Читать книгу Shandra el Guerrero - Rudolf Jedele - Страница 10

Prüfungen

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Hundert schöne Frauen auf ebenso schönen Pferden boten einen prächtigen Anblick. Obwohl Shandra sich jedes ungewohnte Herausputzen von Pferden verbeten hatte, ließen die Amazonen es sich nicht nehmen, ihre Pferde mit den Karden so ausführlich zu bearbeiten, das jedes Pferd dastand, als wäre es frisch lackiert. Die Mähnen und Schweife waren eingeflochten und die Amazonen hatten auch sich selbst von einer gründlichen Säuberung nicht ausgeschlossen. Lange vor Sonnenaufgang war das Flussufer alles andere als ein ruhiger Platz gewesen und nun, da es hell wurde, stand eine wahre Eliteschwadron bereit, um ihre Fähigkeiten zu demonstrieren.

Die wichtigste Waffe der Amazonen waren ihre Pferde, denn diese trugen ihre Reiterinnen nicht nur in den Kampf, sie kämpften auch voller Entschlossenheit und mit eisenharten Hufen mit, wenn es notwendig wurde. Alaxandras Hengst Astolan war nicht nur ein Bild von einem Pferd, er hielt im Volk der Sarmat ein einzigartigen Rekord. Obwohl erst sieben Jahre alt, hatte er bereits in neun Schlachten gekämpft und zweiunddreißig Feinde selbst getötet. Kein anderes Streitross konnte auch nur einen annähernden Rekord verzeichnen.

An zweiter Stelle der Waffen bevorzugten die Amazonen den Bogen. Aus gestrecktem Galopp ein bewegliches Ziel zu treffen, war eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe und wer bei den Amazonen in einer Schwadron reiten wollte, musste diese Aufgabe lösen können. Reiten war dabei nicht unbedingt gleichbedeutend mit auf dem Pferderücken sitzen, das konnte auch bedeuten, an der Seite zu hängen und über den Nacken oder unter dem Hals des Pferdes seine Pfeile abzuschießen oder gar unter dem Pferdebauch zu hängen. Gerade für diese Übungen besaßen die Amazonen speziell entwickelte Gurte, mittels derer sie sich an nahezu jedem noch vertretbaren Punkt ihres Pferdes halten konnten.

Der Wurfspeer war ebenfalls beliebt, die Lanze, der Morgenstern oder das Krummschwert gehörten zu den Waffen, die man im zweiten oder dritten Reiten einsetzte. Erst auf die lange Distanz den Pfeil, dann etwas näher heran den Wurfspeer und dann erst, am Schluss der Nahkampf mit den entsprechenden Waffen.

Eine ganz spezielle Waffe der Amazonen war die lange Peitsche. Aus dem Leder wilder Rinder geflochten, war diese Peitsche am Griff etwa so dick wie zwei Finger eines kräftigen Mannes. Am Ende, fünfeinhalb Schritte – gut zehn Ellen - vom Griff entfernt, war die Schmicke nur noch eine dünne Kordel, in die allerdings als ganz besondere Note der Amazonenpeitsche kunstvoll geschmiedete, winzige Messerchen eingeflochten waren. Mit einer solchen Peitsche konnte ein Mensch oder ein Tier auf fünf Schritte Entfernung hin auch getötet werden.

Shandra, Dagge und Rollo hatte sich mit ihren Pferde auf einen kleinen Hügel begeben, auf dessen Spitze eine mächtige Platane thronte. Im Schatten dieses mehrere hundert Jahren alten Baumes beobachteten sie, wie die Amazonen ihre Geschicklichkeit im Umgang mit allen ihren Waffen vorführten und eigentlich hätten diese Vorführungen ausgereicht. Was da an Restarbeit zur Anpassung an der Standard von Shandras kleinem Heer noch fehlte, war allenfalls Feinschliff. Es würde ein Vergnügen für Yodha, Rollo und Minaro, diesen Feinschliff vorzunehmen. Doch Shandra wollte, dass den Amazonen bewusst war, dass sie noch verbessert werden konnten, deshalb ordnete er an, dass es drei Herausforderungen geben sollte. Alle drei Übungen sollten vom Pferd aus absolviert werden und alle drei Übungen mit ganz normalen Waffen, nicht etwa mit Übungswaffen.

