Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 43

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„Du dreimal verfluchter Sohn einer verwanzten Hafenhure“, sagte Carberry zu Ignazio. Er sagte es auf englisch, weil ihm auf spanisch eine wichtige Vokabel gefehlt hätte, er konnte sich nicht daran erinnern, jedenfalls nicht im Eifer des Gefechts. Dem Mann aus Porto, der des Englischen nicht mächtig war, entging also dieser wichtige Profos-Ausspruch. Aber es sollte nicht der einzige Verlust bleiben. Ignazio war stark, aber er konnte auf die Dauer nicht der Kraft eines Edwin Carberry trotzen – zumal der Profos fast schon wieder zu flüstern begonnen hatte. In diesem Zustand äußerster Wut war Ed dazu imstande, ein ganzes Segelschiff in Alleinarbeit in seine Bestandteile zu zerlegen.

Ja, der Profos war „auf der Palme“. Er hatte genug von Ignazio, genug von do Velho und seiner „Candia“ und wollte dem Konflikt ein Ende setzen.

Noch zweimal krachte der Profos-Schiffshauer gegen Ignazios Säbel, dann war es soweit: Beim letzten gewaltigen Streich zersprang die Klinge des edlen portugiesischen Säbels, auf den der Bootsmann so stolz gewesen war. Ignazio starrte fassungslos auf den Klingenstumpf, den er mit dem Griff und Handkorb der Waffe noch in der Faust hielt. Dann wollte er doch noch mit diesem Stumpf zustoßen, doch Carberry war schneller. Er rammte dem Mann aus Porto die Faust unters Kinn, ganz genau auf den richtigen Punkt. Ignazio hatte das Gefühl, aus den Stiefeln gehoben und durch die Decke katapultiert zu werden, sein Geist entschwebte in bodenlose, alles zudekkende Finsternis.

Carberry sah noch zu, wie Ignazio schlaff an der Gangwand zu Boden sank, dann wandte er sich zu den anderen Kämpfenden um und unterstützte Dan O’Flynn und Batuti gegen die fünf portugiesischen Decksleute. Genauer: Es waren nur noch vier, denn einen hatten Dan und Batuti mittlerweile auf die Planken geschickt.

„Ihr Rübenschweine und Kakerlakenfresser!“ brüllte Carberry die Portugiesen an. Jawohl, er konnte schon wieder brüllen. Bixio, Raoul und die anderen beiden Kerle wichen unwillkürlich einen Schritt zurück – und das nutzten Batuti und O’Flynn sofort aus. Sie schoben sich vor und fochten. Der Profos wurde auch wieder mit seinem Schiffshauer aktiv. Die Gegner verloren gänzlich an Boden und konnten sich jetzt überhaupt nicht mehr halten.

Nach Steuerbord tobte der Kampf, aber dort hatten die Männer der „Candia“ das Achterkastell nur notdürftig ausgebessert, nachdem es von Ferris Tuckers Flaschenbombe aufgefetzt worden war. Aus einigen hastig zusammengezimmerten Planken und großen Stücken Persenning bestand da die Außenhaut.

Batuti hieb Bixio den Säbel aus der Hand, riß die freie Faust hoch und setzte sie dem Burschen in einem Haken gegen die Brust. Bixio torkelte rückwärts, krachte mit dem Rükken gegen die provisorische Verkleidung der Hütte, und die ganze Konstruktion gab nach. Bixio konnte sich nicht halten, obwohl er verzweifelt mit den Armen ruderte. Er stürzte aus der Poop der „Candia“ in die See, und zwar genau in den Zwischenraum, der zwischen der „Isabella“ und dem Viermaster geblieben war. Zwar dümpelten beide Schiffe jetzt fest vertäut ohne Fahrt in den Fluten, aber ihre sich zum Heck hin verjüngenden Achterschiffe ließen eben noch jenen Spalt offen, der Bixio zur Falle wurde.

