Читать книгу Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 41

6.

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Hasard brauchte nur einen kurzen Blick durch das Spektiv zur „Candia“ hinüber zu werfen, um die Situation zu erfassen.

„Allmächtiger“, stieß er aus, als er den schwarzbärtigen Malaien in Ignazios Griff erkannt hatte. „Sie haben den Tiger.“

„Was?“ Ben Brighton wollte seinen Ohren nicht trauen. „Das kann doch nicht dein Ernst sein.“

„Mein voller. Sieh selbst hin.“ Der Seewolf zerdrückte einen Fluch auf den Lippen. „Es ist klar, was der Hund von einem Portugiesen vorhat. Ob er nun weiß, wer Sotoro ist, oder nicht – er nutzt die fünf Gefangenen als Faustpfand aus. Aber er bringt es nicht fertig, die Rebellen von Malakka zur Aufgabe zu zwingen.“

„Das ist Sotoros Ende“, murmelte Old O’Flynn in Hasards Rücken.

„Ungeachtet der Tatsache, daß ihr verehrter Anführer sich in den Händen des Feindes befindet, kämpfen sie weiter“, sagte der Seewolf. „Ja, sie verdoppeln ihre Anstrengungen. Sotoro hat mir erzählt, daß es eine Vereinbarung zwischen ihm und ihnen gibt. Falls er den Spaniern in die Netze geht und die Dons ihn als Geisel zu benutzen versuchen, sollen die Männer der Prahos ihn bedingungslos opfern – ihn und alle anderen Gefangenen.“

„Ein hartes Prinzip“, stellte Ben Brighton fest. „Hasard, wir müssen es schaffen, den Tiger und seine vier Begleiter irgendwie zu befreien. Ich schlage vor, eine kleine Gruppe Männer versucht, hinüberzutauchen und …“

Weiter gelangte er nicht. Bill, der wieder den Ausguckposten im Großmars innehatte, schrie unversehens los: „Deck, wir haben was an Backbord! Das kann nur das Mädchen sein! Otonedjus Tochter!“

Hasard wirbelte herum, raste ein Stück nach achtern und beugte sich weit über das Schanzkleid. Sein Blick verharrte auf der schlanken, geschmeidigen Gestalt zwischen den treibenden Trümmern der explodierten Schiffe. Die langen, nassen Haare schmiegten sich anYairas Kopf, und die Ebenmäßigkeit und Weichheit ihrer Züge ließ fast vergessen, in welch verzweifelter Lage sie sich befand.

Sie wollte die „Isabella“ erreichen.

„Backbrassen!“ schrie der Seewolf. „Haltet den Kahn an, verdammt noch mal, ich hole das Mädchen selber!“

Im Nu hatte er sich die Kleider vom Leib gerissen, bis auf die Hose. Er hechtete außenbords, tauchte tief ein, brachte sich im warmen Seewasser in schräge Aufwärtsposition und stieß zu dem Mädchen hoch, deren Leib er jetzt gegen das funkelnde Sonnenlicht über dem Platz des Gefechts zu erkennen vermochte.

Wenig später hatte er sie bei den Schultern ergriffen und schleppte sie zur „Isabella“ hin ab, wo sie beide in Lee übergenommen werden konnten.

„Mein Vater“, stammelte das Mädchen immer wieder. „MeinVater, mein Vater – und Sotoro, der Tiger – wo sind wir nur?“ Sie bediente sich ihrer Muttersprache, des Spanischen oder gar des Englischen war sie nicht mächtig. Aber ein paar Vokabeln der malaiischen Sprache hatte Hasard bereits erlernt, und er verstand, was sie meinte.

Otonedju war mit dabeigewesen, als die Männer und das Mädchen von Bord der „Yaira“ aus die erste Galeone der Spanier geentert hatten. Hasard, dem dies erst jetzt richtig aufging, lief ein kalter Schauer über den Rücken. Wo der Tiger von Malakka inzwischen angelangt war, wußte er ja, aber gab es für den alten Otonedju noch Hoffnung?

Hasard ließ ein Zeichen zu den Prahos hinüber geben.

