Читать книгу Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 39
4.
ОглавлениеDie „Isabella VIII.“ hatte die Bucht als erstes Schiff verlassen, jetzt ließ der Seewolf noch weiter anbrassen, luvte so weit wie möglich an und segelte tollkühn direkt auf den feindlichen Verband zu.
Die „Yaira“ folgte der großen Galeone in nach Backbord schräg versetzter Kiellinie und segelte somit am dichtesten unter Land. Sechs Kanonen schwer bestimmbaren Kalibers fuhren auf dem dreimastigen Praho des Tigers von Malakka mit. Sotoro hatte sie von einem chinesischen Freibeuter ergattert, dessen Dschunke er gekapert und anschließend versenkt hatte, als dieser ihm gefährlich geworden war. Al Conroy hatte die Geschütze als 15-Pfünder eingestuft, als die Seewölfe in der Nacht einen kurzen Abstecher an Bord der „Yaira“ unternommen hatten.
Nach und nach stießen nun auch die anderen Prahos der Rebellen von Malakka aus der geschützten Bucht, und danach glitten auch die kleinen, einmastigen Fahrzeuge der Orang Laut auf die offene See hinaus. Kutabaru und seine Krieger hatten keinen Augenblick gezögert, an dem drohenden Gefecht teilzunehmen.
Ben Brighton stand neben seinem Kapitän an der Five-Rail. Er hätte den Seewolf fragen können, wieso sie nicht durch rasches Runden der Insel nach Nordwesten und Norden versuchten, den Spaniern zu entgehen. Sotoro hätte ihnen auch helfen können, irgendwo zwischen den weiter nördlich verstreut liegenden Eilanden unterzutauchen.
Aber das wäre nicht nur ein Schwächebeweis gewesen. Sie hätten den auf sie lauernden Verband auch weiterhin ständig am Hals gehabt.
Nein, Ben konnte sich die Frage wirklich sparen.
Einige Chancen rechnete er sich noch aus, daß sie sich dem Kriegsverband gegenüber erfolgreich als Spanier ausweisen konnten. Mit diesem Trick hatten sie den Gegner schon oft genarrt. Die Anwesenheit der Eingeborenen ließ sich dadurch motivieren, daß die Malaien beispielsweise der „Isabella“, einem harmlosen Handelsfahrer, im Sturm geholfen hatten. Oder daß sie dem Kapitän der Kriegsgaleone „Isabella“ wertvolle Tips zur Ergreifung des gefürchteten Tigers von Malakka geliefert hatten. Es gab viele Möglichkeiten.
Ben lachte rauh. „Das glaubst du doch selbst nicht.“
Hasard wandte den Kopf und musterte ihn erstaunt. „Was denn?“
„Ach, ich rede mit mir selbst. Ich schätze, die Dons dort wissen, wen sie vor sich haben. Entweder kennen sie die ‚Isabella‘, die ja allmählich bekannt wird wie ein bunter Hund – oder die Prahos des Tigers. Oder gleich den ganzen Verband.“
„Ben, ich bin sicher, daß sie uns darüber nicht lange im unklaren lassen“, versetzte der Seewolf.
So war es. Vom Bug des Viermasters, der nach Hasards Schätzungen jetzt nur noch knapp eine Meile entfernt an der Spitze des Fünferverbandes segelte, stieg eine weiße Rauchwolke hoch. Das Buggeschütz sandte eine Kugel herüber, die auf diese Distanz zwar nur in etwa gezielt sein konnte, die aber die Reichweite hatte, dicht vor dem Vorsteven der „Isabella“ in die Fluten zu klatschen und eine rauschende Fontäne hochzujagen.
„Jetzt schlägt’s aber dreizehn!“ brüllte Carberry, dem solche Manieren sofort erheblich auf den Magen schlugen.
„Sir!“ rief Bill aus dem Großmars. „Der Don signalisiert uns aus den Toppen!“
„Was will er? Daß wir uns zu erkennen geben?“ fragte der Seewolf zurück.
