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5.

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Lucio do Velho fuhr auf dem Achterdeck seiner Viermast-Galeone herum, als der vom detonierenden Pulver verursachte Feuer- und Rauchpilz aus der See wuchs. Er stöhnte auf, aber sein Entsetzen war nur von kurzer Dauer, weil er im selben Moment feststellte, daß auch der dreimastige Praho mit von dem donnernden Unheil erfaßt wurde.

Ja, auch die „Yaira“ zerhieb es. Bis zu den in der Nachbarschaft der gesprengten Galeone segelnden Schiffen wirbelten ihre Trümmer. Selbst auf dem Flaggschiff duckten sich die Decksleute und Offiziere instinktiv vor heransegelnden Resten.

Eine halbe Spiere und einige andere Teile krachten auch tatsächlich auf das Deck der „Candia“. Lucio do Velho war ebenfalls in Deckung gegangen, weil er um seine helle Kommandantenmontur und die Unversehrtheit seines Gesichtes bangte. Er behielt jedoch den Überblick und zwang sich zur Ruhe.

Kaum war die Gefahr der fliegenden Trümmerteile vorbei, lief er ans Heck seines Viermasters und blickte in die Fluten hinunter. Er stellte fest, daß menschliche Körper als Wrackreste im Kielwasser seines Schiffes schwammen – und einige dieser Körper regten sich noch.

Teils verletzt, teils nur zwischen Benommenheit und einsetzender Besinnungslosigkeit schwebend, versuchten diese Gestalten sich an Holzteilen festzuklammern, die im Wasser trieben.

„Ignazio!“ rief der Portugiese seinem Bootsmann zu. „Sofort ein Boot abfieren lassen!“

„Si, Senor, aber dazu müssen wir Fahrt aus dem Schiff nehmen!“

„Natürlich, du Idiot. Ich will die Schiffbrüchigen an Bord nehmen“, entgegnete do Velho.

Soviel Menschlichkeit kannte der Mann aus Porto von seinem Befehlshaber sonst eigentlich nicht. Aber Ignazio hütete sich, auch nur noch einen einzigen Kommentar zu dem Beschluß Lucio do Velhos abzugeben. Vielmehr leitete er die Order an den Zuchtmeister weiter, das Schiff zu stoppen und ein Beiboot abzufieren, dann eilte er, Ignazio, zu seinem Herrn aufs Achterdeck.

„Ich sehe vier, fünf malaiische Piraten“, stieß do Velho soeben aus. „Diese Hunde will ich haben. Als Geiseln. Und um mich für das zu bedanken, was sie uns gemeinsam mit dem Seewolf angetan haben. Ignazio!“

„Comandante?“

„Wir müssen die Kerle auffischen, bevor es ihre Spießgesellen tun. Du weißt, was das bedeutet.“

Diesmal begriff der schwere, sonst kaum selbständig handelnde Mann aus Porto sofort. Er entblößte seinen Oberkörper, streifte dann auch seine Stiefel aus weichem Ziegenleder und die aufgebauschte Leinenhose ab, bis er nur noch eine kurze Hose trug, die ihn bei seinem Vorhaben nicht behinderte.

Ein Messer im Gurt und zu allem entschlossen, so kletterte Ignazio auf das achtere Schanzkleid. Er zögerte nicht, stieß sich mit den Füßen ab und stürzte in elegantem Bogen der schillernden Wasserfläche entgegen.

„Beachtlich“, sagte do Velho, als sein Untertan eintauchte. „Dazu taugt er eben.“

Inzwischen war die „Candia“ nahezu in den Wind gegangen. Die Segel wurden aufgegeit, ein Boot senkte sich rasch der See entgegen. In Lee enterte die vom Zuchtmeister zusammengestellte Besatzung ab, bemannte das Boot, legte ab und pullte auf den schwimmenden Ignazio zu.

„Gebt ihnen Feuerdeckung!“ schrie Lucio do Velho.

Zehn Soldaten stürzten daraufhin mit Musketen und Arkebusen an das Steuerbordschanzkleid der Kuhl und legten auf etwaige Gegner an. Aber ein Umstand half dem protugiesischen Kommandanten: schwer und träge breiteten sich die Rauchschwaden der Explosion immer noch nach allen Seiten aus. Sie hingen tief über den Wellen, und der Wind schaffte es nicht, sie fortzuräumen.

