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8.

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Rempang hieß die große, sich in fast rechteckiger Form von Nordwesten nach Südosten ausdehnende Insel, die die Seewölfe am Nachmittag dieses Tages erreichten.

Bis hierher hatte sich überhaupt nichts mehr getan, ja, der gesamte Archipel lag plötzlich wie ausgestorben da. Kein einziges Auslegerboot, kein Praho hatte sich in der Nähe der Inseln gezeigt, die sie passiert hatten, nirgendwo waren sie auf eine Siedlung oder Spuren menschlichen Seins gestoßen. Der Tiger und seine Meute hatten sich schon gar nicht gezeigt, und auch mit anderen Freibeutern waren sie nicht zusammengetroffen, von Spaniern oder Portugiesen ganz zu schweigen.

„Ich frage mich, geht das noch mit rechten Dingen zu?“ sagte der alte Donegal Daniel O’Flynn auf dem Quarterdeck zu seinem Sohn.

„Hör doch auf.“

„Was ist, wenn die Gegend verflucht ist?“

„Verwunschen? Ich sehe schon Hexen und Meerungeheuer herankrauchen.“

Sein Vater senkte die Stimme. „Und der Jonas, dem wir damals in der Karibik begegnet sind? Hast du den vergessen? Du mit deinem vorlauten Schnabel.“

„Es gibt für alle Dinge logische Erklärungen.“

„Es gibt Schiffe, die auf Nimmerwiedersehen verschwinden, Totenlichter, die übers Wasser tanzen, den Wassermann, der nachts an Bord steigt und seinen tödlichen Schabernack treibt“, zischte Old Donegal. „Hast du dafür auch vernunftsmäßige Erklärungen, du Schlauberger? Und wie reimt es sich zusammen, daß ein Albatros Unglück bringt?“

„Ja, das würde ich auch gern wissen“, grollte eine Stimme hinter ihnen.

Sie hatten nicht gemerkt, daß der Profos sich zu ihnen gesellt hatte. Wenn Ed wollte, konnte er auf leisen Sohlen schleichen wie ein Bär, der sich gegen den Wind an seine Beute heranpirscht.

„Manches entzieht sich ganz einfach unserem Wissen“, sagte Dan O’Flynn. „Früher haben die Leute auch geglaubt, die Erde sei eine Scheibe, an deren Rändern man in den Abgrund stürzen müsse. Heute ist bekannt …“

„… daß es Spuk und Dämonen wirklich gibt“, vollendete sein Erzeuger den Satz. „Und du sollst dich nicht versündigen, indem du das abstreitest, sonst ziehe ich dir mein Holzbein über die Rippen.“

„Ich geb’s auf“, stöhnte Dan.

„Donegal“, sagte der Profos jetzt heiser. „Du sollst nicht immer unken. Ich kann das nicht leiden.“

„Ich unke nicht. Ich warne nur.“

„Vor was?“

„Du wirst die Zeit schon abwarten können, Mister Carberry.“

„Hölle und Teufel“, sagte Carberry. „Eines Tages lasse ich dir dein eigenes Holzbein auf dem Rücken tanzen, O’Flynn. Wenn einer etwas nicht genau weiß, soll er die Klappe halten.“

„So wie vor Formosa? Als wir in die Falle der Portugiesen gelaufen sind?“

Carberry sagte darauf nichts. Er erinnerte sich genauso ungern an diese Episode wie alle anderen Männer der „Isabella“, aber er fand es nicht gerade fair von dem Alten, die Sache immer wieder herbeizuzitieren. Die Portugiesen hatten sich seinerzeit beispiellos heimtückisch verhalten, weil sie mit einem Trick an die Menschlichkeit der Seewölfe appelliert hatten. Als Opfer eines Überfalls hatten sie sich aufgeführt, und Hasard hätte sich als Schweinehund gefühlt, wenn er ihnen nicht Beistand geleistet hätte.

