.

Sotoro saß gewissermaßen hermetisch eingeschlossen. Der portugiesische Kommandant trat vor die enge Zelle des Malaien und wünschte sich inständig, schon bald auch den Seewolf in einer derartigen Situation zu sehen – festgekettet, auf einem Bündel Stroh ausgestreckt, völlig ermattet, zerlumpt, verletzt, verlaust.

Einem schwer zu beschreibenden Antrieb folgend, entnahm do Velho eine der Fackeln ihrem eisernen Halter, und hielt die Flamme dicht vor das Gitter von Sotoros Zelle.

Der Tiger von Malakka rührte sich nicht. Sein Kopf hing bedenklich nach hinten über, sein Mund war halb geöffnet, die Augen hielt er fest verschlossen, seine Brust schien sich nicht mehr zu heben und zu senken.

Do Velho war unwillkürlich versucht, an den Tod des Mannes zu glauben. Dann aber besann er sich. Er kehrte zu den Wachtposten am Eingang zurück, ließ sich die Schlüssel aushändigen, gab ihnen ein paar knappe Anweisungen und suchte dann wieder die Gittertür von Sotoros Verlies auf.

Ohne zu zögern schloß er sie auf. Er trat neben die reglose Gestalt, ließ die Fackel ein Stück sinken und betrachtete seinen kostbaren Gefangenen noch einmal ganz genau.

Minuten verstrichen so. Schließlich sagte Lucio do Velho in reinstem, unverfälschtem Kastilisch: „Wir wissen, daß du Spanisch kannst wie deine eigene Muttersprache. Ich bin auch sicher, daß du mich in diesem Moment hörst und jede meiner Gesten studierst. Du mußt dich zwingen, nicht die Augen zu öffnen. Mein lieber Freund, ich bin selbst ein geborener Darsteller. Laß dir deshalb sagen, daß deine Anstrengungen zumindest mir stümperhaft erscheinen.“

Er erhielt keine Erwiderung.

„Ich könnte dir das Gesicht mit der Fackel versengen“, hob do Velho wieder an zu sprechen. „Aber solche Methoden halte ich nicht für angebracht. Unter uns, ich finde sie ekelhaft. Deshalb habe ich die Kommandantur auch verlassen, wo man sich jetzt auf eine Weise mit deinen Kumpanen befassen wird, die alles Bisherige übersteigt. Es liegt in deiner Hand, diese Unmenschlichkeiten abzubrechen, Sotoro. Ich will dich jetzt nicht auf die milde Art zwingen, ein Geständnis abzulegen und deine Pläne zu offenbaren. Ich will dir ein Geschäft vorschlagen. Es lautet: Du hilfst mir, den Seewolf zu fassen, und ich gewähre dir die Freiheit. Ich will nicht die gesamte Inselwelt absuchen, ich will diesem Killigrew eine gezielte Falle stellen.“

„Wer bist du?“ fragte Sotoro, ohne die Augen zu öffnen.

Do Velho sagte es ihm. Er konnte kaum seinen Triumph darüber unterdrükken, diesen schwarzbärtigen, dunkelhäutigen Rebellen zum Sprechen gebracht zu haben. Wenn es auch nur ein bescheidener Anfang war, die Hauptsache war, daß er sein Schweigen gebrochen hatte.

„Lucio do Velho“, versetzte Sotoro auf die Erläuterungen des Portugiesen hin. „So heißt also der Kommandant des großen Viermasters. Weißt du, wer das Feuer gelegt hat, das die Galeone explodieren ließ, die wir Rebellen geentert hatten?“

„Einer von euch.“

„Nein. Warum sollten wir uns selbst in die Luft jagen? Es war der Kapitän. Ich sah ihn noch von Bord springen, diesen feigen Hund. Ja, ich beobachtete ihn, wie er das Weite suchte.“

„Wir haben ihn aber nicht mit den Schiffbrüchigen aufgefischt“, erwiderte do Velho überrascht.

