Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 40
7.
ОглавлениеMit der Dunkelheit kam auch der Regen. Zunächst ging er nur staubfein auf die portugiesische Kriegsgaleone „Sao Joao“ nieder, aber wenig später fielen dicke Tropfen, die das Oberdeck glänzend und schlüpfrig werden ließen, die Männer der Deckswache durchnäßten und die Segel einweichten. Das Wasser perlte von der flackernden Hecklaterne ab, die der Kapitän Joaquin Galardes hatte entzünden lassen.
Backbord voraus war ein verlorenes Licht in den Weiten der See, es gehörte zur Karavelle „Santa Angela“.
Galardes und Monforte standen auf dem Achterdeck unweit des zertrümmerten Besanmastes. Nur der Stummel ragte noch wie ein Baumstumpf von den Planken auf – ein Andenken an den schweren Sturm, den der Verband in der Vornacht abgeritten hatte. Alle anderen Beschädigungen waren inzwischen wieder ausgebessert worden. Die Verwundeten aus dem kurzen Gefecht gegen die „Isabella“ lagen wohlversorgt unter Deck.
Galardes und Monforte hatten sich alles erzählt, was es zu berichten gegeben hatte. Galardes hatte voll Staunen vernommen, was sich in der Herberge der Brancates abgespielt hatte. Er konnte wie sein Freund nicht umhin, diesen verwegenen Killigrew im stillen zu bewundern, Daß der Mann aber auch ihr Feind sein mußte!
Gleichzeitig sagten sie sich aber auch beide, daß sie Killigrew nicht schonen durften, falls sie wieder mit ihm aneinandergerieten. Ein Kapitän der Armada durfte sich etwas Derartiges niemals leisten. Es war seine Pflicht, das Vaterland zu verteidigen. Alles Gegenteilige war mit Verrat oder Fahnenflucht gleichzusetzen.
In einem anderen Punkt waren die Kapitäne sich aber auch einig: Sie würden bei ihren Vorgesetzten von der Admiralität gegen Lucio do Velho vorgehen. Ja, Galardes war bereit, das Ansinnen Monfortes zu unterstützen. Ein Kapitän durfte gegen einen Verbandsführer ein Disziplinarverfahren anstrengen – und genau das hatten sie vor.
„Falls do Velho unsere Achterlaternen brennen sieht, wird er uns rügen“, sagte Joaquin Galardes.
„Die ‚Santa Angela‘ hat das Licht als erste entzündet, und wir haben es für richtig befunden, ihrem Beispiel zu folgen“, erwiderte Alvaro Monforte. „Wollen wir uns denn wieder aus den Augen verlieren?“
„Auf keinen Fall.“
„Glaubst du, daß es Sturm gibt?“
„Ich halte das für unwahrscheinlich, Alvaro.“
„Die See ist unberechenbar, aber vielleicht bleibt es heute nacht bei dem Regen. Ob wir El Lobo del Mar in dieser Stockfinsternis jemals wiederfinden? Ich rechne nicht damit.“
„Der Comandante jagt ihn. Unerbittlich.“
„Wo mag die ‚Candia‘ stecken?“ sagte Monforte.
„Weit voraus …“
„Wir verlieren auch zu ihr jeglichen Kontakt, wenn die Sicht nicht besser wird.“
„Wahrscheinlich segelt do Velho stur auf dem Südwest-Kurs weiter“, entgegnete Galardes. „Das bedeutet, daß wir eine Chance haben, zumindest im Morgengrauen soweit aufgeholt zu haben, um unser Flaggschiff am Horizont sehen zu können.“
Monforte verzog den Mund. „Joaquin, machen wir uns doch nichts vor. Ohne den Besanmast und das Kreuzsegel ist die ‚Sao Joao‘ langsamer als die ‚Santa Angela‘, die ihrerseits schon Schwierigkeiten hat, mit der ‚Candia‘ mitzuhalten.“
„Ja, das gebe ich zu. Wir sind die Nachzügler im Verband. Wenn der Wind zunimmt, wird sich auch unser provisorisch abgestützter Großmast nicht mehr lange halten. Erinnere mich daran, daß ich den Großmars räumen lasse, ehe der elende Mast umknickt.“
„Si, Senor.“ Monforte lachte plötzlich. „Kannst du dir vorstellen, was für ein lächerliches Ding dein Schiff mit nur einem Mast abgibt, Joaquin – mit dem Fockmast?“
Galardes wandte ihm sein nasses, tief zerfurchtes Gesicht zu. „Ja. Ich schätze, es sieht dann aus wie eine flügellahme Ente, die mit hängendem Schnabel dahintreibt.“ Er mußte nun auch lachen. Sie blickten sich an, schlugen sich im rauschenden Regen auf die Schultern und brüllten vor Vergnügen.
