Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 42
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ОглавлениеDer Seewolf zügelte seinen Drang, sofort in den Gang des Achterkastells zu stürzen und mit gezücktem Cutlass bis zum Schott von do Velhos Kammer zu stürmen. Bislang hatten sich weder do Velho noch sein Bootsmann Ignazio gezeigt. Aber war es denn möglich, daß sie soviel Zeit brauchten, um sich zu bewaffnen und auf der Bildfläche zu erscheinen?
Nein. Sie wollen dir eine Falle stellen, dachte Hasard.
Er behielt den Cutlass in der rechten Hand, zog mit der linken Hand jedoch seine doppelläufige sächsische Reiterpistole aus dem Waffengurt. Er spannte einen Hahn, duckte sich und rief: „In Deckung, Freunde!“
Er ließ sich fallen, riß gleichzeitig die Pistole hoch und feuerte einen Schuß in die Decke des Ganges ab. Der kurze Feuerblitz genügte, um ihn davon zu überzeugen, daß er keiner Täuschung erlegen war.
Dumpf tönte das Krachen der Pistole durch das Achterdeck. Im Aufzucken des gelblichen Lichtes erhaschte Hasard einen Blick auf zwei Gestalten. Zwar trachteten do Velho und seine Mitstreiter noch, sich gedankenschnell in den Quergang zurückzuziehen. Sie hatten ja allen Grund zu der Annahme, daß der Seewolf direkt auf sie feuern würde.
Aber es gelang nur Bixio, Raoul und den drei anderen Decksleuten, sich noch rechtzeitig in Deckung zu bringen.
Do Velho und sein Bootsmann ließen sich fallen. Der Kommandant hob seine Pistole gegen den Erzfeind und drückte ab. Wieder donnerte ein Schuß, aber die Kugel traf weder Hasard noch einen der anderen Männer der „Isabella“.
Hasard rollte sich von der rechten Seite des Ganges nach links. Die Kugel strich um eine Handspanne über den Platz weg, an dem er eben noch gelegen hatte, raste weiter und pfiff ins Freie, aber Dan, der Profos und Batuti standen längst nicht mehr vor dem Schott, sondern waren nach den Seiten hin ausgewichen. Sie befanden sich in Sicherheit. Die Kugel pfiff durchs offene Schott an ihnen vorbei und bohrte sich, ohne Schaden anzurichten, in den Großmast der „Candia“.
Hasard erhob sich, ehe Ignazio den nächsten Schuß abgeben konnte. Do Velho hatte seine leergeschossene Radschloßpistole mit einer Verwünschung in den Gang geschleudert und packte seinen Degen. Der bullige Bootsmann wollte mit seiner Steinschloßpistole auf den Seewolf anlegen, doch der Kommandant stand ihm dabei im Weg.
Bevor Bixio, Raoul oder einer der drei anderen eingreifen konnten, war Hasard mit drei Sätzen bei ihnen. Er ging aufs Ganze. Sein Cutlass säbelte wie das scharfe Werkzeug eines Schnitters durch den engen Gang, klirrte gegen do Velhos Degen und trieb den Mann, für den dieser harte Angriff doch etwas zu wild und zu schnell ausfiel, tiefer in den Gang.
Ignazio glaubte, seine Chance sei gekommen. Der Kommandant und der Seewolf tänztelten an ihm vorbei, er konnte sie jetzt beide recht gut erkennen, weil seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten. Ignazio zielte auf Philip Hasard Killigrews Rücken.
Jetzt oder nie, dachte er, besser, diesen Hund zu töten, denn wir werden es ja doch nie schaffen, ihn lebend bis vor den König zu schaffen, wie der Comandante es ursprünglich vorgehabt hat. Aber ein ohrenbetäubendes Gebrüll war plötzlich hinter ihm.
„Arwenack!“ schrien diese Korsaren, „Arwenack“ mit unvorstellbarer Lautstärke. Eine ganze Kompanie schien das Achterkastell zu stürmen, und doch waren es nur drei.
Dan, Ed und Batuti hatten sich keinen anderen Rat gewußt. Sie hatten gesehen, wie Ignazio sich zu Hasard umgewandt hatte, und versuchten jetzt, den Mann aus Porto durch ihr Geschrei zu irritieren.