„Dann hat ihn ein fliegendes Trümmerstück bei der Explosion getroffen, eine Spiere oder ein Balken. Geschieht ihm recht. Siehst du, wie ihr seid? Durch und durch feige und verlogen. Auf was wartest du? Zieh mir die Fackel doch durchs Gesicht. Du wirst mich nicht schreien hören.“

Do Velho schüttelte den Kopf. „Rede keinen Unsinn, Sotoro. Ich verfolge ein bestimmtes Ziel. Bei mir konzentriert sich alles auf den Seewolf. Ich will, wie gesagt, ein Geschäft mit dir abschließen.“

Sotoro lachte auf. „Wer garantiert mir denn, daß du mich wirklich freiläßt, wenn ich einwillige?“

„Ich könnte es dir schriftlich geben …“

„Auf eure Dokumente gebe ich nichts, Portugiese.“

„Dann verrate ich dir etwas, das du leicht gegen mich verwenden könntest“, erwiderte do Velho. Er setzte eine Verschwörermiene auf und senkte die Stimme. „Du hast doch an Bord meines Schiffes vernommen, wie der Kommandant Francisco Lozano von den Diamanten von Kra gesprochen hat, nicht wahr?“

Der Tiger richtete sich von seinem erbärmlichen Lager auf. Die Ketten rasselten. „Diamanten von Kra? Nein. Du vergißt, daß Escribano mich niederschlug.“

„Dann war die Ohnmacht also nicht vorgetäuscht?“

„Ich bin erst vor etwa einer halben Stunde wieder zu mir gekommen.“

Do Velho holte tief Luft. „Gut, ich will glauben, daß es der Wahrheit entspricht. Also hör mir gut zu. Die Spanier haben die geheimen Diamantminen des Isthmus entdeckt und deinen Leuten entrissen. Die Malaien arbeiten jetzt als Sklaven in den Minen. Lozano erhofft sich von einem peinlichen Verhör, durch das dich der Stadtkommandant mangeln wird, Auskunft über weitere versteckte Minen der Eingeborenen, wo du doch von Kra stammst. Sicherlich gibt es noch viele Quellen, aus denen sich die edlen Steine holen lassen …“

„Hunde“, stieß Sotoro hervor.

Lucio do Velho berichtete ihm über das Unglück der „Santa Trinidad“, beschrieb auch, wo das passiert war, und fügte hinzu: „Und ich werde dir auch sagen, wo meine liebenswerten Verbündeten, die Spanier, auf der Landenge von Kra die Diamanten verschiffen, damit du dort später einen Schlag landen kannst. Du siehst, ich bin bereit, mich in deine Hand zu begeben, wenn du mir den Seewolf auslieferst. Eine Hand wäscht die andere, so kann man es auch ausdrücken.“

Ja, dachte Sotoro, und falls ich dich zum Seewolf führe, wirst du nach seiner Festnahme nichts Eiligeres zu tun haben, als mich zu töten, so sieht die praktische Endlösung aus.

Laut entgegnete er: „Wie willst du das dem Stadtkommandanten, dem Hafenkapitän und den anderen Halunken dort oben erklären?“

„Ich schaffe dich heimlich fort. Noch heute nacht. Deine vier Mitstreiter werde ich auch mit an Bord der ‚Candia‘ nehmen. Verlaß dich darauf, ich habe den Einfluß, das fertigzubringen, ohne daß beispielsweise Escribano oder Lozano mir ins Handwerk pfuschen.“

„Du handelst auf eigene Faust?“

„Ich riskiere das.“

Der Tiger von Malakka tat, als überlege er angestrengt. Dann nickte er. „Gut. Ich bin einverstanden. Meine Sache ist mir mehr wert als die Freundschaft des Seewolfes. Löse meine Ketten, dann folge ich dir.“

Do Velho lächelte plötzlich. „Hocherfreut, Sotoro. Aber ich sehe es als meine Pflicht an, dich vor Dummheiten zu warnen. Ich habe Vertrauen in deine Klugheit, doch du sollst wissen, daß die Wachtposten am Ausgang des Kerkers mit schußbereiten Musketen dastehen. Ich habe ihnen aufgetragen, sie sollen wie die Luchse aufpassen.“

„Ich bin kein Narr, Portugiese“, sagte Sotoro. „Ich unternehme keinen Fluchtversuch. Ich weiß, daß ein Ruf von dir genügt, und ich bin ein toter Mann. Halte dich an unseren Pakt, befreie auch meine vier Brüder, und ich breche mein Wort nicht.“

Do Velho suchte den passenden Schlüssel für die Kettenschlösser des Malaien aus dem Bund, bückte sich und ließ tatsächlich die Schlösser aufschnappen, die die im Mauerwerk des Verlieses verankerten Ketten um Sotoros Hand- und Fußgelenke gespannt hielten. In diesen Sekunden war der Portugiese sich der Gefahr bewußt, in der er schwebte, aber er wollte den Tiger auf diese Probe stellen.