Einige Piratensegler ließen daraufhin von der viermastigen „Candia“ ab und steuerten mit dem Wind auf die „Isabella“ zu. Ihre Führer wollten sich mit Hasard verständigen.

Lucio do Velho nutzte die Gelegenheit aus. Im Nachlassen des Feindfeuers lief er mit seinem Flaggschiff nach Südwesten ab. Er mußte fliehen, wenn er die Haut retten wollte.

Die „Candia“ nahm die Überlebenden der übrigen Galeonen auf, die sich mit den Booten hatten retten können – auch die des zweiten Dreimasters, der weit nach Süden abgetrieben war und aufgegeben werden mußte, weil die Flammen inzwischen über den Toppen zusammenschlugen und das Schiff zum Sinken brachten.

Um die Mittagsstunde dieses Tages hatte die „Isabella VIII.“ auf der Jagd nach der „Candia“ mit rauhem Wind die Insel Kundur passiert und achteraus gelassen, die zu dem Kepulauan Riau, dem Riau-Archipel an der südöstlichen Einfahrt zur Straße von Malakka, zählte. Backbord voraus lag nun die Pulau Rangsang, die Insel Rangsang. Sie war ungefähr doppelt so groß wie Rempang. Unwillkürlich mußte Hasard daran denken, welche Schlachten der Tiger von Malakka wohl noch zu kämpfen hatte, bis er auch Rangsang dem Griff der Spanier entreißen konnte. Ein schwieriges Stück Arbeit, denn Rangsang lag unweit von Bengkalis.

Aber: Würde der Tiger jemals wieder kämpfen?

Die „Isabella“ war trotz ihrer Löcher in der Bordwand, des lädierten Schanzkleides, kaputter Rüsten und einer ziemlich ramponierten Heckgalerie nach wie vor vollauf seetüchtig. Ferris Tucker hatte die Lecks über der Wasserlinie mittlerweile notdürftig abgedichtet und auch festgestellt, daß die Galeone keinerlei Lecks unter der Wasserlinie aus dem Gefecht davongetragen hatte und von Wassereinbruch keine Rede sein konnte. Die in den Frachträumen gehäuften Kostbarkeiten aus vielen Raids lagen also nach wie vor im Trockenen.

Hasard hätte in dieser Hinsicht zufrieden sein können, aber er fühlte sich in einem anderen Punkt niedergeschlagen, fast entmutigt.

Die Rebellen von Malakka waren seine Freunde geworden, und sie hatten sich mit ihm gegen den spanischen Kriegsverband behauptet, nachdem der elende Portugiese, der das Flaggschiff führte, ganz offensichtlich die „Isabella“ identifiziert hatte.

Hasard litt mit den Malaien, die Verluste zu beklagen hatten. Und er fühlte sich verantwortlich für das, was geschehen war.

Sotoro in der Gewalt der Spanier, mit ihm vier seiner besten Kämpfer in Gefangenschaft! Otonedjus Leichnam war nach einiger Suche aus den Trümmern an der Schlachtstätte aufgelesen worden, mit kurzem, ergreifendem Zeremoniell hatte sein Stamm ihn beigesetzt.

Yaira, die wie durch ein Wunder nahezu unversehrt die Explosion überstanden hatte, war tränenlos geblieben, als sie ihren toten Vater erblickt hatte. Aber Hasard wußte, was in ihrem Inneren vorging. Vielleicht hatte nie ein Mensch innigere Rache geschworen, vielleicht verblaßte sogar Sotoros Haß gegen die Spanier neben Yairas Empfindungen.

Das weitere Fazit der Schlacht: vierzehn Männer von dem Praho „Yaira“, Otonedju nicht mitgerechnet, hatten ihr Leben gelassen.

Hasard hatte einem Praho-Führer, der wenigstens ein bißchen Spanisch konnte, verdeutlicht, was er vorhatte, dann hatte er mit der „Isabella“ die Nähe der Insel Rempang verlassen.

Dan O’Flynn war zur Verstärkung Bills, des Ausgucks, in den Vormars aufgeentert. Dan hatte immer noch die besten Augen an Bord der großen Galeone, aber herzaubern konnte auch er die „Candia“ nicht.

Der Viermaster war verschwunden.

