Читать книгу Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 30

5.

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Nicht nur die „Santissima Madre“ sank in der Bucht der Insel. Auch die „Santa Barbara“ und die „San Juan“, von den Flammen weitgehend zerstört, neigten sich dem Grund entgegen. Die „Santa Barbara“ krängte hart nach Steuerbord, bevor sie sich den Blicken der Seewölfe entzog. Die „San Juan“ wurde stark buglastig und hob ihr Heck aus dem Wasser. Danach tauchte sie rauschend unter. Das letzte Feuer in ihrem Achterkastell erlosch zischend.

Hasard erkundigte sich an der Bordwand der „Isabella“: „Ben, haben wir Verluste?“

„Keine Sir!“ rief sein Bootsmann von oben zurück. Grinsend hatte er den Kopf übers Schanzkleid geschoben. „Nur ein paar unbedeutende Blessuren.“

Der Seewolf atmete auf. „Großartig. Schicke Carberry, Ferris Tukker und Smoky zu mir herunter. Wir entern vorläufig nicht auf. Ich will die Insel inspizieren und sehen, ob wir etwas für die Eingeborenen tun können.“

„Aye, Sir. Wir warten hier auf euch?“

„Ja, Ben. Wenn wir Verstärkung brauchen – was ich nicht glaube –, gebe ich dir ein Zeichen.“

Wenig später schob sich der Bug der Jolle knirschend in den Ufersand. Hasard sprang als erster an Land. Er begann, die teils im seichten Wasser, teils auf dem Strand liegenden Gestalten zu untersuchen. Ferris Tucker trat zu ihm, und Hasard schaute ihn an.

„Keiner hat es überlebt“, sagte er. „Diese Flaschen haben eine wirklich verheerende Wirkung.“

„Die Dons haben es nicht anders gewollt …“

„So habe ich das nicht gemeint.“

„Sicherlich hätten wir einiges Blutvergießen vermeiden können“, fuhr der große, rothaarige Mann unbeirrt fort. „Aber nur, wenn die Dons nicht verrückt gespielt hätten.“

Hasard sah ihn fest an. „Ich wollte nur ausdrücken: Es kann kaum jemand ins Innere der Insel entwischt sein. Das ist alles, Ferris. Wir haben ein ganzes Dorf unschuldiger Männer, Frauen und Kinder vor dem Tod bewahrt, und allein das rechtfertigt unser Verhalten.“

Er stieg mit seinen sieben Männern zum Dorf hinauf. Hier konnten sie nur noch dem Abklingen des vernichtenden Feuers beiwohnen. Der feuchte Regenwald stoppte die Flammen am Saum des freien Platzes, der von der Existenz der einstigen Fischersiedlung zeugte. Ein Ausbreiten des Brandes, ein Dschungelfeuer, war nicht möglich.

Von den Hütten waren nur kärgliche Aschereste geblieben. Es hatte wenig Sinn, die von diesen Haufen aufzüngelnden Flammen zu löschen.

„Damit erreichen wir nichts“, sagte der Seewolf nach einem kurzen Dialog mit Carberry. „Die Eingeborenen müssen das Dorf ohnehin neu aufbauen, und es ist fraglich, ob sie es am selben Platz tun werden.“

„Wir haben hier also unsere Schuldigkeit getan“, meinte der Profos. „Wir können wieder abhauen, oder?“

„Nicht ganz. Ich will die Eingeborenen suchen.“

„Hasard“, sagte Carberry mit düsterer Miene. „Es könnten Kopfjäger sein wie die Burschen auf Kalimantan. Was haben wir davon, wenn sie uns die Rüben abhacken, sie in einen großen Topf schmeißen und Schrumpfschädel daraus herstellen?“

Dan grinste diabolisch. „Einen echten Gewinn, zumindest, was dich betrifft, Ed.“

„Sei du bloß still …“

„Wenn dir nämlich nach dem Abhacken ein neues Haupt nachwächst“, fuhr Dan unbeirrt fort, „ist das bestimmt besser mit Grips aufgefüllt als die jetzige Birne. Außerdem hast du dann ein neues, schöneres Gesicht und …“

„Köpfe wachsen nicht nach“, sagte der Profos drohend. „Und wenn du nicht aufhörst, hau ich dir den Schädel platt, daß das ganze Stroh ’rauskommt. Kapiert?“

Er holte schon mit der rechten, klüsengroßen Pranke aus, und Dan hielt es nun wirklich für angebracht zu schweigen.

