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Kapitel 2 - Warum Frauen in anderen Ländern hinsichtlich ihrer Blase unbekümmerter sind.
ОглавлениеSüdafrikanischer Urologenkongress, Festbankett, festlich gedeckte Tische die Damen in langen Kleidern die Herren in Black Tie eine Band spielt verhalten Background Oldies! Andre hat Glück! Die ansonsten grauenhafte Langweile derartiger Pflichtveranstaltungen wird durch seine junge attraktive Tischdame aufgehellt. Als Gattin des Professors für theoretische Physik ist auch sie solchen akademischen Events gnadenlos ausgeliefert und ihre sarkastischen Kommentare bringen ihn immer wieder zum Lachen.
Endlich erhebt sich der Tagungspräsident und besteigt alterssteif das Blumengeschmückte Podest mit dem Rednerpult. Aus seiner schwarzen Jacketttasche ragt das beängstigend dicke Papierbündel seiner Rede.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen... “in Gedanken ist Andre wieder am Lake Manyara unmittelbar nach Sonnenaufgang.Im sanften Morgenwind glitzern die Wellen, zwei Sattelstörche mit leuchtend gelb, schwarz und rot gemusterten Köpfen schreiten langsam am Ufer entlang tauchen ihre langen roten Schnäbel in die Dümpel zwischen Graspfannen auf der Suche nach Fröschen, entfalten ihr prächtiges Gefieder...........
Im gleichen Moment erhebt sich eine ältere Dame am Nachbartisch und geht zielstrebig zwischen den Tischen auf ein Schild neben dem Ausgang zu. Auf großen weißen Lettern steht: WIHT, BLACK und in der Mitte davon FIRE
Seine Nachbarin merkt seine betretene Verwunderung und flüstert
„Volle Blase!“
„ Bei uns in Europa gleichgültig ob in Berlin, Hamburg oder Wien wäre dies unmöglich!“ Sagt er ebenso leise.
„Es ist mir eine große Ehre“ fährt der Präsident ungestört fort- setzt seine schwarze Hornbrille auf und ist fortan völlig Manuskript gebunden. Da erhebt sich eine zweite Dame und folgt ebenso zielstrebig der Ersten.
„Prost“ sagt Andres reizende Tischdame leise und nimmt einen großen Schluck von dem übrigens vortrefflichen Chablis. „Wissen Sie“ fügt sie in ihrem unverkennbaren Schwizterdutch hinzu „Wenn sie zurückhalten dann haben sie spätestens morgen eine schauríge Blasenentzündung! In unserem Klima müssen sie beim ersten Druck einfach entleeren was ihnen eigentlich bekannt sein müsste! Oder?“
„Schon“ sage Andre matt „ aber doch zumindest, bis er ausgeredet hat und dann keinesfalls allein! Oder gehen sie nicht auch in Zürich immer zu zweit?“
Der Präsident hat mittlerweile alle Gäste aus nah und fern begrüßt wobei aber das Kommen und Gehen kein Ende nimmt.
„ Andere Länder andere Sitten“ sagt sie „aber wenn sie nach dem Gefasel noch Lust haben gehen wir zusammen anschließend auf die Terrasse! Als Lohn für Ihr tapferes Aushalten offeriere ich Ihnen ein kleines Previer zu diesem Thema ich bin nämlich selbst Ärztin und betreue hier die Botschaftsangehörigen!“
Auf der vom Vollmond beschienenen Terrasse finden sie einen freien Tisch. Ein livrierter Schwarzer offeriert beschlagene Gläser mit Gin Tonic.
„Zweifellos kennen sie die Symptome einer akuten Blasenentzündung oder?“ Beginnt sie ohne Umschweife. „ Wenngleich Urologe fehlt es ihnen aber vermutlich an eigener Erfahrung da Männer vergleichsweise selten davon betroffen sind. Meist landen die Patientinnen erst dann in ihrer Sprechstunde wenn das Schlimmste bereits vorbei ist! Oder machen sie vielleicht und wenn natürlich nur bei privat versicherten Damen auch Notfallmäßige Hausbesuche?“ fügt sie sarkastisch hinzu.
Ungewollt fallen Andre die abendlichen Besuche bei seiner Freundin Mia im Dachgeschoss ihres Apartments ein. Trotzdem antwortete er mit „Nein.“
„Da haben wir es!“ sagt sie lachend. „ Aber ich weiß wovon ich spreche und dazu erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte!“ Er nimmt einen Schluck Gin Tonic öffnet den ersten Knopf seines Hemdkragens unter der Fliege und zündet sich unter ihrem strafenden Blick eine Zigarillo an.