Aber das gehörte der Vergangenheit an. Carberry blickte voraus zu der Insel Rempang, einem breiten Streifen am Horizont, dessen Vegetation sich – aus der Ferne betrachtet – wie ein einziger Moosteppich an die sanft geschwungenen Hänge zu schmiegen schien.

Carberrys Gefühle waren gemischt. Ehrlich ausgedrückt schwante auch ihm nichts Gutes – wie bei der gesamten Crew die Stimmung nicht rosig war.

Der Seewolf hatte angekündigt, er werde auf Rempang landen, um seine Nachforschungen zu betreiben.

Schon begab er sich über Carberrys, O’Flynn seniors und O’Flynn juniors Köpfen an die Five-Rail.

Er stützte sich mit den Händen auf und rief: „Wer meldet sich freiwillig zum Landgang? Ich schätze, wir stöbern auf der Insel Rempang mindestens eine Kaschemme auf, in der der Wirt das Beil unterm Tresen liegen hat und wo die käuflichen Ladys sich als schmachtende Kannibalinnen entpuppen. Na los, Männer, nun drängelt euch nicht so, es kommt jeder dran.“

Er grinste.

Carberry wischte sich mit dem Handrücken über Nase und Mund, schnaufte und sagte: „Ich bin dabei, Sir. Mich kann bekanntlich nichts umhauen. Und Sun Lo, der Mönch, hat ja auch gesagt, daß die Kopfjäger alle weiter östlich auf Borneo und so lauern.“

„Ich wußte nicht, daß du eine ironische Ader hast, Ed.“

„Die habe auch ich gerade erst entdeckt“, erwiderte der Profos grimmig. Dann fuhr er zur Kuhl herum. „Na, ihr Memmen und Hosenscheißer, braucht ihr eine Sondereinladung, oder habt ihr Angst, ihr trampelt euch gegenseitig tot, wenn ihr beim Sturm auf die Boote zu zahlreich vertreten seid?“

„Achtung“, sagte Smoky, der Decksälteste, unten leise zu den Kameraden. „Alles hört auf mein Zeichen.“ Er blickte nach links und nach rechts, dann preßte er ein knappes „Jetzt“ hervor.

Sofort flogen sämtliche Hände hoch.

Es war mal wieder an ihrem bescheidenen Ehrgefühl gekratzt worden, und in dieser Beziehung hielten sie es wie der Profos. Alles konnte man ihnen vorwerfen, nur Feigheit nicht. Keiner verspürte übermäßige Lust, auf Rempang umherzustreifen und Mangroven zu fällen, aber Hasenfüße ließen sie sich deswegen noch lange nicht nennen.

Hasard stellte seinen Trupp zusammen: Carberry, Batuti, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies und Jeff Bowie.

Eine halbe Stunde später stießen sie sich mit dem Beiboot von der Bordwand der „Isabella“ ab und pullten zur Insel hinüber. Freundlich grüßten die bewaldeten Hänge unter der Nachmittagssonne herüber, einladend sahen sie aber trotzdem nicht aus.

„Ihr werdet mich fragen, warum ich ausgerechnet an dieser Stelle der Küste lande“, sagte Hasard, der wieder den Platz auf der Heckducht innehatte. „Nun, ich habe vorhin eine Flußmündung entdeckt. Sie ist stark überwuchert und kaum mit bloßem Auge zu erkennen. Meiner Meinung nach könnte sie von den Piraten als Versteck benutzt werden. Ihr erinnert euch doch noch an Formosa.“

„Ja, aber dort war der Fluß ziemlich breit“, erwiderte Pete Ballie. „Ich frage mich, ob dieser hier ein größeres Schiff passieren läßt.“

„Das ist auch eine Frage der Wassertiefe“, sagte Gary Andrews.

„Und der Beschaffenheit der Fahrzeuge“, sagte der Seewolf. „Ein Praho, meistens mit einem Mast und Auslegern an einer oder zwei Seiten versehen, hat nur geringen Tiefgang.“

„Aha“, meinte Matt Davies. „Wenn ich recht verstehe, sind die Kähne so groß wie Schaluppen oder Pinassen.“

„Ungefähr“, entgegnete Hasard.

