Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 37
4.
ОглавлениеReto, der erste Offizier der „Sao Sirio“, zerrte auf einen Wink seines Kapitäns hin an den Zügeln und brachte das Maultiergespann zum Stehen. Mit einem Ruck stoppte der hohe zweirädrige Karren, und Kapitän Alvaro Monforte blickte sich betroffen nach Süden um.
Von dorther wälzte sich der Kanonendonner über Land, von dort drang das Schreien von Männern herüber.
„Allmächtiger“, sagte Monforte. „Das kann nur beim Riff oder in der Bucht sein. Sollten unsere irischen Freunde Schwierigkeiten gekriegt haben?“
Der Seewolf hatte sich in Portugal als der „irische Kapitän Philip Drummond“ ausgegeben, denn Irland, das dem englischen Königreich nicht botmäßig war, stand in einem guten Verhältnis zu Spanien-Portugal. Nur den Mädchen Josea, Segura und Franca hatte Hasard mittlerweile anvertraut, daß er alles andere als ein irischer Handelsfahrer war, der Getreide geladen hatte.
„Senor“, entgegnete der Erste. „Wir sind erst schätzungsweise eineinhalb bis zwei Meilen von dem Haus der Brancates entfernt. Wir könnten in schnurgerader Richtung zur Küste fahren und von dort aus feststellen, was geschehen ist.“
„Sie halten es nicht für ratsam, die Bucht aufzusuchen?“
„Das würde zweifellos mehr Zeit in Anspruch nehmen.“
Monforte konnte sich diesem Argument nicht verschließen. Er wandte sich zu den übrigen Insassen des Gefährts um.
Während der Kapitän und der erste Offizier der gesunkenen Kriegsgaleone „Sao Sirio“ auf dem Kutschbock des geräumigen Karrens Platz genommen hatten, saßen die vier Brancates auf der Ladefläche zusammengepfercht: der bärtige Pinho, ein Riese von einem Mann, seine stämmig gebaute Frau Emilia, die beiden Söhne Charutao und Iporá. Bewacht wurden die gefesselten Verbrecher von Tarquinho, dem Decksältesten der „Sao Sirio“, Josefe, dem Decksmann, und dem Soldaten Tulio, dem fünften Überlebenden des Schiffsunglücks.
„Pinho Brancate“, sagte Monforte zu dem Bärtigen. „Gibt es einen Pfad zur Küste? Antworte!“
„Es gibt ihn, und ich wünsche dir und uns, daß wir an seinem Ende von den Klippen geradewegs in die See stürzen“, sagte der Kopf der Brancate-Sippe bissig. „Fahr noch ein paar Schritt weiter, Capitán, und biege dann nach links ab.“
Monforte gab seinem Ersten durch ein Kopfnicken zu verstehen, daß er dem Hinweis folgen sollte. Wenig später hatten sie tatsächlich die Abzweigung erreicht und bogen auf den geradewegs zur Küste verlaufenden schmalen Weg ab.
Monforte war mit seinen Gefangenen in die nächste Stadt unterwegs, um sie dort dem Stadtkommandanten und der Gerichtsbarkeit zu übergeben. Diese Übereinkunft hatte er mit „Captain Philip Drummond“ getroffen, bevor dieser seine Reise fortgesetzt hatte. Monforte hatte ihn nicht zur Bucht begleitet, denn vordringlicher schien die Aufgabe zu sein, die vier verbrecherischen Herbergsleute ihrem gerechten Schicksal auszuliefern.
Jetzt aber konnte Monforte nicht umhin, nach dem Rechten zu sehen. Wenn der Ire in Bedrängnis geraten war, dann wollte er wenigstens versuchen, ihm zu helfen.
Monforte stellte die verschiedensten Überlegungen darüber an, was Drummond und seiner Crew wohl passiert sein könnte. Nach wie vor grollte der Kanonendonner, und der erfahrene Kapitän hörte heraus, daß mehr als zwei Schiffe im Gefecht miteinander liegen mußten.
Das bedeutete: Drummond war dem Gegner unterlegen.
