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6.

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Der Teint des Mannes war dunkel und olivfarben grundiert, seine Augen ähnelten schwarzen Juwelen. Sie schienen sich mit ihrem Blick in Hasards eisblaue Augen bohren zu wollen.

„Woher kennst du mich?“ fragte er in tadellosem Spanisch. Hasard hatte sich dieser Sprache bedient, und es war folglich klar, daß der Dunkelhaarige jedes Wort verstanden haben mußte.

„Wir sehen uns zum erstenmal“, erwiderte der Seewolf, ohne dem Blick des Mannes auszuweichen. „Aber es gehört kein Scharfsinn dazu, sich auszurechnen, wer du bist. Der spanische Kommandant war so freundlich, mir mitzuteilen, daß er hinter dir her sei. Du bist an anderer Stelle der Insel gelandet, und erst vor kurzem, nicht wahr? Nur so konntest du ihnen entgehen.“

„Darauf antworte ich nicht.“

„Du brauchst es nicht. Ich kann mir auch so genügend zusammenreimen“, sagte Hasard völlig ungerührt. „Nur solltest du deinen Freunden, den Fischern, erklären, daß sie wieder die unumschränkten Herrscher über die Insel sind. Wir haben den spanischen Verband zusammengeschossen. Ihr werdet den Kanonendonner ja wohl gehört haben.“

„Ja. Und du nimmst den Mund reichlich voll“, sagte der „Tiger von Malakka“. „Wer bist du?“

„Man nennt mich den Seewolf.“

„Und wie lautet dein richtiger Name?“

„Den sage ich dir, wenn du mir deinen genannt hast.“

Der „Tiger“ hob den Krummsäbel, bis die scharfe Klinge beinahe die Brust des Seewolfs berührte. „Ich kann dich zwingen, es mir zu sagen.“

„Eine Meisterleistung einem unbewaffneten, wehrlosen Mann gegenüber“, sagte Hasard spöttisch. „Kannst du noch mehr solcher Kunststücke?“

Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Tiger von Malakka wirklich Gebrauch von der Waffe machen. Hasards Männer rückten ein Stück zu ihrem Kapitän hin auf – unerschrocken trotz der Tatsache, daß sie waffenlos waren, und bereit, dem Seewolf zu helfen.

Carberry hielt den Schädel leicht gesenkt, um sich wie ein gereizter Stier auf den schwarzbärtigen Freibeuter zu stürzen. Sir John spürte, daß sich etwas Brandheißes anbahnte. Er zog es vor, sich in die Luft zu schwingen und über der Szene zu kreisen.

Die Züge des Tigers von Malakka glätteten sich wieder ein wenig.

„Es gelingt dir nicht, mich zu provozieren“, sagte er zu Hasard. „Der Tiger überwältigt einen Wehrlosen – das wäre Wasser auf eure Mühlen, wie?“

„Der leidet an geistiger Verirrung“, bemerkte Dan O’Flynn trocken, während er die große Gestalt des Seeräubers mit einem langen Blick abtastete. Hasards doppelläufige Reiterpistole steckte in dem Leibgurt des Tigers.

„Wir haben ihm und seinesgleichen geholfen“, sagte nun Ferris Tucker, wobei er sich ebenfalls der spanischen Sprache bediente. „Und jetzt bedroht er uns. Was soll der ganze Zauber eigentlich?“

„Ja“, meinte der Seewolf. „Das möchte ich auch gern wissen.“

Der Tiger von Malakka betrachtete die acht Männer, die ihm waffenlos ausgeliefert waren. Diesen Schwarzhaarigen mit den eisblauen Augen, dem kühnen Gesicht und der Narbe, die von der Stirn aus über die Wange verlief, dann den Narbengesichtigen mit dem wuchtigen Schädel und den riesigen Fäusten, den rothaarigen Riesen und den Hünen mit dem grauen Bartgestrüpp, den Bulligen mit dem braunen Haar, den Dunkelhaarigen an seiner Seite, den Schlanken in der abenteuerlichen Kostümierung, den noch sehr jungen Mann, der eben von geistiger Verirrung gesprochen hatte – tief in seinem Inneren konnte der Tiger nicht umhin, diese mutigen Kerle zu bewundern. Nichts schienen sie zu fürchten, weder Tod noch Teufel.