Einer der Soldaten, der zur Deckswache auf der Kuhl gehörte, sah verdutzt seinen Kameraden an. „Hörst du das? Sag bloß, unser Capitán ist jetzt durchgedreht.“
„Nein, das glaube ich nicht.“
„Aber er lacht wie ein Irrer.“
„Wahrscheinlich hat Monforte ihm einen guten Witz erzählt.“
„Al diablo“, murmelte der Soldat. „Ich möchte wirklich wissen, wieso die beiden nicht die Hütte aufsuchen. Dort sind sie im Trockenen, dort können sie sich aufs Ohr hauen.“
„Capitán Galardes’ Verantwortungsbewußtsein ist zu groß“, erwiderte sein Gegenüber. „Er weiß, daß wir nach den Strapazen der letzten vierundzwanzig Stunden alle hundemüde sind. Er will auch dann noch wachen, wenn wir zusammenklappen.“
„Ja, er geht uns mit gutem Beispiel voran. Nur eins will er nicht – wieder mit dem Schiff von El Lobo del Mar zusammentreffen.“
„Darauf ist keiner erpicht.“
„Weißt du was? Dieser ganze Auftrag kann mir gestohlen bleiben.“
„Ja“, sagte der Soldat. „Er ist uns scheißegal.“
Dem Mann im Großmars der „Candia“ drohten immer wieder die Augenlider zuzufallen. Er versuchte, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, indem er sich reckte und streckte und ständig auf den Beinen blieb, statt sich hinter der Segeltuchverkleidung hinzuhocken, aber auch das nutzte wenig.
Der Regen tropfte ihm ins Gesicht, aber das Wasser war nicht kalt genug, um ihn des bleiernen Trans zu berauben, der sich in seinem Körper festgesetzt zu haben schien.
Das Wetter der vergangenen Nacht, die harten Anforderungen, die jene Stunden an die Männer der „Candia“ gestellt hatten, dann die unablässige Suche nach den übrigen Schiffen des Verbandes, schließlich das Gefecht in der Felsenbucht und das Entsetzen, das sich bei Killigrews heftiger Attacke unter der Besatzung ausgebreitet hatte — dies alles zeitigte jetzt seine Folgen.
Der Mann im Großmars war am Ende seiner Kräfte angelangt. Er wünschte sich sehnlichst, abgelöst zu werden. Aber bis zum Wachwechsel um Mitternacht waren es noch mehr als vier Glasen.
Einmal schreckte er aus seinem Halbschlaf hoch. Er hatte unten, auf der Kuhl, Stimmen vernommen. Sofort beugte er sich über die Umrandung der Plattform und spähte in die Tiefe.
Durch den Dunstschleier des Regens konnte er kaum etwas erkennen, aber er glaubte doch, das kurze Aufflackern eines Lichtes und die Umrisse von Gestalten zu sehen.
Dann stellte er an den Stimmen der Männer auf der Kuhl fest, daß es der Profos und zwei Soldaten der Deckswache waren, die sprachen.
„Was fällt euch Hunden ein, eine Laterne anzuzünden?“ wetterte der Profos.
„Senor“, erwiderte der eine Soldat, „ich dachte, das eine Geschütz wäre nicht ordentlich festgezurrt, da wollte ich genau nachsehen.“
„In der Tat mußten wir die eine Brook neu festlaschen“, erklärte sein Kamerad. „Hätten wir es nicht getan, hätte der 17-Pfünder sich innerhalb der nächsten Stunden selbständig gemacht.“
„Narren!“ fuhr der Profos sie an. „Dazu hättet ihr kein Licht gebraucht. Der Comandante hat es strikt untersagt, hier mit Öllampen oder Talglichtern herumzufunzeln oder gar die Hecklaternen zu entfachen.“
„Verzeihung, Senor, aber wir dachten, die Sicherheit an Deck sei wichtiger“, verteidigte sich der eine Soldat.
„Schweig“, befahl ihm der Zuchtmeister. „Du kannst noch froh sein, daß der Bootsmann nicht in der Nähe ist. Der hätte den Vorfall nämlich sofort dem Comandante gemeldet.“
„Es wird nicht wieder geschehen, daß wir die Anweisungen vergessen“, beteuerte der zweite Soldat. „Ganz gewiß nicht.“
„Das will ich euch auch geraten haben. Und morgen früh knöpfe ich mir die Hunde vor, die für dieses Geschoß zuständig waren, als nach dem Gefecht aufgeklart wurde. So eine verfluchte Schlamperei darf nicht unbestraft bleiben.“
Damit schritt der Profos in Richtung Vordeck davon. Der Mann im Großmars sah ihn nicht, er vernahm nur noch, wie der Zuchtmeister einen derben Fluch ausstieß.
Beruhigt lehnte sich der Ausguck wieder zurück. Er hielt sich mittels eines Tampens am Großmast fest, aber immer wieder fielen ihm die Augen zu, und seine Finger drohten von dem Tampen abzurutschen.
