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Amazonen

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Um von Ronda nach Antequera zu reisen gab es verschiedene Wege. Keiner von ihnen war bequem und alle waren mehr oder weniger gefährlich, denn der größte Teil des Landes bestand aus einer unwegsamen und schroffen Bergwildnis, in der sich ein Fremder ohne einen ortskundigen Führer in kürzester Zeit verlaufen würde. Die Vielzahl der großen und kleinen Täler bildete vermeintlich ein wahres Labyrinth von Möglichkeiten, von einer Himmelsrichtung in die andere zu ziehen und doch waren die Wege selten das, was sie zu sein schienen.

Es gab Wild in rauen Mengen und auch Wasser genug, doch die Bäche und Flüsse hatten ihr Bett zumeist tief in das Gestein eingegraben und es war nicht selten, dass Wanderer in unmittelbarer Nähe eines Baches oder eines kleinen Flusses verdursteten, weil dessen Ufer völlig unzugänglich waren. Ähnlich verhielt es sich mit der Jagd. Ein Stück Wild zu erlegen war zumeist nicht besonders schwierig, denn alles Wild war erstaunlich wenig scheu. Aber was nütze es, eine Gämse zu erlegen, die nur fünfzig Schritte entfernt graste, wenn sich zwischen der Beute und dem Jäger ein Abgrund befand, der innerhalb eines halben Tagesmarsches in jeder Richtung nicht überquert werden konnte?

Es war also alles andere als ein Honigschlecken, durch diese Wildnis zu ziehen. Es sei denn, man hatte einen Führer bei sich, der sich auskannte. Doch wie so oft im Leben, waren auch die verfügbaren Führer meist mit einem erheblichen Risiko behaftet. Verfügte man über nur wenig begehrenswerte Besitztümer, bekam man keinen oder nur einen schlechten Führer. War man aber besser gestellt und konnte einen der angesehenen Führer bezahlen, war man zugleich eine willkommene Beute für Räuber und Wegelagerer und es geschah nicht selten, dass ein Führer mit einer Bande Räuber zusammen arbeitete und eine fette Provision für seine Dienste erhielt. Dienste, die darin bestanden, die Reisenden zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen und dann zu verschwinden.

Diese Methode war bei den Geistern der Sierra – ein nennenswerter Teil dieser Menschen verdienten ihren Lebensunterhalt durch Raub, Mord und Totschlag - besonders beliebt, wenn der Reisende Chriano oder gar Anglialbion war.

Die vier Escadrons blieben von solchen Praktiken natürlich verschont. Zum Einen konnten die Geister der Sierra an Shandras Truppen viel mehr verdienen, wenn sie zahlreiche Anglialbions und Chrianos erschlugen und zum andern – ein nicht weniger wichtiger Grund – genügte es, die Krieger der vier Escadrons anzuschauen oder, was noch beeindruckender war, ihnen bei den Übungen zusehen, dann wusste man, dass mit diesen Leuten nicht zu spaßen war. Selbst die abgebrühtesten Totschläger unter den Ausgestoßenen redeten nur voller Respekt von den Leistungen, die sie bei Shandras Kriegerinnen und Kriegern gesehen hatten. Und dann war da ja noch ein Grund, weshalb man seine Finger von Shandras kleinem Heer ließ:

Man war ja auch noch befreundet. Sagten jedenfalls die Oberen der Geister der Sierra.

Aus welchem Grund auch immer, Shandras Escadrons wurden schnell, sicher und mit der bestmöglichen Bequemlichkeit durch die Berge gelotst und erreichten nach neunzehn dennoch anstrengenden Reittagen die weite Ebene von Osuna, die sie durchqueren mussten, ehe sie erneut in eine – noch wildere . Bergwelt eintauchen würden, über deren Wege und Pfade sie zum Torqual de Antequera und zuletzt nach Antequera selbst gelangen sollten.

In der kleinen Ansiedlung Osuna hatte Shandra noch einen längeren Aufenthalt geplant, denn Minaro und Celina waren schlicht und einfach damit überfordert, für die drei neuen Escadrons die notwendigen Waffen in einer vertretbaren Zeit herzustellen. Shandra hatte deshalb vor, die Schmiede von Osuna um ihre Hilfe zu bitten.

Nach Rücksprache mit den Kundschaftern waren für die Überquerung des westlichen Teiles der Ebene mindestens fünf Tagesmärsche einzuplanen und Shandra war darüber nicht böse, denn damit gewann er fünf Tage, an denen die Escadrons relativ locker voran marschieren würden und seine Anwesenheit nicht ständig erforderlich war. Shaitan brauchte dringend Auslauf. Und nicht nur er. Auch Shandra war die ständige Kletterei, die vom Morgen bis zum Abend durch Berge und Felsen eingeschränkte Fernsicht und die permanente Unsicherheit, ob man nicht doch plötzlich in einen wie auch immer gearteten Hinterhalt geriet gründlich satt. Auch er wollte sich wieder einmal den Reitwind durch die Haare wehen lassen, den Geruch eines Graslandes atmen und die mächtigen Muskeln seines Hengstes unter sich spüren. Zu erleben, wie sie sich streckten und zusammen zogen, wie die Hinterbeine den Hengst mitsamt seinem Reiter in enormen Sprüngen nach vorne katapultierten und wie die Schwalben und die Falken neidisch auf ihn herab starrten, wenn Shaitan mit dem Sturmwind um die Wette lief.

Seinen ersten Galopp trat Shandra allein an. Es gab ohnehin kein Pferd im Heer, der Shaitans Tempo hätte mithalten können und Shandra brauchte einfach eine bestimmte Zeit mit sich allein.

Es war beileibe keine leichte Aufgabe, ein Heer wie das seine durch raues Land zu führen und es durch ständigen Drill, durch ununterbrochene Übungen in einen immer höheren Stand der körperlichen Überlegenheit über jeden normalen Menschen zu heben und dennoch niemals die Kontrolle zu verlieren.

Es gab niemand in den vier Escadrons, der bei einem Wettlauf mir Shandra oder Rollo innerhalb eines Tages schlapp gemacht hätte. Fast alle konnten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang das Tempo der Wölfe laufen und erst Mitte der ersten Nacht begannen sich die ersten Krieger von einem langen Lauf zu verabschieden. Ihr Können mit den Waffen war längst auf eine Ebene entwickelt, die jedem Krieger aus einem anderen Heer das kalte Grauen eingeflößt hätte und auch als Reiter vollbrachten sie Leistungen, die Yodha stolz machte und ihn die Behauptung aufstellen ließ, dass selbst die beste Reiterbrigade Lanceros oder eine zehnfache Übermacht maurischer Reiterei gegen diese vier Escadrons nicht siegen könnte.