Er schaute zu dem bunten Vogel auf, der über ihren Köpfen schwebte und dann auf einem Felsen landete. Der Tiger ließ den Blick wieder sinken und fixierte den Mann, der sich Seewolf nannte. Fast wurde er wankelmütig und empfand so etwas wie Sympathie für den kleinen Trupp, aber dann gab er sich einen inneren Ruck.

„Ich will dir sagen, was ich denke“, erklärte er. „Fein habt ihr euch das alles ausgedacht, aber ich falle nicht darauf herein. Ein Spion bist du, Seewolf, ein verdammter Spanier, der mich durch eine billige Schmierenkomödie hereinlegen will. Anders könnt ihr mir nicht mehr ans Zeug, und so habt ihr euch diesen Überfall zurechtgelegt. Ihr habt ein wenig gewütet und geschossen, wußtet dabei aber ganz genau, daß ihr mich so niemals packen konntet. So habt ihr einen ‚Überfall‘ inszeniert, in dem du als Held auftreten solltest.“

Hasards Miene war fassungslos. Ihm fehlten wirklich die Worte.

Der Tiger trat zu dem Stammesältesten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Otonedju wird bestätigen, was ich sage.“ Er übersetzte seine Worte für den Häuptling des Dorfes, und Otonedju nickte dazu.

„Nur so kann es sein“, erwiderte er. „Die fremden Eindringlinge sind zu jeder Gemeinheit fähig. Sie wollten mich zum Sprechen zwingen und dann töten. Sie wollten unsere Frauen und Mädchen mißhandeln und den ganzen Stamm niedermetzeln.“

Aus einer der Höhlen war Otonedjus Tochter getreten. Sie hatte mit angehört, was die Männer soeben gesprochen hatten.

„Aber ich erkenne keinen der Weißen wieder“, sagte sie überrascht. „Die Soldaten von den Schiffen waren anders gekleidet als diese Männer hier. Sie hatten Panzer auf dem Leib.“

Der Tiger wandte ihr den Kopf zu und lächelte sie an. „Siehst du, fast gehst du ihnen auf den Leim. Natürlich kreuzten diese Kerle erst auf, als ihr euch in den Busch hattet retten können. Vor euren Augen hätten sie ja niemals einen fingierten Kampf mit ihren Landsleuten beginnen können, eine Schattenschlacht, mit deren Hilfe wir alle hinters Licht geführt werden sollen.“

„Ich habe einen Späher zum höchsten Inselberg hinaufgeschickt“, sagte Otonedju. „Er soll sehen, was aus den Schiffen von der Bucht geworden ist.“

Der Tiger lachte auf. „Der Kriegsschiffverband wird sich in irgendein Versteck verholt haben. Bald rundet er die Insel, um nach uns zu suchen. Wir müssen sehen, daß wir noch heute nacht von hier verschwinden.“

„Ich wäre dankbar, wenn du uns übersetzen könntest, was ihr redet“, sagte der Seewolf. „Wir haben ein Anrecht darauf, Mann.“

Der Freibeuter hob die Augenbrauen. „Ah! Du nimmst den Mund immer noch viel zu voll. Aber einverstanden, ich sage dir, wovon Otonedju und ich überzeugt sind.“

Als er mit seiner fast wortgetreuen Übersetzung am Ende war, trat Hasard wütend zwei Schritte auf ihn zu.

„Deine Darstellungen haben weder Hand noch Fuß“, sagte er. „Es ist geradezu lachhaft und an den Haaren herbeigezogen, was ihr euch da ausdenkt.“

„Ein Krampf!“ schrie nun auch Carberry.

„Wir brauchen uns das nicht gefallen zu lassen“, fügte Blacky aufgebracht hinzu.

Die malaiischen Piraten hoben wieder ihre Waffen und zielten auf die Seewölfe. Hasards Kameraden ließen sich dadurch aber ebensowenig einschüchtern wie der Seewolf selbst.

„Tiger von Malakka“, sagte Hasard. „Wirf nur einen Blick auf die Bucht unterhalb des Dorfes. Dort sind drei Schiffe untergegangen – der komplette Verband. Kann man so etwas vortäuschen?“

Der Späher kehrte zu Otonedju zurück. Er war einer der beiden jungen Krieger, die der Seewolf auf der Lichtung hatte überwältigen müssen. Aufgeregt redete er auf seinen Häuptling ein, und Otonedju schaute zu dem Anführer der Piraten.

Der Tiger setzte eine triumphierende Maske auf.