„Das kann er haben“, sagte Ben Brighton. „Haltet die Flagge der spanischen Galeonen bereit. Vielleicht fallen die Hurensöhne ja doch auf unsere Parade herein.“
„Sir!“ schrie Bill entsetzt. „Der Don gibt uns zu verstehen, wir sollen Unverzüglich die Flagge streichen!“
„Da schau mal einer an“, sagte Hasard. Sein Lächeln war verwegen. „So packt er es also an. Er will uns gar nicht erst zum Zug kommen lassen. Was antworten wir darauf, Ben?“
„Daß wir ihm was husten.“
Carberry drückte es mal wieder drastisch aus. „Wir scheißen diesen Kakerlaken und Bastarden was. Wir hauen ihnen die Jacke voll, daß ihnen die Ohren wackeln und ihnen der Hintern abfällt, Männer!“ dröhnte sein mächtiges Organ über Deck.
„Dan“, sagte Hasard zu dem jungen O’Flynn, der schräg hinter ihm in Nähe des Besanmastes stand. „Ich frage dich, wie können wir kapitulieren, wenn wir uns überhaupt nicht mit dem überheblichen, krankhaft siegessicheren Don herumgeschlagen haben?“
„Praktisch ist das kaum drin“, erwiderte Dan grinsend. „Jedenfalls nicht, soweit es unsere Gewohnheiten betrifft.“
„Dann hiß mal schnell unsere Flagge.“
Dan befolgte die Aufforderung des Seewolfs, und Sekunden später flatterte der White Ensign, die weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz, munter im Besantopp unter dem Einfluß des frischen Morgenwindes.
„So“, sagte Big Old Shane, dessen Platz vorläufig noch auf dem Achterdeck war. „Jetzt spielen wir mit offenen Karten.“ Den Köcher mit den Pfeilen hatte er sich schon umgehängt, und auch der Bogen hing von seiner breiten Schulter. Im Getümmel würde er zweifellos wieder seine Position im Großmars beziehen und mit Batuti, der in denVormars aufzuentern pflegte, ein Zielschießen auf die Gegner verüben.
Daß es ein Getümmel gab – daran zweifelte keiner der Seewölfe.
Das Flaggschiff des spanischen Verbandes ließ mit der Reaktion auf den White Ensign nicht auf sich warten. Die rasch nachgeladene Kanone im Vordeck und das zweite Buggeschütz krachten, wieder stiegen weiße Qualmgebilde in den Himmel auf, und bedrohlich nah heulten die Kugeln heran. Eine saß sehr, sehr nah vor dem Bug der dahinrauschenden „Isabella“, die zweite schlug an Steuerbord in Höhe der Fockwanten in die See.
Gleich darauf eröffneten auch die anderen vier Galeonen der Spanier das Feuer. Etwas nach achtern versetzt pflügten sie in breiter Formation zusammen mit ihrem Flaggschiff „Candia“ die Fluten. Die Meile Abstand zwischen ihnen und der „Isabella“ schrumpfte schnell auf eine halbe zusammen.
Acht Buggeschütze donnerten – hervorragend koordiniert — fast gleichzeitig los. Die Seewölfe zogen instinktiv die Köpfe ein und standen mit ausgebreiteten Armen und abgespreizten Fingern, um sich notfalls platt auf Deck zu werfen.
Hasard stand mit schmalen Augen hinter der Five-Rail. „Noch warten wir“, sagte er kaum verständlich. „Lassen wir uns nicht nervös machen, Männer. Wenn wir vielleicht auch scheitern, die Probe bestehen wir.“
Die Geschosse der Spanier waren heran und orgelten gegen die „Isabella“ an. Das Gros ging fehl, aber eine Kugel hieb in die Steuerbordrüsten der Fockwanten und richtete zu Ferris Tuckers Wut beträchtlichen Schaden an. Eine zweite knallte knapp unterhalb des Bugspriets in die Galion, so daß ein feiner Ruck durch das ganze Schiff lief.