„Ideal für Entermanöver“, sagte Matt grinsend. „Die Piraten scheinen es auch hier zu verstehen, den Dons mit dem richtigen Kaliber zu begegnen. Je schlanker und wendiger die Kähne, desto größer die Chance, dem Beschuß der Spanier zu entgehen.“

Hasard nickte und bewegte die Ruderpinne. Sie hatten jene Stelle im Uferdickicht, die er sich eingeprägt hatte, fast erreicht. Batuti drehte sich kurz um, spähte in den tiefgrünen Blätterwald, schüttelte jedoch den Kopf. Er vermochte den Einschnitt der Flußmündung nicht zu erkennen.

Etwas später schob sich das Boot jedoch ins schwer hängende Gesträuch und teilte es mit dem Bug. Hier schien die Welt zu Ende zu sein – doch erstaunlicherweise öffnete sich gleich hinter dem undurchdringlich wirkenden Vorhang das Halbdunkel eines Stollens.

Nicht durch den Fels führte dieser Stollen, nein, er war ein matt schimmernder Gang unter der alles zudekkenden Inselflora, der Weg, den sich der Fluß gegraben hatte.

Die Aura der Selva nahm die Männer im Boot gefangen. Feuchtigkeit und ein Gemengsel aus vielen verschiedenen Gerüchen senkte sich über sie, ein Gifthauch schien sie zu umfächeln.

Sie pullten langsamer.

Das Wasser war zunächst noch klar, wurde nach einigen Yards jedoch braun und brackig. Hasard und seine Männer hatten den Einzugsbereich der See verlassen und stemmten sich gegen die zunehmende Strömung.

Schließlich wurde der Fluß sehr flach, und die Ufer strebten derart dicht aufeinander zu, daß selbst mit der Jolle kein Durchkommen mehr war.

„Die Antwort auf unsere Frage hätten wir also“, sagte der Seewolf. „Hierher haben sich die malaiischen Freibeuter nicht zurückgezogen. Spätestens an dieser Stelle hätten wir sonst auf ihre Schiffe stoßen müssen.“

„Keine Prahos – kein Tiger“, sagte Matt Davies mit schiefem Grinsen.

„Trotzdem will ich einen Blick in die Runde werfen“, sagte Hasard. „Wir gehen an Land und unternehmen einen kleinen Streifzug. Jeff, du bewachst das Boot.“

„Aye, Sir.“

Kurz darauf taten sie wieder das, worauf die Männer so sehr „erpicht“ waren. Mit Säbeln und Entermessern bahnten sie sich einen Weg durch den Urwald, den seit Menschengedenken niemand mehr betreten zu haben schien. Vorn öffnete sich das Gestrüpp unter Hasards und Carberrys erbitterten Hieben, Batuti, Pete, Gary und Matt droschen den Rest nieder. Hinter ihnen schien sich das Dickicht gleich wieder zu schließen – ein unangenehmes Gefühl.

Insekten schwirrten ihnen in die Gesichter und krabbelten über ihre Oberkörper. Sie waren nicht nur lästig, sondern behinderten sie auch. Myriaden von Mücken und anderem winzigen Getier schienen auf der Insel zu hausen.

Einzig der schwarze Herkules aus Gambia beschwerte sich nicht. Er war ähnliche Verhältnisse ja aus seiner Heimat gewohnt.

Pete Ballie hingegen wetterte: „Teufel auch, so eine Plage. Gibt es denn kein Mittel gegen die Bestien?“

„Totschlagen“, sagte Matt trocken.

„Dir können die Scheusale wohl gar nichts anhaben, was?“ sagte Gary Andrews.

„Ich sage: Hier laßt uns Hütten bauen“, erwiderte Matt Davies mit galligem Humor.