„Schneller“, drängte Monforte seinen Ersten. „Himmel, was ist denn nur mit den Tieren los?“
„Es liegt nicht an den Tieren, Senor“, antwortete der Erste. „Aber ich kann nicht schneller fahren, denn auf dem holprigen, felsigen Untergrund drohen wir umzukippen.“
Es stimmte. Schon jetzt schaukelte der Karren bedrohlich hin und her, der Weg wurde immer schlechter. Monforte nahm eine Muskete zur Hand, die er in einem der vielen Verstecke entdeckt hatte, die der durchtriebene Pinho Brancate in seinem Haus eingerichtet hatte. Er spannte den Hahn und war unausgesetzt auf der Hut, denn er rechnete mit einem Trick des bärtigen Wirtes.
Gab es irgendwo eine Falle? Ein Felsenloch, in das man geraten konnte? Eine unvorhersehbare Tükke, dank derer die Brancates sich zu befreien vermochten?
Monfortes düstere Ahnungen erfüllten sich nicht. Die See war in Sicht, und außer dem miserablen Zustand des Weges hoch oben auf den Klippen gab es keinerlei Widrigkeit. Brancates Hoffnung, seine Verwünschungen gegen die fünf Männer der „Sao Sirio“ könnten früher oder später doch in Erfüllung gehen, war wirklich die einzige „Waffe“, die er in der Hand hielt.
Reto, der Erste, stoppte das Maultiergefährt wieder. Alvaro Monforte glitt vom Kutschbock und lief mit der Muskete in den Händen zum nahen Abbruch der Felsen.
„Lauf!“ rief Emilia Brancate ihm nach. „Warum hältst du an? Es geht noch ein paar Schritte weiter! So lauf doch, du Bastard von einem Capitán, du wirst sehen, was für einen großartigen Aussichtspunkt du erreichst!“
Monforte verharrte.
Die Frau bedachte ihn mit den übelsten Flüchen. Immer neue Verwünschungen ließ sie sich einfallen, ihr Register schien unerschöpflich zu sein.
„Nun hör dir das an“, sagte Tarquinho grinsend zu seinem Kameraden. „Da wird ja selbst noch eine in Ehren ergraute, hartgesottene Hafenhure rot.“
„Ja, du!“ zischte die Frau. „Spotte du nur. Die Pest wünsche ich dir an den Leib.“
„Die Blattern sollen dich bei lebendigem Leib verfaulen lassen“, sagte Charutao, der ältere der Brüder.
„Dich und alle deine Leute“, fügte Iporá hinzu.
Reto drehte sich auf dem Bock um. Sein Gesicht war maskengleich und von wächserner Färbung. Nicht sonderlich laut sagte er: „Noch ein Wort von euch, ihr Mistkerle, und ich stopfe euch Knebel zwischen die Zähne und ziehe euch Säcke über die Köpfe.“
Alvaro Monforte spähte unterdessen nach Süden. Er trug kein Spektiv bei sich, aber er konnte auch ohnedem gut erkennen, was dort, vor der Bucht, gerade seinen Lauf nahm.
Eine Dreimast-Galeone mit sehr hohen Masten, viel Segelfläche und auffallend niedrigen Aufbauten hatte soeben die Bucht verlassen. Den Beschreibungen nach, die „Philip Drummond“ ihm, Monforte, gegeben hatte, konnte es sich nur um das Schiff der Iren handeln, dessen Name dem Portugiesen allerdings nicht bekannt war.
Feuerspeiend segelte die Galeone zwei auf die Buchteinfahrt zulaufenden Schiffen davon, die Monforte in diesem Augenblick deutlich wiedererkannte.
„Die ‚Sao Joao‘“, murmelte er. „Im Sturm hat sie ihren Besanmast eingebüßt, aber sonst scheint sie das Wetter recht glimpflich überstanden zu haben. Und die ‚Santa Angela‘ – mein Gott! Aber wo sind die anderen Schiffe, die ‚Candia‘ und die ‚Extremadura‘?“
Er stellte keine Erwägungen in dieser Richtung an, das Geschehen dort vor der Bucht nahm ihn völlig in Anspruch. Warum feuerten die beiden Kriegsschiffe des Verbandes, zu dem auch die ‚Sao Sirio‘ gehört hatte, auf Drummond? Weshalb mußte sich der Ire mit ihnen herumschlagen? Hatte er sich ihnen nicht zu erkennen gegeben? Verwechselten sie ihn mit jemandem, hielten sie ihn etwa für einen Piraten?
Monfortes Blick senkte sich, denn er hatte zu seinen Füßen eine Bewegung registriert.