„Nur ein Schiff liegt in der Bucht vor Anker“, sagte er zu Hasard. „Offenbar das deine. Die drei anderen sind verschwunden. Spurlos.“

„Teufel, weil sie gesunken sind!“

„So rasch?“

„Otonedju hätte zuschauen können, wie wir die ‚Santissima Madre‘, die ‚Santa Barbara‘ und die ‚San Juan‘ auf Grund gesetzt haben. Zumindest das Feuer, das wir auf ihren Decks entfacht haben, hätte er sehen müssen.“

Der Freibeuter unterhielt sich noch einmal in der eigentümlichen, abgehackt und leicht guttural klingenden Sprache der Malaien mit dem Dorfältesten, dann schüttelte er den Kopf. „Nichts. Das ist dein Pech, Seewolf. Du hast uns eben unterschätzt.“

„Geh zur Bucht und schau dir die Toten an, die dort verstreut liegen“, sagte Hasard mühsam beherrscht. „Die werden dich davon überzeugen, wie sehr du mit deiner idiotischen Meinung danebenliegst.“

„Damit ich deinen Kumpanen in die Hände laufe?“ Der Tiger lachte wieder. „Darauf wartest du ja nur.“

„Fahr zur Hölle. Dir ist nicht zu helfen.“

„Gib acht, wie du mit dem Rebellen von Malakka sprichst“, stieß der Schwarzbärtige zornig hervor.

Hasard antwortete mit einer wegwerfenden Geste. „Mit solchen Drohungen imponierst du mir nicht. Dein Stolz und dein Starrsinn werden dich noch zu Fall bringen. Du weißt deine Feinde nicht von deinen Freunden zu unterscheiden – ein böser Fehler.“

Der Tiger trat dicht vor ihn hin. „Dein Heulen stößt bei mir auf taube Ohren, Seewolf. Du bist ein guter Redner, das gebe ich zu, aber allein durch Raffinesse kannst du mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.“

„Wie du meinst“, sagte Hasard kalt. „Was hast du vor? Willst du uns hinrichten? Hier?“

„Nein. Meine Prahos liegen am Ostufer der Insel. Dorthin bringen wir euch jetzt – zusammen mit den Bewohnern des Dorfes.“

„Eine richtige Evakuierung also?“

„So könnte man es nennen.“

Rund drei Dutzend Männer, die ihrem Äußeren nach alle von Malakka oder Sumatra zu stammen schienen, bildeten die Meute des Tigers von Malakka. Je zwei dieser Burschen kümmerten sich auf einen Wink des Anführers hin um die Seewölfe. Mit Tauenden banden sie Hasard, Ed, Ferris, Shane, Smoky, Blakky, Dan und Sam die Hände auf dem Rücken fest.

Hasard gelang es, die Gelenke ein wenig auseinanderzudrücken und die Finger zu spannen, während ein muskelbepackter Atjeh ihm die Fesseln zusammenzurrte. Das war aber auch alles, was er im Augenblick tun konnte. An Flucht war nicht zu denken – nicht unter diesen Bedingungen.

Bei aller Nahkampferfahrung und Taktik – der Tiger und seine Leute hätten sie mühelos niederschießen und abstechen können, sofern sie einen Versuch in dieser Richtung unternommen hätten.

Während die Frauen, Kinder und Greise des Inselstammes die Höhlen verließen und sich der lange Zug zwischen den Felsen formierte, blickte Hasard zu Otonedjus Tochter hinüber. Sie war ein ausgesprochen hübsches, zerbrechlich wirkendes Geschöpf mit langen schwarzen Haaren, die sie jetzt zu einem Knäuel auf ihrem Kopf hochgesteckt hatte.

Zweierlei glaubte Hasard bei ihr festgestellt zu haben. Immer wieder suchte ihr Blick die Gestalt des Tigers von Malakka. Der Mann schien ihr zu imponieren. Aber gleichzeitig mußte sie einige Zweifel daran haben, ob sein Urteil über die acht Gefangenen wirklich berechtigt war. Die Art, wie sie die Seewölfe musterte, war frei von Haß und Vergeltungssucht.

Die Piraten verteilten sich auf Kopf, Mitte und Ende des Zuges. Hasard und seine Männer mußten vorn marschieren, gleich hinter dem Tiger und sechs, sieben von dessen Kerlen.

Der Tiger von Malakka schritt als erster los. Langsam und fast lautlos setzte sich auch seine Gefolgschaft in Bewegung. Der Abstieg zum Ostufer hatte begonnen. Er führte wieder in tiefes, Feuchtigkeit atmendes Dikkicht, in das jedoch bereits ein Pfad getrieben worden war – von den Freibeutern, die bei ihrer Ankunft denselben Weg genommen hatten.