Edwin Carberry wandte sich noch einmal an den Seewolf. „Du willst dich allen Ernstes in den verteufelten Busch wagen und nachsehen, wohin sich die Wilden verzogen haben? Jetzt, mitten in der Nacht?“

„Ja. Ich glaube nicht, daß die Leute Kopfjäger sind. Nein, auch keine Kannibalen, Ed. Sun Lo hat mir gesagt, daß so rüde Bräuche nur auf den weiter östlich liegenden Inseln herrschen.“

„Der ist auch nicht allwissend.“

„Profos“, sagte der Seewolf hart. „Du kannst ja an Bord der ‚Isabella‘ zurückkehren, wenn du die Hosen voll hast.“

Das saß. Carberry senkte den Schädel ein wenig, streckte sein Rammkinn vor und marschierte als erster auf den Inselurwald zu. Nein, als Feigling ließ er sich nun wirklich nicht einstufen. Entschlossen zückte er seinen schweren Cutlass und begann, auf das widerspenstige Dikkicht einzudreschen, um einen Durchlaß zu schaffen.

Hasard ließ sich von Dan O’Flynn eine mitgebrachte Pechfackel anzünden. Damit gab er ein Zeichen zur „Isabella“ hinüber, und Ben antwortete, indem er die inzwischen in Betrieb gesetzte Achterlaterne der großen Galeone zweimal kurz zudeckte und dann wieder aufflammen ließ.

„Gehen wir“, sagte der Seewolf. „Fackeln und Waffen haben wir genug mitgeschleppt, wir werden schon heil zurückkehren.“

Schwitzend, außer Atem und nervlich fast völlig zerrüttet verhielt der Teniente Savero de Almenara. Es hatte ihn Kraft und Schweiß gekostet, sich mit dem Säbel durch das schlüpfrig-feuchte Dickicht zu arbeiten. Er hatte die Orientierung fast völlig verloren, schaute zu dem blassen Mond und den Sternen auf, fand aber auch dort keine Möglichkeit, sich zu orientieren, wo Norden, Süden, Osten und Westen lagen.

„Hölle“, keuchte er. „Ich bin Soldat. Kein Seemann.“

„Das hat nie jemand bezweifelt“, raunte eine Stimme rechts neben ihm.

Sie gehörte dem Feldscher der „Santa Barbara“. Der Mann hatte sich ihm angeschlossen, als er, de Almenara, vom Strand aus die Flucht ins Inselinnere angetreten hatte. Außer ihnen beiden hatte sich noch Siabu, der Batak, absetzen können – und ein vierter Mann, ein einfacher Soldat, der beim Sturz aus dem Boot seinen Helm eingebüßt hatte.

„Laß deine dämlichen Witze“, sagte der Teniente rauh. „Wir sitzen tief genug in der Tinte. Da brauchen wir uns nicht gegenseitig aufzuziehen.“

„Es ist das einzige, was mich hochhält“, sagte der Feldscher. „Übrigens habe ich den Richtungssinn auch verloren.“

„Laßt mich vor“, flüsterte der Batak. „Ich finde mich schon zurecht. Sie müssen mir nur sagen, wohin Sie wollen, Teniente.“

„Das weiß er selbst nicht“, zischte der Feldscher.

„Feldscher, paß auf, daß ich dir nicht die Faust ins Gesicht schlage“, sagte der Teniente nur mühsam beherrscht. „Ich kann deine Art auf den Tod nicht leiden.“

„Du wirst dich daran gewöhnen“, erklärte der Wundarzt. „Wir sitzen in einem Boot.“

„Eben deshalb hast du dich meinem Kommando unterzuordnen.“

„Du irrst dich, Teniente. Ich bin auf der ‚Santa Barbara‘ gefahren, du kommst von der ‚Santissima Madre‘. Aber ein Mann meines Berufs läßt sich von einem Teniente nichts vorschreiben, und wenn dieser tausendmal vom Flaggschiff des Verbandes stammt.“

„So ist das also“, sagte de Almenara. Er ballte die Hände fest zusammen und beschloß, sich bei nächster Gelegenheit entsprechend zu revanchieren. Im Moment erschien es ihm wenig aussichtsreich, handgreiflich zu werden und den Feldscher auf diese Art zu unterwerfen. Er konnte ja nicht einmal sehen, wo der Kerl stand.