Zu allem Überfluß zogen jetzt auch noch feine Nebelschwaden über die Wasseroberfläche. Sie drangen nach Hasards Auffassung von den sumpfigen, parasitenverseuchten Niederungen der Inseln aus herüber. Am Nachmittag würden sie sich verdichten.

Der Nebel der Mangrovensümpfe beeinträchtigte die Sicht immer mehr.

Hasard verspürte ein feines Brennen in der Blessur auf der rechten Schulter. Außer den Striemen, die Bulbas ihm beigebracht hatte, hatte er erstaunlicherweise keine Verwundung mehr davongetragen. Er wußte aber, daß er dem Portugiesen gefolgt wäre, selbst wenn er nicht mehr aufrecht hätte dastehen können.

Die „Isabella“ war in ihrem jetzigen Zustand durchaus in der Lage, wieder ein Gefecht einzugehen. Aber dazu mußte sie die „Candia“ erst einmal vor den Rohren haben.

Hasard blickte zu Yaira. Das Mädchen hatte sich vor der Five-Rail niedergelassen, kauerte mit umschlungenen Knien da und starrte gedankenverloren auf die Planken. Durch den spanisch sprechenden Praho-Führer hatte sie Hasard vor dem Verlassen Rempangs zu verstehen gegeben, daß es ihrer Meinung nach dem Tiger kein Glück gebracht hatte, den Dreimaster nach ihr zu taufen.

Ja, sie war überzeugt davon, daß dies ein schlechtes Omen gewesen war. Hasard hätte ihr gern das Gegenteil eingeredet, aber selbst wenn er sich mit ihr hätte verständigen können – es hätte keinen Zweck gehabt.

Hasard lehnte sich rücklings gegen das Backbordschanzkleid des Achterdecks, stützte die Hände auf, sah zu Ben, Ferris, Shane, Smoky und dem alten O’Flynn, die mit nicht sehr viel weniger düsteren Mienen in seiner Nähe verharrten.

„Der Viermaster ist ein solide gebautes und schnelles Schiff, das im Gefecht nicht groß angeknackst worden ist“, sagte der Seewolf. „Dank seines Vorsprungs und der großen Segelfläche, über die er verfügt, hat er uns auf Distanz halten können. Ich sage nicht abhängen – aber es kommt aufs gleiche heraus.“

„Bist du sicher, daß sein Kurs nach Bengkalis führt?“ erkundigte sich Ferris Tucker.

„Bengkalis ist die einzige spanische Niederlassung weit und breit. Ehrgeizig, wie er zu sein scheint, sucht der Portugiese dort Verstärkung. Vielleicht gelingt es ihm ja, einen neuen Verband zusammenzustellen.“

„Verrecken soll der Bastard“, stieß der alte O’Flynn aus. Um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, trat er mit seinem Holzbein auf. „Die Pest wünsche ich ihm an den Hals.“

„Ein frommer Segensspruch“, erwiderte Ben Brighton nüchtern. „Aber damit sind wir auch keinen Schritt weiter. Ich schätze, wir müssen bald die Suche nach dem Flaggschiff abbrechen. Erstens wegen des zunehmenden Nebels, zweitens wegen der Gefahr, dem Feind in Bengkalis geradewegs in den Rachen zu segeln.“

„Sehr richtig“, sagte der Seewolf.

Shane horchte auf und zeigte eine verblüffte Miene. „Heißt das etwa, daß wir den Tiger abschreiben?“

„Wir können doch nicht einfach davonsegeln“, entrüstete sich nun auch Smoky. „Und was tun wir mit seinem Mädchen? Das arme Ding hat seinen Vater verloren, aber wenigstens den Tiger sollten wir ihr zurückgeben. Sie liebt Sotoro doch, oder täusche ich mich?“

„Nun mal langsam“, versetzte der Seewolf. „Traut ihr mir so was zu? Ein feiner Haufen seid ihr. Was schlagt ihr eigentlich vor? Wie verhalten wir uns? Na los, Wortmeldungen.“

