Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 48
4.
Оглавление„Hool weg! – Hoool weg …“
Ferris Tuckers Stimme schallte über das Wasser. Die Rudergasten, die das Beiboot der „Isabella“ zur „Hoek van Holland“ hinüberpullten, zogen die Riemen gleichmäßig und kräftig durchs Wasser. In ihren Gesichtern spiegelten sich deutlich Spannung und Neugier.
Philip Hasard Killigrew saß im Heck des Bootes.
Er fand, daß er dem Kapitän der holländischen Galeone Dank schuldete. Erstens stand noch lange nicht fest, was passiert wäre, wenn die Spanier die „Isabella“ tatsächlich in die Zange genommen hätten, zweitens hatten die Holländer nicht wissen können, welch ungeheuer wirkungsvolle Waffen die Brandsätze waren. Für die „Hoek van Holland“ war es ein tollkühnes Unterfangen gewesen, einem fremden, beschädigten Schiff im verzweifelten Kampf gegen eine erdrückende Übermacht beizustehen.
Hasards Blick glitt über die Männer, die sich am Steuerbordschanzkleid der Galeone drängten.
Harte, verwegene Männer, von Wind und Wetter gebräunt, von der salzigen See zurechtgeschliffen. An dünnen Ketten hingen Münzen um ihren Hals, einige frei auf der Brust, andere unter Jacken und Hemden verborgen. Aber sie alle trugen ihn, jenen legendären „Geusenpfennig“ mit dem Bildnis Philipps des Zweiten auf der Vorderseite und dem Bettelsack auf der Rückseite, dem Abzeichen ihres Freiheitskampfes.
Geusen, Bettler – so hatten die Spanier die holländischen Edelleute genannt, die sich dem Terror nicht beugen wollten.
Geusen nannten sie sich jetzt selbst. Und deshalb lag ein makabrer Doppelsinn in der Aufschrift der Münze: „En tout fidelles au roy – Jusques a porter la besace. Stets treu dem König — bis zum Tragen des Bettelsacks“.
Zu Lande bekämpfte der Geusenbund immer noch zäh und beharrlich die spanische Herrschaft.
Und die Schiffe der Wassergeusen verunsicherten sogar die spanischen Küsten: Vagabunden zur See, die sich keinem Joch beugten, die für ihre Freiheit und ihr Vaterland kämpften, genau wie es die Seewölfe taten. Sie waren aus dem gleichen Holz geschnitzt, die Männer der „Isabella“ und der „Hoek van Holland“. Und das war ein hartes, ein verdammt hartes Holz, an dem sich die Spanier schon mehr als einmal die Zähne ausgebissen hatten.
Hasard enterte als erster auf und schwang sich über das Schanzkleid.
Der Kapitän der „Hoek van Holland“ erwartete ihn an der Jakobsleiter. Ein großer, hagerer Mann, nicht so breitschultrig und stämmig wie die meisten anderen Holländer, die die Seewölfe kannten. Braunes, dichtes Haar kräuselte sich um den schmalen Kopf. Aus dem kühnen Gesicht mit der scharf gebogenen Nase blickten hellwache Augen. Aufmerksam sah er den Seewolf an, dann streckte er lächelnd die Hand aus.
