Читать книгу Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 28
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ОглавлениеEin gebranntes Kind scheut das Feuer. Aber Hasard war in dieser Beziehung unverbesserlich – und das mußte er auch sein, denn sonst hätte er sein Dasein als Korsar der englischen Königin aufgeben müssen. Was bedeutete es schon, daß ein vorwitziger Portugiese ihnen auf einer Insel nördlich von Formosa eine Falle gestellt hatte, aus der sie fast nicht mehr entkommen wären? Der Einfallsreichtum des Gegners wuchs, aber kein Seewolf entzog sich der Gefahr, die er ansatzweise vor sich wittern mochte.
Die „Isabella“ lief auf Rufweite an die „Santissima Madre“ heran. Hasard ließ in den Wind drehen, dann trat er an das Backbordschanzkleid des Achterdecks und gab sich zu erkennen.
„Capitán Vicente Buendia mit der ‚Alaria‘!“ rief er zum Achterdeck des Flaggschiffs hinüber. „Was ist hier los? Brauchen Sie unsere Hilfe?“
„Hier spricht der Comandante Arturo Diaz Escribano“, tönte es in genauso geschliffenem Spanisch zurück. „Ich bin der Befehlshaber dieses Kriegsverbandes und empfehle Ihnen dringend, sich wieder zurückzuziehen, Senor.“
„Warum?“ Hasard kletterte auf das Schanzkleid und hielt sich an den Besanwanten fest. „Sprechen hier gleich die Kanonen? Fliegen die Fetzen? Ist das wirklich möglich?“
„Sie sind entschieden zu naseweis, Senor!“
Hasard konnte sich ein grimmiges Lachen gerade noch verkneifen, als der Kommandant das sagte. Aus schmalen Augen spähte er zu dem schweren Kriegssegler hinüber und erkannte den betreßten Anführer auf dem Achterdeck. Schwarzbärtig und in stolz erhabener Pose, so präsentierte sich der Kommandant.
„Verzeihen Sie mir meine Neugierde!“ rief der Seewolf. „Aber es ist schon einige Zeit her, daß wir mit Landsleuten zusammentrafen.“
„Woher kommen Sie?“
„Aus der Indischen See.“ Hasard wußte, daß er sich jetzt aufs Glatteis begab. Jeden Augenblick konnte er ausrutschen, weil der Kommandant über den Verkehr spanischer Schiffe in der Straße von Malakka wahrscheinlich gut unterrichtet war. Also mußte Hasard etwas tun, um das Gespräch von Bord zu Bord in andere Bahnen zu lenken. „Fast wären wir unterwegs überfallen worden, aber das steht auf einem anderen Blatt!“
„Was, von Piraten etwa?“
„Richtig. Wir konnten ihnen davonsegeln. Aber was wird hier gespielt, Comandante?“
„Wir sind hinter einem üblen Freibeuter von Malakka her, einem Kerl, der ‚Tiger von Malakka‘ genannt wird. Er soll sich mit seiner Meute auf dieser Insel oder in der Umgebung versteckt halten, nachdem er vor kurzem einen unserer Verbände vor Sumatra überfallen hat“, antwortete der spanische Kommandant.
„Hier, in diesem Dorf soll er sein?“
„Ja. Aber wir haben ihn vergeblich gesucht.“
„Er ist entwischt?“
„Die Eingeborenen wollten nicht preisgeben, ob der Hund wirklich hier gelandet sei“, entgegnete Arturo Diaz Escribano. „Deshalb wissen wir nicht, wo wir nach dem Tiger forschen sollen. Die Malaien, diese verfluchten Bastarde, stecken alle unter einer Decke und halten zusammen wie Pech und Schwefel.“
Hasard solidarisierte sich innerlich mit den Fischern des Dorfes. Was sollte sie denn dazu bewegen, sich ihrer Gesinnung nach auf die Seite der Spanier zu schlagen? Überall, wo die neuen Herren der Welt landeten, verstanden sie sich nur auf eines: zu morden, zu plündern und zu brandschatzen. Überdies trachteten sie fanatisch und unerschütterlich danach, alle „nackten Wilden“ zu bekehren.
„Haben Sie die Wilden getötet?“ erkundigte sich Hasard. Wieder spürte er dieses eiskalte, widerwärtige Rieseln auf dem Rücken.