Solche Kriegerinnen und Krieger immer und zu jedem Zeitpunkt soweit zu zügeln, dass sie nicht aus lauter Übermut und Stolz auf einander losgingen, war harte Arbeit und gelang den Hauptleuten zusammen mit Shandra nur, weil sie eben noch besser waren, als der beste ihrer Krieger.

Shandra war längst zum Idol aller geworden und wenn er mit dem Finger schnippte war jeder bereit sein Leben für ihn zu geben. Rollo war der Held der Escadrons und ihm in einer Leistung nahe zu kommen, war gleichbedeutend mit dem Gewinn eines Fürstenthrons. Minaro, Dagge und Tigran, Celina und Akitha, Siegbart und Sanhild, sie alle wurden respektiert und geliebt und dennoch verging kaum ein Tag, an dem nicht einer von Ihnen mit einer Herausforderung konfrontiert wurde. Keine Kämpfe mit tödlichem Ausgang, das hätte Shandra niemals geduldet, dazu waren ihm seine Krieger zu wertvoll, aber es ging immer hart zur Sache.

Aus all diesen Gründen heraus war Shandra froh, dass sie das Grasland der Ebene von Osuna erreicht hatten und nun war er mit Shaitan unterwegs, obwohl die Sonne erst ankündigte, dass sie demnächst aufgehen wollte.

Der Hengst flog nur so über die Steppe und selbst Geri und Freki – mittlerweile längst ausgewachsen und absolut kapitale Vertreter ihrer Rasse – hatten Mühe, mit dem schwarzen Geschoß auf vier Beinen mitzuhalten.

Shandra ließ zu, dass der Hengst das Tempo selbst bestimmte. Er wusste, was sein Freund brauchte, er ahnte, wie verspannt die Muskeln, wie verklebt Sehnen und Bänder nach der endlos lang erscheinenden Zeit in Ronda und der endlosen Kletterei in den letzten Tagen sein mussten. Sollte der Hengst doch laufen, er, Shandra konnte jeden einzelnen Galoppsprung genießen, egal in welcher Rasanz es voran ging.

Gegen Mitte des Vormittags hin erreichte Shandra eine Gruppe junger Pappeln, die als dichter, kleiner Hain das Knie eines Bachs säumten und einen schattigen Platz zum Rasten boten. Shaitans Bewegungsdrang hatte sich soweit normalisiert, dass er auch wieder in einem ruhigen Kanter zu reiten war und in diesem Tempo strebte Shandra dem Pappelhain zu, denn der Hengst und die Wölfe brauchten Wasser.

Er sprang von Shaitans Rücken, nahm den Sattel und das Zaumzeug ab und ließ den Hengst frei laufen. Übermütig warf der schwarze Kerl sich in das Wasser, wälzte sich ausgiebig im Schlamm des Ufers und tobte dann bockend und wiehernd mit den beiden Wölfen auf einer Wiese im Innern des Pappelhaines herum. Sie alberten wie kleine Kinder und Shandra saß am Bach, hatte die Mokassins ausgezogen, hielt seine Füße ins Wasser und sah seinen drei vierbeinigen Freunden beim Spiel zu.

Er staunte selbst immer wieder, welche Freiheiten die beiden Wölfe sich bei Shaitan heraus nehmen durften und mit welcher Vertrautheit und Selbstverständlichkeit die beiden mit dem Hengst umgingen. Shaitan war ein Kumpan, keine Beute und umgekehrt sah Shaitan in Geri und Freki keine Jäger und keine Feinde.

Die Wiese war groß genug, als dass Shaitan die beiden Wölfe in wildem Tempo durch das Gras jagen konnte, mal links herum, mal rechts herum und es war Platz genug, dass die beiden dem Hengst ausweichen, ihn aber auch stellen konnten. Sie tobten sich aus und dennoch vergaßen sie niemals, dass es auch noch anderes auf der Welt gab, als sie drei.

Urplötzlich, aus einem wilden Galopp heraus zog Shaitan die Hinterbeine plötzlich tief unter seinen Körper, schlidderte durch das Gras und blieb dann wie angewurzelt stehen. Er richtete sich hoch auf, sein Kopf richtete sich nach Nordosten und auch seine Ohren stellte er pfeilgerade in diese Richtung. Er stand noch nicht ganz, da hatten die Wölfe schon an den Flanken des Hengsts Stellung bezogen und auch sie windeten und lauschten in dieselbe Richtung wie Shaitan. Einen Moment später registrierte es auch Shandra.

Von Nordosten her ertönte das dumpfe Pochen von Hufen, ein Pferd näherte sich ihnen im Galopp.

Dort konnte es aber kein Pferd geben. Zumindest keines, das zum Heer gehörte. Wenn man aber hier draußen fremden Reitern begegnete, war auf jeden Fall Vorsicht angesagt, denn die Chance war groß, dass diese Reiter zu den Anglialbion gehörten.

Shandra sprang auf, schlüpfte in seine Mokassins und lief über die Wiese, durch den Baumgürtel des Hains und drang zu dessen nordöstlichem Saum vor, um in die Ebene hinaus zu schauen. Er sah sich um, doch vom Boden aus war kein Reiter zu sehen, also kletterte Shandra auch noch rasch auf eine der kräftigeren Pappeln. Als er etwa drei Mannslängen hinauf gestiegen war, konnte er eine weite Fläche der Ebene überblicken und da sah er auch den einzelnen Reiter, dessen Hufschlag er gehört hatte.

Ein dunkles Pferd kam in einem elegant und leicht anzusehenden Galopp über die Ebene auf den Hain zu und würde diesen ziemlich genau an der Stelle erreichen, an der Shandra auf den Baum geklettert war. Die Entfernung zwischen Hain und Reiter betrug ungefähr noch eine Meile und Shandra hatte noch etwas Zeit, den Ankömmling zu betrachten.

Es handelte sich um einen guten Reiter, das war selbst auf die Entfernung hin mühelos erkennbar, denn er saß locker und entspannt auf dem Pferderücken, seine Haltung war aufrecht wie es sein soll, wenn sich das Pferd vom Reitergewicht ungestört bewegen soll. Als der Reiter ein paar Felsbrocken auf seinem Weg umrunden musste, konnte Shandra beobachten, dass die notwendigen Lenkmanöver von dem Pferd ohne erkennbare Aktionen des Reiters wie von selbst ausgeführt wurden, was einen ausgezeichneten Sitz des Reiters signalisierte. Alles in allem ein Reiter, der ohne jeden Zweifel einen ernst zu nehmenden Gegner abgeben würde.