„Ich schlage vor, wir beschreiben einen Bogen, pirschen zum Dorf zurück und schnappen uns eins der Eingeborenenboote“, wisperte der Feldscher. „Was bietet uns die Insel? Keinen wirklichen Schutz. Vielleicht suchen der Seewolf und seine Bastarde bald nach uns, vielleicht scheuchen sie uns den Wilden in die Hände – oder dem ‚Tiger von Malakka‘, der sich ja auch hier irgendwo versteckt halten könnte.“

„Es ist noch zu früh“, entgegnete der Teniente.

„Das finde ich auch“, pflichtete der Batak ihm bei. „Der Seewolf hat den Kampf gewonnen, wer von unseren Kameraden noch fliehen konnte, hat das getan.“

„Daran besteht kein Zweifel“, sagte der Feldscher. Es klang spöttisch.

„Jetzt warten die Korsaren auf jeden Fall den Morgen ab“, fuhr Siabu fort. „Sie stellen Wachen auf und knallen jeden ab, der sich der Küste nähert. Sie können sich doch auch an fünf Fingern abzählen, daß wir zurückschleichen und aufs Meer zu entkommen versuchen.“

„Dazu müssen sie erst mal wissen, daß wir hier im Urwald sind“, sagte der Soldat. „Ich glaube, sie haben nicht beobachten können, daß wir auf und davon sind.“

„Könnte stimmen“, sagte der Feldscher lakonisch.

„Folglich?“ fragte Siabu.

„Folglich schlagen wir uns durch, so gut es geht, und warten, bis der Feind abgerückt ist“, erwiderte der Teniente. „Ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt, es bleibt unsere einzige Chance. Suchen wir jetzt einen Unterschlupf für die Nacht.“

Der Batak drückte sich an ihm vorbei und untersuchte die Umgebung, so gut das bei den Lichtverhältnissen möglich war. Nur ein paar Streifen fahlen Mondlichts drangen bis auf die ledrigen Blätter des Lianengesträuchs. Aber Siabu war sich seiner Sache bald sicher.

Er trat wieder neben den Teniente und wies in eine Richtung, die de Almenara völlig falsch erschien.

„Hier entlang“, flüsterte der Batak jedoch. „Wir gelangen auf diesem Weg zum höchsten Punkt der Insel. Dort wachsen weniger Bäume und Büsche, und dort finden wir vielleicht eine Höhle oder wenigstens einen Überhang, der uns Schutz bietet.“

Der Soldat hatte sich vorgeschoben. „Gibt es hier wilde Tiere?“

„Natürlich gibt es die“, erwiderte der Feldscher voll Sarkasmus. „Giftige Schlangen, faustgroße Spinnen, die dir ins Gesicht beißen, Blutsauger, Raubkatzen. Was willst du mehr?“

„Hör auf“, zischte der Teniente.

„Vielleicht lauert uns sogar ein echter Tiger auf …“

Der Teniente hatte den Standplatz des Feldschers entdeckt und wollte jetzt mit der Faust in diese Richtung schlagen, aber Siabu legte ihm die Hand auf den Unterarm und raunte: „Sehen Sie doch – dort.“

Der Teniente wandte unwillig den Kopf, zog dann aber vor Verwunderung die Augenbrauen hoch und öffnete den Mund. Vor ihnen in der verfilzten, menschenfeindlichen Selva schimmerte ein Lichtfleck. Aus der Art, wie er sich immer weiter nach rechts verlagerte, folgerte der Teniente: „Das muß eine Fackel sein.“

„Der Seewolf ist aufgebrochen, um den nackten Wilden die frohe Botschaft ihrer Rettung zu bringen“, murmelte der Feldscher. „Ich wette, daß es so ist.“