Tief unter ihm spiegelte sich das Sonnenlicht in den glitzernden Fluten des Atlantiks, eine schwache Brandung leckte gegen die Uferfelsen an. Dicht unter Land segelte mit raumem Kurs eine einmastige Schaluppe, in der der Kapitän die Gestalten von zwei Männern erkannte.
Er sah auch die Netze, die sie an Bord gezogen hatten, und entdeckte zappelnde Beute in Körben, die fast den gesamten Innenraum des Fahrzeugs in Anspruch nahmen.
Ein Fischerboot. Mit gemischten Gefühlen verfolgten seine Inhaber den Verlauf des Gefechts. Zweifellos hatten sie so dicht unter Land verholt, weil sie nicht gesehen werden wollten. Sie fürchteten sich und hatten kein Verlangen danach, auf irgendeine Weise mit in die Angelegenheit verwickelt zu werden.
Monforte faßte augenblicklich seinen Entschluß. Er steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen gellenden Pfiff vernehmen. Die Köpfe der Männer in der Schaluppe flogen hoch und schauten zu ihm auf. Monforte gab ihnen ein Zeichen, sie sollten am Ufer anlegen und ihn an Bord nehmen.
Da er nach wie vor die zwar etwas lädierte, aber noch vollständige Uniform eines portugiesischen Kriegsschiff-Kapitäns trug, mußten sie ihn als Respektsperson erkennen. Jeder Bürger des Landes hatte die Pflicht, einem Offizier der Armada nach Kräften beizustehen. Weigerte er sich, hatte er mit ernsten Konsequenzen zu rechnen.
Die Fischer wußten das natürlich. Sie beschatteten ihre Augen mit den Händen, betrachteten Alvaro Monforte und trafen dann Anstalten, zwischen den Felsen im flachen Uferwasser zu vertäuen.
Monforte hatte eine Spalte in den Klippfelsen entdeckt. Er ging hin und stellte fest, daß er mit einigem Geschick in diesem Einschnitt absteigen konnte.
Er kehrte zum Maultierkarren zurück und sagte zu seinen Männern: „Ihr bringt die vier Brancates allein in die Stadt und tragt der Obrigkeit dort alles vor, was wir besprochen haben. Reto, man wird auch Ihnen dort genügend Gehör schenken, ich habe keinerlei Zweifel daran.“
„Aber – was haben Sie vor, Capitán?“ erkundigte sich der Erste überrascht.
„Ich fahre unseren Schiffen entgegen und stoße zu unserem alten Verband. Vielleicht gibt es ein Mißverständnis zu klären, ich werde alles tun, um Drummond zu helfen.“ Er setzte seinen Leuten kurz auseinander, was er gesehen hatte.
Danach gab er seinem Ersten und seinem Decksältesten noch ein paar knappe Anweisungen, nahm zusätzlich zu der Muskete noch ein Tromblon von der Ladefläche des Wagens, das man bei Brancate gefunden hatte, und begab sich zu dem Einschnitt in den Felsen.
Reto, Tarquinho, Josefe und Tulio sahen ziemlich entgeistert zu, wie Monfortes Gestalt sich ihren Blicken entzog.
„Por Dios“, sagte der Decksälteste. „Können wir ihn denn nicht begleiten?“
„Er will es nicht, und Befehl ist Befehl“, erwiderte Reto. „Fahren wir also.“
„Capitán“, murmelte Tulio, der Soldat. „Hoffentlich begehen Sie da keinen Fehler. Was versprechen Sie sich denn bloß davon?“
„Er will den Verband über das Schicksal der „Sao Sirio“ unterrichten“, sagte Josefe, der Decksmann. „Das ist nur recht und billig. Oder besser, es ist seine Pflicht.“
„Aber er begibt sich in des Teufels Küche.“
„Der Herr stehe ihm bei.“
Sie lauschten dem Wummern der Schiffsgeschütze. Reto gab die Zügel lokker, bewegte sie und schnalzte mit der Zunge. Die zwei Maultiere vor dem Karren zogen an, das Gefährt rollte schwerfällig in die Richtung zurück, aus der es herangefahren war.