Shandra rutschte vom Baum und lief zurück an den Bach um sich zu bewaffnen. Shaitan ließ er frei laufen, ein einzelner schwarzer Hengst von Shaitans Schönheit und Ausstrahlung würde ganz sicher genug Ablenkung darstellen, um Shandra einen Vorteil durch Überraschung zu sichern. Während der Zeit, die verging bis Shandra seinen Sattel in einem Gebüsch versteckt, seinen Bogen gespannt und einen Köcher mit Pfeilen umgehängt hatte, war der fremde Reiter am Saum des Pappelhains angekommen, nun hörte Shandra das Knacken von Ästen, als der Reiter durch das dichte Unterholz kam und ebenfalls der Wiese am Bach zustrebte.

Wenige Schritte von Shandra entfernt gab es eine ziemlich große Buschgruppe, in die ein paar Wildwechsel hinein und auch wieder hinaus führten. Gut ausgetretene Pfade von großen Antilopen, Hirschen oder Wildschweinen denen Shandra in die Büsche hinein folgen konnte, ohne eigene Spuren zu hinterlassen. Shaitan hatte seinen Herrn und Freund aus einiger Entfernung aufmerksam beobachtet und begriff, dass etwas geschehen würde, dass nicht alltäglich war. Seine natürliche Vorsicht wurde noch gesteigert und der Hengst konzentrierte sich wieder auf die Geräusche, die der fremde Reiter bei seiner Annäherung verursachte.

Ein ziemlich unvorsichtiger Reiter, denn er machte viel zu viel Lärm bei seinem Weg durch das Unterholz. Oder ein unbekümmerter Reiter, einer der nicht mir etwas rechnete, das ihm gefährlich werden konnte. Jetzt kam er aus dem Schatten der Pappeln hervor und blieb am Rand der Wiese kurz stehen, bot so Shandra eine ausgezeichnete Gelegenheit ihn zu studieren, denn die Entfernung zwischen ihm und dem Fremden betrug kaum fünfzig Schritte.

Als erstes stellte Shandra fest, dass es sich nicht um einen Reiter sondern um eine Reiterin handelte. Und zwar um eine sehr attraktive Reiterin. Sie hatte langes, dunkelbraunes und leicht gelocktes Haar, das sie offen trug, nur von einem Stirnband soweit gebändigt, dass es nicht ins Gesicht hing. Sie trug ein ledernes Reithemd, das allerdings die rechte Schulter und die rechte Brust unbedeckt ließ, was Shandra einen Anblick bescherte, auf den er mit einer einfach nur männlichen Regung reagierte. Die Reiterin war schlank und doch schien sie über hervorragende Proportionen zu verfügen, ihre langen Beine schmiegten sich an den Körper ihres Pferdes und sorgten so für den Eindruck, Pferd und Reiterin bildeten eine harmonische Einheit.

So schön der Anblick der Reiterin auch war, der Anblick des Pferdes war es ebenfalls wert, länger hinzusehen.

Ein Hengst. Das war unschwer an seiner ganzen Aufmachung zu erkennen.

Ein großes Pferd, mindestens eine Handbreit höher als Shaitan und mit einem Körperbau, der Schnelligkeit, Ausdauer und dennoch genügend Wendigkeit signalisierte.

Dazu ein Hengst in einer ausgezeichneten Verfassung. Der mächtige Hals mit dem dichten, schwarzen Behang, der muskulöse Rücken, die starke Hinterhand und der lange, seidig glänzende und ebenfalls schwarze Schweif, dazu die schlanken Beine, die sich leicht und sicher bewegten. Das glänzende Fell von der Farbe reifer Kastanien, alles zusammen ergab einen Anblick den ein Reiter wie Shandra absolut genießen konnte, auch wenn es sich bei der Fremden möglicherweise um einen Feind handelte.

Außerdem, auch das erkannte Shandra in einem Augenblick, die Fremde war trotz ihrer eigenen Schönheit und der Schönheit ihres Pferdes nicht in friedlicher Absicht unterwegs, denn sie war bewaffnet wie eine Kriegerin.

Sie trug ein Schwert auf dem Rücken und eine Lanze unter den linken Arm geklemmt. An den Füßen trug sie hochschäftige Mokassins und zumindest am Schaft des linken Stiefels war eine Messerscheide mit eingearbeitet und ein ziemlich kräftiges Messer stak in dieser Scheide. Ihre Beine waren nackt und um die Hüfte trug sie eine Art Lendentuch, das an den Seiten bis zum Gürtel offen war. Am Sattel hingen auf der einen Seite ein Bogen aus dunklem Holz und eine lange, zusammen gerollte Peitsche, ähnlich den Treiberpeitschen, wie Shandra sie bei den Mauren kennen gelernt hatte. Auf der anderen Seite hing ein Köcher am Sattel, aus dem mindestens zwanzig Pfeile mit einer graubraunen Befiederung ragten. Außerdem hing dort ein glänzender Helm mit Falkenflügeln als Helmzierde.

Eine schöne, fremde und sehr unvorsichtige Kriegerin, die dort am Rand des Pappelwäldchens stehen geblieben war, denn in diesem Moment war ihr Hengst auf Shaitan aufmerksam geworden hatte sofort den potentiellen Rivalen, einen weiteren starken Hengst in ihm erkannt. Der Braune begann schnaubend zu tänzeln, stieg und schlegelte mit den Vorderbeinen die Luft, während seine Reiterin wie angegossen auf seinem Rücken saß und nicht einmal auch nur andeutungsweise in die Zügel griff, um den Braunen zur Ordnung zu rufen. Sie fühlte sich offenbar so sicher, dass sie ihrem Hengst die Spielchen im Angesicht eines Wildhengstes erlaubte. Sie fühlte sich sogar so allein, dass sie mit Shaitan zu reden begann, ihn eine schwarze Schönheit nannte und ihn fragte, ob er denn ganz allein sei, wo er seinen Herrn und wo sein Harem gelassen habe. Ein so schöner und starker Hengst war doch bestimmt Herr über eine große Stutenherde, oder?

Natürlich antwortete ihr Shaitan nicht. Er führte sich aber tatsächlich wie ein echter Wildhengst auf, tanzte steigend und laut wiehernd vor den Fremden herum und lenkte die Kriegerin dadurch so sehr ab, dass sie vor Schreck fast vom Pferd gefallen wäre, als sie plötzlich von ihrer rechten Seite her, aus dem Gebüsch heraus von einer Männerstimme angesprochen wurde:

„Es ist ziemlich leichtsinnig, sich in einem fremden Land dem Anblick eines Pferdes so hinzugeben, dass man vergisst, die Zeichen der Natur zu lesen. Wer bist du, Kriegerin, dass du dir diesen Luxus leisten kannst?“

Die Frau zuckte zusammen, ihr Hengst kreiselte auf ihren Schenkeldruck hin herum und tat dann seinen Instinkten gehorchend einen Sprung zur Seite ehe er gleich darauf rückwärts weg tänzelte. Beide, Frau und Pferd starrten erschrocken an die Stelle, von wo die Stimme erklungen war.