„Warum folgen wir der Fackel nicht?“ fragte der Batak. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Wenn „El Lobo del Mar“ sie tatsächlich zu den Eingeborenen führen sollte, wenn sie auf Otonedju, den Stammesältesten, stießen — dann würde er, Siabu, sich fürchterlich rächen. Er spürte den Schmerz, den ihm die Schnittwunden bereiteten, immer noch. Dafür und für die Schmach, die er ihm zugefügt hatte, mußte Otonedju büßen, büßen …

„Los“, sagte der Teniente. „Hinterher. Bemühen wir uns, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.“

Eigenartig war die Insel des Riau-Archipels beschaffen. Oberhalb der steinigen Küste bildete ein weicher Untergrund den idealen Nährboden für alle Arten von tropischen Pflanzen. Mangrovenblätter schlugen den Seewölfen gegen Leib und Gesichter, es duftete herb nach unbekannten Blüten. Ein meilenbreiter Gürtel düsterer Erde – vielleicht vulkanischen Ursprungs – hatte sich um das ganze Eiland geschlossen. Nur in größerer Höhe öffnete er sich wieder zu ein paar bizarren Felsenformationen, die Zentrum und Gipfel der Insel bildeten.

Hasard hatte dies am Spätnachmittag beim Anlaufen der Insel schon festgestellt. Jetzt steuerte er instinktiv zu den oberen Felsen hinauf. Wenn die Eingeborenen sich versteckt hatten, mußten sie seines Erachtens dort oben hocken.

Fast zwei Stunden Arbeit kostete es die acht Männer, dann hatten sie eine kleine Lichtung oberhalb eines überwucherten Hanges erreicht. Hier verharrten sie und wischten sich den Schweiß aus den Gesichtern.

„Hier sind sie auch nicht“, sagte der Profos. „Ich hab’s ja geahnt. Der Teufel soll die Scheißinsel holen und ihre Bewohner dazu.“

„Ed, das ist nicht nett von dir“, sagte Sam Roskill.

„Nie nett gewesen“, grollte Carberry. „Vielleicht sitzt das Volk auch im Gestrüpp und glotzt uns aus sicherem Versteck wie ein Rudel fremder Tiere an.“

Hasard schritt über die Lichtung und leuchtete den jenseitigen Blättervorhang mit der Fackel ab. Er wollte sich gerade wieder zu seinen Männern umdrehen, da huschten zwei Gestalten auf ihn zu. Wie aus dem Nichts waren sie plötzlich da, zwei junge Männer, nach der Art der Malaien gekleidet, jedoch mit freien Oberkörpern. Der eine hatte einen Kris, der andere einen Parang.

Der Seewolf schleuderte die Fackel zur Lichtungsmitte, ließ sich gleichzeitig fallen und riß die Beine hoch. Seine Füße trafen die Bauchpartien der Gegner – ein erstaunlicher Trick und zudem die einzige Art, zwei Widersacher im selben Moment abzufertigen. Auch diese Methode hatte Sun Lo, der Mönch von Formosa, dem Seewolf beigebracht. Und Hasard war ihm wieder einmal unendlich dankbar dafür.

Die jungen Krieger stießen keuchende Laute aus und prallten zurück. Hasard schwang wieder hoch. Der Kris-Mann schleuderte seinen gewundenen Dolch, aber Hasard bot kein gut sichtbares Ziel mehr, weil er sich der Fackel entledigt hatte. Vielmehr fühlte sich der Gegner durch das zuckende Licht von links etwas geblendet. Der Kris huschte an Hasard vorbei und blieb in einem Baumstamm stecken.

Carberry, Shane, Ferris und Blakky umrundeten die liegende Fackel links und rückten auf die Kämpfenden zu. Smoky, Sam und Dan schoben sich von der anderen Seite heran.

Hasard flog plötzlich auf den nun waffenlosen Malaien zu, rammte ihn zu Boden und rollte sich über dessen Körper weg ab. So wirbelte er auf den zweiten Burschen zu. Der Parang beschrieb beängstigende Zukkungen in der Luft. Er war ein Zaubergerät in den Händen des Malaien. Zweimal versuchte er, den Seewolf zu treffen, doch beim dritten Ansatz kam Hasard ihm zuvor.