„Nein, sie sind uns entwischt!“ schrie der Kommandant. „Wie die Aale sind sie meinen Leuten unter den Fingern weggeglitten, bevor diese sie richtig aushorchen konnten. Aber das werden die elenden Hunde bereuen. Das Dorf haben wir angesteckt – jetzt kämmen wir die ganze Insel ab und schaffen reinen Tisch!“
Escribano hatte sich immer mehr in Erregung gesteigert, das Ganze zehrte offensichtlich erheblich an seinen Nerven.
Hasards Züge hatten sich verhärtet. Aus Wut über den Mißerfolg wollten sich die Spanier an den unschuldigen Inselbewohnern rächen. Das sah ihnen ähnlich! Natürlich war Hasard bewußt, daß nicht alle Spanier Schurken waren, aber die Kategorie, die er hier vor sich hatte, zählte zu den übelsten, grausamsten.
„Welches ist Ihr Heimathafen, Capitán Buendia?“ wollte der Kommandant jetzt von ihm wissen. „Welches ist Ihr Ziel, und welche Ladung befördern Sie?“
„Viele Fragen auf einmal“, murmelte der Seewolf. „Aber ich werde sie dir gebührend beantworten, Don Felipe.“ Laut erwiderte er: „Das kann ich Ihnen nur in einem Gespräch unter vier Augen mitteilen, Comandante. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Ich werde jetzt übersetzen, Ihnen eine Visite abstatten und Ihnen alles persönlich erklären, was Sie zu erfahren wünschen.“
Ben Brighton schaute seinen Kapitän ziemlich verdattert an. Nicht wegen der gedrechselten Redeweise, die dieser an den Tag legte, sondern wegen des Vorhabens.
Ben kam aber nicht dazu, seine Einwände zum Ausdruck zu bringen.
„Soll das heißen, daß Sie in geheimer Mission unterwegs sind?“ schrie Escribano vom Achterdeck seiner „Santissima Madre“.
„Si, Senor“, antwortete Hasard.
„Ich erwarte Sie, Buendia!“
Hasard sprang vom Schanzkleid aufs Deck und wandte sich sofort seinen Männern zu. „Ben, du übernimmst das Kommando über die ‚Isabella‘. Wenn es richtig losgeht, knöpfst du dir die beiden anderen Galeonen vor, verstanden?“
„Aye, Sir.“
„Shane, Blacky, Dan und Sam Roskill begleiten mich als Rudergasten im Boot.“
„In Ordnung“, sagte Big Old Shane. „Ed, du kannst das Boot abfieren lassen.“
„Hol’s der Henker“, ertönte Carberrys Stimme auf der Kuhl. „Das nenne ich den Teufel am Schwanz ziehen.“
„Sei doch still“, zischte Dan O’Flynn. „Willst du, daß die Dons dich hören? Wenn du schon herumbrüllst, dann wenigstens auf spanisch.“
„Eines Tages“, sagte der Profos so freundlich wie ein hungriger Hai, „eines Tages ramme ich dich wegen deiner vorlauten Klappe ungespitzt in die Kuhl, du verlauster Floh.“
Hasard hatte auf der Heckducht des Bootes Platz genommen und bediente die Ruderpinne. Über Shanes, Blackys, Dans und Sams Köpfe weg hatte er einen phantastischen Ausblick auf die Galeone „Santissima Madre“, ein Meisterwerk spanischer Schiffsbaukunst. Im Dahingleiten der Jolle stufte er das Flaggschiff als der 300-Tonnen-Klasse zugehörig ein. Das Schnitzwerk und die goldenen Verzierungen der Achterpartie konnte er nur bewundern, aber man mußte den Spaniern vorwerfen, daß sie es immer noch nicht gelernt hatten, ihren Seglern eine schlankere, flachere Form zu geben.
Dadurch wären die Schiffe schneller und beweglicher geworden. Aber der Trichter, mit denen man es den Dons ins Hirn hätte eingeben können, mußte erst noch erfunden worden. Sie betrachteten ihre Galeonen in erster Linie als Transportmittel für Gold, Silber, Diamanten, Soldaten und Passagiere. Es wurde viel dafür getan, die Schiffe so voll wie möglich zu stopfen, nichts aber für den Fortschritt in der Konstruktion.