Hasard tauschte einen Blick mit Carberry, der hinter ihm wanderte.

Carberry verstand. Er sollte Sir John veranlassen, zur „Isabella“ zurückzufliegen. Ben Brighton würde schon begreifen, wenn er den Aracanga allein auftauchen sah. Auf jeden Fall mußte er die Gefahr spüren, in der die acht Kameraden sich befanden.

Aber Sir John kapierte nicht, was der Profos von ihm verlangte. Immer wieder trachtete Ed, den kleinen Kerl von seiner Schulter zu scheuchen, mußte dabei aber achtgeben, nicht die Piraten auf sich aufmerksam zu machen.

Sir John war den Seewölfen in manchen Situationen schon eine Hilfe gewesen, aber man durfte seine Fähigkeiten nicht überschätzen. Hier war er zweifellos überfordert. Er verstand nicht, was Carberry ihm zuraunte.

Als ihm das Getue des Profos’ zu bunt wurde, flatterte er nur auf und schimpfte: „Rübenschweine! Himmelhunde! Hol’s der Henker!“

„Hau ab, du rasierter Zwerghahn“, zischte Ed.

Er hoffte noch, Sir John würde jetzt in der Nacht verschwinden, aber der Vogel bewies seine Anhänglichkeit, indem er über der langen Prozession hin und her flog.

Der Tiger von Malakka drehte sich um, sah das Tier und lächelte. Hasard sah ihm an, daß er begriffen hatte. Der Freibeuter wußte aber auch, daß die Seewölfe keine Chance hatten, die auf der „Isabella“ Zurückgebliebenen über ihr Mißgeschick zu unterrichten.

„Mehr als hundert Leute“, sagte der Profos leise. „Möchte wissen, wie die in ein paar Kähnen Platz finden sollen. Absaufen werden wir, alle zusammen, und das gönne ich diesen Satansbraten.“

Der Tiger blieb stehen, ließ seine Männer an sich vorbeidefilieren, bis er sich auf gleicher Höhe mit Hasard und dem Profos befand und nahm den Marsch dann wieder auf.

„Ich habe nicht alles verstanden“, sagte er. „Aber einige Brocken Englisch beherrsche ich doch.“ Wieder bediente er sich seines hervorragenden Spanisch’. „Der Wortsinn dessen, was du eben von dir gegeben hast, ist mir also einigermaßen klar“, sagte er zu Carberry gewandt. „Aber ich kann dich beruhigen. Zwölf Prahos warten auf uns – genug, um uns alle zu befördern.“

„Wer bist du?“ fragte Hasard.

„Das habe ich dir gesagt.“

„Woher stammst du? Was hast du wirklich vor?“

„Kannst du schweigen?“

„Ja.“

„Dann schweig“, sagte der Tiger barsch.

Hasard grinste ihn unverfroren an. „Spätestens in deinem tatsächlichen Versteck erfahre ich alles über dich.“

„Es fragt sich nur, ob du es noch verwerten kannst.“

„Ich will nichts verwerten“, erwiderte Hasard mit jähem Ernst. „Aber wenn du kein Feigling bist, stellst du dich dem Zweikampf mit mir.“

„Das ist das mindeste, was du von mir erwarten kannst“, sagte der malaiische Freibeuter.

Wahrscheinlich hätten sie ihre Unterhaltung noch weitergeführt, wenn sie in diesem Moment nicht auf außergewöhnliche, völlig unerwartete Weise unterbrochen worden wären.

Sie schritten auf einem leicht schlüpfrigen Pfad voran, umgeben von taubedecktem Blattwerk, Zweigen, Wurzeln und Schlingpflanzen, die tückisch als Fußfallen wirkten, wenn sie sehr tief hingen. Der modrige Hauch der Selva schien sich als das gespenstische Murmeln und Wimmern vieler hundert Stimmen zu offenbaren. Unkontrollierbares Leben erfüllte die Schatten der Nacht.

Plötzlich tauchten Schemen links und rechts aus den Büschen auf. Hände griffen nach dem Tiger von Malakka und den vorderen Piraten.

Die Schemen entpuppten sich als vier Gestalten, an die zumindest die eingeborenen Fischer eine deutliche Erinnerung hatten.

Seewölfe Paket 7

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