Hasard prallte dem jungen Krieger gegen die Beine, fuhr gleichzeitig hoch und wuchtete ihm den ausgestreckten Arm unter den Ellenbogen. Der Bursche stieß einen Wehlaut aus. Sein Arm war paralysiert und gefühlslos, er mußte den Parang loslassen, ob er wollte oder nicht.

Der Parang fiel und blieb im weichen Untergrund stecken.

Hasard packte die Fußknöchel des jungen Burschen und brachte ihn zu Fall, bevor er ausreißen konnte.

Carberry hatte sich den anderen geschnappt und trug ihn mühelos mit einer Hand zum Seewolf.

„Du krummbeiniger Kakerlak“, sagte er dabei. „Ich könnte dich an meinem Arm verhungern lassen, weißt du das?“

„Er versteht dich nicht, Ed“, sagte Ferris Tucker.

„Aber er begreift, daß er verraten und verkauft ist.“

„Laß ihn heil“, ermahnte Shane den Profos. „Wir sind die Freunde der Malaien, hast du das vergessen?“

„Ich denke immerzu daran“, brummte der Profos. „Wir wissen, daß es so ist, aber wissen diese Knaben es auch?“ Er war stocksauer, und auch Sir John, der auf seiner Schulter hin und her trippelte und ihn am Ohr zupfte, konnte seine Laune nicht bessern.

Hasard hatte den Parang in seinen Gurt geschoben. Den Gefangenen dirigierte er jetzt vor sich her.

„Folgt mir“, sagte er. Zielbewußt steuerte er ins Dickicht, das die gegenüberliegende Begrenzung der kleinen Lichtung bildete.

Dan O’Flynn nahm die Fackel auf. Shane hatte sich den Kris angeeignet, der im Baum steckengeblieben war.

Was sie nicht erwartet hatten: Nicht weit von der Lichtung entfernt riß der Blättervorhang unvermittelt wieder auf, und sie sahen einen sanft aufstrebenden Hang im Mondlicht vor sich liegen, der zu Felsentürmen hinaufführte. Die beiden Malaien sträubten sich erheblich gegen Hasards und Carberrys Griff – und das war für den Seewolf das sicherste Zeichen, daß er auf der richtigen Spur war.

Es nutzte den jungen Kriegern nichts, sie mußten mit den Seewölfen den Hang emporklimmen.

Auf halber Strecke stieß Smoky plötzlich einen Warnlaut aus. „Achtung, Hasard – über dir!“

Hasard schaute zu den wuchtigen Felsen auf und gewahrte die Gestalten, die sich jetzt überall hochschoben. Waffen wurden auf die kleine Gruppe gerichtet, Parangs, Dolche, Speere.

Hasard blieb stehen und hob eine Hand. Die andere brauchte er, um den Krieger festzuhalten.

„Wir sind Freunde“, sagte er zu den Eingeborenen hinauf. „Amigos. Versteht mich denn keiner?“ Er versuchte es noch einmal, aber die Feindschaft der Malaien war eine stumme Barriere, die sich entschlossen gegen sie richtete.

Hasard ließ seinen Gefangenen los.

„Ed, gib auch den anderen Jungen frei“, sagte er. „Nun sieh mich nicht so an. Das ist ein Befehl.“

Ed Carberry befolgte die Anweisung und blickte den davonhetzenden jungen Kriegern nach. Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als zu ihren Stammesbrüdern zu laufen, sich neue Waffen aushändigen zu lassen und dann den Seewölfen zu drohen.

Carberry verstand die Welt nicht mehr. Was war denn in den Seewolf gefahren?

Hasard hob beide Hände über den Kopf. Er schritt mutig weiter, lächelte und hörte nicht auf, auf die Männer des abgebrannten Dorfes einzureden.

Schließlich drehte er sich zu seinen Männern um und sagte: „Legt alle Waffen hin. Dan, halte die Fackel etwas höher. Sie sollen sehen, daß unsere Absichten nicht feindlich sind.“

„Wenn das man gutgeht“, murmelte Sam Roskill, der jetzt auch skeptisch geworden war. Er gehorchte dem Befehl aber selbstverständlich auch. Acht Seewölfe bückten sich und richteten sich dann wieder von ihren Pistolen, Säbeln und Entermessern auf. Sie fühlten sich ziemlich nackt.