„Eines Tages werden diese dicken Kästen mit dazu beitragen, daß Spanien als Weltmacht untergeht“, sagte Hasard. „Wenn sie es nicht fertigbringen, bessere Schiffe zu basteln und mit der Zeit zu gehen, übertrumpfen wir sie.“
„Ja“, sagte Shane mit einem breiten Grinsen. „Aber es fragt sich, ob wir dann noch am Leben sind oder im vernichtenden Kreuzfeuer den Hintern zugekniffen haben.“
„Mußt du das ausgerechnet jetzt anbringen?“ sagte Dan gedämpft. „Mann, du verunsicherst mich.“
„Das mußt gerade du sagen“, erwiderte Shane, ohne mit dem Grinsen aufzuhören. „Was ist, Hasard, jubeln wir diesem elenden Zuber gleich zur Begrüßung ein paar Höllenflaschen unter? Stecken wir sie ihm in die Kanonenmündungen?“
Hasard verfolgte, wie an Steuerbord der „Santissima Madre“ eine Jakobsleiter ausgebracht wurde. Sicherlich wartete Arturo Diaz Escribano bereits voller Ungeduld darauf, von „Vicente Buendias“ geheimer Mission zu erfahren.
Wundern sollte der sich!
„Nichts in der Richtung“, sagte Hasard zu dem graubärtigen Riesen. „Damit würden wir den Zweck der Übung verfehlen. Unser Ziel ist es, erst mal an Bord des Flaggschiffs zu gelangen. Paßt auf, wie ihr euch ausdrückt. Shane, halte dich mit dem Sprechen zurück, bei dir hört man den englischen Akzent noch am meisten heraus. Wenn sie zu früh spitzkriegen, daß wir nicht ihre Landsleute sind, sieht die Sache übel für uns aus.“
Die Jolle war der Bordwand des Spaniers nahe. Wuchtig wuchs das Schiff vor ihnen hoch. Hasard lenkte das Boot längsseits des wehrhaften Giganten, sie dümpelten auf die Jakobsleiter zu und verhielten, während Fender aus Tau und Kork den Anprall dämpften.
Hasard kletterte als erster die Sprossen der Jakobsleiter hoch. Er sprang lächelnd auf die Kuhl der Galeone, schaute sich um und begegnete der Mannschaft mit den üblichen Begrüßungsfloskeln – umständlichen Redewendungen, wie sie in Spanien verwendet wurden.
Der Großteil der Besatzung, vor allen Dingen die Soldaten, befand sich an Land, wie er schnell feststellte. Unter Deck vermutete er keinen der Männer. Es sei denn, das Ganze war tatsächlich eine Falle.
Aber diese Wahrscheinlichkeit rückte immer mehr in den Hintergrund.
Hasard schritt auf den Steuerbordniedergang zu, der zur Hütte hinaufführte. Er benutzte ihn so selbstverständlich, als würde er tagtäglich nichts anderes tun, als fremden Kriegsschiffskommandanten geheime Nachrichten mitzuteilen.
Niemand schien Unrat zu wittern. Noch nicht.
Arturo Diaz Escribano war ein Mann mit ausdrucksstarken, markanten Zügen. Die Hände hatte er auf dem Rücken ineinandergelegt. Seine Augen richteten sich forschend auf den Seewolf.
Drei Männer befanden sich in Escribanos Nähe – ein erster und ein zweiter Offizier sowie ein Bootsmann. Der Rudergänger stand unterhalb des Achterdecks auf dem Quarterdeck, das sich zwischen der achteren Erhöhung des Kastells und der Kuhl befand.
Hasard ließ den Kommandanten nicht aus den Augen, aber gleichzeitig gewahrte er auch den Ausdruck auf den Gesichtern der drei anderen Spanier.
Besonders der Bootsmann hatte eine Miene aufgesetzt, die Alarmzeichen in Hasard wachrief. Er beeilte sich, die Distanz zwischen sich und den vier Männern zu überbrücken. Keine Minute mehr konnte er die Maskerade aufrechterhalten, die Spanier waren keine Narren.
Er blieb dicht vor Escribano stehen und streckte ihm die Rechte hin.