Old O’Flynn räusperte sich, zog den Mund schief und verengte die Augen zu Schlitzen. „Freunde, wir sollten uns heimlich nach Bengkalis pirschen. Gut möglich, daß der Nebel unser Verbündeter ist. Klopfen wir den Dons auf die Finger und pauken wir Sotoro und die anderen vier ’raus. Das ist meine Meinung.“

„Dem habe ich nichts hinzuzufügen“, meinte Big Old Shane. „Diesmal stehe ich ganz auf Donegals Seite, wenn du meine ehrliche Überzeugung hören willst, Hasard.“

Der Seewolf zeigte den Anflug eines Lächelns. „Ich lege größten Wert darauf. Ben, Ferris, ihr seid mit den eben gesprochenen Worten einverstanden, das sehe ich euch an. Gut so. Ich hätte es bedauert, wenn euch das Schicksal des Tigers und seiner Kameraden gleichgültig gewesen wäre. Folgendes nun. Der Viermaster ist uns durch die Lappen gegangen, aber auch er kann uns – im Fall, daß er Verstärkung erhält und wieder aus dem Hafen von Bengkalis ausläuft – so schnell nicht aufstöbern. Wir tasten uns bis zum Nordwestufer der Insel Rangsang vor und verholen uns in irgendeinen Schlupfwinkel.“

„Und weiter?“ fragte Ben Brighton erstaunt.

„Dort warten wir auf das Eintreffen der Prahos.“

„Wie sollen die uns finden?“ wollte Ferris wissen.

„Ich habe das Nordwestufer der Insel als Treffpunkt mit dem Mann vereinbart, der Spanisch kann. Wir brauchen die Hilfe der Rebellen von Malakka, wenn wir in Bengkalis einen vernichtenden Schlag landen wollen“, sagte der Seewolf.

Der Kriegsschiffskommandant Arturo Diaz Escribano war zur Stelle, als der große Viermaster aus Manila an einer Pier im Hafen von Bengkalis vertäute. Escribano befand sich in Gesellschaft des Hafenkapitäns und des Stadtkommandanten. Obwohl er noch von den Ereignissen, die er hinter sich hatte, körperlich ausgelaugt und nervlich zerrüttet war, wollte Escribano keinesfalls darauf verzichten, als kompetente Persönlichkeit mit dabeizusein, wenn sich herausstellte, welche Bedeutung das unangemeldete Auftauchen dieser Galeone hatte.

Wenig später, auf dem Achterdeck der „Candia“, sah er dann die fünf Gefangenen Lucio do Velhos vor sich und vernahm gemeinsam mit den anderen Autoritäten den Bericht des Portugiesen.

Escribano fiel aus allen Wolken. Gleichzeitig fühlte er unbändigen Haß in sich aufsteigen. Wieder dieser unheimliche Engländer, dieser Teufel von einem Seewolf! Escribanos Verband war von den Korsaren vernichtet worden, und nach dem schmählichen Verlassen von Otonedjus Insel in den Beibooten der drei versenkten Kriegsgaleonen hatte Escribano dann noch von Glück sprechen können, am darauffolgenden Morgen von einer Handelsgaleone entdeckt worden zu sein, deren Besatzung ihn und die anderen Schiffbrüchigen von dem Los befreit hatte, ganz bis Bengkalis pullen zu müssen.

Aber nun dies!

Bleich vor Wut wies er mit dem ausgestreckten Finger auf die fünf malaiischen Freibeuter. „Auf was warten wir noch? Knüpfen wir diese Hunde an der nächsten Rah auf. Sie haben nichts Besseres verdient.“

Do Velho trat vor seinen Kollegen hin und musterte ihn von oben herab. „Bestimmen Sie das, Senor? Ich will diese Kerle noch verhören, bevor ich sie vors Bordgericht stelle. Da die Hunde aber kein Wort Spanisch oder Portugiesisch verstehen, benötige ich dringend einen Dolmetscher. Gibt es hier irgend jemanden, der des Kauderwelsches mächtig ist, mit dem sich die Bastarde untereinander verständigen?“

Arturo Diaz Escribano preßte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Es widerstrebte ihm erheblich, sich ausgerechnet von einem Portugiesen maßregeln und gängeln zu lassen. Was bildete sich dieser hergelaufene, eingebildete Hidalgo, dieser Parvenü, denn eigentlich ein?