Wenn sich ein Schiff nähert, wenn irgend etwas passiert, dachte er verdrossen, wenn du nicht rechtzeitig darauf aufmerksam wirst, läßt der Comandante dich auspeitschen. Wenn du vom Großmars abstürzt, kann der Comandante dich nicht mehr dafür bestrafen, denn in dem Falle ersäufst du entweder in der See oder du brichst dir auf dem Deck sämtliche Knochen, je nachdem, wie du fällst – was ist dir lieber?
Ärgerlich versetzte er sich einen Ruck. Er versuchte, an Dinge zu denken, die ihn wach hielten. Zum Beispiel daran, wie es war, wenn sie endlich nach Lissabon zurückkehrten und dort einen Zug durch die Hafenkaschemmen unternahmen, Wein tranken, mit den Huren schäkerten …
Aber auch das wollte nichts nutzen. Der Kampf gegen den bohrenden Schlaf ging weiter.
Schätzungsweise eine halbe Stunde später schreckte der Ausguck jäh aus seinem nun schon traumdurchwebten Dahindämmern auf. Er war im Stehen eingenickt, und es war ein Wunder, daß er nicht von seinem luftigen Posten gefallen war. Irgend etwas, ein Instinkt oder etwas anderes, das er sich nicht zu erklären wußte, riß ihn in die Wirklichkeit zurück. War es die Angst, beim Schlafen ertappt zu werden? Das nie ruhende Pflichtbewußtsein, der Disziplingeist?
Er wußte es nicht.
Er drehte nur seinen Kopf nach rechts, blinzelte im Regen und fuhr in diesem Augenblick zusammen, weil in den gischtigen Schleiern, in der Tiefe der mondlosen, stockfinsteren Nacht etwas Ungewöhnliches zu sein schien.
„Madre de Dios“, stammelte der Mann im Großmars im nächsten Moment. „Heilige Mutter Gottes, steh uns bei.“
Von Steuerbord achteraus näherte sich die Erscheinung. Unaufhaltsam schob sie sich auf die „Candia“ zu, durchbohrte den Regendunst und konkretisierte sich zu einer drohenden Silhouette.
Ein Koloß war das, eine gewaltige Gespenstererscheinung hart am Schanzkleid des Viermasters. Die Mächte der Finsternis schienen ihre Greuel auf die Welt entlassen zu haben, die Stunde der Abrechnung war gekommen. Lautlos drängte sich das Ungeheuer heran, bis es Kontakt mit der „Candia“ hatte, und jetzt sprangen seine furchterregenden Krallen herüber, hakten sich hinter dem Schanzkleid fest. Gestalten regten sich im Dunkel. Alle Dämonen und Schimären, Teufel und Zerberusse der Hölle schienen sich auf das portugiesische Flaggschiff zu stürzen.
Der Ausguck stieß einen würgenden Laut aus. Er taumelte, hielt sich an der Segeltuchumrandung fest, keuchte – und erst dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Zum Teufel mit allem Aberglauben! Er hatte sich täuschen und lähmen lassen, aber jetzt sah er, daß es menschliche Gestalten waren, die da im Regen von Schiff zu Schiff sprangen. Unten auf der Kuhl der „Candia“ wurden entsetzte Rufe laut, Schritte trappelten, die Soldaten und Seeleute der Wache stürzten zum Steuerbordschanzkleid – aber es war zu spät, viel zu spät!
„Alarm!“ schrie der Ausguck. „Ein Überfall! Sie entern!“
„Schlagt sie zurück!“ brüllte in diesem Augenblick auch der Profos, der von einem Soldaten geweckt worden war und aus dem Vordecksschott hervorstürmte. „Schießt sie nieder! Alle Mann an Deck! Al diablo, laßt euch nicht überrumpeln, wehrt euch eurer Haut!“
Immer mehr Enterhaken flogen. Das große fremde Schiff lag Bordwand an Bordwand mit der „Candia“, als sei es mit ihr verwachsen. Behende jumpten die Angreifer auf die Kuhl des portugiesischen Viermasters und drangen mit Säbeln, Degen, Entermessern, ja, sogar mit Handspaken auf ihre Widersacher ein.
„Arwenack!“ schrien diese Kerle.
Ein Schwarzhaariger, ein Riese von einem Mann, befand sich an der Spitze des kleinen Trupps, der sich unheimlich schnell über Deck bewegte und kämpfend zum Achterkastell der „Candia“ strebte.
Die Portugiesen erkannten ihn wieder.
„El Lobo del Mar“, stieß der Profos do Velhos entgeistert aus. „Das kann doch nicht wahr sein.“
Dann hastete er mit erhobenem Säbel auf den Todfeind zu und trachtete, ihn zu stoppen.