„Ho!“ rief Carberry. „Grüß dich, alte Lady!“ Er unterlief Raouls Dekkung, drehte sich halb und rammte dem Mann den Ellbogen in den Leib. Raoul bewegte sich ebenfalls rückwärts, auf die Bordwand der „Isabella“ zu, verlor das Gleichgewicht und folgte Bixio. Der Klatscher, mit dem er im Wasser landete, war deutlich zu hören.

Die beiden anderen Portugiesen hatten genug, sie wandten sich ab und ergriffen die Flucht. So schnell sie konnten, turnten sie den Niedergang zum unteren Batteriedeck hinunter. Ihre Schritte polterten auf den Planken.

„Ihnen nach!“ brüllte der Profos. „Laßt sie nicht entwischen!“ Er war noch vor Batuti und Dan am Niedergang, raste ihn hinunter, fiel fast, fing sich aber wieder und stürmte quer über das düstere Batteriedeck.

Er prallte ungefähr auf der Mitte des Decks mit einem Mann zusammen, stieß einen fürchterlichen Fluch aus und riß seinen Schiffshauer hoch, um diesem Kerl den Rest zu geben.

„He“, ertönte in diesem Augenblick eine wohlbekannte Stimme. „Bist du denn wahnsinnig, Ed?“

Carberry tastete nach dem Sprecher und stellte fest, daß dieser mit dem Kerl identisch war, der ihn angerempelt hatte. Carberry zupfte an dem mächtigen Bart herum, der diesem Menschen im Gesicht wucherte, und jetzt bekam er ein paar Flüche zu hören, die er noch nicht in sein Repertoire aufgenommen hatte.

„Mann, hör auf, mir am Bart zu zerren!“ brüllte es in seinen Ohren.

„Bist du’s, Shane?“

„Ja, zum Teufel.“

„Wo sind die beiden Portugiesen?“

„Portugiesen? Ich habe mitgekriegt, daß zwei Kerle durch eine Stückpforte gestiegen und in den Teich gejumpt sind. Vielleicht waren sie das.“

„Ganz sicher sogar“, frohlockte der Profos. „Und wie sieht es im Vordeck aus?“

„Wir haben die Gentlemen allesamt schlafen geschickt — bis auf die natürlich, die getürmt sind. Wir haben auch die Offiziere außer Gefecht gesetzt, denn die haben im Vordeck gepennt, weil das halbe Achterdeck im Moment nicht bewohnbar ist.“

„Es wird auch nie mehr bewohnt werden“, sagte Dan O’Flynn. „Los, wir sehen nach, ob der Seewolf mit do Velho fertiggeworden ist.“

Die Balustrade der Heckgalerie gab nach. Do Velho stieß einen keuchenden Laut des Entsetzens aus, versuchte noch, das Ringen mit dem Seewolf für sich zu entscheiden und Hasard mit dem Degen im Gesicht zu verletzen, aber Hasard wußte auch diesem letzten Stoß zu entgehen.

Die Balustrade brach. Do Velho konnte die Balance nicht halten, er stürzte von der hölzernen Plattform und nahm Stücke des gedrechselten Geländers mit. Sein heiserer Aufschrei ging in dem Geräusch unter, mit dem er in der See landete.

Hasard riß seinen Cutlass zu sich heran und tat einen Schritt zurück. Trotzdem mußte er auf der wippenden Plattform noch darum kämpfen, dem portugiesischen Kommandanten nicht zu folgen. Er bewegte die Arme nach hinten, drohte auszugleiten, hatte sich dann aber doch genügend in der Gewalt, um die Schwelle der Tür zur Kapitänskammer zu erreichen.

In diesem Moment stürzten auch seine Männer in den Raum. „Hol’s der Teufel, Hasard“, stieß Big Old Shane hervor. „Wo in aller Welt steckt denn do Velho?“

„Der sieht sich gerade sein Schiff von hinten an“, erklärte Hasard seelenruhig. „Und wie es den Anschein hat, ist die Lage im Vordeck auch entschieden, oder?“

„Ja. Die ‚Candia‘ ist unser“, versetzte der Profos stolz.