Escribano schwieg.

Der Hafenkapitän und der Stadtkommandant, bislang fast als Statisten in den Hintergrund gedrängt, wurden nun aktiv. Während der Hafenkapitän mit do Velho sprach, ließ der Stadtkommandant nach jenem Atjeh schicken, auf dessen Hinweis hin Escribano vor Tagen mit seiner kleinen Streitmacht ausgelaufen war, um dem Tiger von Malakka den Garaus zu bereiten.

Uwak erschien im Laufschritt, nahm die Gangway von der Pier zur Kuhl der „Candia“ und erklomm das Achterdeck. Er trug die zivile Kleidung spanischer Bürger und hatte im übrigen ganz das Gebaren seiner neuen Herrn angenommen. Er wollte militärisch-zackig grüßen, blieb aber plötzlich drei, vier Schritte von den Gefangenen entfernt wie angewurzelt stehen.

In Spanisch stieß er hervor: „Senores, das – ja, hat denn keiner erkannt, wer das ist? Senor Comandante Escribano, lassen Sie diesen Kerl sofort in Ketten legen!“ Seine Stimme schraubte sich in schrille Höhen hinauf, er begann sehr unkontrolliert zu gestikulieren und deutete auf den schwarzbärtigen Malaien, in dessen Augen wieder ein wildes Feuer loderte.

„Das ist er! Der Tiger von Malakka!“

Escribano, der Sotoro nur aus Beschreibungen von Uwak gekannt hatte, stieß einen ellenlangen Fluch aus.

‚Der Hund kann Spanisch“, brüllte er dann. „Er hat uns hinters Licht geführt und jedes Wort verstanden, das wir gesprochen haben!“

Wutentbrannt wollte er sich auf Sotoro stürzen. Sotoro, der einen Kopfverband trug und dem die Hände auf den Rücken gefesselt worden waren, setzte sich im selben Augenblick in Bewegung. Er stürmte auf den Achterdecksplanken vor, um Uwak, dem Verräter, den Kopf in die Bauchgrube zu rammen.

Escribano und der Tiger prallten zusammen. Escribano erhielt statt des Atjehs den harten Schädel des malaiischen Rebellenführers in den Magen, er stöhnte auf und krümmte sich zusammen. Dann hatte er aber noch genügend Geistesgegenwart, sich auf den zornigen Sotoro zu werfen. Mit zwei Hieben hatte er den Gefesselten niedergeworfen, aber er hörte nicht auf, ihn mit Schlägen und Tritten zu traktieren.

Do Velho stoppte Escribano.

„Senor“, sagte der Portugiese rauh. „Es ist eines spanischen Offiziers der oberen Rangklasse unwürdig, auf einen Wehrlosen einzudreschen. Sie töten ihn, wenn Sie so weitermachen. Der Mann ist bereits bewußtlos.“

„Er täuscht das nur vor!“

„Diesmal irren Sie sich.“

„Do Velho!“ brüllte der Kommandant Escribano. „Halten Sie sich da ’raus! Sie wissen ja nicht, wer dieser schwarze Teufel ist.“

Kalt gab der Protugiese zurück: „Der Tiger von Malakka. Und ich habe ihn gefaßt, nicht Sie, Escribano. Treten Sie zurück. Ignazio, der Feldscher soll anrücken, und zwar sofort!“

Escribano wich mit gesenktem Haupt von dem reglos liegenden Sotoro zurück. Er sah wirklich so aus, als wolle er sich auf Lucio do Velho stürzen.

Uwak hatte ein Messer gezückt, um Sotoro den Rest zu geben, aber der Hafenkapitän bremste ihn, indem er ihn am Arm festhielt.

Sotoros vier Männer trafen Anstalten, sich trotz ihrer Fesseln den Todfeinden entgegenzuwerfen, doch auf do Velhos Wink hin legten zehn Soldaten der „Candia“ mit ihren Musketen auf die Rebellen an.