Durch die Einfahrt der Bucht konnte Lucio do Velho nur zu gut mit ansehen, wie es der „Sao Joao“ und der „Santa Angela“ erging. Nach dem Feuer der vollen „Isabella“-Breitseite hatte die portugiesische Galeone mehrere Einschläge zu verzeichnen. Ihr Großmast war angeschlagen, das Rigg hing wirr und brannte, sie drohte gegen die Felsen zu laufen. An Deck herrschte die größte Wuhling. Schreie tönten zu der „Candia“ hinüber.
Die spanische „Santa Angela“, die im Kielwasser der „Sao Joao“ lief, war durch die Breitseite der „Isabella“ auch in Mitleidenschaft gezogen worden, außerdem ging jetzt, als die Galeone der Korsaren mit rauschender Fahrt nach Südwesten ablief, ein dichter Hagel von Pfeilen auf sie nieder. Das Teuflische an diesen Pfeilen war, daß sie mit größter Präzision abgeschossen wurden – und daß ihre Spitzen ausnahmslos brannten und im Handumdrehen ein loderndes Feuer im Rigg oder auf dem Deck der Zweimast-Karavelle säten.
Die „Candia“ hatte auf do Velhos Order hin nach Backbord angeluvt. Jetzt ging sie über Stag, es war die einzige Möglichkeit, in der nicht sonderlich großen Bucht zu manövrieren und gleichzeitig die Gewähr zu haben, ohne Probleme wieder in die Passage zurückzusegeln.
Bei einer Wende nach Steuerbord wäre die Viermast-Galeone zu weit nach Süden gedrückt worden. Noch mehr Zeit wäre verstrichen, bis sie das Versteck der Seewölfe wieder hätte verlassen können.
„Sie entwischen!“ schrie do Velho. „Herrgott, der Durchbruch gelingt ihnen! Das darf nicht wahr sein!“
„Senor“, sagte Ignazio. „Die ‚Sao Joao‘ und die ‚Santa Angela‘ luven in diesem Moment an. Sie nehmen den gleichen Kurs wie die verfluchte ‚Isabella‘ und stellen ihr nach!“
„Sie können sie nicht einholen!“
„Die Kapitäne tun, was sie können.“
„Sie sind zu langsam!“ brüllte der Kommandant. „Wir müssen ’raus aus dieser verdammten Bucht, weg von hier, damit wenigstens wir den Hundesohn von einem Seewolf hetzen können!“
„Senor“, sagte der Mann aus Porto, der mit seinem Herrn auf dem unversehrten Vordeck stand. „Die ‚Isabella‘ hat mehr Tiefgang als wir. Vielleicht läuft sie im Ebbstrom auf, Santa Maria, ich wünsche es ihr.“
„Nein“, keuchte Lucio do Velho. „Nein, nein. Wie ich den Bastard kenne, hat er sich ein Bild von den Verhältnissen verschafft und weiß, wo sich die Untiefen befinden. Er hat Glück, wie immer, er steht mit dem Teufel im Bund!“
Eine erstaunliche Duplizität war das: Lucio do Velho ahnte ja nicht, daß ein gewisser Donegal O’Flynn senior vor kurzem genau das gleiche von ihm behauptet hatte.
Der Vorsteven der „Candia“ wies auf den Durchlaß zwischen den schroffen Felsen. Auf ähnlichem Kurs wie vorher die „Isabella VIII.“ lief der Viermaster auf die offene See hinaus. Mehr Wind blähte die Segel, die „Candia“ beschleunigte und pflügte ihren Begleitschiffen nach.
Die Feuer waren gelöscht worden, und jetzt war die Mannschaft eilig dabei, die gröbsten Schäden am Achterkastell, an der Heckgalerie und am Schanzkleid zu beheben. Wo Segelfläche durch die Brandpfeile vernichtet worden war, wurden provisorische Ersatzsegel gesetzt. Zwei oder drei Männer hatten ihr Leben gelassen, mehrere waren verletzt worden, aber do Velho hatte die Situation in der Hand. Er regierte eisern über sein Schiff und ließ keine Panik oder Disziplinlosigkeit zu.
Der Feldscher verarztete die Verwundeten, der Profos kommandierte die Unverletzten. Alles lief plötzlich wieder wie am Schnürchen, denn die Portugiesen und Spanier, aus denen die Besatzung bestand, waren Meister der Improvisation und verstanden ihr Metier. So schnell wie möglich wurden auch die Gefechtsstationen wiederhergerichtet und die 17-Pfünder beider Batteriedecks nachgeladen.