„Satansbraten!“ tobte der Profos. „Hurensöhne von Dons! Das werdet ihr büßen!“
Von der „Yaira“ gellte ein Schrei herüber. Hasard und seine Männer fuhren herum und spähten zu dem in Backbord laufenden Schiff des Tigers. Zunächst dachten sie, eine der Kugeln habe den großen Praho erreicht und jemand verletzt oder gar getötet, aber dann stellte sich heraus, daß es Sotoro gewesen war, der diesen Schrei ausgestoßen hatte.
Wild schwang er seinen Parang.
„Hitzkopf“, sagte Hasard. „Seiner Meinung nach ist das Maß voll. Er fragt sich, wieso wir uns das gefallen lassen.“
„Leider können wir es ihm nicht erklären“, meinte Ferris Tucker. „Aber er wird auch so begreifen, wie unsere Taktik ist.“
Hasard blickte bereits wieder zum Gegner. Er hob das Spektiv vors Auge und gewahrte, wie die Galeonen sich anschickten, abzufallen, um ihnen auf diese Weise die Steuerbordbreitseiten zu präsentieren – alle fünf.
„Das wird ein eindrucksvolles Manöver“, befand Ben Brighton, der ebenfalls durchs Fernrohr beobachtete. „Übrigens hat der Viermaster meiner Ansicht nach vierundvierzig Geschütze, die Bug- und Heckkanonen mitgerechnet.“
„Ja“, entgegnete Hasard. „Ich versuche, die Männer auf seinem Achterdeck zu erkennen, aber es gelingt mir noch nicht. Dieser fanatische Bursche, der dort das Kommando führt – wer ist das bloß?“
„Weiß der Henker, wie sein Name lautet und welche Hure ihn gezeugt hat“, brummte Shane. „Bitte um Erlaubnis, in den Großmars aufentern und anfangen zu können, Hasard – Sir.“
Hasard grinste. Er sah verwegen aus mit seinem sonnengegerbten Gesicht und der Narbe, die von der Stirn über seine Wange lief, mit dem Verband der rechten Schulter, der unter dem Hemd hervorschaute, aber es war mit einemmal auch etwas beinahe Lausbübisches in seinen Zügen.
„Ab mit dir“, sagte er. „Und Batuti soll ’rauf in den Vormars. Ben, wir fallen ab und gehen platt vor den Wind.“
„Ed, Pete!“ rief Brighton dem Profos und dem Rudergänger zu. „Abfallen und vor den Wind!“
„Aye, aye!“ schallte es zurück, und Pete Ballie legte mit seinen schwieligen Pranken Hartruder, während Carberry „Schrickt weg die verdammten Schoten, ihr elenden Rübenschweine!“ schrie und die Rahen der Galeone herumschwangen.
Schnell vollzog die „Isabella“ das Manöver, geradezu unheimlich schnell und mit überragender Präzision. Obwohl sie später angesetzt hatte als die spanischen Kriegsschiffe, war sie um Sekunden eher auf dem neuen Kurs und beschleunigte ihre Geschwindigkeit vor dem Wind segelnd von zwei auf vier, schließlich auf über fünf Knoten.
Rund zweieinhalb Kabellängen trennten die feindlichen Parteien.
Hasard kannte die Vorzüge seines Schiffes, die zum Teil in einer überaus fortschrittlichen Bauweise begründet lagen – nicht umsonst hatten er und seine Crew sich an Englands besten Schiffsbauer gewandt, als sie den großen Dreimaster käuflich erstanden hatten. Die flache, schlüpfrige Konstruktion des Rumpfes, die niedrigen Kastelle und die überhohen Masten mit der großen Segelfläche verliehen der „Isabella“ den berechtigten Ruf eines der schnellsten und wendigsten Rahschiffe seiner Zeit.