„Willkommen auf der ‚Hoek van Holland‘, Kapitän“, sagte er in akzentfreiem Englisch. „Man nennt mich Jan Joerdans. Ich gratuliere Ihnen und Ihren Männern zu der hervorragenden Aktion. Ohne Ihr Eingreifen wäre es uns kaum gelungen, die ‚San Cristobal‘ zu versenken.“
„Und der Himmel allein weiß, wie es uns ohne Ihre Hilfe ergangen wäre. Mein Name ist Philip Hasard Killigrew. Wir schulden Ihnen Dank, Kapitän Joerdans.“
„Schuldet man einander Dank, wenn man die eigenen Feinde bekämpft? Kein Meergeuse wird je einen Spanier ungeschoren lassen …“ Er stockte, und die klugen braunen Augen verengten sich. „Philip Hasard Killigrew? Ihr seid der Seewolf?“
„So nennt man mich, ja …“
„Dann ist es uns eine doppelte Ehre, Sie und Ihre Männer begrüßen zu können. El Lobo del Mar, den die Spanier wie den Teufel fürchten! Kommen Sie, geben Sie uns die Ehre, einen Becher mit uns zu leeren. Dies ist mein Steuermann, Pieter Ameland. Dies hier Marten Routs, Rogier van de Kerkhove …“
Die Männer schüttelten sich die Hände, machten sich miteinander bekannt. Hier gab es kein Mißtrauen und keine Vorbehalte. Die Seewölfe spürten, daß sie unter Freunden waren, und die Männer mit den glänzenden Abzeichen an der Brust traten ihnen mit der gleichen selbstverständlichen Herzlichkeit entgegen.
Fast eine Stunde blieben Hasard und seine Männer an Bord der „Hoek van Holland“.
Sie sprachen über ihre Ziele, über das Cadiz-Unternehmen, das offenbar alle Aussichten hatte, zur Legende zu werden, über die Frage, ob und wann die spanische Armada England angreifen würde. Jan Joerdans und Philip Hasard Killigrew waren sich einig darüber, daß das Husarenstück auf der Reede von Cadiz die ehrgeizigen Pläne Philipps II. wohl um eine ganze Weile verschieben würde. Nachdenklich blickte der Holländer in sein Glas, in dem dunkelroter andalusischer Wein funkelte.
„Vielleicht ist die Zeit jetzt günstig“, sagte er leise. „Der feige Mord an Wilhelm von Oranien hat die Niederlande gelähmt. Antwerpen ist gefallen, Allessandro Farnese drängt schon lange darauf, die aufständischen Nordprovinzen zurückzuerobern. Jetzt hat sich gezeigt, daß Spanien verwundbar ist. Und es waren schon einmal die Wassergeusen, die den Freiheitskampf entschieden haben.“
Hasard hatte aufmerksam zugehört. Langsam führte er das Glas an die Lippen und nahm einen Schluck.
„Und jetzt?“ fragte er. „Planen die Wassergeusen einen neuen Schlag gegen Spanien?“
Ein schnelles Lächeln huschte über Jan Joerdans’ Gesicht. „Die Wassergeusen haben nie aufgehört, diesen großen Schlag zu planen. Heute sind wir Vagabunden zur See, aber morgen kann sich das schon ändern. Westlich von hier liegt eine Insel, die zu klein und unbedeutend ist, um von den Spaniern angelaufen zu werden. Aber es gibt dort eine Bucht, die ein ausgezeichnetes Versteck bietet. Schon morgen werden wir uns dort mit der ‚Oranje‘ und der ‚Anneke Bouts‘ treffen. Marius van Helder hat immer noch einen Namen, bei dessen Klang das Herz jedes Niederländers höher schlägt. Vielleicht können wir die spanischen Schiffe aus den südlichen Häfen treiben. Vielleicht bedarf es nur dieses Funkens, und wir werden Allessandro Farnese aus dem Land jagen.“
Hasards Augen funkelten. „Wir wünschen euch Glück, Kapitän Joerdans!“
„Ah! Trinken wir darauf! Auf Englands Sieg und die Freiheit der Niederlande!“
Klirrend stießen die Becher aneinander.
Auf der Kuhl nahmen die übrigen Männer die Worte auf, sprangen auf die Füße und schwenkten mit blitzenden Augen gefüllte Mucks und Rumflaschen.
„Auf Englands Sieg! Auf die Freiheit der Niederlande!“
Es dämmerte bereits, als die Seewölfe die „Hoek van Holland“ wieder verließen.