„Es freut mich, einen tapferen Comandante der Armada kennenzulernen, über den ich bereits einiges vernommen habe“, sagte er.
Escribano drückte die ihm dargebotene Hand. „Willkommen auf der ‚Santissima Madre‘, Capitán Buendia. Nun, lassen Sie uns gleich auf den Kern der Sache zu sprechen kommen, denn ich habe keine Zeit zu verlieren. Verzeihen Sie die Hast, aber Sie wissen ja, was ich auf der Insel zu erledigen habe. Also bitte, reden Sie nur ganz offen.“
Hasard wandte etwas den Kopf und musterte den zweiten Offizier und den Bootsmann, die links vom Kommandanten standen. Der Bootsmann schaute immer skeptischer und verdrossener drein.
Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf nun auch Dan O’Flynn und Big Old Shane. Sie hatten das Achterdeck ebenfalls erreicht und verharrten im vorderen Bereich der Steuerbordseite.
Sam und Blacky standen weisungsgemäß unten auf der Kuhl. Leutselig grinsten sie die spanischen Decksleute und Soldaten an.
„Euer Schiff liegt ziemlich tief“, sagte einer der Soldaten. „Was habt ihr denn geladen?“
„Streng geheim“, erwiderte Blacky in tadellosem Spanisch. „Laß dir aber soviel gesagt sein: Es handelt sich um Schnaps und anderes hochbrisantes Zeug.“
Der Soldat lachte. „Dann müßt ihr eigentlich einen ausgeben.“
Sam Roskill antwortete freundlich: „Ihr kriegt schon noch genug ab, verlaßt euch drauf.“
„Comandante“, sagte Hasard in diesem Moment auf dem Achterdeck. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber was ich Ihnen auseinanderzusetzen habe, ist wirklich eine Sache, die sich nur unter vier Augen besprechen läßt.“
„Diese drei Männer genießen mein volles Vertrauen“, entgegnete Escribano etwas weniger freundlich.
Hasards Mundwinkel sanken auch ein wenig tiefer. „Das Oberkommando der Armada hat mir mehrfach eingeschärft, wie ich mich zu verhalten habe – ehe ich Cadiz Ende des vergangenen Jahres verlassen habe.“
„Was, Sie kommen aus Cadiz?“ versetzte der Flaggschiffkommandant verblüfft. „Hätten Sie das nicht gleich sagen können?“
Hasard wechselte das Standbein. „Comandante Escribano, ich ersuche Sie noch einmal …“
„Aus Cadiz“, unterbrach ihn der Bootsmann. „Ihre Galeone ist also ein Kriegsschiff, wenn ich recht verstehe?“
„Ein getarntes Kriegsschiff.“
„Mit auffallend hohen Masten.“
„Das ist die neueste Bauart“, erwiderte der Seewolf. „Wie lange haben Sie das Mutterland nicht mehr gesehen, Bootsmann?“
Der Bootsmann ging nicht darauf ein, sein Blick glitt ungeniert an Hasards Gestalt auf und ab. „Lederwams, weißes Hemd, Stulpenstiefel und eine ganz gewöhnliche, billige blaue Hose – ist das jetzt die neue Kapitänsuniform bei der Armada?“ fragte er.
„Das ist auch Tarnung“, sagte Hasard ruhig.
„Bei Ihnen scheint überhaupt alles Maske zu sein!“
„Bootsmann“, sagte der Kommandant scharf.
„Comandante!“ rief der Bootsmann. „Dieser Mann ist ein Betrüger! Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe das untrügliche Gefühl, weil so ein Schiff nie und nimmer auf einer spanischen Werft gebaut worden sein kann!“
Hasard durchlief es siedendheiß. Er suchte nach einer Möglichkeit, sich durch einen Sprung hinter den Rücken des Kommandanten zu bringen. Aber im Augenblick standen die Chancen dafür schlecht – der erste und zweite Offizier und der Bootsmann rückten etwas näher. Sie konnten ihm mühelos den Weg verstellen.