Und noch etwas sollte jetzt zum Tragen kommen: die ungewöhnlich langen Rohre der 17-Pfünder-Culverinen, mit denen die Seewölfe ein Ziel auf fast eine Seemeile genau treffen konnten. Acht Geschütze waren es an Steuerbord der Kuhl, ebenso viele an Backbord.
Hasard fackelte nicht lange, er nutzte den zeitlichen Vorteil aus.
„Klar bei Lunten!“ rief er. „Feuer!“
„Feuer!“ brüllte auch Carberry auf der Kuhl. Sein Organ war die natürliche Verstärkung der Stimme Hasards, die die Männer nicht nur zusammenstauchte, sondern sie in Situationen wie dieser auch anspornte.
Knisternd fraß sich das Luntenfeuer durch die Zündkanäle in den Bodenstücken der Backbordkanonen. Rasend fuhr die Glut in das trockene Zündkraut, wie ein einziger Donnerschlag erfolgten die Explosionen, und heiß stoben die Kugeln aus den acht Rohrmündungen.
Wie gebannt blickten die Geschützführer zum Feind hinüber, während die Culverinen in ihrem vehementen Rückstoß von den Brooktauen aufgehalten wurden.
Drüben bei den Spaniern krachte und splitterte es plötzlich – und die Männer der „Isabella“ pfiffen und johlten vor Begeisterung. Bob Grey warf seine Mütze hoch und fing sie wieder auf, ehe er wie die anderen in die Hände spuckte und daranging, die Geschütze in Ladestellung zu hieven.
Zwei Schiffe der Spanier waren getroffen worden – nicht die „Candia“ allerdings, an deren Bugpartie eine der 17-Pfünder-Kugeln haarscharf vorbeigefegt war. Die inzwischen vor dem Flaggschiff segelnden zwei Dreimast-Galeonen jedoch, denen der neue Kurs die führende Position im Verband verliehen hatte, hatten die restliche Breitseite, sieben Kugeln, in ihre Bordwände erhalten.
Da wirbelten Balken, Trümmer, Menschen, da klafften Lecks über der Wasserlinie. Auf Hasards Geheiß hin war die erste Breitseite der „Isabella“ hoch angesetzt worden. Er wollte mit eisernem Besen auf den Decks des Gegners kehren, Verwirrung und Panik stiften, um den Zusammenhalt des Verbandes zu zerrütten. Der Seewolf hatte immer noch nicht erkunden können, mit wem er es bei dem Flaggschiffkommandanten zu tun hatte. Aber ob er den Mann möglicherweise kannte oder nicht, interessierte ihn auch nur am Rande. Fest stand, daß er, Hasard, genauso unnachgiebig und draufgängerisch kämpfen würde wie der Gegner, der von Anfang an keinerlei Fairneß gezeigt, sondern die Partie mit einem Hieb ins Gesicht eröffnet hatte.
Die „Yaira“ hatte ins Kielwasser der „Isabella“ gedreht, Sotoro ließ nun gleichfalls das Feuer eröffnen.
Die anderen zwei- und einmastigen Prahos der Malaien glitten heran und beteiligten sich an dem Gefecht, als die spanischen Kriegssegler ihre vollen Steuerbordbreitseiten in Richtung auf die dschungelbedeckten Hänge Rempangs zündeten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die „Isabella“ noch mehr an Fahrt gewonnen. Sie überholte den in Kiellinie segelnden Feindverband und schickte sich an, nach Backbord anzuluven.
Das Gefecht wütete erbittert hin und her und trieb rasch ihrem infernalischen Höhepunkt entgegen. Der Ausgang schien nur in einem alles vernichtenden Höllenbrand liegen zu können.
Der Kapitän der vorn segelnden Kriegsgaleone fluchte Mord undVerrat. Selbst durch die Kanonenschüsse der „Isabella“ bereits erheblich angeschlagen, hatte er jetzt nur eine unvollständige Breitseite auf den Gegner abfeuern können, weil die Steuerbordpartie seines Schiffes halb zerfetzt war. Am größten war der Schaden auf der Kuhl. Männer lagen unter Trümmern des Schanzkleides begraben oder wälzten sich in ihrem Blut. Die Unversehrten hatten noch sechs Geschütze zünden können, und von diesen Kugeln hatten nur zwei im Ziel gelegen.