Kurze Zeit darauf stellte der eingetroffene Feldscher des Viermasters nach einer kurzen Untersuchung Sotoros nüchtern fest: „Dieser Mann muß dringend von einem Arzt behandelt werden, denn seine Kopfwunden sind wieder aufgeplatzt, und ich kann die Blutungen nicht aufhalten. Meine Kunst ist hier am Ende.“

„Das macht nichts!“ rief einer der beiden Decksmänner, die zu der Besatzung der explodierenden Kriegsgaleone gehört hatten. Er hatte den Backbordniedergang bestiegen und blickte zu den Offizieren und den Gefangenen. „Soll der Hund doch verrecken! Wollen wir ihm etwa ein Gnadenbrot gewähren?“

Do Velhos Stimme war schneidend. „Wer hat dich um deine Meinung befragt? Was hast du auf dem Achterdeck zu suchen? Verschwinde, oder ich lasse dich trotz deiner Verwundungen auspeitschen!“

Hastig kehrte der Seemann auf die Kuhl zurück. Lucio do Velho wandte sich an die Autoritäten von Bengkalis. „Senores, ich bin sehr stolz darauf, den berüchtigten Tiger von Malakka gefaßt zu haben. Was nach seiner Aburteilung mit ihm zu geschehen hat, was auch das gerechte Schicksal seiner vier Spießgesellen sein wird, darüber gibt es keinerlei Diskussion. Doch bin ich der Ansicht, daß wir nicht voreilig handeln dürfen.“ Er blickte in die Runde und stellte zu seiner Genugtuung fest, daß man ihm nicht nur auf dem Schiff, sondern auch von der Pier aus gespannt lauschte. Wieder hatte er ein Publikum gefunden, und er legte nun all sein mimisches Können in die bühnenreife Rezitation, mit der er die Schlacht von Rempang schilderte.

Am Ende sagte er: „Wenn dieser Malaie also ein gefürchteter Rebell ist, wie ich eben vernommen habe und wie auch in Manila gelegentlich erzählt wurde, so sollten wir ihn eingehend über seine Pläne aushorchen. Ich halte es für wahrscheinlich, daß seine Landsleute, die heil aus dem Gefecht hervorgegangen sind, mit ihrem Verbündeten, dem Seewolf, einen Schlag gegen die spanische Krone, gegen unsere Niederlassungen in Malakka und Sumatra durchführen. Etwas Großes kündigt sich an. Wir müssen dagegen gewappnet sein. Eben deswegen müssen wir um jeden Preis aus dem Tiger, der sogar spanisch spricht, herausholen, was er weiß. Des weiteren kann er uns Hinweise geben, wie wir den Spanienhasser und Schnapphahn Philip Hasard Killigrew am besten greifen können. Dies alles scheint mir von so fundamentaler Bedeutung zu sein, daß es ein Fehler wäre, den Tiger und seine vier Halunken vorschnell hinzurichten – oder gar Selbstjustiz zu üben.“

Er hob sein Kinn ein wenig an und genoß die stumme Anerkennung, die man seinen Worten zollte. Er hatte flüchten müssen, aber die Tatsache, einen nicht minder gefährlichen Gegner wie den Tiger dingfest gesetzt zu haben, verlieh ihm wieder ungeheuren Auftrieb.

Die Chancen, auch den Seewolf noch zur Strecke zu bringen, wuchsen wieder.

„Wir sind einverstanden“, sagte der Stadtkommandant im Einvernehmen mit dem Hafenkapitän und den anderen Honoratioren, die inzwischen eingetroffen waren. „Die Stadtgarde wird die Gefangenen in den Kerker überführen, falls Sie keine Einwände haben, Comandante do Velho.“

Nicht nur die Ergreifung Sotoros, auch die Sondervollmachten, die er vorgewiesen hatte, hatten Lucio do Velho zu einem derart hohen Ansehen verholfen, daß der Stadtkommandant ihn jetzt sogar um seine Erlaubnis für die Inhaftierung der Piraten ersuchte.