Aber da sagte Arturo Diaz Escribano: „Bootsmann, wie können Sie sich erdreisten, an dem Fortschritt spanischer Schiffsbaukunst zu zweifeln! Das ist ja geradezu ketzerisch! Außerdem werden Sie sich dafür verantworten müssen, daß Sie Capitán Buendia beleidigt haben.“
Der Bootsmann wollte etwas entgegnen, aber in diesem Augenblick ertönte aus dem Hauptmars der „Santissima Madre“ die Stimme des Ausgucks. „Boot an Steuerbord! Teniente Savero de Almenaras Melder möchte aufentern!“
Das Boot – Hasard hatte es gesehen, aber damit gerechnet, daß es eine der beiden anderen Galeonen ansteuern würde. Jetzt kam ihm dieser Irrtum unverhofft zu Hilfe. Die Köpfe des Kommandanten und seiner Achterdecksleute ruckten herum, nur für einen Sekundenbruchteil, aber das genügte dem Seewolf.
Ein großer Schritt nur, und er stand schräg hinter dem Kommandanten. Wie durch Zauberei lag die doppelläufige sächsische Reiterpistole in Hasards Rechter. Er preßte die Mündungen Escribano in die Seite. „Schluß mit den Spiegelfechtereien, Comandante“, sagte er. „Ich weise Sie darauf hin, daß ich Sie bei der kleinsten Dummheit wie einen tollen Hund niederstrecke. Außerdem informiere ich Sie, daß diese Pistole zwei Läufe hat und ich also noch einen Ihrer Vertrauten mit auf die Höllenreise schicken kann – falls Sie so närrisch sein sollten, sich zu wehren“
Arturo Diaz Escribano stand wie gelähmt da.
„Also doch“, murmelte er entsetzt. Seine geweiteten Augen richteten sich auf Shane und Dan, die nun ebenfalls sehr flink ihre Pistolen aus den Gurten gerissen hatten und auf die Offiziere zielten.
Hasard hatte sich so placiert, daß er seinen Kameraden beim Feuern nicht im Weg stand und nicht selbst gefährdet wurde.
Der Bootsmann traf Anstalten, seine Waffe zu ziehen.
„Davon rate ich ab“, sagte Hasard scharf. „Noch eine Bewegung, und es ist um dich geschehen, Amigo. Gleichzeitig erledigen wir deinen närrischen, gutgläubigen Comandante.“
„Bootsmann“, stieß Escribano erstickt aus. „Keinen Widerstand leisten. Das ist ein Befehl.“
Der Bootsmann stand daraufhin wie eine steife Marionette da, aber er konnte sich nicht verkneifen zu sagen: „Capitán Vicente Buendia von der ‚Alaria‘, wie? Ich hatte Sie gewarnt, Comandante. Niemals konnte das ein spanisches Schiff sein.“
„In diesem Punkt sind wir uns einig“, erwiderte Hasard kalt. „Natürlich kann Spanien so schlanke und wendige Schiffe auch in zehn, zwanzig Jahren noch nicht konstruieren.“
„Lüge“, keuchte der Kommandant. „Spanien wird dich mit riesigen Galeonen hetzen, mit Tausendtonnern …“
„Ja, das ist eben euer Fehler.“ Hasard lächelte verwegen. „Ihr baut immer größere und plumpere Kästen, die man immer besser knacken kann.“
„Wer bist du?“
„Philip Hasard Killigrew, mein Freund. Man nennt mich auch El Lobo del Mar, den Seewolf.“
Wie vom Donner gerührt starrten die Spanier ihren Bezwinger an. Unterdessen hatte auf der Kuhl immer noch niemand begriffen, was auf dem Achterdeck geschah, und sowohl Sam und Blacky als auch Shane und Dan paßten wie die Luchse auf, daß kein Ungebetener das Achterdeck betrat.
„Das Boot“, sagte Dan nur. „Es hat uns fast erreicht, Hasard.“
Hasard deutete eine Verbeugung zu Arturo Diaz Escribano hin an. „Gehen wir nun nach vorn, an die Five-Rail. Ihr versteht doch, was ich meine, ehrenwerter Comandante? Die Five-Rail ist die Schmuckbalustrade über dem Quarterdeck, jedenfalls bei uns Engländern.“
„Elender Verbrecher“, stieß der Kommandant mit verzerrter Miene aus. „Ich werde dich vernichten.“
„So wie den ‚Tiger von Malakka‘?“
„Du wirst noch bereuen, was du getan hast.“
„Leere Sprüche“, sagte der Seewolf wegwerfend. „Damit kommen wir nicht weiter. Halte eine Ansprache, Don Felipe von der traurigen Gestalt. Sag deinen Leuten auf der Kuhl, sie sollen sich ruhig verhalten, ganz ruhig.“
Escribano gehorchte. Er trat an die Schmuckbalustrade. Hasard ging mit. Im blassen Licht des Spätnachmittags sahen sie auf die Männer hinunter, die gespannt zu ihnen aufschauten.