Zwar hatte die „Isabella“ jetzt ein Loch im achteren Bereich ihrer Bordwand, doch konnte es sie weder in ihrer Manövrierfähigkeit noch in ihrer Wehrhaftigkeit beeinträchtigen, denn es lag zu hoch, um zu einem echten Leck zu werden, und zu tief, um die Männer auf Oberdeck zu behindern.
Die andere Kugel hatte ein Stück von der Heckgalerie der großen Galeone abrasiert. Aber das eigentliche Ziel des spanischen Kapitäns, die Ruderanlage der „Isabella“ zu zerstören, war verfehlt worden.
Im über See streichenden Pulverrauch zog die „Isabella“ an der spanischen Galeone vorbei. Im Größerwerden der Distanz zwischen beiden Schiffen drehte sich der Vorsteven der „Isabella“ allmählich nach Süden.
„Madre de Dios!“ schrie der spanische Kapitän. „Dieser Bastard luvt an – er will uns rammen!“
Zwar war das eine totale Fehleinschätzung dessen, was der Seewolf wirklich plante, aber im Endeffekt wurde das erreicht, was Hasard vorhatte.
Der Kapitän der ersten Dreimast-Kriegsgaleone wechselte gleichfalls den Kurs und ließ anluven. So vollzog er gemeinsam mit der „Isabella“ praktisch das gleiche Manöver – aus Angst, es könnte wirklich die Absicht dieses offensichtlich verrückten Korsaren sein, eine Kollison hervorzurufen.
Aber nach einem Entermanöver sah das Ganze wahrhaftig nicht aus.
Hasard hatte hart anbrassen lassen und schaffte es nun, in einem engeren Bogen und flinker als das spanische Schiff zu drehen. Während der erste Gegner in großer Schleife nach Süden ablief, drehte die „Isabella“ in den Wind.
„Wir gehen über Stag!“ schrie Hasard seinen Männern zu.
Wenig später hatten sie die zweite Dreimast-Galeone der Spanier vor dem Bug. Für Sekunden segelten beide Schiffe direkt aufeinander zu. Dann feuerte der Don seine Buggeschütze ab und luvte ebenfalls in der gleichen Kursrichtung wie die erste Galeone an.
„Vordeck!“ kommandierte der Seewolf. „Drehbassen Feuer!“
Smoky und Al Conroy zündeten die in drehbaren Gabellafetten gelagerten Hinterlader und trafen unter dem Jubel der Kameraden das Vorkastell des Spaniers.
Hasard stieß einen grellen Pfiff aus. Er genügte, um auch Big Old Shane und Batuti, den schwarzen Herkules aus Gambia, in Aktion zu versetzen. Kleine Feuerzungen loderten in Groß und Vormars aus, sie verließen das Schiff und huschten zu der spanischen Galeone hinüber. Das Zielschießen mit Pfeilen hatte begonnen, die Takelung des Dons begann zu brennen, aber die pulvergefüllten Pfeile, eine Spezialität, bewahrte sich Shane noch für später auf.
Der Tiger von Malakka war derweil in die Flanke des Gegners gefallen. Seine „Yaira“ und die anderen Prahos waren ungemein beweglich und dem Feind in dieser Beziehung weit überlegen.
Hasard hatte erreicht, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Der Fünferverband war aufgesplittert.
Die „Isabella“ legte sich hoch am Wind auf den Backbordbug. Carberry brüllte, daß die „Isabella“ bis in ihre Maststengen erzitterte, und dann raste die Steuerbordbreitseite, achtmal siebzehn Pfund massiven Eisens, aus dem Schiff.
Ferris Tucker hatte eins der Geschütze bedient, aber er schaute auf und sah zu dem eigentümlichen hölzernen Gestell, das er auf dem Quarterdeck placiert hatte.