Hasard erwartete, irgendwo auf eine Lichtung zu treffen, denn der Untergrund stieg jetzt an, und bald mußte sich die Vegetation zumindest an vereinzelten Stellen ein bißchen öffnen. Als er von der „Isabella“ aus mit scharfem Blick die Flußmündung gesichtet hatte, glaubte er auch ein paar helle Flecken in dem dichten Bewuchs erspäht zu haben.

Deshalb arbeitete er sich unverdrossen weiter voran.

Was er zu finden hoffte, wußte er so genau selbst nicht – vielleicht Spuren, die auf den Tiger hinwiesen. Die Reste eines Lagerfeuers, einer Mahlzeit im Freien, möglicherweise auch Behausungen.

Carberry hörte einen Laut und blieb stehen.

„Hasard“, raunte er. „Sir.“

„Was gibt’s, Ed?“

„Da ist was.“

Hasard verharrte ebenfalls und wandte sich zu ihm um. „Ed, willst du mir erzählen, hier spukt es? Hör damit auf, ehe du richtig anfängst.“

„Nein, Sir. Da ist was“, behauptete der bullige Profos steif und fest.

Ein Zeichen für die Richtigkeit seiner Behauptung lieferte jetzt Sir John. Der Papagei duckte sich auf seiner rechten Schulter. Seine Nakkenfedern sträubten sich, seine Augen schienen Angst auszudrücken.

Dann vernahm auch Hasard das Geräusch – und mit ihm die anderen vier.

Ein Grollen durchlief den Regenwald, ein unerklärliches, unterschwelliges und doch ungemein intensives Brüllen, das geradewegs den tiefsten Schlünden der Hölle zu entweichen schien.

Selbst der Seewolf konnte sich eines kalten Schauers nicht erwehren, der ihm über den Rücken lief. Sein Blick huschte von Mann zu Mann, und er las Repekt in ihren Mienen, ungeheuren Respekt.

Batuti rollte mit den Augen, daß das Weiße hervorzuquellen drohte.

„Teufel“, zischte Matt Davies. „Das hört sich ja an wie – wie …“

„Schsch“, flüsterte der Gambia-Neger und legte den Zeigefinger gegen die Lippen.

Unwillkürlich schwiegen die Männer wirklich. Batuti schlich zu Hasard, brachte seinen Mund ganz nah an dessen Ohr und raunte: „Batuti weiß – das Herr der Steppe. Furchtbarer Gegner.“

„Du sagst Steppe“, erwiderte Hasard fast genauso leise. „Wir befinden uns hier aber im Urwald. Meinst du vielleicht einen Löwen?“

„Ja, den.“ Batutis Züge nahmen einen ehrfürchtigen Ausdruck an.

„Dann weiß ich, wer das ist“, sagte der Seewolf. „In diesem Land existieren keine Löwen. Wohl aber Tiger.“

„Die sollen noch größer werden als Löwen“, raunte Gary Andrews.

„Ich hab noch keinen Tiger gesehen“, hauchte Pete Ballie, von Batutis Ehrfurcht angesteckt.

„Ich auch nicht“, erwiderte Gary. „Auch noch keinen Löwen.“

Hasard blickte sich aufmerksam um. Hätte er die Richtung bestimmen sollen, aus der das feindselige Grollen gedrungen war, hätte er sich nur schwer festlegen können. Es schien überall zu sein.

Sun Lo hatte ihm ein wenig über Tiger erzählt, über die schönen Tiere aus Bengalen und die blasser gezeichneten Exemplare eines fernen, kalten Landes, das er Sibirien genannt hatte. Gewaltige Raubkatzen, die einem ausgewachsenen Mann mit einem einzigen Tatzenhieb den Arm vom Rumpf trennen oder den Kopf abreißen konnten. Sie lebten nicht in Rudeln wie die Löwen Afrikas, sondern meistens als Einzelgänger, nur zur Paarungszeit zu zweit beziehungsweise nach der Geburt der Jungen einige Wochen lang als traute Familie.