„Ignazio!“ rief do Velho. „Laß die fünf Hundesöhne in Ketten legen, danach überantwortest du sie der Stadtgarde, verstanden?“

„Si, Senor.“

Auf der Pier entstand Bewegung, weil drei betreßte Männer sich mit hochmütigem Gebaren Durchlaß verschafften. Der Comandante Francisco Lozano und die beiden Kapitäne Rafael de Cubas und Raoul Souto Alonso erschienen verspätet, weil sie offiziell nicht über das Auftauchen der „Candia“ unterrichtet worden waren. Erst durch einen Zivilisten hatten sie erfahren, daß sich im Hafen etwas Bedeutungsvolles abzuspielen schien.

Entsprechend konsterniert drängte Lozano das gemeine Volk auf der Pier beiseite, musterte das große, schwere Schiff, dem man die Spuren des Gefechts deutlich genug ansah, und betrat die Laufplanke.

Beim Erreichen des Achterdecks der „Candia“ entnahm er dem Gespräch zwischen Stadtkommandant und Hafenkapitän, wen der portugiesische Kommandant da aus der See gezogen hatte und wie man mit Sotoro nun verfahren würde.

Francisco Lozano trat auf do Velho und Escribano zu.

„Interessant“, sagte er. „Wenn mir als Kommandant der Kriegskaravellen ‚San Rafael‘ und ‚Estremadura‘ eine Bemerkung gestattet ist – für uns ist das Verhör des Tigers von Malakka ebenfalls von größter Bedeutung. Wenn ich richtig unterrichtet bin, stammt dieser blutrünstige Pirat von der Landenge von Kra.“

„Das ist richtig“, entgegnete Uwak, der Atjeh, als er von dem heranrükkenden Stadtkommandanten dazu aufgefordert wurde.

„Kein Mann dürfte besser über Kra Bescheid wissen als der Tiger“, sagte Lozano mit einem verächtlichen Blick auf den bewußtlosen Sotoro. Zwei Männer, von Ignazio herbeikommandiert, legten dem Tiger vorsichtshalber Ketten an, ehe sie ihn abtransportierten.

„Er könnte uns Aufschluß darüber geben, ob es noch mehr Diamantenminen auf dem Isthmus gibt“, fuhr Lozano gedämpft fort. „Die Eingeborenen hüten ihr Geheimnis mehr als ihre Gesundheit, aber es gibt Mittel, mit denen man jeden Kerl zum Sprechen bringt. So haben wir auch die Minen entdeckt, die uns jetzt eine ansehnliche Edelstein-Produktion auch aus diesem Teil der Welt sichern.“

Nachdem er von dem Mißgeschick der Galeone „Santa Trinidad“ berichtet hatte, entgegnete Lucio do Velho: „Warum haben Sie heute früh nicht versucht, die Galeone zu heben oder wenigstens nach den Schatztruhen in ihren Frachträumen zu tauchen?“

„Haben Sie den Nebel über der Bengkalis-Bucht nicht bemerkt, Senor?“

„Selbstverständlich. Aber der dürfte Sie und Ihre Helfer nicht am Tauchen hindern.“

„Senor“, versetzte Lozano mühselig beherrscht. „Es ist uns nicht gelungen, uns nah genug an die Korallenriffe heranzutasten, ohne Gefahr zu laufen, mit unseren Schiffen und Booten das gleiche Schicksal zu haben wie die ‚Santa Trinidad‘.“

„Ich verstehe. Sie warten also auf besseres Wetter?“

„Ja.“

Do Velho musterte den Capitan. „Sie hätten mit ihren Galeonen besser navigieren sollen. Wenn es nicht gelingt, den Diamant-Schatz zu bergen, wird man Sie zur Rechenschaft ziehen.“

„Das ist mir bekannt“, sagte de Cubas gepreßt. „Aber ich hätte gern erfahren, was Sie an meiner Stelle getan hätten, um das Unglück zu verhindern, Senor.“

„In einer ähnlichen Situation würde ich es Ihnen beweisen. Das ist doch wohl nur eine Frage des seemännischen Geschicks.“

Lozano sagte: „Was, zum Teufel, gehen Sie eigentlich unsere Angelegenheiten an, Comandante do Velho? Sind Sie etwa ein Sonderbeauftragter der Casa de Contratación?“

„Nein, meine Aufgabe ist es, den Seewolf zu fassen.“

„Dann unterlassen Sie gefälligst Ihre unpassenden Bemerkungen“, sagte Francisco Lozano, dessen Gemüt nunmehr auf das Äußerste gereizt war. Jeden Augenblick drohte er in Jähzorn auszubrechen.