Stille trat ein. Die „Isabella“ befand sich außerhalb der Reichweite sämtlicher Geschütze, und auch der Seewolf verzichtete jetzt darauf, den Verfolgern noch einen flammenden Gruß zu entbieten. Er hätte einen der chinesischen Brandsätze zu ihnen hinüberschicken können, aber den sparte er sich lieber auf.
Hoch oben auf den Klippfelsen der Bucht richteten sich die Abuela und die Mädchen langsam hinter den Felsquadern auf. Sie waren sicher, von ihren Landsleuten an Bord der „Candia“ nun nicht mehr gesehen zu werden. Die Aufmerksamkeit von do Velho und dessen Mannschaft richtete sich voll auf die Arbeiten zur Wiederherstellung des Schiffes und die Verfolgung des verhaßten Feindes.
Die Mädchen ließen ihren Gefühlen daher freien Lauf, keiner konnte sie zur Rechenschaft dafür ziehen, daß sie für den Feind des Landes Partei ergriffen hatten.
„Es ist vorbei“, sagte Segura aufatmend. „So ein Glück.“
Franca klatschte vor Begeisterung spontan in die Hände. „El Lobo del Mar hat es geschafft! Gegen drei Gegner! Was ist er doch für ein toller Kerl!“
„Ja“, versetzte die Großmutter mit leicht brüchiger Stimme. „Er segelt ihnen vor der Nase davon und lockt sie gleichzeitig von der Bucht fort. Sie werden also nicht landen. Der Kommandant des Verbandes verfällt nicht mehr auf die Idee, hier Nachforschungen anzustellen, die die Seewölfe betreffen. Keiner wird uns unangenehme Fragen stellen. Wir bleiben unbehelligt. Darauf kommt es an.“
„Nein“, stieß Josea heftig aus. „Darauf kommt es nicht an. Was mir passiert, ist mir ganz egal. Siehst du denn nicht, daß der Viermaster und seine Begleitschiffe sich an die Fersen unserer Freunde heften? Sie jagen sie erbarmungslos, sie geben nicht auf.“
Die Alte musterte ihre Enkelin, ihr Gesicht verzog sich zu einer galligen Grimasse. „Himmel, wie ist das nur furchtbar, wenn ihr jungen Dinger euch Hals über Kopf verliebt. Vergiß den Seewolf. Es bringt dir nichts ein, wenn du ihm nachweinst und dich um ihn sorgst.“
„Aber Abuela …“
„Er schüttelt seine Jäger ab. Alle.“
„Die ‚Isabella‘ hat schwer geladen.“
„Trotz ihres Tiefgangs ist sie das schnellere Schiff, Josea.“
Verzweifelt rief das hübsche Mädchen: „Aber was verstehst du denn von der Seefahrt!“
„Und du?“
„Ich – ich habe das schreckliche Gefühl, daß Hasard und seinen Männern etwas Grauenhaftes zustößt“, sagte Josea.
„Hör mich an“, entgegnete die alte Frau. „Diese Teufelskerle sind um die ganze Welt gesegelt, sie fürchten weder den Tod noch den Höllenfürst persönlich. Die lassen sich nicht pakken, die kennen tausend Möglichkeiten, ihre Haut zu retten. Sonst wären sie nämlich schon längst nicht mehr am Leben.“
Josea holte tief Luft. „Ja, Abuelita“, antwortete sie dann. „Das sehe ich ein. Da magst du wirklich recht haben.“
„Fein. Gehen wir jetzt nach Hause. Es wartet eine Menge Arbeit auf uns.“
„O ja, wir werden keine Langeweile haben“, sagte Franca und dachte dabei an den ausgehöhlten Ziegelstein und den Beutel mit den vielen kleinen Kostbarkeiten, den sie darin verstecken wollte.
Josea sandte der „Isabella“, die draußen auf See jetzt immer kleiner wurde, noch einen sehnsüchtigen Blick nach. Sie bemerkte nicht, daß Segura das gleiche tat. Segura hütete sich, mit einem einzigen Wort zu verstehen zu geben, wie sehr auch sie durch die Persönlichkeit des Seewolfs beeindruckt und überwältigt worden war.
„Adios“, sagte Josea. „Leb wohl, Lobo del Mar.“
Sie wandte sich um und gab sich Mühe, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. „In Ordnung, gehen wir nach Hause.“