Die Herausforderung auf die langen Distanzen, mit dem sollte gegen Shandra geritten werden, die mittlere Distanz, ebenfalls mit dem Speer ging gegen Dagge und im Nahkampf war Rollo der Herausforderer.

Wie nicht anders zu erwarten, nahm Alaxandra die Herausforderung Shandras an. Als Führerin der Schwadron galt sie zumindest als beste Reiterin und auch als hervorragende Schützin. Shandra galoppierte in lockerem Kanter vom Hügel herunter, während Alaxandra bei ihrer Schwadron blieb und Astolan wie ein Standbild auf ein Zeichen seiner Reiterin wartete. Das Zeichen kam, als Shandra den Fuß des Hügels umrundet hatte und danach nur noch tausend Schritte ebenen Graslands zwischen ihm und Alaxandra existierten.

Alaxandra gegen Shandra, Astolan gegen Shaitan, kastanienbraun gegen schwarz.

Absoluter Gehorsam und hingebungsvolle Treue gegen überschäumendes Temperament und totales Verständnis, auch das waren Elemente des Vergleichs.

Beide hatten sie die Zügel los gelassen, beide lenkten ihre Pferde aus dem Sitz heraus. Beide nahmen mehr und mehr Tempo auf und donnerten auf einander zu, als wären sie aus einem unzerstörbaren Material und bräuchten keinerlei Rücksicht auf die eigene Gesundheit zu nehmen.

Alaxandra bekam eine Lehrstunde der ganz besonderen Art.

Die Entfernung zwischen ihr und Shandra betrug noch etwa zweihundert Schritte, als Alaxandra den ersten Pfeil abschickte. Dann jagte sie einen Pfeil nach dem anderen hinaus, die Zügel ihres Hengstes hingen lose hinunter. Sie lenkte Astolan rein mit Gewichtsverlagerungen, sie steigerte das Tempo von Galoppsprung zu Galoppsprung und doch, Shandra wich ihren Pfeilen in einer verspielten Lässigkeit aus, als stünde er auf dem Boden anstatt auf einem wie rasend dahin galoppierenden Hengst zu reiten. Was immer Alaxandra sich einfallen ließ, wie schnell sie auch schoss und wie listig sie voraus dachte, Shandra war nie da, wo sie ihn zu treffen hoffte. Mal hing er ´links am Pferd, mal rechts, mal sprang er vom Pferd, rannte neben her und sprang in voller Karriere wieder auf, kurzum, er machte sämtliche Zielversuche seiner Kontrahentin zunichte, kein einziger von Alaxandras Pfeilen kam ihm so nahe, dass er in Verletzungsgefahr gewesen wäre.

Dann waren sie aneinander vorbei und Alaxandra benötigte kurz beide Hände, um ihren Hengst wieder so weit zu zügeln, dass sie wenden konnte und als sie die Wendung vollzogen hatte, parierte sie ihr Pferd durch und blieb stehen, denn sie wusste, sie hatte verloren.

Shandra hatte Shaitan schon in dem Augenblick, da Alaxandra an ihm vorbei geschossen war, so geschickt auf die Hinterhand gesetzt, dass der Rappe etwa zehn Schritte weit über das Gras geschliddert war, dann stand er und kreiselte auf einen leichten Schenkeldruck hin herum und blieb wie zum Standbild erstarrt stehen. Shandra hatte alle Zeit der Welt, einen Pfeil auf seinen Bogen zu legen, den Bogen zu spannen und den Pfeil abzuschießen.