Dort am Gebüsch, nur noch fünf Schritte entfernt, stand plötzlich ein schlanker, aber bewaffneter Mann mit langem, kohlschwarzem Haar, das an den Schläfen zu Zöpfen geflochten war und sah mit intensiv blitzenden, smaragdgrünen Augen und einem kleinen Lächeln im Gesicht zu ihnen her. An beiden Seiten des Mannes aber standen zwei riesige, schwarzgraue Wölfe und deren gelbe Augen funkelten bedrohlich und ihre Körperhaltung signalisierte Angriffsbereitschaft.

Shandra registrierte voller Bewunderung, wie die Frau auf die Bewegungen ihres Hengstes reagierte und wie sie diesen nun, da sich die Situation verändert hatte, mit leichtesten Korrekturen an die Schenkel nahm und wie das prachtvolle Pferd auf die Hilfen seiner Reiterin reagierte. Das war hohe Kunst, die Frau hätte in Shandras Escadrons mit reiten können.

„Thors Hammer, was soll das! Wieso schleichst du hier herum und erschreckst harmlose Reisende?“

Shandra bemerkte sehr wohl, dass die Finger der Frau jetzt ihre Lanze fester gepackt hielt als zuvor, denn die Fingerknöchel an ihrer Faust waren plötzlich weiß geworden. Auch der braune Hengst stand plötzlich wie ein Standbild, hatte nach einem halben Schritt rückwärts die Beine tief unter dem Körper und war somit bereit, aus dem Stand heraus nach vorne los zu springen. Wirklich, die beiden waren auf eine Art auf einander eingespielt, wie sie nur durch intensives Üben und durch das Wissen, worauf es ankam entstand.

„Ich schleiche nicht herum, ich war längst da, als du ankamst und ich bin ein vorsichtiger Mann, deshalb wollte ich erst wissen, wer da wie eine Herde wilder Stiere durch den Wald rumpelt. Wenn du erschrocken bist, dann tut es mir leid, es war nicht meine Absicht. Aber es ist auch nicht meine Schuld, wenn du wegen der Schönheit eines Pferdes deine Umwelt aus den Augen verlierst. Aber nun sag schon, wer bist du, harmlose Reisende mit einer eingelegten Lanze und einem zum Angriff bereiten Hengst?“

Die Reiterin konnte kein schlechter Mensch sein. Sie reagierte auf Shandras spöttischen Bemerkungen ganz auf die Art, wie es junge Mädchen und Frauen manchmal tun. Sie wurde erst blass, dann rot, dann schnippisch und antwortete:

„Ich bin Alaxandra, vierte Tochter der Königin Siroba, Herrscherin über das Volk der Sarmat. Und wer bist du, der du dich einen vorsichtigen Mann nennst?“

Normalerweise war Shandra nicht zurückhaltend, wenn es darum ging, seinen Namen zu nennen, doch an diesem Vormittag verspürte er irgendwie das Gefühl, nicht sofort alles von sich Preis zu geben.

„Ich grüße dich, Alaxandra, Prinzessin der Sarmat. Ich bin ein Mann der Berge und auf der Reise nach Antequera. Was führt dich nach Al Andalus, Frau aus den Steppen des Ostens?“

„Oh, nicht nur ein vorsichtiger sondern auch ein kluge Mann! Du weißt, wo die Sarmat ihr Zuhause haben?“

„Ich weiß wo die Sarmat ihr Zuhause haben und ich spreche ihre Sprache. Aber nun lass mich hören, weshalb du eine derart lange Reise auf dich genommen hast. Suchst du etwas Bestimmtes?“

Shandra hatte mitten im Satz von Romain in Sarmati gewechselt und die Reaktion Alaxandras war entsprechend. Sie hatte auf ihrer Reise eine Menge erlebt. Erwartetes und noch mehr Unerwartetes. Dass sie jetzt, da sie sich beinahe am Ziel ihrer Reise wähnte, auf einen Mann traf, der die Sprache der Amazonen sprach, war das bei weitem am wenigsten Erwartete von allem. Sie verschluckte sich fast an ihren Worten, als sie heraus sprudelte:

„Wenn du unsere Sprache sprichst, kennst du dann auch unsere Sitten? Weißt du, dass Amazonen nur die Männer nicht töten, mit denen sie Salz, Brot und ein Lager geteilt haben? Du solltest zusehen, dass du ein Lagerfeuer in Gang bekommst, denn viel Geduld haben wir Amazonen nicht!“

Nun war es Shandra, dem es für einen Moment die Sprache verschlug. Tod oder Sex? Einen größeren Unterschied zwischen zwei Möglichkeiten des Umgangs mit einander gab es zwischen Menschen wohl kaum, oder? Da er den Tod noch nicht herbei sehnte, wäre es eigentlich nahe liegend gewesen, er hätte jetzt tatsächlich rasch ein Lagerfeuer gemacht und mit der jungen Frau ein Stück Fladen und eine Prise Salz geteilt. Anschließend wäre es vielleicht möglich gewesen, im Gras seinen Spaß mit ihr zu haben. Doch zunächst ärgerte ihn ihre Arroganz noch ein wenig und er wollte auch noch mehr über sie wissen, ehe er sich auf ihre Bedingungen einließ. Er beschloss, die Amazone noch ein wenig zu provozieren und sie aus der Reserve zu locken. Dann würde er sie am besten studieren können.

„Wir Männer der Berge sind ziemlich zurückhaltend in der Auswahl unserer Gespielinnen. Schöne Frauen, die leicht zu haben sind, gibt es genug. Aber wir sind es nicht gewohnt, dass wir von Frauen mit dem Tod bedroht werden. Ich sehe auch keinen Grund für eine solche Drohung und außerdem bin ich der Meinung, man sollte eine Drohung nur aussprechen, wenn man im Ernstfall auch in der Lage ist, sie wahr zu machen. Nun sag mir einfach, was du in Al Andalus suchst. Vielleicht kann ich dir je weiterhelfen und wir können auseinander gehen, ohne uns die Köpfe einzuschlagen.“

Shandras teilweise in spöttischem, teilweise aber auch in belehrendem Tonfall gesprochenen Worte ärgerten die Amazone. Noch während Shandra redete, war ihr Temperament hoch gekocht. Der Zorn war aufgeflammt und – so war sie es gewohnt zu reagieren – ihre Schenkel gaben dem Braunen die längst erwarteten Befehle, der Hengst sprang nach vorne, als hätte ihn von hinten jemand getreten. Die Lanze kippte ein wenig hoch, die Spitze zielte nun auf Shandras Brust und noch zwei Sprünge und um Shandra war es geschehen.