Der Seewolf schaute sich um. „Ich lege keinen Wert darauf, dieses Schiff als Prise zu nehmen. Wir sind zu wenige, um es bemannen zu können, außerdem erfordert es viel zuviel Aufwand, das Schiff instandzusetzen.“

„Wir versenken es?“ fragte Dan O’Flynn.

„Ja. Laßt die beiden Beiboote zu Wasser. Wir packen die Bewußtlosen und Verletzten hinein. Die Portugiesen, die in der See schwimmen, werden sich ebenfalls an Bord der Jollen retten. Es wird ein bißchen eng werden für die mehr als vierzig Mann, aber das ist nicht unser Problem.“

„Sir, soll ich vor die Tür zur Pulverkammer der ‚Candia‘ eine von Al Conroys und Ferris Tuckers neu hergestellten Höllenflaschen legen?“ erkundigte sich Carberry grinsend. „Die mit der besonders langen Lunte vielleicht?“

„Ja. Ich schätze, die genügt. Wir können wirklich Material sparen. Wir haben keine Munition vergeudet und brauchen auch die Brandsätze nicht zu opfern. Ehrlich gesagt wären sie mir auch zu schade für den Lumpen do Velho.“

„Fangen wir an“, sagte Carberry. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Verfrachten wir die Dons in die Boote. Sir, ich stelle hiermit den feierlichen Antrag, als letzter die ‚Candia‘ verlassen zu dürfen.“

„Abgelehnt, Ed“, antwortete der Seewolf. „Ich will selbst die Lunte der Flaschenbombe zünden. Das lasse ich mir nicht nehmen.“

„Aye, Sir.“

„Und noch etwas. Wir geben jedem Boot der Portugiesen ein kleines Abschiedsgeschenk mit.“

„Was?“ entrüstete sich der Profos. „Was wollen wir denen denn noch in den Rachen schmeißen – außer einem netten Feuerchen, das ihnen den Hintern wärmt?“

„Zwei Flaschen mit portugiesischem Landwein“, erwiderte Hasard.

Da konnten sich die Männer nicht mehr halten – sie prusteten los. Nur Carberry verzog keine Miene.

„Möchte wissen, was es da zu lachen gibt“, sagte er. „Sollen sich die Rübenschweine von Portugiesen doch besaufen – Befehl ist Befehl.“

Keine zehn Minuten später waren die Vorbereitungen getroffen. Die Beiboote entfernten sich von der „Candia“ und der „Isabella“. Hasard hatte den entwaffneten Portugiesen, die jetzt wieder bei Bewußtsein waren, angedroht, daß sie mit dem Viermaster in die Luft flögen, wenn sie sich nicht schleunigst entfernten.

So pullten die Männer der „Candia“ und lasen nach und nach die Kameraden auf, die es vorgezogen hatten, in die See zu springen, um den Schauplatz des für sie so schimpflichen Geschehens zu verlassen. Lucio do Velho enterte als einer der letzten in die eine Jolle. Er kauerte sich zwischen die dicht an dicht auf den Duchten hockenden Männer. Eisige Stille umgab ihn.

Hasard hatte auf der „Candia“ die Flaschenbombe mit der langen Lunte direkt in der Pulverkammer placiert. Die Tür des Raumes hatte er aufgebrochen. Jetzt, als Old O’Flynn ihm das Zeichen gab, daß die Leinen gelöst wären, zündete der Seewolf die Zündschnur, vergewisserte sich noch, daß sie nicht wieder erlöschen konnte – und lief an Oberdeck. Er hastete über die Kuhl, sprang auf das Schanzkleid der Steuerbordseite und sprang zu seinem Schiff hinüber, das sich langsam von dem Viermaster entfernte.

„Segel setzen!“ schrie Carberry. „Bewegt euch, ihr faulen Brüder! Wir gehen auf Kurs Südwesten und sehen zu, daß wir Abstand von dem Kahn der Dons gewinnen.“

Hasard trat zu Ben Brighton, Shane, Ferris und den anderen, die sich auf dem achteren Teil der Kuhl versammelt hatten.