Eigentlich gingen sie dem Menschen aus dem Weg, hatte der Mönch von Formosa zu berichten gewußt, aber es gäbe auch sogenannte „Menschenfresser“, Tiere, die unangenehme Erfahrungen mit Menschen gemacht hatten und ihnen deswegen nachstellten. Vor einem Element hatten jedoch alle Tiger Angst: vor dem Wasser.

Das Grollen kehrte wieder.

Die Männer fuhren unwillkürlich zusammen.

„Verdammt“, stieß Carberry aus. „Lassen wir uns von diesem Himmelhund etwa einschüchtern? Weiter, sage ich.“

„Ja“, meinte nun auch der Seewolf. „Dringen wir wenigstens bis zur ersten Lichtung vor. Ich stelle es euch aber frei, zum Boot zurückzukehren. Ed und ich kommen auch allein ganz gut voran.“

„Ach was“, antwortete Matt Davies. „Erstens haben wir die Hosen nicht voll, und zweitens würden wir euch auch mit vollen Hosen nicht im Stich lassen.“ Er sagte das im Brustton voller Überzeugung, äugte aber doch zu Sir John, der auf der Profosschulter immer kleiner zu werden schien.

Noch einmal wälzte sich das Brüllen des Tigers durch den Dschungel, diesmal ganz nah.

Sir John schlüpfte von der Schulter aus in Carberrys Wams. Er kuschelte sich zusammen und verharrte reglos. Nichts auf der Welt hätte ihn bewegen können, diesen sicheren Platz wieder zu verlassen.

„Augenblick“, flüsterte Pete Ballie.

„Was ist?“ zischte Gary. „Du machst mich ganz kribbelig.“

„Wieso geht der Papagei in Dekkung?“

„Instinkt“, erwiderte Matt Davies.

„Meinetwegen“, sagte Pete. „Aber meistens fliegt er auf, wenn es brenzlig wird.“

Hasard und Carberry blieben am Kopf der Gruppe stehen, als Pete dies sagte. Sie fühlten sich veranlaßt, den Blick zu heben.

„Du meinst, Sir John ist nicht weggeflogen, weil die Gefahr von oben kommt?“ raunte der Profos seinem Kapitän zu. „Ach wo. Tiger klettern doch nicht auf Bäume.“

„Woher weißt du das?“ fragte Hasard.

„Hat Sun Lo das nicht gesagt?“

„Mir nicht.“

Carberry stand plötzlich wie vom Donner gerührt.

„Sir“, würgte er hervor. „Ich – ich sehe ihn.“

Hasard hatte den Urheber der unheimlichen Laute nun auch entdeckt. Die vier anderen folgten seinem und Carberrys Blick – und da sahen auch sie das Tier. Zwischen Blättern hindurch gewahrten sie es auf dem niedrigen Ast eines gewaltigen, urweltlich wirkenden Baumes.

Majestätisch, reglos, den Blick unverwandt auf den kleinen Trupp gerichtet, ein Bild vollkommener Harmonie zwischen Schönheit des Körpers, Kraft und samtfarbener Streifenzeichnung, so bot sich die große Katze ihren Augen dar.

„Der Herr des Waldes“, murmelte Hasard. Er konnte den Blick nicht von diesem einzigartigen Tier nehmen. Man mußte von dieser Kreatur überwältigt sein. „Duldet er uns – oder will er uns verjagen?“

Carberry gab Gary Andrews einen Wink. Gary hob daraufhin die mitgebrachte Muskete. Batuti öffnete jedoch den Mund, um zu protestieren.

Und Hasard sagte nun auch: „Nein, nicht schießen. Er hat uns nichts getan.“

„Er kann uns alle töten“, widersprach Carberry.

„Aber ihm steht die gleiche Würde, der gleiche Respekt zu wie einem Zweibeiner“, sagte der Seewolf. „Erst wenn wir angegriffen werden, wehren wir uns unserer Haut.“

Der Tiger öffnete das Maul und zeigte ihnen seine spitzen, dolchartigen Reißzähne. Zehn, höchstens fünfzehn Yards entfernt lag er auf dem schweren Baumast, und das Grollen, das er von sich gab, dröhnte wie Donner in den Ohren der Männer.