Die malaiischen Freibeuter in den Prahos, die Männer von Otonedjus Stamm und die Krieger der Orang Laut bemerkten daher erst wertvolle Sekunden später, was sich in Lee der viermastigen Galeone tat.

Auch Hasard und seine Männer konnten durch die Rauchschwaden so gut wie gar nichts mehr erkennen. Erschüttert hatten sie nur verfolgt, wie die Explosion die zwei Schiffe zerfetzt hatte. Das verzweifelte Bestreben der Spanier an Bord der vierten Galeone jedoch, der „Isabella“ doch noch einen vernichtenden Treffer zu verpassen, vereitelte das Vorhaben des Seewolfs, die Unglücksstelle aufzusuchen und nach dem Rechten zu sehen.

So ergab sich aus einem tragischen Zusammentreffen von Fakten, daß Ignazio ungehindert die treibenden Schiffbrüchigen erreichte. Er glitt auf einen blutenden Mann zu, der gerade im Begriff war, unter den Wasserspiegel zu rutschen. Ignazio registrierte, daß es sich bei diesem schwarzbärtigen, wild aussehenden Kerl um einen der malaiischen Piraten handelte, und er war eher versucht, diesem das Messer in den Leib zu rammen, um das Werk zu vollenden, das die Wirkung der Explosion begonnen hatte.

Aber rechtzeitig besann er sich auf den Befehl, den do Velho ihm mit auf den Weg gegeben hatte.

Ignazio schwamm zu dem Malaien. Der Mann war bewußtlos. Ignazio griff in seinen vollen Haarschopf, zerrte ihn zu sich heran und schleppte ihn ohne sonderliche Mühe zu dem heranpullenden Boot hin ab.

Die Bootsbesatzung stellte die Riemen in den Dollen hoch, so daß der Mann aus Porto bis an das Dollbord gelangte. Ignazio hievte den ohnmächtigen Eingeborenen ein wenig empor, und die Kameraden von der „Candia“ packten zu und nahmen den Reglosen über, wobei sie alles andere als sanft mit ihm umsprangen.

Auf die gleiche Weise holte der Mann aus Porto auch die anderen Überlebenden der Katastrophe bis an das Boot. Insgesamt wurden es sieben Mann, fünf Malaien und zwei Spanier. Die letzteren zählten zu den einfachen Decksleuten, nicht zu den Offizieren oder Soldaten der Galeone. So sehr Ignazio sich auch umschaute, er konnte weitere Besatzungsmitglieder der vernichteten spanischen Galeone nicht entdecken.

Auf der „Candia“ krachten plötzlich die Musketen und Arkebusen. Ein einmastiger Praho hatte die Rauchbarriere durchstoßen und schickte sich an, zu dem Beiboot des Flaggschiffes zu segeln. Die Malaien schienen begriffen zu haben, was hier geschah, und stimmten ein wütendes Geschrei an.

Ignazio beeilte sich, zu dem Boot zurückzugelangen. Er klomm an Bord, die Jolle schwankte bedenklich, dann begannen die Spanier in fiebernder Hast zu pullen. Ob sie heil zur „Candia“ zurückgelangten, war inzwischen in Frage gestellt, da die Rebellen von Malakka sich auch durch das stakkatohafte Musketenfeuer nicht abhalten ließ, an der „Candia“ vorbeizurauschen.

Erst als drei Kanonen des unteren Batteriedecks der „Candia“ ihren Gluthauch auf den Praho ausspien, ließen sich die Malaien vom Kurs abbringen. Die Bootsbesatzung do Velhos gewann Zeit und Vorsprung und pullte wie rasend auf die Bordwand des imposanten, behäbig daliegenden Viermasters zu.

Von der Luvseite her setzten die Freibeuter der „Candia“ inzwischen auch wieder zu.

Aus Lucio doVelhos Sicht gehörte viel Nervenstärke dazu, ein gerüttelt Maß an Kaltblütigkeit, mit aufgegeiten Segeln auf die Übernahme von Boot und Insassen zu warten. Doch do Velho besaß diese Abgeklärtheit. Er geriet auch dann nicht aus der Fassung, als kleine Kanonenkugeln der Prahos klaffende Lücken in das Backbordschanzkleid seines Schiffes hackten.