Es funktionierte. Ignazio wußte zwar nicht, was dieses „Arwenack“ zu bedeuten hatte, daß es in einer Gegend, die Cornwall hieß, ein Kastell dieses Namens gab und daraus der Kampfruf der Seewölfe entstanden war, aber er fuhr zu den drei Seewölfen herum.
Dan O’Flynn hatte seine Pistole gezückt. Er feuerte über Ignazios Kopf hinweg. Der Mann aus Porto duckte sich, legte auf den jungen Mann an und drückte ebenfalls ab, aber mit unglaublicher Gewandtheit hatte sich der Gegner plötzlich aus dem Schußfeld befördert, Carberry und Batuti warfen sich zu Boden, es war das Klügste, was sie tun konnten, denn besser war es, die Planken zu küssen, als eine heiße Eisenkugel zwischen die Rippen zu empfangen.
Auch diese Kugel traf also nicht, und der portugiesische Bootsmann war es jetzt, der seine Pistole mit einem lästerlichen Fluch in den Gang warf. Er wünschte sich, Dan O’Flynn damit zu treffen, aber dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Dan hatte bereits den Quergang erreicht und focht mit seinem Entermesser gegen Bixio, Raoul und die drei anderen Decksmänner an.
Batuti rappelte sich wieder auf und wollte auf Ignazio losgehen, aber da schob sich Edwin Carberrys breites Kreuz in Batutis Blickfeld. Wutschnaubend knallte der Profos die Klinge seines Schiffshauers auf Ignazios Säbel. Batuti rückte nach links und unterstützte Dan O’Flynn im Kampf gegen die übrigen fünf Portugiesen.
Hasard gab sich keine Blöße und ließ do Velho keine Chance, in dem nun beginnenden Duell die Initiative zu übernehmen. Do Velho war in die Defensive getrieben worden, er konnte sich bei aller Fechtkunst keinen Vorteil verschaffen.
So konnte er nichts dagegen unternehmen, daß der Seewolf ihn bis zur Kammer ganz achtern im Kastell drängte. Do Velho hatte genug damit zu tun, jede Parade abzuwehren, die auf ihn zuwirbelte. Es war erstaunlich, wie gut der Seewolf sich im Dunkeln zurechtfand. Er brachte Lucio do Velho mehrfach in lebensgefährliche Situationen. Links und rechts surrte der Cutlass an do Velho vorbei, mal drohte er ihm in die rechte Schulter zu hacken, mal seinen Kopf zu treffen, mal seine Brust. Der Portugiese indes vermochte keinen einzigen Ausfall aufzubauen.
Er hatte keinen Zweifel daran, daß der Seewolf ihn jetzt töten wollte. Aus war es mit der Nachsicht Killigrews, er war schon seinerzeit in der Walfisch-Bucht zu sanft mit dem Erzfeind umgesprungen. Die Situation ähnelte jenem Kampf vor der Küste des Buschmann-Landes, aber der Ausgang schien diesmal kompromißlos zu sein.
Damals! Carberry, Blacky und die zwölf anderen Männer der „Isabella“ hatten sich aus der Gewalt der Buschmänner befreien können, nachdem do Velho und Ignazio, die durch eine List Hasard überwältigt und als Geisel genommen hatten, den „überflüssigen Ballast“ einfach ausgesetzt hatten. Damals – als die „Santa Monica“ unter dem Kommando der Meuterer die „Isabella“ in der Bucht zu beschießen begonnen hatte, hatten Carberry und sein Trupp ihr Schiff schwimmend erreicht, es von achtern geentert und Lucio do Velho und den Mann aus Porto in einem Blitzangriff besiegt.
Von zwei Seiten hatten sie sich ins Ruderhaus geworfen. Der Profos hatte mit einem von den Buschmännern erbeuteten Messer zugestochen, ehe do Velho sich den Schnapphahn-Revolverstutzen hatten greifen können.
Batuti und Pete Ballie hatten sich im selben Moment Ignazio vorgenommen. Pete hatte dem Bootsmann den Radschloß-Drehling entrissen, und der Gambia-Mann hatte mit seinen mächtigen Fäusten auf Ignazio eingedroschen, bis dieser zusammengesunken war.
Danach hatten die Seewölfe beide Portugiesen zur Backbordseite getragen, sie über das Schanzkleid gehievt und außenbords befördert.