Hasard bemerkte es und rief ihm zu: „Noch nicht, Ferris. Deine Höllenflaschenabschußkanone bedienst du erst, wenn ich es dir sage.“
„Aye, Sir!“ rief Ferris zurück. Dann betätigte er sich als Ladenummer, indem er sich unter die Brüstung des Schanzkleides kauerte, um vor dem Feuer des Gegners geschützt zu sein, und mit dem Borstenschwamm zunächst das Rohr der Culverine reinigte. Bill, der Schiffsjunge, stand hinter dem Bodenstück der Kanone und hielt die Zugtalje, die verhinderte, daß der 17-Pfünder auf seiner Lafette vorrollen konnte.
Ferris führte mit Hilfe der Kelle eine Kartusche in das Rohr und preßte dann mit einem Ansetzer, der einen biegsamen Griff hatte, ein Knäuel Kabelgarn aufs Pulver. Darauf kam zuletzt die Kugel, die wiederum mit einem Wergknäuel in ihrer Lage festgehalten wurde.
Unterdessen griff das Feuer auf der zweiten spanischen Galeone um sich. Der Besatzung gelang es nicht, die Flammen zu ersticken.
Hasard wollte an das Flaggschiff des Verbandes heran, doch der Kommandant war mit dem Kurs auf Nordosten nun seinerseits Überstag gegangen und segelte auf den tollkühnen Sotoro und dessen „Yaira“ zu.
Die vierte und die fünfte Galeone rauschten am Heckspiegel der „Candia“ vorbei und steuerten auf die „Isabella“ zu. Das Feuer aus leichten Bordgeschützen und Musketen sowie die Brandpfeile, die die kleineren Prahos verließen, konnten diese beiden Schiffe nicht beeinträchtigen. Sie waren noch unversehrt, und ihre Kapitäne hatten nichts von ihren Energien und ihrem Drang, dem Feind jetzt die Hölle heiß zu machen, eingebüßt.
Die zwei Dreimaster schoben sich zwischen die „Candia“ und die „Isabella“, ehe Hasard ihnen mit einem entsprechenden Manöver zuvorkommen konnte. Plötzlich hatten die Seewölfe alle Hände voll zu tun, den anrückenden Spaniern zu trotzen, denn die Steuerbordbatterie war noch nicht wieder vollständig geladen.
Ferris Tucker eilte auf Hasards Wink hin an die „Höllenflaschenabschußkanone“ und ließ sofort die erste Explosionsflasche mit einer glimmenden Lunte und hochbrisantem Inhalt zu der vierten Galeone hinüberwirbeln. Shane und Batuti richteten ihr Pfeilfeuer auf diesen Gegner. Big Old Shane entschloß sich, die Pulverpfeile einzusetzen.
Hasard selbst opferte einen Brandsatz, den er vom Hof des Großen Chan Wan Li mitgebracht hatte. Fauchend stieg das gleißende Feuerbündel vom Achterdeck der „Isabella“ auf und raste auf die fünfte Galeone los.
Hasard hatte die Distanz richtig kalkuliert. Wie ein Geisterfeuerwerk, eine großartige Lichtermesse zum Mondkuchenfest der Chinesen, tanzte der Zauber über das Oberdeck des feindlichen Dreimasters. Schreie wehten zur „Isabella“ herüber.
Über Hasards Züge huschte ein grimmiger Ausdruck. Magnesitfeuer und chinesischer Schnee ließen sich nur schwer löschen. Die Besatzung der Galeone hatte vollauf damit zu tun, sich selbst vor den Flammen zu schützen und sich von der Kuhl auf die höhergelegenen Decks zu retten.
Ins Gefecht konnte sie momentan nicht mehr eingreifen.
Hasard und seine Crew widmeten sich nun voll und ganz der vierten Galeone, und empfingen sie mit einer halben Steuerbordbreitseite, während unter Carberrys heiserem Gebrüll die restlichen vier Kanonen in Schußposition bugsiert wurden.