Alaxandra sah den Pfeil fliegen. Sie sah aber auch, dass der Pfeil sie knapp verfehlen würde. Also galoppierte sie in gerader Linie weiter. Ihren eigenen Bogen hielt sie in der Linken und sie hatte vor, im nächsten Augenblick wieder eigene Pfeile abzuschicken. Doch noch ehe sie etwas tun konnte, um diesen Plan umzusetzen, war der Kampf vorbei.

Ein dumpfer Knall und Alaxandras entsetzter Blick folgten einander unmittelbar hinter einander. Shandras Pfeil hatte sie verfehlt, dennoch hatte er – wie Alaxandra im nächsten Augenblick begriff – sein Ziel getroffen, denn die Sehne von Alaxandras Bogen hing zerfetzt hinunter und eine Ersatzsehne befand sich zusammen gerollt am Boden des Köchers.

Der Abstand zwischen den Kontrahenten betrug noch etwa fünfzig Schritte, als Shandra seinen schwarzen Bogen erneut hob. Alaxandra hatte ihren Hengst durch pariert, stand und erwartete den entscheidenden Treffer. Sie lieferte sich Shandra aus und konnte nur hoffen, dass diesem die lebende Alaxandra lieber war, als eine tote Amazonenanführerin. Shandra erkannte die Geste der Amazone und er verzichtete auf einen zweiten Schuss. Sie hatte ihre Niederlage eingestanden, also gab es keinen Grund für einen weiteren Schuss. Er ließ den Bogen sinken, nahm den Pfeil von der Sehne und steckte ihn in den Köcher zurück. Dann ließ er Shaitan aus dem Stand heraus angaloppieren, erreichte Alaxandra rasch, galoppierte an ihr vorbei, beugte sich zu ihr hinüber, packte sie an der Taille und hatte sie im nächsten Moment quer vor sich liegend. Shandra ließ Shaitan jetzt höchstes Tempo laufen und jagte auf den Hügel zu, hinauf auf die Hügelspitze, wo er durch parierte und Alaxandra auf dem Boden absetzte.

Ein glänzender Sieg des Heerführers, keine Frage.

Kaum stand Alaxandra noch ein wenig wacklig auf ihren eigen Füßen auf der Hügelspitze, galoppierte der bereits startbereit wartende Dagge mit seinem Hengst Vektor los und den Hügel hinunter.

Dem wuchtigen Hengst mit seinem riesenhaften Reiter fehlte natürlich die unnachahmliche Eleganz, die Shandras Reitweise auszeichnete, doch beiden verkörperten andere Werte. Wucht zum Beispiel und urwüchsige Kraft. Härte im Kampf und gemeinsamen Mut.

Seine Gegnerin war Vurtana und diese machte klar, dass auch bei den Amazonen rotes Haar für ungezügeltes Temperament stand. Passend zu ihren roten Haaren ritt sie einen hochbeinigen und ziemlich hellen Fuchshengst, der ausgesprochen schnell zu sein schien. Das Temperament des Hengstes stand seiner Reiterin im Übrigen kaum nach. Er wollte laufen, los stürmen und als ihn seine Reiterin zunächst noch etwas zurück hielt, wurde er unwillig, ging mit hochgerecktem Kopf und Hals gegen die Hand und galoppierte dabei beinahe auf der Stelle. Vurtana hielt ihren Speer waagerecht über der rechten Schulter, sie war bereit und als sie sah, dass Dagge vom Hügel herunter war und ebenfalls ebenes Geläuf hatte, gab sie ihren Hengst frei und brauste wie ein roter Orkan auf den schwarzen Hengst zu.

Wucht gegen Schnelligkeit, ungezügelte Kraft gegen ungestümes Temperament, unter diesen Zeichen stand der Zweikampf zwischen Vurtana und Dagge und der Ausgang schien zunächst offen zu sein, doch dann zeigte Dagge, was er in der Zwischenzeit als Reiter gelernt hatte.