Do Velho betrachtete ihn so abfällig wie einen Eindringling, der auf der „Candia“ nichts zu suchen hatte. Dann besann er sich aber eines anderen. „Comandante Lozano“, erwiderte er ruhig und beherrscht. „Verzeihen Sie mir meine Offenheit. Unter hohen Offizieren werden wir uns schon verstehen, was meinen Sie? Lassen Sie mich nun eines vorschlagen. Ich rechne damit, daß sich der Seewolf auf meiner Spur befindet. Es wäre ratsam, mit einem neuen Verband auszulaufen und ihm eine Falle zu stellen. Auch im Nebel muß das möglich sein. Die einzigen Kriegsschiffe, die ich hier im Hafen gesehen habe, scheinen tatsächlich Ihre Karavellen zu sein …“

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Daß Sie nach der ‚Santa Trinidad‘ heute doch nicht mehr forschen können, weil der Nebel sich nicht mehr lichtet. Stellen Sie daher Ihre Karavellen unter mein Kommando, bis wir den Seewolf, diesen Hund, aufgespürt haben.“

Lozano lief im Gesicht dunkelrot an, und de Cubas und Raoul Souto Alonso, die ihn besser kannten als alle anderen Anwesenden, traten vorsichtshalber zwei Schritte zurück.

„Nein!“ brüllte Francisco Lozano. „Niemals tue ich das, und wenn es mich den Kopf kostet! Gehen Sie zum Teufel, do Velho, Sie und Ihr elender Lobo del Mar! Ich unternehme heute nachmittag einen neuen Versuch am Riff, und wissen Sie, was Sie mich können?“

Lucio do Velho antwortete nicht darauf, er wandte sich ab und sorgte dafür, daß der Abtransport der Gefangenen nunmehr zügig verlief. Arturo Diaz Escribano empfand im stillen eine große Befriedigung über die Art, wie Lozano den eitlen, eingebildeten Portugiesen abgekanzelt hatte. Spontan bot er Lozano seine Hilfe an.

Der Nebel legte sich jedoch in noch dichteren Schwaden über die Bengkalis-Bucht, griff auch nach der Siedlung und dem Hafen und ließ am Nachmittag jeden Versuch, den Schatz der „Santa Trinidad“ zu heben, scheitern. Ja, eins der Boote, das sich durch die milchigen Schleier dem Korallenriff näherte, lief sogar auf und mußte geborgen werden, wobei fast ein zweites Unglück passierte.

Entmutigt kehrten Lozano, Escribano und die anderen Spanier in den Hafen zurück. Trotz do Velhos neuerlichen Drängens gab Lozano aber nicht nach. Er lehnte es ab, die Karavellen dem Kommando des Portugiesen zu unterstellen. Do Velho drohte Konsequenzen an, aber Lozano verwies auf den Nebel, der jedes Seeunternehmen verbot.

Sotoro kam unterdessen auch im Kerker nicht wieder zu sich.

Ein Arzt bemühte sich, den Malaien wieder auf die Beine zu bringen, aber auch, als er den Blutfluß zum Stillstand gebracht hatte, fruchteten seine weiteren Bestrebungen nichts.

Der Stadtkommandant und der Hafenkapitän ließen in do Velhos Beisein und in Gegenwart aller anderen Offiziere die vier Kameraden des Tigers vernehmen. Das einzige, was Uwak, der Atjeh, aus ihrem Munde vernahm, war, daß sich Seewölfe wie malaiische Rebellen in der Vornacht in die Bucht von Rempang verholt hätten, um vor dem Sturm sicher zu sein. Hier waren sie von dem Tiger Bulbas bedroht worden, der jedem Menschen Angst einjagte und durch keine List zu erlegen war. Daher hätten sie statt an Land auf den Schiffen nächtigen müssen.

Bei allen rauhen Methoden, die die Spanier anwendeten – mehr holten sie aus den Malaien, eingeschworenen Blutsbrüdern einer alles überlagernden Idee, nicht heraus.

Seewölfe Paket 7

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