„Ich war noch Medizin Studentin im fünften Semester in Bern und wohnte zusammen mit meinem Freund Kajetan-Bertram in der großen Wohnung meiner Eltern. Zuvor war mein Vater als Botschafter nach Bombay versetzt worden. Eines Nachmittags gegen Ende einer Vorlesung verspürte ich plötzlich einen heftigen Harndrang und erreichte die Toilette im allerletzten Moment. Daheim angelangt wiederholte sich der Harndrang in kurzen Zeitabständen dazu brannte es zum Gott Erbarmen und zuletzt war der Urin deutlich blutig verfärbt. Ich rief unseren alten Hausarzt an aber der war in den Ferien und sein Vertreter so die Sprechstundenhilfe hatte ein volles Wartezimmer. Sie empfahl mir reichlich zu trinken und vertröstete mich auf den nächsten Vormittag.
In meiner Verzweiflung telefonierte ich mit meiner besten Freundin Nikol aus Paris die für zwei Semester hier Sprachen studierte
„Oh merde“ sagte sie „piss chaude“ das kennen ich! Du brauchst sofort Mictosol bleu! Nimm - bis Bertram kommt- ein warmes Bad und schicke ihn dann sofort in die Pharmazie!“
Also legte ich eine CD von der Piaf auf, band mir ein Handtuch über den Kopf und legte mich in die Wanne. Später kam Bertram spähte durch die Türe und wie immer war sein Mantel falsch zugeknöpft und unter dem Arm hatte er die Monatszeitschrift „Fortschritte in theoretischer Physik“.
„Langweile ich Sie?“
„ Nein ganz im Gegenteil“ log Andre denn Bertram war offensichtlich ein Spinner sonst hätte er seine Kleider einfach fallen gelassen und währe zu ihr in die Wanne gestiegen.
„ Wie war dein Tag“ fragte Bertram und in diesem Moment hätte ich ihn am liebsten auf den Mond geschossen.
„Es geht mir schlecht und du gehst sofort in die Apotheke unten am Eck und verlangst Mictosol bleu!“
Allein seine Hilflosigkeit machte mich halb wahnsinnig. Kajetan- Bertrams Gedanken kreisen nämlich auch heute noch im Orbit um einen Planeten auf welchem mathematische Formel eingraviert sind. Für die Belange des täglichen Lebens ist er absolut unbrauchbar und vermutlich weckte er bereits bei unserem ersten Zusammentreffen meine Mutterinstinkte.
Also machte er sich auf den Weg aber die Apothekengehilfin hatte noch nie etwas von Mictosol bleu gehört. Sie holte ihren Chef aber auch der fand in den Roten Listen kein eingetragenes Präparat.
„Waran leidet denn Ihre Frau“ fragte er schließlich.
„An piss chaude glaube ich“ sagte Bertram vage. Der Apotheker brach in ein schallendes Gelächter aus. „ Mit Piss chaude bezeichnen französische Männer mit einem Tripper den erster Harnstrahl der gleich einem Flammenwerfer durch das Rohr fährt!“ Vermutlich hatte Bertram bislang von einem Tripper nichts gehört und meinte geduldig:
„Dann halt etwas ähnliches was hilft.“
Er kehrte mit einer großen Packung Blasentee zurück und dem Rat den Mittelstrahlurin zur Untersuchung zu bringen.
„Soll ich nicht Piere anrufen?“ Sagte er.
Piere war damals einer unserer engsten Freunde und Assistenzarzt an der Psychiatrie.
„Glaubst Du ich bilde mir das alles ein?“ Antwortete ich giftig.
Trotzdem rief er Piere an. „Sie hat eine Blasenentzündung und furchtbare Schmerzen!“
„Wahrscheinlich hat sie einen Harnwegsinfekt“ sagte Pierre. Ihr habt doch sicher in der Hausapotheke Schmerzstillenden Zäpfchen und vielleicht auch ein Antibiotikum zum Beispiel Penicilín. !“
„Gut sagte Bertram ich gehe und suche nach Zäpfchen und Peniscillin!“
„P-e-n –i-c- i -l –i. n! sagte Piere. Peniscillin hilft nur bei Vagina pectoris!”
Bertram fand nur Zäpfchen gegen Fieber und Grippe. „Brauchst du ein Glas Wasser!“
„Nein“ zischte ich „verschwinde sofort und heute schläfst du im Gästezimmer!“
Wir bestellten einen weiteren Gin Tonic.
„Seltsamer Weise halfen die Zäpfchen ein wenig und später lernte ich in der Pharmakologie Vorlesung, dass auch in Grippemitteln enthaltenes Paracetamol die Blase ruhig stellt. Am nächsten Morgen war die Sprechstunde bereits voll. Irgendwie war es mir gelungen etwas Urin in einem Zahnputzglas aufzufangen.
„Wir legen eine Kultur an „ sagte die Sprechstundenhilfe „aber wenn es nicht besser wird hier ist ein Rezept für ein Breitbandantibiotikum und kommen sie in drei Tagen wieder!“
Also besorgte ich mir das Präparat und legte mich mit einer Kanne Basentee am Nachttisch ins Bett. Trotz reichlich Tee musste ich noch weiterhin alle 15 Minuten zur Toilette. Später las ich im Beibackzettel des Tees: „Enthält Beerentraubenblätter mit Hartreibender Wirkung!“
Nachmittags kam Nikol und brachte mir eine Packung Mictosol bleu. Ich ersetzte den Blasentee durch eine Flasche Rotwein die wir gemeinsam leerten worauf es mir deutlich besser ging.