Er ließ die Zügel Vektors fahren, ritt freihändig und zog mit der rechten Hand einen der Speere aus dem Köcher an seinem Sattel, mit der linken hängte er den Vikingschild am Sattel ab und streifte sich die Haltegurte über den Unterarm. Er galoppierte in einem ruhigen und gleichmäßigem Tempo solange, bis er und Vurtana sich einander bis auf etwa hundert Schritte angenähert hatten, dann aber tat er etwas unerwartetes, etwas das keine der Amazonen verstehen konnte. Ohne langsamer zu werden duckte er sich zur Seite und rammte er seinen Speer mit der Spitze nach unten in den Grasboden, dann richtete er sich wieder auf, fixierte seine Gegnerin und erwartete deren Wurf.

Vurtana verstand zwar nicht, weshalb ihr Gegner seinen Speer in den Boden gestoßen hatte, doch sie sah darin keinen Grund, ihren Angriff zu verlangsamen. Im Gegenteil, ein unbewaffneter Gegner war leichter zu besiegen, sie konnte ihrem Angriff noch mehr Schwung verleihen und ihren Sieg dadurch spektakulärer aussehen lassen. Sie verzichtete auf jede Vorsichtsmaßnahme, richtete sich auf, forderte von ihrem Fuchshengst noch mehr Tempo und dann hob sie ihren rechten Arm, holte aus und bei gut dreißig Schritt Abstand ließ sie den Speer fliegen.

Der Wurf war perfekt. Dagges Hengst war wohl etwas gestrauchelt und kurz aus dem Tritt geraten, Dagge war dadurch unkonzentriert und Vurtana wusste, dass der Speer die rechte Schulter ihres Gegners treffen würde. Nicht tödlich, aber gut genug, um Dagge kampfunfähig zu machen, genauso wie sie es geplant hatte.

Dagge versuchte nicht dem Speer auszuweichen. Stattdessen zuckte sein rechter Arm hoch, die Hand griff in die Luft und – tausendfach geübt – aus dem Speer schien eine lebende Schlange zu werden, die sich um Dagges Arm wand, umgedreht wurde und so schnell zurück zu seiner Werferin zischte, dass scheinbar eine schwarze Linie in der Luft entstand, deren Ende Vurtanas Kopf treffen musste.

Vurtanas Reflex war phantastisch. Einem mit voller Wucht aus kaum noch fünfzehn Schritten Entfernung geworfenen Speer auszuweichen, war eine echte Meisterleistung und nötigte allen Zuschauern höchsten Respekt ab, doch dann war ihr Glück aufgebraucht. Sie benötigte viel zu lange, um das wilde Tempo ihres Hengstes zu parieren, ihn zu wenden und sich neu auf Dagge auszurichten. Dieser dagegen hatte – wie schon zuvor Shandra und Shaitan – sein Pferd unmittelbar nach dem Moment, da Vurtana an ihm vorbei geschossen war, durch aufrichten und einsitzen zu einem schliddernden Stoppen gebrach. Dann hatte er ihn in höchster Eleganz einfach auf der Hinterhand gedreht, war hinter Vurtana her galoppiert. Der im Gras steckende Speer war im Handumdrehen aus dem Boden gerissen und nun stand er vor Vurtana, den Speer wurfbereit in der hoch erhobenen Hand und rief:

„Gib auf Vurtana! Ich werde dich nicht verfehlen und ich will dir nicht schaden. Gib auf!“

Wahrscheinlich hätte Vurtanas Temperament eine Aufgabe nicht zugelassen, doch von Alaxandra ertönte hatte blitzschnell zwei Finger in den Mund gesteckt, ein schriller Pfiff ertönte und eine unmissverständliche Handbewegung sagte, was zu tun war.

„Gib auf! Wir brauchen dich lebend!“

Vurtana ließ den Kopf hängen und lenkte ihren Hengst zu ihrer Anführerin auf den Hügel hinauf. Sie hatte sich alle Mühe gegeben und wusste, dass sie keinen anderen Fehler gemacht hatte, als ihren Gegner ein klein wenig zu unterschätzen. Mit einem derartigen Können bei dem blonden Riesen und seinem wuchtigen Hengst hatte niemand rechnen können.