Anschließend hatten Hasard und seine Männer die Meuterer von der „Santa Monica“ in einem erbarmungslosen Gefecht besiegt. Brennend war die „Santa Monica“ in der Walfisch-Bucht zurückgeblieben, während die „Isabella VIII.“ mit neuem Kurs in See gegangen war.
„Senor“, sagte Hasard, während er seinen Gegner mit Cutlass-Hieben durch die nur angelehnt stehende Tür in die Kapitänskammer des Viermasters trieb. „Ich bin seinerzeit zu glimpflich mit Ihnen umgesprungen. Ich hätte mich vergewissern sollen, daß es wirklich aus mit Ihnen war, dann hätten wir uns nie wiedergesehen.“
„Ich habe dir die Pest an den Leib gewünscht“, zischte do Velho. Er wich zurück, stand vor dem Pult nahe der Bleiglasfensterfront in der Heckwand und verteidigte sich schwitzend. „Warum bist du nicht daran krepiert?“
„Nie krank gewesen“, sagte Hasard höhnisch. „Je mehr Sie mich verfluchen, desto wohler fühle ich mich.“
In der Kapitänskammer war es wegen der Fenster nicht ganz so dunkel wie auf dem Gang. Nachdem Hasards Augen sich auf die Finsternis eingestellt hatten, nahm er diesen feinen Unterschied jetzt deutlich wahr. Ganz düster war die Nacht nie, etwas konnte man immer noch sehen, und so sah Hasard jetzt in einem matten Schimmer, der durch die Fenster eindrang, die Züge von do Velhos Gesicht.
Verändert hatte er sich kaum, der stolze Comandante. Mittelgroß war seine Gestalt und ein bißchen untersetzt, seit ihrer letzten Begegnung hatte er weder zu- noch abgenommen. Sein volles dunkles Haar hatte sich immer noch nicht gelichtet, daher konnte do Velho nach wie vor darauf verzichten, eine Perücke zu tragen, wie es seinem hohen Dienstgrad angemessen gewesen wäre. In seinem breitflächigen Gesicht mit den ebenmäßigen, ausgeprägten Zügen mischten sich Haß und ein Anflug von Verzweiflung.
„Immer noch der große Mime?“ fragte Hasard.
Er führte dem Portugiesen eine Finte vor, auf die dieser prompt hereinfiel. Hasard parierte, zerbrach do Velhos Attacke und scheuchte ihn von dem Pult fort, näher auf die Bleiglasfenster zu. „Sehen Sie, ich verstehe mich auch aufs Schauspielern, Senor“, fuhr der Seewolf fort. „Aber, ganz unter uns, die Furcht in Ihren Augen scheint echt zu sein.“
„Nimm den Mund nicht zu voll“, warnte do Velho. Er schwitzte immer stärker, und seinen Degenhieben begann es an Vehemenz und, Kraft zu mangeln. Wie lange konnte er sich noch halten?
„Senor“, sagte Hasard mit unüberhörbarem Spott. „Ich muß sagen, man hat Ihr Schiff hübsch wiederhergerichtet, nachdem wir uns in der Felsenbucht beschossen haben. Neue Fenster haben Sie einsetzen lassen, damit es in Ihrer Kammer nicht zieht. Das ganze Achterkastell haben Sie reparieren lassen, und sicherlich ist auch die Heckgalerie wieder instandgesetzt. Erstaunlich, wie schnell Ihre Männer das fertiggebracht haben. Aber Sie haben sie zu sehr gefordert. Sie sind müde. Deshalb haben wir euch im Handumdrehen entern können. Senor Comandante – es tut mir leid, aber ich muß Ihr schönes Schiff erneut ramponieren.“
Er führte einen halbkreisförmigen Schlag über do Velhos Kopf weg. Aufstöhnend duckte sich do Velho. Die Klinge des Cutlass’ traf die Fenster. Sie zerbrachen klirrend, und es hagelte Scherben. Wind und Regen strichen in die Kammer. Do Velho stieß seinen Degen auf Hasards Unterleib zu, aber Hasard war auf der Hut. Er tänzelte zurück, blieb stehen, entging dem gemeinen Ausfall und hieb nun seinerseits wieder auf den Gegner ein.
Do Velho wich wieder zurück und kam der Tür nahe, die auf die Heckgalerie hinausführte.