Sotoro dankte durch ein knappes Kopfnicken und erhob sich schwerfällig. Do Velho brauchte nicht zu wissen, daß Sotoro die Stunden des Alleinseins dazu genutzt hatte, durch konzentrierte Ruhe zu regenerieren und sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.

In Lucio do Velhos Rücken ertönte eine Stimme. Sie bediente sich eines sauberen Spanisch, wie man es von einem Soldaten Seiner Allerkatholischsten Majestät, König Philipp II., eigentlich auch erwarten sollte.

„Senor …“

Do Velho drehte sich um und sah einen behelmten, gepanzerten Posten in der Zellentür stehen, erkannte aber zu spät, daß das Gesicht dieses Kerls erhebliche Übereinstimmungen mit der Physiognomie des Seewolfes aufwies.

Do Velho wollte reagieren, aber Sotoro trat ihm mit voller Wucht in den Rücken. Die Fackel fiel zu Boden und loderte hoch auf. Do Velho stolperte auf Hasard zu und wurde von diesem aufgefangen. Dan, der neben den Seewolf getreten war, zielte mit der Muskete direkt auf den Bauch des Portugiesen.

„Danke, Amigo, daß du uns die Mühe abgenommen hast“, sagte Hasard verhalten, während er den Todfeind in einem schraubstockartigen Griff hielt. „Wir hätten wirklich viel Zeit verloren, wenn wir erst lange mit Schlüsseln hätten hantieren müssen. Ich warne dich, Portugiese. Wage es nicht, zu schreien. Du bist ein toter Mann, wenn du auch nur ‚A‘ sagst.“

Sotoro glitt auf sie zu. „Allmächtiger, Seewolf, du hast doch wohl nicht etwa gehört und geglaubt, was ich diesem Hundesohn versprochen habe?“

„Doch“, sagte der Seewolf fast vergnügt. „Aber du kannst ganz beruhigt sein, ich weiß, was ich von dir zu halten habe. Ähnlicher Tricks habe ich mich auch schon bedient. Wenn man nur noch einen Weg sieht, einer tödlichen Klemme zu entgehen, muß man diesen Weg auch ohne Zögern beschreiten. Nimm jetzt die Schlüssel und hole deine Freunde aus den Zellen.“

„Zwei sind oben …“

„Dann hauen wir sie eben dort heraus“, sagte Dan O’Flynn grimmig.

Die Tür des Amtsraumes des Stadtkommandanten von Bengkalis, der in ein Vernehmungszimmer umfunktioniert worden war, flog plötzlich auf und knallte gegen die Wand. Der Stadtkommandant, der Hafenkapitän, Escribano, Lozano, de Cubas, Alonso, Uwak und die anderen Anwesenden fuhren wie auf ein Kommando herum.

Dan O’Flynn in der Uniform eines spanischen Soldaten, Sotoro und die beiden anderen malaiischen Freibeuter aus dem unterirdischen Kerker stürmten herein.

Hasard dirigierte Lucio do Velho unter dem Türpfosten hindurch, blieb dann stehen und rief: „Keiner rührt sich, sonst ist dieser ein Mann des Todes!“

Dan glitt zur gegenüberliegenden Wand, verharrte und hob die Muskete. Er hatte sich noch eine zweite Muskete am Schulterriemen umgehängt, sie stammte wie die erste Waffe von den beiden Posten des Wehrganges. Hasard indes, auch immer noch als Spanier kostümiert, trug die Musketen der am Kerkereingang niedergeschlagenen Posten bei sich. Durch ihre Maskerade hatten Dan und er die beiden Burschen vor Sotoros Befreiung ziemlich leicht überwältigen können.