Escribano begann zu reden, und im selben Augenblick brachten Blacky und Sam Roskill ihre Waffen in Anschlag auf die spanische Mannschaft. Sam legte den Kopf in den Nacken, zielte nach oben, auf den Großmars, und rief dem Ausguck zu: „Los, abentern!“
„Comandante!“ brüllte der entsetzte Mann.
„Das ist ein Befehl“, sagte Arturo Diaz Escribano zum zweitenmal binnen kurzer Zeit. Der Ausguck verließ seinen luftigen Posten und enterte in den Wanten ab.
Escribano überlegte unterdessen, ob er sich auflehnen sollte. Aber es gab keine Vorschrift, nach der ein Mitglied der spanischen Armada zwingend zum Selbstmord verpflichtet war.
Der Ausguck hatte die Kuhl noch nicht ganz erreicht, da tönten von außenbords Stimmen herauf. Der Melder des Teniente wollte wissen, was geschehen sei. Selbstverständlich war ihm das seltsame Verhalten des Ausgucks nicht entgangen.
Sam Roskill trat neben eine der geladenen, schußbereiten Culverinen der Steuerbordseite, bückte sich und nahm eine ebenfalls geladene Muskete in die Hand. Er trat ans Schanzkleid, führte den Lauf der Waffe über die Brüstung und zielte auf die Bootsbesatzung unter sich – vier Rudergasten außer dem Melder.
„Keine Faxen! Entert auf!“ rief er ihnen zu.
Fesseln und knebeln wollten die Seewölfe ihre spanischen Gegner. So lautete Hasards Order. Aber er hatte sich auch von vornherein ausgemalt, daß nicht alles nach Wunsch verlaufen würde. Daß es richtig war, sich keinen falschen Hoffnungen hinzugeben, stellte sich für die Männer der „Isabella“ jetzt heraus.
Der Bote und seine Begleiter im Boot spielten nicht mit.
Nur die eine Muskete sahen sie auf sich gerichtet, und deshalb rechneten sie sich gute Chancen aus, mit dem Gegner fertig zu werden, der die Frechheit hatte, sie zu bedrohen.
Sie zückten ihre Waffen.
Der Melder des Teniente schrie: „Alarm!“
Auf den anderen beiden Galeonen, der „Santa Barbara“ und der „San Juan“ wurde es lebendig. Auch an Land war der Schrei durch das Prasseln des Feuers hindurch vernommen worden. Der Batak Siabu, endlich verarztet, sprang auf und lief mit dem Feldscher der „Santa Barbara“ zu dem Teniente. Savero de Almenara selbst stand leicht vorgebeugt da und spähte zu den Schiffen. Es dämmerte ihm. Der fremde Segler hatte sich als Wolf im Schafspelz eingeschlichen!
Der Bote im Boot feuerte als erster seine Pistole ab.
Er hatte aber nicht sonderlich gut gezielt. Sam Roskill brauchte sich nur hinters Schanzkleid zu ducken, und die Kugel pfiff um zwei Handspannen über seinen Kopf weg.
Dann zuckte Sam wieder hoch. Er schoß zuerst mit der Muskete, ließ die leere Waffe fallen und betätigte auch den Abzug seiner Pistole. Zwei Männer sanken im Boot zusammen, die anderen zuckten fluchend zurück.
„Das war der Auftakt“, sagte Hasard. Er gab seinen Männern ein Zeichen, wandte sich dann dem Kommandanten zu und erklärte: „Tut mir aufrichtig leid, aber ihr habt es ja nicht anders gewollt.“
Weiß vor Schreck starrte Escribano ihn an. Er glaubte allen Ernstes, Hasard würde seine Radschloßpistole abfeuern.
Aber er kannte den Seewolf nicht. Der holte aus und schickte Escribano mit einem Jagdhieb gegen die Schläfe auf die Planken.