Eine kurze, unglaublich schnelle Handbewegung Shandras stoppte den Angriff so abrupt, wie er begonnen worden war. Die Amazone begriff nicht, was es war, doch plötzlich durchzuckte ein jäher Schmerz ihren Kopf, die Lichter gingen aus, sie seufzte und kippte rücklings vom Pferd. Der Hengst war wirklich perfekt geschult, denn kaum war der Druck der Schenkel an seinen Flanken weg, blieb er stehen, als wären seine Hufe mit dem Boden verwachsen.

Die Amazone lag im Gras und an ihrer Stirn entstand eine Schwellung und wuchs zu einer dicken Beule heran. Shandra hockte neben der jungen Frau im Gras und sah sie sich noch genauer an und da tat es ihm fast leid, dass er ihr einen Stein an den Kopf geworfen hatte. Sie hatte ein wirklich bildhübsches Gesicht, fein gemeißelte Züge, eine klare, hohe Stirn, eine zierliche Nase und einen Mund der eine einzige Herausforderung zum Kusswettkampf darstellte. Ihr Kinn war zwar ein klein wenig zu energisch, es zeigte, dass die Frau zumeist in der Lage war, ihren Willen auch durchzusetzen, doch das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Shandra untersuchte sie kurz, tastete ihren Schädel nach einem möglichen Bruch ab und war froh, dass er nichts dergleichen feststellen konnte, dann nahm er sie auf seine Arme, stand auf und trug sie über die Wiese an das Ufer des kleinen Flusses, dorthin, wo er zuvor seine Füße gebadet hatte. Den Braunen nahm er gleich mit, einer seiner Zügel war herunter gefallen, Shandra griff mit der Linken zu und schlang sich die lederne Leine um die Faust, ohne deswegen die hübsche Beute auf seinen Armen fallen zu lassen. Der Hengst folgte ihm willig und als Shandra die Amazone am Boden abgelegt hatte, stellte der Hengst sich so, dass er seinen Schatten über den Körper seiner Reiterin warf.

Shandra war perplex. Diesen Trick hatte er noch nirgendwo gesehen, aber er würde ihn sich merken. Er konnte lebensrettend sein, wenn man verletzt vom Pferd gefallen war und in der prallen Sonne lag.

Shandra nahm seinen Wasserschlauch, er hatte ihn erst kurz vor Ankunft der Amazone mit frischem Wasser gefüllt. Er goss der jungen Frau nun vorsichtig Wasser übers Gesicht und ließ auch etwas davon auf ihre Lippen träufeln und kurz darauf regte sie sich wieder. Ihre Bewusstlosigkeit schwand, ihre Augen öffneten sich und ihre Blicke wurden wieder klar und Shandra sah, dass die Sarmat – Prinzessin große, graue und sehr ausdrucksstarke Augen hatte. Die Lider waren ausgesprochen langen und schön geschwungenen, seidigen und dunkelbraunen Wimpern bewachsen und die Brauen über den Augen so fein gezeichnet, wie er es bisher nur auf den Bildern im Archiv zu Zahara an einer Frau gesehen hatte.

Eine wirklich sehr schöne Frau, die jetzt, da sie langsam wieder in die Welt und das Leben zurück kehrte, noch nach einem Anhaltspunkt suchte, an dem sie ihre Erinnerungen festmachen konnte, denn im Augenblick wusste sie nicht, wo sie sich befand und was mit ihr geschehen war. Shandra bildete den ersten Fixpunkt in ihrem Kopf und dann sah sie hoch und entdeckte ihren Hengst. Die Gefühle, die wie Wolken über ihr Gesicht glitten, sagten alles. Bei Shandras Anblick wurde ihr Gesicht rot vor Zorn und ihre Augen blitzten wütend, dann sah sie den Hengst und der Zorn verschwand und sie beruhigte sich wieder etwas.

„Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen?“

„Du bist vom Pferd gefallen und hast dir den Kopf angeschlagen und da habe ich dich aufgehoben und hierher an den Fluss getragen, damit ich dir Wasser geben und dich aus der Bewusstlosigkeit zurück holen konnte.“

Die Amazone schoss mit einem wütenden Schrei und unerwarteter Schnelligkeit in eine sitzende Position hoch, ihre geballte Faust zuckte vor und hätte vielleicht Shandras Auge getroffen, hätte er nicht blitzschnell den Kopf weg gedreht, doch dann war die Attacke auch schon wieder vorbei, denn die Amazone wurde wieder von ihren Kopfschmerzen eingeholt. Sie ließ sich wieder zurück fallen, dann krümmte sie sich zusammen, drehte sich zur Seite und erbrach sich ins Gras.

Shandra saß neben ihr und hatte Mitleid und auch ein klein wenig ein schlechtes Gewissen.

Vielleicht hätte er doch keinen Stein werfen, sondern ihr einfach nur die Lanze wegnehmen sollen. Möglicherweise hatte er ihr mit dem Steinwurf eine Gehirnerschütterung verpasst, damit würde dann sie ganz schön zu kämpfen haben. Er überlegte kurz, dann entschied er sich zu Gunsten der jungen Frau. Er nestelte die kleine Rolle von seinem Wehrgehenk, nahm die Membran aus ihrer Kapsel und faltete sie soweit auf, dass er der Amazone eine Art Kopfkissen aus dem dünnen Material machen konnte. Er wartete, bis sie aufhörte zu würgen, dann drehte er sie auf den Rücken, hob ihren Kopf behutsam an und schob die Folie unter ihren Nacken. Er ließ ihren Kopf wieder sinken, strich ihr mit einer sanften Bewegung über das Gesicht und meinte:

„Jetzt entspann dich erst mal, leg dich zurück und versuche ein wenig zu schlafen. Du wirst sehen, dann geht es dir bald wieder besser.“

Alaxandra war wie alle Frauen dann besonders empfänglich für gute Ratschläge, wenn sie diese am wenigsten brauchte. Jetzt aber, da es ihr wirklich nicht gut ging, wäre sie lieber wie eine Löwin auf Shandra los gegangen, als auf seine sanften Worte zu hören. Zum Glück war aber ihr Körper klüger als ihr Geist. Sobald sie sich aufzurichten und mit Shandra zu streiten versuchte, wurde ihr schrecklich übel. Blieb sie aber ruhig liegen, ließ ihren Hinterkopf auf der weichen Unterlage, die Shandra ihr gemacht hatte, fühlte sie sich rasch besser und hatte das Gefühl, ihr Schädel begänne bereits zu heilen. Nach mehreren Versuch, sich zu wehren, sah sie es dann ein und hörte auf, sich zu wehren. Sie blieb liegen, entspannte sich und schlief kurz darauf tatsächlich ein.