Die erste Galeone des Verbandes hatte inzwischen auch über Stag gedreht, während die zweite brennend nach Süden lief. Der Kapitän der ersten Galeone versuchte, dem wie eine Fackel lodernden fünften Schiff zu Hilfe zu eilen.
Sotoro hatte diese Entwicklung von seinem Praho aus beobachtet. Jetzt wechselte er den Kurs, und seine Kampfesgenossen in den anderen kleinen Schiffen nahmen die „Candia“ unter Beschuß. Es bedurfte keiner Absprache, keiner Signale, die Malaien wußten auch so, was sie zu tun hatten.
Do Velho und seine Mannschaft hatten so intensiv mit den Eingeborenen zu tun, daß es dem Tiger von Malakka tatsächlich gelang, in Lee an dem Flaggschiff vorbeizuschnüren.
Sotoro ging an dem von dem chinesischen Brandsatz getroffenen Dreimaster vorbei und hielt auf die erste Galeone zu, bereit zum Entern. Als ein paar wutentbrannte Gegner der fünften Galeone mit Musketen und Arkebusen auf die „Yaira“ zu schießen trachteten, schwirrten die Pfeile von den Bogensehnen der Freibeuter. Ein wahrer Hagel prasselte auf das Deck der Galeone ein, als die Schiffe einander in geringem Abstand passierten. Die Spanier mußten in Deckung gehen.
So gelang dem malaiischen Freibeuter der Durchbruch zu der ersten Galeone. Die Seewölfe schlugen sich unterdessen erbittert mit der vierten Galeone herum.
Hasard gewann in einer Atempause den Ausblick auf die „Candia“. Deutlich sah er die Gestalt des Kommandanten auf dem Achterdeck. Sie erschien ihm bekannt. Er griff zum Spektiv, führte es ans Auge, hatte den Don in voller Lebensgröße in der Optik vor sich – und ein Fluch löste sich von seinen Lippen.
Der Kerl dort war derjenige, der ihn nördlich von Formosa in eine tödliche Falle hatte locken wollen. Täuschend echt hatte er seine „Sao Fernao“ so hergerichtet gehabt, daß alles nach einem Überfall durch Piraten oder Kopfjäger ausgesehen hatte. Nur knapp waren die Seewölfe diesem gemeinen Hinterhalt entronnen.
Solcher Tricks bediente sich jener Hundesohn, dessen Namen Hasard immer noch nicht wußte. Und auch heute früh hatte er ja wieder bewiesen, welche Mittel ihm recht waren, den Seewolf gefangenzusetzen und sich möglicherweise die von Philipp II. höchstpersönlich ausgesetzte Belohnung zu verdienen.
Hasard trieb seine Männer an, die vierte Galeone außer Gefecht zu setzen. Er wollte die „Candia“ endlich erreichen und sich diesen ausgekochten, heimtückischen Portugiesen kaufen.
Pulverpfeile, Höllenflaschen, Culverinen- und Drehbassenkugeln verwandelten das Heck der vierten Galeone in eine rotwabernde, berstende Hölle. Hasard ließ den Feind nicht zum Zug kommen, er trieb die Spanier von ihren Geschützen weg und schickte sich an, diesen Dreimaster zu versenken.
Die erste Galeone war angeschlagen, aber sie brannte nicht, und das war in diesem Kampf voll lodernden Feuers schon ein erheblicher Vorteil. Der Kapitän hatte seiner Mannschaft wieder den nötigen Schneid und die Disziplin eingedrillt, die für ein einwandfreies Manövrieren und das Nachladen und Richten der Kanonen nötig waren.
Bevor sein Schiff jetzt jedoch auf Backbordbug liegend hoch am Wind zu der fünften Galeone gelangte, war die „Yaira“ heran. Geradezu unheimlich schnell versuchte sie sich längsseits der Bordwand des Spaniers zu schieben.