Die Männer aus der Jolle enterten an der Jakobsleiter auf, Ignazio folgte als letzter. Er schleppte den schwarzbärtigen, muskulösen Malaien auf der Schulter mit, als handle es sich um ein nicht sonderlich schweres Bündel Segeltuch. Die übrigen Schiffbrüchigen wurden vermittels Tauen hochgehievt, dann wurde auch das Boot so schnell wie möglich binnenbords geholt – und Lucio do Velho ließ das Großsegel und die Fock setzen.

Kommandorufe hallten über Deck der „Candia“. Sie ging überstag und wandte sich mit ihrem Vorsteven nach Süden.

Do Velho bedeutete Ignazio und einigen anderen Männern, die fünf malaiischen Gefangenen herbeizuschleppen. Nur einer von ihnen hatte das Bewußtsein wiedererlangt – der Schwarzbärtige. Sein glühender, haßlodernder Blick traf den portugiesischen Kommandanten.

„Haltet den Kerl fest“, ordnete do Velho an. „Die anderen richtet ihr so am Schanzkleid des Hecks auf, daß die Hundesöhne unten in den Prahos ihre Kumpane deutlich genug sehen können.“ Er schaute wieder zu dem Schwarzbärtigen. „Du da. Verstehst du mich?“

Kein einziges Wort erwiderte der Pirat, aber seine durchbohrenden Blicke sprachen Bände.

„Ich habe dich was gefragt!“ brüllte do Velho ihn unbeherrscht an. Jetzt, diesem triefend nassen, blutenden, in Fetzen gehüllten Mann gegenüber, verlor er tatsächlich seine souveräne Haltung. „Ignazio, bring den Dreckskerl zum Sprechen!“

Ignazio hieb mit der Faust zu und traf den Nacken des hochgewachsenen Malaien. Der Mann ging in die Knie, stöhnte aber nicht. Er versuchte herumzufahren und den Mann aus Porto anzugreifen, aber Ignazio schlug noch einmal zu.

Da sank der Malaie auf die Körperseite. Sein Gesicht war verzerrt, er stieß etwas in seiner Muttersprache aus und spuckte Lucio do Velho vor die Füße.

Ignazio wollte mit beiden Fäusten auf ihn losgehen.

„Nicht“, sagte sein Kommandant jedoch. „Er scheint wirklich nicht zu verstehen. Aber wir setzen seinen Spießgesellen auch so auseinander, was wir verlangen. Stell diesen Bastard auf die Beine.“

Seine letzten Worte gingen in dem Donnergrollen unter, das von der „Isabella“ herübertönte. Hasard hatte weitere vier Culverinen der Steuerbordseite auf die vierte Galeone des spanischen Verbandes abfeuern lassen, und diesmal war das Ergebnis im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagend. Schwer getroffen krängte die Galeone nach Backbord und begann zu sinken.

Die fünfte Galeone stand in gierig hochschießenden Flammen, das Feuer verzehrte die Masten samt ihrem laufenden und stehenden Gut und sengte über den oberen Teil des Holzrumpfes.

Die Besatzungen beider Schiffe flohen mit den Beibooten. Die zweite Galeone indes lief brennend immer weiter nach Südwesten ab. Ihrer Mannschaft gelang es nicht, das Feuer unter Kontrolle zu kriegen.

Do Velho ließ seine fünf eingeborenen Gefangenen wie die Marionetten am Heckschanzkleid der „Candia“ hochstemmen. Er blickte auf die Gegner hinunter. Zwei Prahos trachteten gerade, sich von achtern an die Galeone heranzupirschen und ein Entermanöver zu beginnen.

„Haltet ein!“ schrie do Velho den Piraten zu. „Wir töten eure Kameraden, wenn ihr nicht die Flagge streicht!“

Als die Piraten von Malakka keinerlei Reaktion zeigten, hob do Velho die Hand zu einer Gebärde. Ignazio und die anderen Bewacher der Gefangenen begriffen. Sie zückten ihre Messer und hielten die Klingen den Geiseln an die Gurgeln.

Die Geste war unmißverständlich. Dennoch hatte der Portugiese sich in den Männern der Prahos getäuscht, und zwar gründlich. Sie ließen sich nicht aufhalten. Wieder blafften die kleinen Bordgeschütze auf, Musketen und Tromblons wurden gegen die nur langsam dahinziehende „Candia“ leergeschossen. Ein Hagel von Pfeilen schwirrte über die Galerie des Viermasters hinaus ganz nach oben, zum erhöhten Deck – nicht nur do Velho, Ignazio und die übrigen Besatzungsmitglieder liefen Gefahr, getroffen zu werden, auch die fünf Malaien in ihrer Gewalt waren bedroht.