Die letzte Herausforderung stand noch aus und Rollo war bereits auf dem Weg vom Hügel hinunter. Er hatte den schwierigsten Teil der Herausforderung übernommen, denn die Amazonen hatten nach zwei Niederlagen einen Strategiewechsel beschlossen.

Rollo würde nicht eine sondern drei Gegnerinnen bekommen.

Kasopeia wartete mit eingelegter Lanze, Mangoa hielt das Krummschwert bereit und Salvia hatte die Amazonenpeitsche vom Sattel gelöst und ausgeschüttelt und war dabei, ihre Schultermuskeln zu lockern um hart und schnell zuschlagen zu können.

Wer Rollo kannte, wusste, wie sehr er sich auf diesen Kampf freute. Drei Gegner, das war genau nach seinem Geschmack, da konnte er sich austoben.

Die drei Amazonen wählten auch eine andere Angriffstaktik als ihre beiden besiegten Anführerinnen. Sie wollten keinen frontalen Angriff mit langem Anlauf reiten, sie bewegten ihre Pferde in gemäßigtem Tempo in einem steilen Winkel zu Rollo nach Süden und so verringerten sie den Abstand zum Angriffsziel zwar auf weniger als hundert Schritte, aber zugleich befanden sie sich auch ungefähr hundertfünfzig Schritte seitlich von Rollo. Dort angelangt, wechselten nun auch die Amazonen in den Galopp und bewegten sich quer zu Rollo, der dies alles interessiert und mit wachsender Spannung beobachtet hatte. Jetzt, da die Kriegerinnen vor ihm von Süd nach Nord galoppierten, ahnte er, was sie vorhatten.

Rollo musste Dragon um einen relativ großen Felsbrocken lenken, der aus dem Gras ragte und genau in diesem Moment löste sich Kasopeia aus der Reihe seiner Gegnerinnen, bog rechts ab und donnerte mit eingelegter Lanze auf Rollo zu. Der Moment des Angriffs war ausgezeichnet gewählt und Rollo konnte entweder ebenfalls angreifen oder er konnte sich auf ein Ausweichmanöver einlassen, für beide Aktionen blieben ihm nur noch wenige Galoppsprünge Zeit. Er würde verlieren. Rollo wählte von allen ihm zur Verfügung stehenden Optionen die scheinbar am wenigsten geeignete aus. Er parierte Dragon durch, stand im nächsten Moment wie eine steinerne Statue und schon knallte die Lanzenspitze gegen seinen leicht schräg gehaltenen Schild, wurde seitlich abgelenkt und dann war seine eigene Lanze im Ziel. Rollo hatte die Lanze verkehrt herum gehalten, jetzt traf das stumpfe Ende die Amazone am Brustbein, die Wucht ihres Angriffs traf auf eine scheinbar unverrückbar stehende Wand, sie wurde aus dem Sattel gehoben, flog durch die Luft und krachte etwa drei Schritte hinter ihrem Pferd ins Gras.

Rollo nahm sich nicht die Zeit, diesen ersten Triumph zu genießen, er ließ die Lanze fahren, seine Arme zuckten hoch und schon lagen die Katanas in seinen Fäusten und jetzt entwickelte Dragon unter ihm seine ganze Wucht. Er preschte auf die zweite, bereits ausgescherte Amazone, auf Mangoa zu und sie trafen sich kaum zwanzig Schritte später und die Amazone war im Vorteil, sie konnte ihr Schwert aus einem Sprung ihres Hengstes nach unten ziehen, damit noch mehr Druck hinter ihren Schlag bringen und …