„Wie haben Sie im Land der Buschmänner Ihre Haut gerettet?“ wollte Hasard wissen. „Verraten Sie es mir, Amigo, ich brenne darauf, die Zusammenhänge zu erfahren.“
„Dein Profos hätte besser mit dem Messer zustechen sollen“, stieß do Velho hervor. „Ich war nur am Arm und an der linken Schulter verletzt, ich kam durch. Ignazio schleppte mich bis zum Ufer, als ihr uns ins Wasser warft. Wir krochen an Land.“
„Aber die Buschmänner …“
„Im Laufe der Nacht erschienen nur zwei, offenbar Späher.“
„Der Stamm war durch das Auftreten meiner Männer eingeschüchtert“, gab der Seewolf zurück. „Die Wilden wagten es ja nicht, dem Profos und den dreizehn anderen zu folgen, so nachhaltig war der Eindruck, den sie von der Befreiungsaktion meiner Männer hatten.“
Do Velho wehrte sich mit verbissenem Eifer, konnte aber nichts dagegen tun, daß der Seewolf ihn bis unter den Rahmen der achteren Tür dirigierte.
„Wir überwältigten diese beiden Wilden, wenn du es genau wissen willst!“ rief er Hasard zu.
„Ignazio tat es. Sie waren dazu nicht in der Lage!“
„Also gut – er tat es!“
„Er hat Ihnen mehrfach das Leben gerettet“, sagte Hasard. „Sie müssen ihm ewig dankbar sein.“
„Ja!“ schrie der Kommandant. „Mein Gott, ja! Wir erbeuteten die Waffen der Buschmänner, pirschten am Ufer entlang und konnten später, als Ignazio mich notdürftig verarztet hatte, zur ‚Santa Monica‘ schwimmen. Die brannte inzwischen nicht mehr. Wie wir aufgeentert sind, wie wir die letzte Handvoll Meuterer erledigt haben, weiß ich selbst nicht mehr genau – aber wir schafften es.“
„Und weiter?“
„Ignazio reparierte das Ruder und stellte in zäher Arbeit das Schiff so weit wieder her, daß wir die Bucht verlassen konnten. Am Ufer standen die Buschmänner und drohten zu uns herüber. Sie führten die wildesten Tänze auf, aber sie hatten keine Boote, mit denen sie zu uns gelangen konnten.“
„Euer Glück, Amigo“, erwiderte Hasard. „Aber Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, daß Sie mit der lädierten ‚Santa Monica‘ die Heimreise nach Portugal bewältigt haben.“
„Nein. Die ‚Candia‘ war inzwischen wieder repariert worden und lief auf der Suche nach meinem Verband die False-Bucht am Kap der Guten Hoffnung an. Dort traf sie auf die Karavellen ‚San Julio‘ und ‚Libertad‘, und die Besatzung meines Flaggschiffes erfuhr von den Kapitänen de Hernandez und Santillan, was sich ereignet hatte. Sie lief sofort wieder aus und fahndete nach dem Verbleib der ‚Santa Monica‘ und der ‚Isabella‘, eurem Teufelsschiff. Fast schoß man uns zusammen, als wir uns begegneten – meine Besatzung nahm ja an, es noch mit den Meuterern unter Fernando Sartez zu tun zu haben. Aber ich war inzwischen wieder leidlich genesen und konnte mich verständlich machen. Wir waren gerettet, gingen an Bord der ‚Candia‘ und ließen die ‚Santa Monica‘ an der afrikanischen Küste zurück.“
„So war das also“, sagte der Seewolf. Er focht ununterbrochen weiter, und Lucio do Velhos Abwehr zerbrach an seinen mit Wucht und Können geführten Cutlasshieben. Rückwärts taumelte der Kommandant auf die Heckgalerie seines Schiffes hinaus.
Do Velho stellte zu seinem Entsetzen fest, daß die hölzerne Plattform unter ihrem Gewicht zu schwanken begann. Offenbar hatten die Männer der „Candia“ bei der Instandsetzung dieses Teils des Schiffes doch nicht die nötige Sorgfalt walten lassen.
Hasard schlug den Cutlass unter do Velhos Degen. Do Velho hielt dem Waffendruck unter mörderischem Kraftaufwand stand. Mit gegeneinandergepreßten Waffen standen sie sich gegenüber. Hasard drängte seinen Erzfeind bis an die Balustrade, die unter der Belastung bedrohlich zu ächzen begann.