„Die sind ja wahnsinnig!“ schrie der Kommandant außer sich vor Zorn. „Gefährden ihre eigenen Kumpane! Sind die denn von allen Geistern verlassen?“

„Ich glaube nicht, Senor“, erwiderte sein erster Offizier. „Ganz im Gegenteil.“

„So? Dann werden wir ein Exempel statuieren und einen dieser Halunken zum Schreien bringen. Ignazio, kitzle diesen Schweinehund von einem Schwarzbart ein wenig mit dem Messer.“

Der Mann aus Porto grinste, es bereitete ihm keinerlei Skrupel, einen Wehrlosen zu traktieren.

Der erste Offizier allerdings sagte zu do Velho: „Senor, ich habe den Eindruck, diese fünf Kerle krepieren lieber langsam und qualvoll, als ihre Landsleute zur Aufgabe zu bewegen. Und genauso ist die Einstellung der Piraten unten in den Prahos …“

Do Velho zog den Kopf ein, weil Brandpfeile über sie hinwegzischten. Einer blieb im Besanmast stecken. Die Flamme drohte das Segel in Brand zu stecken, aber ein beflissener Decksmann war heran und kippte ein Segeltuchpütz Seewasser über dem Geschoß aus, ehe sich das Feuer richtig entwickeln konnte.

„Primero!“ schrie der Kommandant seinen Ersten an. „Zu wem halten Sie eigentlich? Ich werde Ihre Gesinnung überprüfen …“

„Sie verstehen mich falsch, Senor!“

„Soll ich anfangen?“ fragte der verwirrte Ignazio.

Do Velho hatte sich entschlossen, die Erklärung des Primeros abzuwarten, bevor er dem bulligen Mann aus Porto antwortete.

„Diese Leute haben eine Mentalität, die uns fremd ist!“ rief der erste Offizier. „Ich weiß, das ist Ihnen bekannt, Senor Comandante, oder zumindest können Sie es sich sehr gut vorstellen. Aber ich habe auf den Philippinen sehr lange mit den Wilden zu tun gehabt und weiß, unter welchen Voraussetzungen sie durchaus bereit sind, all ihr Eigentum, ja, sogar ihre Freunde und ihre Familienangehörigen aufs Spiel zusetzen und aufzugeben, falls es ihrer Sache dient.“

„Blinde Fanatiker also?“

„Nicht mehr als wir …“

„Ich verbitte mir diese Bemerkungen!“ brüllte do Velho. „Sie wollen also allen Ernstes behaupten, daß diese braunen Kanaillen ohne weiteres ihre fünf Blutsbrüder abmurksen lassen, daß sie sie opfern, nur, um weiterkämpfen zu können?“

„Ja.“

Do Velho wollte aufbegehren, auf seine Erfahrungen, seine Privilegien als Kommandant pochen und jeden weiteren Einwand niederbrüllen.

Doch da schob sich auch die „Isabella VIII.“ heran. Ihre Konturen entwikkelten sich zu einem drohenden Schemen, der aus Rauch und Feuer hervorwuchs. Kaltschnäuzig und fast ohne Rücksicht auf sein Schiff segelte der Seewolf zwischen der lodernden, sinkenden vierten und der nach West-Süd-West abtreibenden fünften Galeone des Feindverbandes hindurch und nahm Kurs auf die „Candia“. Er drohte in den Wind zu laufen, und Lucio do Velho hoffte es, drückte insgeheim die Daumen, daß es eintrat, aber er hatte sich getäuscht.

Eine hervorragende Crew manövrierte die „Isabella“. Ohne Zwischenfall pflügte die große Galeone heran.

In diesem Augenblick beschloß do Velho, doch lieber die Flucht anzutreten. Was nützte es, die fünf Malaien zu massakrieren? Waren sie tot, fielen die Engländer und die Malakka-Piraten wie die Teufel über das Flaggschiff her – eine Übermacht, der die „Candia“ allein trotz ihrer vierundvierzig Kanonen nicht mehr Paroli zu bieten vermochte.

Do Velho ließ Vollzeug setzen. Das Blatt hatte sich gewendet. Der Jäger war zum Gejagten geworden.

Seewölfe Paket 7

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