Das Krummschwert prallte in eine grün schimmernde Falle aus zwei schlanken Klingen und wurde der Amazone wie von einem vorbei fegenden Orkan aus der Hand gerissen. Ihr Handgelenk war geprellt, ihre Schulter verrenkt und sie hatte größte Mühe, sich im Sattel zu halten, während Rollo scheinbar ohne seine Tempo zu verändern weiter galoppiert war. Jetzt hatte er sogar etwas Zeit, seinen weiteren Sieg zu feiern, denn Salvia war von der Geschwindigkeit, mit der ihre Gefährtinnen besiegt worden war derart überrascht, dass sie viel zu weit weg war, um einen unmittelbaren Gegenangriff einleiten zu können. Rollo hielt das Krummschwert Mangoas zwischen seinen Katanas eingeklemmt vor sich, jetzt warf er es hoch in die Luft, ließ sein Dai Katana in der Rückenscheide verschwinden und fing das herunter segelnde Krummschwert mit der rechten Faust auf. Eine artistische Spitzenleistung, der er jetzt noch Eins oben drauf setzte.

Salvia hatte gewendet, jetzt kam sie mit schlag bereit erhobener Peitsche auf Rollo zu gedonnert um diesen mit der Peitsche aus dem Sattel zu holen und so wenigstens einen Wettbewerb zu Gunsten der Amazonen zu entscheiden. Zehn Schritte betrug ihre Reichweite und dagegen besaß Rollo kein Mittel. Sie wurde von dem plötzlich durch die Luft zischenden Krummschwert vollkommen überrascht, denn welcher Krieger benutzt schon ein Schwert als Waffe zum Wurf? Die Klinge Mangoas wirbelte heran und schlug mit einem trockenen Geräusch gegen den Peitschenstiel in Salvias Faust, durchtrennte das Holz wie einen dürren Strohhalm und damit war auch Salvia besiegt. Entwaffnet und – so fühlte sie sich – bloß gestellt.

Die Amazonen waren zutiefst deprimiert. Ihre Anführerinnen und zugleich besten Kriegerinnen waren auf eine Art und Weise besiegt worden, wie sie in der Geschichte der Amazonen unbekannt war. Kasopeia hatte als Einzige eine Verletzung davon getragen, denn auch das stumpfe Ende einer Lanze verursacht eine heftige Prellung, wenn es aus vollem Galopp gegen einen menschlichen Körper prallt. Die übrigen Amazonen waren ohne einen Kratzer davon gekommen und trotzdem waren alle Niederlagen ohne auch nur das kleinste Wenn und Aber komplett gewesen.

Sie saßen an ihren Lagerfeuern und warteten auf die Botschaft, die ihnen von Alaxandra gebracht werden würde. Sie alle sahen sich bereits im Geist wieder nach Osten reiten und überlegten, wie sie es ihrer Königin – Alaxandras Mutter – würden beibringen können, dass sie derart vernichtend besiegt worden waren.

„Ich kann nicht anders, ich muss zugeben, dass du und deine Krieger eine Kampfkunst repräsentiert, an die wir einfach nicht heran reichen. Ich gestehe eine vollkommene Niederlage ein und unseren Sitten nach gehört alles, was wir besitzen nun dir. Wir haben die Herausforderung ausgesprochen und müssen nun für unsere Niederlage gerade stehen. Ich habe nur die Bitte, dass du uns so viel an unseren Besitztümern lässt, dass wir uns eine neue Ausrüstung für den Heimweg herstellen können.“

Shandra sah Alaxandra mit einem seltsamen Ausdruck in den grünen Augen an und tat, als müsste er noch überlegen, wie er mit den Amazonen verfahren wollte, dabei stand längst fest, was er wollte.