Shandra war erleichtert.

Widerspenstige Frauen gingen ihm auf die Nerven und etwas Bockbeinigeres als diese schöne Amazone war ihm noch nicht oft begegnet. Als sie eingeschlafen war, begann er sich um den braunen Hengst zu kümmern und der Bursche war froh darum. Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, danach war Schluss mit Lustig. Er ließ sich erstaunlicherweise leicht dazu überreden, Wasser aus einem getrockneten Pansenmagen zu trinken, doch für nichts auf der Welt hätte er seinen Platz neben seiner Herrin verlassen. Er bewegte sich gerade mal so viel von der Stelle, wie notwendig war, um den Schatten über der Amazone zu erhalten, mehr ging nicht. Selbst dann nicht, als Shaitan heran getrabt kam und ihn aus der Nähe beäugte und beschnupperte und dann - typisch Hengst – mit stampfendem Vorderbein eine Herausforderung anbrachte. Der Braune hatte eine Aufgabe seiner Herrin gegenüber übernommen und weigerte sich, diese aufzugeben.

Die Sonne war schon über den Zenit hinaus, als Alaxandra sich zum ersten Mal wieder bewegte. Shandra hatte mittlerweile ein paar fette Steppenhühner gefangen und garte zwei davon in einer mit Glut gefüllten Grube neben dem Feuer, das seit geraumer Zeit brannte. Er hatte die Steppenhühner mit Heu und Kräutern gefüllt und eben einen der Erdöfen offen gehabt um den Garungszustand der Hühner zu überprüfen. Vielleicht war es der verführerische Duft gewesen, der die Amazone aufwachen ließ oder aber sie war einfach erholt genug, um wieder wach zu sein. Sie räkelte sich wie eine große Katze, sie gähnte noch einmal herzhaft, dann erhob sie sich auf die Knie, kroch zu Shandra ans Feuer, schmiegte sich schnurrend wie eine Katze an den fremden Krieger und fragte:

„Es riecht so gut hier, was gibt es denn zu essen, vorsichtiger Mann aus den Bergen?“

„Salz? Brot? Was war es noch, was du wolltest?“

„Salz und Brot sind ein guter Anfang. Doch zuerst sag mir, was hast du mit mir gemacht, dass ich so lange ohne Bewusstsein war?“

„Ich habe dir einen Stein an den Kopf geworfen, um dich nicht umbringen zu müssen. Dummerweise hat dich der Stein an einer vielleicht schon ziemlich empfindlichen Stelle getroffen. Ich schätze, du hattest so etwas wie eine Gehirnerschütterung.“

„Du hast mich mit einem Steinwurf besiegt? Mit einem simplen, blöden Stein? Ich fasse es nicht. Und was bedeutet, ich hatte eine Gehirnerschütterung? Eine Gehirnerschütterung vergeht nicht in weniger als einem halben Tag, das war etwas anderes?“

„Ich wüsste zwar nicht was, aber wenn du meinst, dann belassen wir es doch dabei, nicht wahr?“

Alaxandra war während der Unterhaltung aufgestanden und zu Shandra herüber gekommen. Doch zuerst hatte sie ihre Arme um den Hals ihres Braunen geschlungen und ihm mit zärtlicher Stimme dafür gedankt, dass er ihr Schatten gespendet hatte. Dann erst setzte sie sich zu Shandra und sah ihn lange und sinnend an. Sie studierte den Mann und es gab eine Menge zu studieren, denn Shandra hatte sich während der Mittagshitze des größten Teils seiner Kleidung entledigt und trug nun außer einem Lendenschurz aus weichem Rehleder nichts mehr am Körper, das etwas verhüllt hätte. Die Amazone konnte also einen Körper bestaunen, wie sie ihn noch nicht bei einem Mann gesehen hatte. Es war der Körper eines Jägers und Kriegers, denn an diesem Körper gab es keinen Muskel, der nicht perfekt entwickelt gewesen wäre. Alaxandra konnte unschwer erkennen, dass an diesem Mann alle Bewegungsorgane, Bänder, Sehnen und Muskeln auf maximale Belastbarkeit entwickelt waren und sie mit Reflexen rechnen musste, die es ratsam werden ließen, einen Kampf mit diesem Mann – egal mit welchen Waffen – zu vermeiden. Von einer Art des Kampfes abgesehen, diese aber reizte sie umso mehr, je länger sie Shandra betrachtete. Sie behielt ihre Erkenntnisse und Überlegungen für sich, stattdessen stand sie erneut auf und ging die wenigen Schritte zum Flussufer hinunter. Dort entledigte sie sich rasch aller Kleider und sprang dann kopfüber ins Wasser um sich abzukühlen, ein wenig zu schwimmen und sich zu säubern.

Das Wasser war kühl und sauber und erfrischte und sie fühlte sich pudel wohl dabei, in den Wellen des kleinen Flusses herum zu plantschen. Sie schwamm in kräftigen Zügen ein gutes Stück flussaufwärts, dabei entdeckte sie in der Uferböschung Kräuter, die sie auch von ihrer Heimat her kannte. Seifenkraut bildete einen wundervoll weichen Schaum, mit dem sich besonders die Haare sehr gut waschen und pflegen ließen. Sie ließ sich von der Strömung wieder bis zum Lagerplatz treiben, paddelte ans Ufer, tauchte kurz unter und begann dann ihre Haare zu waschen und sich auch sonst am ganzen Körper zu reinigen. Anschließend spülte sie den Kräuterschaum ab kletterte aus dem Fluss, stellte sich nackt wie sie war in die Sonne, streifte sich das Wasser mit den Händen vom Körper und ließ sich von der Luft und den Sonnenstrahlen trocknen.

Shandra hatte sie natürlich ebenso beobachtet und studiert, wie er von ihr beobachtet und studiert worden war. Er kam zu einem Ergebnis, das dem Alaxandras ziemlich ähnlich war. Allerdings nicht so ähnlich, dass er zwingend ins Wasser gemusst hätte, stattdessen begann sich sein Lendenschurz in einer Art kleines – und doch wieder auch gar nicht kleines – Zelt auszubeulen.

Alaxandra wiederum registrierte diese durch und durch männliche Reaktion auf den Anblick ihres nackten Körpers mit Genuss. Mehr noch, sie zögerte auch nicht, den ersten Schritt zu tun und es dem jungen Krieger ganz leicht zu machen.

Amazonen waren nie prüde gewesen und sie dachte nicht im Traum daran, denn Anfang damit zu machen.