„Feuer!“ schrie der Kapitän der Kriegsgaleone. Die Steuerbordbatterie des Oberdecks dröhnte, raste aber über den flachen Praho weg und knickte nur dessen Fockmast.
Die Batterie des Unterdecks entließ ebenfalls ihre verheerende Ladung, doch der Tiger von Malakka ließ sich nicht abschrecken, er warf sich mit seinen Gefährten flach auf Deck, so daß die Eisenkugeln über sie hinwegröhrten. Daß der Großmast der „Yaira“ zu Bruch ging, berührte den Tiger in diesem Augenblick nicht weiter.
Enterhaken flogen und krallten sich mit ihren Eisendornen in Schanzkleid, Rüsten und Berghölzer der spanischen Galeone. Die „Yaira“ erhielt direkten Kontakt zu dem Feindschiff, als die Malaien an den Tauen der Enterhaken zerrten – und dann enterten die Piraten! Sotoro stürmte allen voran, das Mädchen Yaira und sogar der alte Otonedju waren an seiner Seite.
Die Freibeuter von Malakka kletterten an der Bordwand des Spaniers hoch, krochen durch die Stückpforten, drangen ins Unterdeck und auf die Kuhl ein. Die fluchenden Gegner verteidigten sich zunächst mit ihren Schußwaffen, konnten auch ein paar Eingeborene niederstrecken, aber zu schnell war die Flut der Leiber heran, zu hurtig blitzten Parang und Kris auf und fochten und stachen den Widerstand nieder.
Ehe die Spanier richtig begriffen, daß sie diesen Feind erheblich unterschätzt hatten, hatten die Malaien das Schiff bereits in ihren Besitz gebracht.
Der Kapitän faßte einen verzweifelten Plan. Er focht sich mit seinem Säbel den Weg in die unteren Schiffsräume frei, tötete einen Piraten, der ihm mit gezücktem Krummdolch entgegensprang, und suchte in aller Hast und mit rasendem Herzen die Pulver- und Munitionsdepots der Galeone auf.
Seine Finger flogen, als er Pulverfässer öffnete und umkippte. Er legte eine Spur aus Pulver bis zum offenen Schott und auf den Gang hinaus, dann schlang er vor Nervosität bebend Feuerstein und Feuerstahl gegeneinander und erzeugte den Funken, der nötig war, um die Hölle zu entfesseln.
Zischend sprang der Funke in das Pulver.
Der Kapitän fuhr herum, stürzte fort, einen Niedergang hinauf, dann zum unteren Batteriedeck. Hier schlug ihm kein Widerstand entgegen, denn die Malaien hatten nun allesamt das Oberdeck aufgesucht. Hier unten lagen nur reglose Gestalten neben den Geschützen, die nie wieder ein Mensch bedienen würde.
Der Kapitän bückte sich und zwängte sich an der Mündung eines 17-Pfünders vorbei durch eine der offenen Stückpforten. Er tat das, was ein Mann seines Ranges nur im äußersten Notfall und als letztes Mitglied einer Schiffsbesatzung tun durfte: er verließ den Segler.
Mit einem Hechtsprung tauchte er kopfunter in die Fluten, an Backbord, wo der Fluchtweg nicht durch die „Yaira“ versperrt wurde. Mit kräftigen Zügen brachte er sich von dem der Verdammung preisgegebenen Schiff fort, und jeder Zoll, den er an Abstand gewann, vergrößerte die Garantie, daß er als einziger der Galeone überleben würde.
Die Explosion hob die Kriegsgaleone ein Stück hoch und fetzte sie fast genau in ihrer Mitte auseinander.
In dem Feuerblitz, der himmelan stob, in dem auseinanderfasernden fetten schwarzen Rauch wirbelten Trümmerteile und menschliche Gestalten durch die Luft. Ein einziger Schrei begleitete den Explosionsdonner.
Sotoro, Otonedju, Yaira und die anderen malaiischen Freibeuter waren mit den spanischen Widersachern von dem zerspringenden Schiff katapultiert worden.