„Wir werden jetzt ungestört kreuzen können“, sagte er. „Ich glaube nicht, daß die beiden anderen Schiffe des Verbandes uns noch folgen.“

Als knapp eine Kabellänge zwischen der „Isabella“ und dem Flaggschiff do Velhos lag, erfolgte die Explosion. Dröhnend stieg fast der ganze Schiffsleib unter Feuer- und Rauchentwicklung aus den Fluten, wurde zerrissen und in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Das Donnern der Detonation rollte über See und glitt über die „Isabella“ und die beiden Boote der sinkenden „Candia“ weg.

Do Velho sah eine bauchige Korbflasche in Ignazios Händen. „Was ist das?“ fragte er kaum hörbar.

„Landwein, Senor“, erwiderte der Bootsmann. „Es scheint ein guter Tropfen zu sein, wir haben die Flasche soeben im Boot entdeckt. Sie scheint zufällig unter die Duchten geraten zu sein.“

„Her damit“, sagte der Kommandant. „Ich brauche dringend einen Schluck Wein, sonst werde ich wahnsinnig.“ Er nahm die Flasche aus Ignazios Händen entgegen, hob sie an die Lippen und trank. Er trank gierig, um zu vergessen.

Die Männer der „Santa Angela“ hatten die Schüsse in der Nacht vernommen. Daraufhin hatten sie der „Sao Joao“ Lichtsignale gegeben. Galardes gelang es, seine Galeone näher an die Karavelle heranzusteuern. Wenig später, als die Kapitäne sich von Bord zu Bord die Frage gestellt hatten, was es mit den Schüssen wohl auf sich haben konnte, gewahrten sie einen Feuerblitz im Südwesten.

Sie hatten nun keinen Zweifel mehr, daß die Explosion von der „Candia“ oder der „Isabella“ herrührte. Aber wer war in die Luft geflogen, wer war der Sieger, wer der Verlierer?

Die ganze Nacht über suchten sie nach ihrem Flaggschiff, fanden es aber nicht. Erst in den späten Morgenstunden des neuen Tages stießen die „Santa Angela“ und die „Sao Joao“ auf die beiden Beiboote der „Candia“, die weit nach Westen abgetrieben waren.

Die vier Dutzend Männer auf den Duchten schienen tot zu sein. Sie regten sich nicht mehr. Als Galardes, Monforte und der Kapitän der „Santa Angela“ sie jedoch an Bord der Schiffe geholt hatten, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, daß die Herzen dieser Männer noch schlugen und die komplette Besatzung der „Candia“ überdies auffallend nach Wein roch.

Alvaro Monforte beugte sich über den Kommandanten Lucio do Velho, als dieser am Nachmittag in einer Koje der Kapitänskammer der „Sao Joao“ in die Wirklichkeit zurückkehrte.

„Sie“, hauchte do Velho. „Woher kommen Sie denn, Monforte?“

„Aus dem Jenseits. Die Opfer des Untergangs der ‚Sao Sirio‘ lassen grüßen, Comandante.“

„Allmächtiger …“

„Gott, wie Sie nach Wein stinken, Comandante. Das ist der Gipfel Ihrer Verantwortungslosigkeit.“

„Was reden Sie denn da?“ flüsterte do Velho verwirrt.

„Wir kehren zur Küste zurück, Comandante“, sagte Monforte, ohne auf die Frage einzugehen. „Dort warten in einer Stadt, deren Name jetzt nichts zur Sache tut, mein erster Offizier, mein Decksältester sowie zwei andere Männer der ‚Sao Sirio‘ auf uns. Sie haben eine vierköpfige Bande dem Richter ausgeliefert, und sie werden sich freuen, mit mir zusammen einen weiteren Halunken anzuprangern und dafür zu sorgen, daß er degradiert wird.“

„Aber der Seewolf …“

„Den kriegen wir nicht mehr, Senor. Keiner von uns. Der segelt geradewegs in seine Heimat England zurück. Und, unter uns gesagt, ich finde auch, er hat es verdient, dort wohlbehalten anzukommen …“

Seewölfe Paket 8

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