Kurze Zeit später lag Shandra auf dem Rücken und wurde von der Amazone in einem wilden Ritt durch die Sphären der Lüste getrieben. Sie ritt ihn stöhnend und jauchzend, nannte ihn einen starken Hengst und nahm, was immer Shandra ihr zu bieten hatte. Also genug, auch für eine Frau, deren letztes erotisches Abenteuer mehrere Monate zurück lag.

„Sind alle Amazonen wie du?“

„Ich weiß zwar nicht genau, was du mit dieser Frage meinst, aber ich die Anführerin einer Hundertschaft – wir nennen das eine Schwadron – und das nur, weil ich in allem besser bin, als meine Kriegerinnen.“

Alaxandra lächelte ein wenig spitzbübisch, als sie Shandras Frage beantwortete, doch dann fuhr sie bereits wieder ernst fort:

„Nun solltest du mir aber endlich meine Fragen beantworten. Ich weiß immer noch nicht, wie du heißt, wer du bist, woher du kommst und was für Ziele du hast.“

„Das sind ja auch viele Fragen auf einmal, die kann kein Mann einfach so beantworten. Aber was ich dir sagen kann, habe ich dir gesagt. Ich bin ein Mann der Berge. Mein Name ist Shandra und ich bin ein Jäger aus dem Hochland nordwestlich von Ronda. Ich bin auf dem Weg nach Osuna, spätestens dort treffe ich mich mit ein paar Freunden. Es kann aber auch schon früher passieren. Das Treffen meine ich. Und weshalb bist du allein und so weit von deiner Heimat in Al Andalus unterwegs?“

„Ich bin nicht allein. Ich habe genügend Begleitung. Ich bin nur ein wenig allein voraus geritten, weil mir etwas langweilig war. Ich sagte bereits, dass ich die Anführerin von hundert berittenen Kriegerinnen der Sarmat - Amazonen bin und meine Kriegerinnen werden mich spätesten bis Sonnenuntergang eingeholt haben, wenn ich hier bleibe. Unsere Schamana zu Hause hatte vor etwa zwei Jahren eine Vision. Es soll hier in Al Andalus einen mächtigen und überaus starken Kriegsherrn geben, der den Invasoren von den nebligen Inseln eine überaus schmerzhafte Abreibung verpasst hat. Unsere Schamana hat angeordnet, dass eine unserer Schwadronen nach Westen reiten und sich diesem Kriegsherrn anschließen muss, damit wir von ihm lernen.

Der Kriegsherr nennt sich Shandra el Guerrero. Hast du schon von ihm gehört?“

„Ich kenne einen Mann, der sich Shandra el Guerrero nennt. Allerdings weiß ich nicht, ob man ihn als großen Kriegsherrn bezeichnen kann. Ich kenne ihn nur als einen Mann, der den Frieden liebt und versucht im Einklang mit der Natur zu leben.“

Alaxandra starrte Shandra konsterniert an. Sie wollte nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. Sie war seit fast zwei Jahren unterwegs, um der Vision der Schamana zu folgen und nun sollte sie anstatt auf einen wilden Krieger auf einen, die Natur liebenden Philosophen treffen? Zum ersten Mal auf ihrer Reise hatte sie überhaupt einen Hinweis darauf bekommen, dass es diesen Shandra el Guerrero tatsächlich gab, sie hatte einen jungen Mann kennen gelernt, der Shandra el Guerrero persönlich kannte und dann diese Information?

Alaxandra weigerte sich einfach Shandras Worte zur Kenntnis zu nehmen. Sie beschloss alles daran zu setzen, um Shandra el Guerrero persönlich kennen zu lernen, dann wollte sie sich ein eigenes Bild machen. Und entscheiden ob sie vielleicht besser nach Hause zurückkehren und Schamana sagen sollte, sie möge sich mit ihren Visionen künftig zur Hölle scheren.

Alaxandra bereitete sich darauf vor, Shandra noch weiter mit Fragen zu löchern, als sie bemerkte, dass ihr Hengst – das schöne Tier hielt sich immer noch nur in unmittelbarer Nähe seiner Herrin auf – den Hals aufrichtete, die Ohren aufstellte und wie gebannt nach Südosten starrte. Im nächsten Moment erklärte ihr Shandra mit gelassener Stimme:

„Meine Freunde kommen. Sie haben mich früher gefunden, als ich erwartet habe. Leider.“

„Wie kommst du darauf und wenn es stimmt, weshalb bedauerst du es?“

„Ich weiß, dass es meine Freunde sind, denn ich kenne den Hufschlag ihrer Pferde und ich bedaure ihr frühes Eintreffen, weil ich gerne noch ein Weilchen mit dir allein gewesen wäre.“

„Lüstling! Hat dir nicht genügt, was du bekommen hast?“

„Von Schönem und Angenehmem kann man nie genug haben.“

Ehe sie das Thema weiter vertiefen konnten, wurde der Hufschlag wuchtiger Pferde hörbar und bis Alaxandra vom Lagerfeuer aufgestanden war und sich angekleidet hatte, tauchten am anderen Flussufer zwei Reiter auf, die selbst in ihren wildesten Träumen keinen Platz gefunden hätten. Zwei blonde Riesen in nahezu schwarzer Rüstung und auf gewaltigen Rössern, die so schwarz waren, dass sie das Licht einzufangen schienen. Die beiden Reiter lenkten ihre Pferde ohne zu zögern in den Fluss, durchschwammen ihn zügig und kamen grinsend wie die Faune unmittelbar an Shandras Lagerplatz aus dem Wasser. Die beiden schwarzen Hengste schüttelten sich, dass das Wasser nur so spritzte, dann sprangen die beiden Riesen aus den Sätteln, gingen grinsend auf Shandra zu, umarmten ihn und einer der beiden rief lachend:

„Vielleicht sollten wir dich öfter als Voraus – Späher einsetzen, dann würden wir möglicherweise bald über ein erheblich größeres Kontingent an Frauen verfügen. Wo hast du denn diese Schönheit aufgetan?“

Shandra wandte sich an Alaxandra und übernahm die Vorstellung der Ankömmlinge.

„Das ist mein Freund Dagge, ein Nordmann, ein Viking. Er ist einer unserer Hauptleute und führte die schwarze Escadron an, die fast vollständig aus seinen Landsleuten besteht. Der andere, der dich so lüstern anlächelt ist mein Ziehbruder Rollo und er ist einer der Strategen neben Shandra el Guerrero.“

Dann, an seine Freunde gewandt, fuhr Shandra fort:

„Ihr seht hier eine leibhaftige Prinzessin der Amazonen vor euch, die sich seit nahezu zwei Jahren auf der Wanderschaft und der Suche nach einem Mann befindet. Ihr Name ist Alaxandra und sie sagt, sie sei die Anführerin einer Hundertschaft von berittenen Amazonenkriegerinnen.