„Eigentlich kann ich von all eurem Habe kaum etwas gebrauchen. Ich werde euch also praktisch nichts abverlangen. Das Einzige, was ich gut gebrauchen kann, sind eure Pferde. Die werden sich in meinem Heer gut machen, denn sie sind groß und stark genug, auch Männer in die Schlacht zu tragen. Bist du damit einverstanden?“

Alaxandras Gesicht wurde so weiß wie frisch gefallener Schnee auf dem Gipfel des Mulhacen. Das genau hatte sie am meisten gefürchtet, das war die Höchststrafe für die Amazonen. Sie sank förmlich in sich zusammen, als sie Rollos tiefe Stimme hörte:

„Aber Bruder, was willst du denn mit noch einmal mehr als hundert Pferden? Wir haben noch ein paar hundert auf den Koppeln des Hochlandes stehen und nun willst du auch diese noch haben? Wer soll denn all die Pferde versorgen, wer soll sie reiten?“

Alaxandra sah auf, ein kleiner Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf, doch Shandra blickte seinen Freund und Ziehbruder ernst an und antwortete:

„Bruder wie oft soll ich dir noch sagen, dass du meine Entscheidungen nicht vor Außenstehenden in Frage stellen sollst! Die Pferde sind gut und wir haben sie uns redlich verdient. Also werden wir sie behalten. Das habe ich entschieden und dabei bleibt es!“

Nun mischte sich Dagge ein und versuchte zu vermitteln:

„Darf ich einen Vorschlag machen? Wir haben doch ohnehin viel zu wenig Frauen im Heer, nicht wahr? Lass uns die Pferde nehmen und damit sie uns nicht belasten, nehmen wir die Reiterinnen mit dazu. Und den Wagen, die Mulis und die dicken Weiber können wir auch gebrauchen, denn dann bekommen wir vielleicht jeden Abend ein vernünftiges Essen und nicht immer nur das am Feuer gebratene Fleisch.“

„Meine Freunde, unser Kriegszug hat gerade erst begonnen, wir haben erst eine Tausendschaft Anglialbions im Feld geschlagen und außer Ronda noch keine Stadt befreit und dennoch wollt ihr schon weich und bequem werden? Kriegern essen doch auch rohes Fleisch, wenn sie dadurch Kraft gewinnen, oder?

Aber ich gebe zu, dass an euren Überlegungen vielleicht doch etwas dran ist.“

Wieder meinte Alaxandra den jungen Strategen nachdenklich zu sehen und als er zur Antwort ansetzte, hielt sie die Luft an.

„Also gut, wir nehmen die Pferde, wie ich es vorgesehen habe. Aber wir nehmen auch die Reiterinnen und ihre Marketenderinnen dazu, denn dann sind wenigstens die Pferde versorgt. Aber ihr beiden, ihr habt mir wieder einmal widersprochen und das muss bestraft werden! Ich bestimme, dass ihr euch um die Ausbildung der Frauen kümmert und dafür sorgt, dass sie uns weder zwischen den Schlachten langsam machen, noch uns bei Kämpfen im Weg herum laufen. Ihr haftet mit eurem Leben für sie. Minaro und Yodha dürfen euch dabei helfen.“

Shandra drehte seinen Hengst zwischen den Schenkeln herum und ritt zum Fluss hinunter. Alaxandra aber starrte die beiden blonden Hünen fassungslos an, dann fragte sie:

„Was bedeutet das nun alles?“

„Dass ihr ab sofort zum Heer der Grazalema gehört und mit uns reiten werdet. Außerdem werdet ihr von uns lernen und schon in kurzer Zeit, werdet ihr ein wertvoller Bestandteil unserer Truppe sein. Das soll es bedeuten.“

Rollo grinste seinen Freund Dagge bei diesen Worten fröhlich an und auch Dagge vermochte sich das Lachen kaum mehr zu verkneifen. Hundert Amazonen im Heer, das versprach nicht nur eine erhebliche zusätzliche Kampfkraft, sondern auch darüber hinaus noch einige positiven Aspekte. Immerhin hatten sich die Anführerinnen der Amazonen sich als nicht besonders prüde gezeigt. Wenn sich diese Einstellung bei allen Amazonen zeigte, dann …

Shandra el Guerrero

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