„Wir sind Engländer“, versuchte Hasard den Eingeborenen auseinanderzusetzen. „Keine Spanier, wie ihr vielleicht denkt. Wir sind Feinde der Spanier, genau wie ihr. Aber ihr braucht vor den Dons keine Angst mehr zu haben, vorläufig jedenfalls nicht. Euer Dorf ist niedergebrannt, aber ihr lebt und könnt mit dem Wiederaufbau beginnen.“

Wieder hatte er einige Schritte zurückgelegt.

Dan hatte sich an seine Seite gebracht. „Ich habe Höhleneingänge entdeckt“, sagte er verhalten. „Sie sind kaum zu erkennen, aber ich schätze, daß es sich mindestens um ein halbes Dutzend Grotten handelt. Dort haben sich bestimmt die Frauen, Kinder und Greise versteckt. Die Krieger werden alles tun, um sie zu verteidigen.“

„Du meinst, es ist zu riskant, was wir tun?“

„Willst du es auf einen Versuch ankommen lassen?“

„Ja“, sagte der Seewolf und kletterte weiter.

Und dann geschah etwas Seltsames, das keiner erwartet hatte, wahrscheinlich nicht einmal die Malaien selbst. Hasard konnte zwischen sie treten, ohne niedergestreckt oder durchbohrt zu werden. Die Eingeborenen beschränkten sich darauf, etwas zurückzuweichen und ihn unverändert feindselig anzublikken.

Was war die Ursache für ihr Zögern? Die Tatsache, daß die Seewölfe sich ihrer Waffen entledigt hatten? Hasards sicheres Auftreten? Die acht von der „Isabella“ wußten es nicht. Nur in einem war der Seewolf sicher. Die Malaien verstanden kein Wort von dem, was er zu ihnen sagte.

Hasard stand auf einem kleinen Plateau. Seine sieben Begleiter gruppierten sich dicht hinter ihm. Sie schritten langsam weiter, auf die Höhlen zu, und die Krieger unter der Führung eines alten, weißhaarigen Mannes mit prägnanten Zügen bewegten sich rückwärts.

Hasard nahm die Fackel und leuchtete in die Höhleneingänge. Und da sah er sie kauern: die Frauen, die Kinder aller Altersklassen, die alten Frauen und Männer des Stammes. Wie viele? Hundert? Mehr? Er vermochte ihre Zahl nicht zu schätzen.

Ängstlich wichen auch sie vor den Fremden zurück.

Hasard drehte sich den Kriegern zu. Er wollte dem alten Mann durch Zeichen zu verstehen geben, aus welchem Grund sie hier waren. Aber Dan stieß ihn plötzlich mit dem Ellbogen an.

Eine Wende der Situation war eingetreten.

Hasard erlaubte sich einen Rundblick. Das Ergebnis lautete, daß die neue Lage keineswegs zu ihren Gunsten sprach.

Abenteuerliche Gestalten hatten sich ringsum aufgerichtet, auf den Höhen der Felsentürme, im Dickicht vor den Höhlen, am Hang, den die Seewölfe eben noch hinaufgeklettert waren. Lautlos waren sie erschienen, und sie hielten die Waffen von Hasard und seinen Männern. Sie legten auf die unerwünschten Gäste an.

Hasards Blick verharrte auf einem Mann von überraschend hoher Gestalt. Einen Turban trug dieser dunkelhaarige, bärtige Schurke auf dem Kopf, und um seine Hüfte hatte er sich einen breiten, schärpenartigen Gurt gewunden. In seiner rechten Hand blinkte ein Krummsäbel.

Hasard schritt auf ihn zu.

„Ein großartiger Auftritt“, sagte er, aber es war seinen Männern nicht ganz klar, ob er zu ihnen oder zu den exotisch und wild aussehenden Kerlen sprach.

„Wir sind perfekt überrumpelt worden“, fuhr der Seewolf fort. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu kapitulieren. Wir könnten die Fischer als Geiseln nehmen und uns auf diese Art schützen, aber wir sind ja nicht als Feinde hier.“

Er blieb vor dem Turbanträger stehen. „Oder bist du anderer Meinung – Tiger von Malakka?“

Seewölfe Paket 7

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