Hasard stellte einen Vergleich mit dem Anführer der malaiischen Freibeuter an. Würde und Gewandtheit, Stolz, Kraft, ein Ausdruck der Unbesiegbarkeit – trafen alle diese Attribute tatsächlich auch auf den Mann von Malakka zu?

„Da“, stieß Batuti aus. „Tiger steht auf.“

Und wirklich, der Herrscher über den Dschungel richtete sich lautlos auf – zu seiner vollen Größe, die den Männern der „Isabella“ erst jetzt richtig bewußt wurde. In fließender Bewegung drehte sich das Tier, verließ den Ast, glitt den Baumstamm hinunter und wurde vom Dickicht verschluckt.

„Mann“, keuchte Pete Ballie. „Jetzt pirscht er sich an, um uns zu vertilgen.“

Hasard erwiderte: „Haltet die Waffen schußbereit. Wir kehren zum Boot zurück. Schaut euch ständig nach allen Seiten um.“

„Wir hören schon, wenn der Bruder naht“, meinte Matt Davies. „Er faucht ja laut genug.“

„Das glaubst du auch bloß“, entgegnete Gary. „Von jetzt an verhält er sich mucksmäuschenstill, sage ich dir.“

„Herr der Tiere“, versetzte der Gambia-Neger gedämpft. „Meister der Jagd.“

Sie hatten den Weg zum Beiboot der Galeone halb zurückgelegt, da zerriß ein Donnerhieb die Stille. Hasard setzte sich sofort wieder an die Spitze seiner Gruppe und stürmte los. Als er aus dem Dickicht brach und das Flußufer erreichte, sah er einen bleichen Jeff Bowie im Boot stehen. Das Boot schwankte, Jeff trachtete es durch ausgleichende Beinarbeit in eine ruhigere Lage zu bringen.

„Hölle, Jeff!“ rief der Seewolf. „Warst du das?“

„Ja, Sir. Wir hatten doch ein paar Höllenflaschen mitgenommen. Ich habe schnell eine davon gezündet, als dieser – dieser Teufel im Gebüsch auftauchte.“

„Der Tiger?“

„Ja, das muß wohl ein Tiger gewesen sein“, sagte Jeff verdattert. „Ich habe die Flasche nach ihm geschleudert, dann war er weg wie der Blitz.“

Hasard ließ sich die Stelle zeigen, an der Bowie die große Raubkatze gesichtet hatte. Die Explosionsflasche hatte das Dickicht im Umkreis von etwa fünf Yards geplättet und einen kleinen Krater in den weichen Boden gerissen. Schwarze Erde haftete an den Mangrovenblättern, es sah aus, als habe ein fürchterlicher Kampf stattgefunden.

Von dem Tiger aber keine Spur.

Hasard grinste. „Eine gute Reaktion, mein Freund. Es hätte dich um ein Haar erwischt. Ich hätte dir aber auch niemals verziehen, wenn du unserem guten Jeff zu Leibe gerückt wärst.“

Bei der Rückfahrt zur „Isabella“ beteuerte Jeff immer wieder, der Tiger habe ihn anspringen wollen, er habe alle Anstalten dazu getroffen, unverkennbar.

„Also doch ein Menschenfresser“, sagte der Seewolf. „Das gibt mir zu denken. Falls Rempang ganz unbewohnt ist, hat der Tiger bestimmt mit dazu beigetragen.“ Sie hatten das Dickicht verlassen und pullten auf die See hinaus. Hasard richtete sich auf und gab Ben Brighton ein Zeichen. Ben hatte nach der Explosion der Flasche bereits ein zweites Boot bemannen lassen und wollte gerade aufbrechen, um den Kameraden zu Hilfe zu eilen.

Seewölfe Paket 7

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