Auf dem Flur vor dem Allerheiligsten des Stadtkommandanten standen Yaira, die von Sotoro stürmisch begrüßt worden war, Tiku und Kutabaru, um wieder für die nötige Rückendeckung zu sorgen.

Sotoro und seine beiden Landsleute schickten sich an, die zwei schwer angeschlagenen Freibeuter zu holen, die sich in diesem Augenblick dem Griff von drei bulligen Schergen entwanden.

Da stieß Arturo Diaz Escribano einen schrillen Ruf aus. „Niemals! Opfert do Velho! Was bedeutet er im Gegensatz zu der Festnahme des Tigers, des Seewolfes und dieser anderen Bastarde?“

„Ja, lassen wir ihn draufgehen!“ brüllte nun auch Francisco Lozano, der den Portugiesen ebensowenig leiden konnte wie Escribano.

Sie griffen zu den Waffen.

Uwak, der Atjeh, riß den Kris aus seinem Gürtel und stürzte auf Sotoro zu. Im Nu entbrannte ein Kampf, der das Amtszimmer des Stadtkommandanten in eine tobende Hölle verwandelte. Der Tiger von Malakka stellte sich dem Verräter Uwak. Dan schoß auf Escribano, der gerade den Abzug seiner Schnapphahnschloß-Pistole bediente. Die beiden Malaien in Sotoros Begleitung stoben auf die ramponierten Stammesbrüder zu, und Hasard trat dem Lumpen do Velho mit voller Wucht in den Achtersteven, um auf Lozano schießen zu können. Donnernd brach der Schuß seiner Muskete. Beißender Pulverschmauch wehte durch den Raum.

Sotoro ließ sich unter Uwaks Kris-Stößen fallen, riß den Todfeind zu sich herab und konnte ihm den gewundenen Dolch entringen. Blitzschnell drehte der Tiger die Waffe, führte sie schwungvoll hoch – und traf Uwaks Herz.

Escribano und Lozano fielen im Musketenfeuer, ohne ihrerseits die beiden Männer der „Isabella“ oder die Malaien getroffen zu haben. Lucio do Velho gelang die Rettung auf die andere Raumseite hinüber. Er stieß eine Verbindungstür auf, taumelte auf einen Korridor hinaus, schrie um Hilfe, schlug Alarm und rief die Garde auf den Plan.

Hasard, Dan und Sotor drängten zum Rückzug.

Hasard hätte sich liebend gern noch intensiver mit do Velho befaßt, aber dazu blieb nun keine Gelegenheit mehr. Ehe die Übermacht der Soldaten anrückte, mußten sie die Kommandantur verlassen haben, ihr Heil lag jetzt nur noch in einer schnellen Flucht.

Tiku und Kutabaru stürmten auf dem Flur mit gezückten Parangs auf zwei Soldaten zu, die gerade eine Treppe hinunterstürmten. Ob der Zufall dabei eine Rolle spielte, daß diese Spanier derart schnell auftauchten, oder ob sie schon vor dem Schußwechsel durch irgend etwas auf die Vorgänge im Erdgeschoß aufmerksam geworden waren – es ließ sich nicht klären und hatte in diesem Moment auch keinerlei Bedeutung.

Tiku focht seinen Gegner mit dem wilden Kampfruf der Rebellen nieder, Kutabaru hingegen geriet in Bedrängnis. Zum Glück war aber jetzt Dan O’Flynn heran. Der legte mit seiner zweiten Beutemuskete an und streckte den zweiten Soldaten durch einen wohlgezielten Schuß nieder.

Danach verließ der kleine Trupp unter Hasards Führung durch das vordere Tor die Kommandantur.

Die Neugierigen vor dem Tor hatten sich in Deckung geworfen und trafen keine Anstalten, die Eindringlinge aufzuhalten. Hasard, Dan und die acht Malaien hetzten an ihnen vorbei. Kurz darauf hatten die Nacht und die wabernden Nebelschleier ihre Gestalten verschluckt. Die Garde des Stadtkommandanten, die nur Sekunden später ins Freie stürmte, konnte schon nicht mehr sehen, in welcher Richtung die Gegner auf und davon waren.

Seewölfe Paket 7

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