Am übernächsten Tag waren die Schmerzen praktisch verschwunden aber dafür begann es in der Scheide zu jucken als würde ich in einem Ameisenhaufen sitzen. Der Vertreter des Hausarztes bestätigte seinen Verdacht auf einen Harnwegsinfekt und schickte mich zu einem Gynäkologen. Dieser fand eine Pilzinfektion als Folge des Antibiotikums setzte dieses ab und verordnete mir Vaginal-Globi gegen die Pilze.
Zu allem Überfluss litt auch mein so hilfloser Kajetan- Bertram. So suchte er Trost in der Stammbeitz seiner Freunde -einem rauchgeschwängerten Lokal mit Serviertöchtern von Zweifelhaftem Ruf. Freudig wurde der lang Vermißte in die Runde wieder aufgenommen und sofort kam das Gespräch auf die fatalen Folgen einer erzwungenen Enthaltsamkeit- wie mir später Bertram beichtete. Ein Medizin Student schilderte das Anschwellen der Vorsteherdrüse mit nicht entleertem Sekret welches zurückgestaut bis in die Nebenhoden zu schweren Entzündungen bis hin zur Spermatosepsis führen könne. Als Beispiel nannte er die Schilderung über die „Heimkehr des Kriegers“ in einem Medizinhistorischen persischem Werk aus dem fünften Jahrhundert.
Zum Glück ging es mir bald besser und Bertram kehrte wieder aus dem Gästezimmer zu mir ins gemeinsame Schlafzimmer zurück nicht ohne eine Kopie von „Die Heimkehr des Kriegers“ die ich bis heute aufbewahrt habe.“
Spät nach Mitternacht im Hotel angelangt ging Andre die Schilderung eines im Grunde genommen alltäglichen Krankheitsgeschehens seiner Kollegin nicht aus dem Kopf. Patientinnen mit einem „Banalen Harnwegsinfekt“ landeten entweder in den Praxen niedergelassenen Kollegen oder bei seinen Oberärzten, wenn diese nicht weiter wussten. In der Vorlesung war es daher oft schwierig eine Patientin mit einem Harnwegsinfekt vorzustellen und auch dann handelte es sich meist um Blasenentzündungen als Folge von Bestrahlung oder einer neuerdings wieder häufigeren Tuberkulose.
Andre schöne Tischnachbarin hatte seine Eitelkeit zielbewusst verletzt. Mitten im ersten Flirt fing sie seinen Blick auf die zur Toilette eilende Dame auf und lenkte sofort das Gespräch auf ein wie sie meinte häufiges Krankheitsbild. Aus eigener Erfahrung führte sie ihm dann vor Augen, dass er von den Begleitumständen einer Blasenentzündung keine Ahnung hatte, einschließlich des Fehlverhaltens von Ärzten und Apothekern. Heimtückisch hielt sie ihm sodann wie in einem Drama den Spiegel vor um sich selbst darin in Gestalt von Kajetan Bertram wiederzuerkennen. Kajetan –Bertram allein schon der Name! Wenngleich Lehrstuhlinhaber war er von den Vorstellungen einer Frau über Aufmerksamkeit Zuwendung und Hilfeleistung meilenweit entfernt! Und dann noch als Punkt auf dem I die Schilderung aus der Kneipe! Maliziös gekonnt wurde ihm zum Abschluss noch der Mann, als ein ausschließlich auf seine regelmäßige Samenentleerung bedachtes MCP (Male Chauvinistik Pig) vorgeführt!
Völlig verblendet hatte sich Andre mit ihr für den nächsten Morgen zu einem Vortrag seines alten Freundes Frank verabredet. Eine Kopie von der „Heimkehr des Kriegers“ - bei der wahrscheinlich die Männer wenn überhaupt noch möglich- noch schlechter wegkamen wollte sie mitbringen.
Am schlimmsten aber: sie hatte seine Neugier: Ursprung alles Denkens und Handelns geweckt!
Im Nachkriegs Wien hatten sie trotz Verfolgung und Verlust von Professoren wegen Parteizugehörigkeit noch immer faszinierende Persönlichkeiten als Lehrer.
„Stellen sie immer die Frage nach dem Warum an den Beginn ihrer Überlegungen!“ Mit diesen Worten begann der Pathologe Prof. Chiari seine überfüllte Vorlesung.
„Warum woanders alles Anders ist“ dies beschäftigte Andre! Dem beschloss er nach zu gehen! Insgeheim aber wollte er sich auch für die erlittene Schmach rächen wie wusste er noch nicht und schlief darüber ein.