Die „Isabella“ segelte nordwärts davon. Hasard stand auf dem Achterkastell, blickte über das dunkle Wasser und warf einen letzten Blick auf das stolze Geusenschiff, das hoch am Wind nach Westen rauschte.
Er konnte nicht ahnen, wie schnell er Jan Joerdans, den Geusenkapitän, und die „Hoek van Holland“ wiedersehen würde.
Um dieselbe Zeit lag der Viermaster „Oranje“ beigedreht in der Dünung.
Fieberhaft arbeiteten die Männer an Deck – Männer, die ebenfalls den Geusenpfennig um den Hals trugen. Der Sturm hatte sie den achteren Mast gekostet, um den der Schiffszimmermann ohnehin seit einem Treffer beim letzten Gefecht im Kanal voller Mißtrauen herumgeschlichen war. Und dann hatte der Mast, als er außenbords ging und in die tückischen Kreuzseen geriet, das Vorschiff leckgeschlagen. Das Leck war bereits abgedichtet. Aber die Mannschaft mußte einen neuen Mast aufriggen, denn ohne Besan war selbst die stolze „Oranje“ flügellahm.
Marius van Helder stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und starrte nach Süden.
Sein braunes, kantiges Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Das helle Haar war von Sonne, Salzwasser und Wind weiß gebleicht wie das eines alten Mannes. Van Helder hatte den ganzen langen, harten und ruhmreichen Freiheitskampf mitgemacht. Zwei seiner Brüder waren von Herzog Albas berüchtigtem „Blutrat“ zum Tode verurteilt worden. Vergeblich hatte er mit einer Gruppe tollkühner Verschwörer den Grafen Hoorn zu befreien versucht, war zweimal gefangengenommen und gefoltert worden und nur knapp entkommen. Im Bunde mit Wilhelm von Oranien und den Wassergeusen hatte er Holland, Zeeland und Utrecht von Albas Tyrannei befreit und sich unter den letzten Unbeugsamen befunden, die sich Allessandro Farneses Rückeroberung der Südprovinzen widersetzten – und im Laufe der Zeit war Marius van Helder zu einer fast legendären Gestalt geworden.
Jetzt war er unterwegs, um sich mit jenen Vagabunden zur See zu treffen, die Spanien dreist an seinen eigenen Küsten heimsuchten.
Jan Joerdans mit der „Hoek van Holland“.
Die „Anneke Bouts“ unter Willem Meerens.
Ein verlorener Haufen, ohne Chance gegen den übermächtigen Gegner. Und doch – hatte sich nicht oft genug gezeigt, daß auch wenige entschlossene Männer eine Menge in Bewegung bringen konnten?
Marius van Helder fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn.
Ein versonnenes Lächeln kerbte sich um seine Lippen. In Gedanken segelte er an der Spitze der Wassergeusen durch die grauen Wogen der Nordsee, sah die spanischen Galeonen in den holländischen Häfen brennen, hörte die wilden Geusenlieder, die die Helden des Freiheitskampfes besangen.
„Schiff ho! Schiff genau voraus!“
Die Stimme aus dem Großmars wirkte wie ein Peitschenhieb und riß van Helder jäh aus seinen Gedanken.
Spanier!
Eine der Kriegsgaleonen, von denen er längst schon ahnte, daß sie ihn jagten.
Eine?
Es war ein ganzer Verband, der von Süden heransegelte. Ein Verband, der wußte, was er wollte, der das Wild kannte, das er jagte. Mit einem schmerzlichen Lächeln dachte Marius van Helder an den Mann, der das Wagnis eingegangen war, auf einer spanischen Galeone als Kurier nach Bilbao zu segeln.
Mit einem tiefen Atemzug straffte der Geusenkapitän die Schultern.
„Klar Schiff zum Gefecht!“ hallte seine Stimme über die Decks.
Dabei ahnte er bereits, daß die „Oranje“ am Ende ihrer Reise angelangt war.