Aber nun sattelt eure Pferde ab, setzt euch, wir wollen gemeinsam essen, denn meine Steppenhühner dürften gar sein.“

Alaxandra hatte nach Shandras Vorstellung kurz wie unter Schock gestanden. An einem Tag drei Männer kennen zu lernen, die offenbar im unmittelbaren Kontakt zu Shandra el Guerrero standen, war mehr als sie je zu erhoffen gewagt hatte. Sie ahnte, dass sie bald am Ziel ihrer Reise angelangt war. Doch als Prinzessin und Anführerin einer Schwadron hatte sie gelernt, sowohl Freude als auch alle anderen Gefühle schnell zu kontrollieren, damit sie nicht gegen sie verwendet werden konnten.

Sie unterhielt sich während des Essens angeregt mit ihren drei neuen Bekannten, sie stellte Fragen und erhielt Antworten und sie beantwortete selbst viele Fragen. Sie fand heraus, dass sich Shandra, Rollo und Dagge vermutlich in einer ziemlich gleichen Rangstufe befinden mussten, denn wie sonst hätten sie so freundschaftlich und locker mit einander umgehen können. Auf Grund der gutmütigen Frotzeleien der beiden Riesen nahm sie an, dass Shandra aber doch ein klein wenig niedriger im Rang stand, als die beiden.

Der Nachmittag war fast zu Ende und Alaxandra rechnete eigentlich jeden Moment damit, den Hufschlag ihrer Reiterinnen und das Mahlen der großen Räder ihres Ausrüstungswagen zu hören, als Dagge und Shandra sich kurz in die Büsche schlugen um Wasser abzulassen. Sie war also mit Rollo allein und nutzte die Gelegenheit, um sich noch ein wenig mehr und genauer über das Ziel ihrer Reise zu informieren.

„Shandra hat mir gesagt, dass du ein Stratege und direkter Berater des Kriegsherrn Shandra el Guerrero bist. Wie ist der Mann so? Ist er tatsächlich ein solches Genie, wie unsere Schamana es nach ihrer Vision voraus gesagt hat? Kann man mit ihm reden und wird er wohl beriet sein, Frauen aus dem Land Sarmat in sein Heer als Kriegerinnen mit aufzunehmen?“

„Oh Himmel über Al Andalus, du stellst eine Menge Fragen zugleich, Alaxandra. Aber ich will versuchen, sie zu beantworten.

Ja, Shandra el Guerrero ist ein Genie. Als Stratege ist er unübertroffen und seine Schlachtenpläne machen aus seinen Gegnern Schafherden, auch wenn sie vorher wilde Wölfe waren.

Ja, man kann auch mit ihm reden und er ist ein ausgesprochen zugänglicher und für alles offener Mann.

Ob er allerdings dich und deine Reiterinnen in sein Heer mit aufnehmen wird, hängt davon ab, wie gut ihr kämpfen könnt und wie wichtig euch Loyalität ist.

Aber, verzeih die dumme Frage, weshalb hast du ihn das nicht alles schon selbst gefragt?“

„Das ist wirklich eine dumme Frage! Wann hätte ich das tun sollen? Ich kenne den Mann doch gar nicht!“

„Du kennst ihn nicht? Dann frage ich mich, was du den ganzen Tag mit ihm getrieben hast, wenn du ihn danach immer noch nicht kennst.“

Alaxandra starrte Rollo misstrauisch und fast ein wenig zornig an. Dann wollte sie wissen:

„Willst du damit sagen, dass der gut aussehende junge Mann, mit dem ich hier am Feuer darauf gewartet habe, dass zwei Steppenhühner gar werden, der Kriegsherr Shandra el Guerrero wäre?“

„Kriegsherr? Was versteht man unter einem Kriegsherrn? Aber um deine Frage zu beantworten, ja, der gut aussehende junge Mann mit dem du den halben Tag verbracht hast, ist Shandra el Guerrero. Aber das hat er dir doch sicher gesagt?“

„Nein, hat er nicht! Er hat mich den ganzen Tag über verarscht und mich wie ein dummes Mädchen behandelt! Das zahle ich ihm heim!“

„Und wie, wenn ich fragen darf?“

„Das weiß ich noch nicht, aber vermutlich wäre es das Beste, ich sauge ihm die Eier aus!“

„O, damit wird er einverstanden sein. Und wenn du dann mit ihm fertig bist, könntest du dich dann vielleicht auch noch um meine Eier kümmern?“

Alaxandra war wirklich wütend. Auf sich selbst, aber auch auf Shandra und auf Rollo, selbst auf Dagge, obwohl dieser ihr doch gar nichts getan hatte. Doch ehe sie ihrem Zorn freien Lauf lassen konnte, ertönte ein leises Wiehern, in das gleich darauf drei andere Pferdestimmen einfielen und dann hörte sie das längst erwartete Pochen der Hufe und das Knirschen der eisenbeschlagenen Räder, das die Ankunft ihrer Schwadron ankündigte.

Noch ehe es dunkel zu werden begann, hatten hundert Reiterinnen, die in ordentlichen Reihen zu vier Pferden neben einander daher kamen, das Lager erreicht. Auch der wuchtige Planwagen, gezogen von vier starken Mulis und gelenkt von zwei nicht weniger stark aussehenden dunkelhaarigen Frauen war eingetroffen und sie alle freuten sich, bereits auf zehn Lagerfeuer zu treffen, die ihnen von zwei blonden Riesen, einem schwarzhaarigen Schönling und ihrer Anführerin vorbereitet worden waren.

Man konnte sehen, dass die Amazonen auf ihrer langen Reise sehr viel Routine bei der Einrichtung des Nachtlagers entwickelt hatten. Schon kurze Zeit später waren alle Pferde versorgt und vom Wagen waren zwei gusseiserne Öfen abgeladen worden, auf denen nun ein Eintopfgericht brodelte und auch schon bald fertig sein würde. Kurz nach der Schwadron waren noch zwei weitere Frauen zu Fuß eingetroffen, die, wie sich heraus stellte, zu den beiden Wagenlenkerinnen gehörten.

Alaxandra bezeichnete die vier Frauen als ihre Marketenderinnen und der Unterschied zu den Kriegerinnen war augenfällig.

Keine der hundert Kriegerinnen war älter als Alaxandra und sie alle befanden sich körperlich in ausgezeichneter Form und waren zudem bildhübsch anzusehen. Alaxandra stellte die Spitze dessen dar, was ihre Amazonen in der Breite repräsentierten.

Die Marketenderinnen dagegen waren von ganz anderer Art. Sie waren mit ledernen Lendenschurzen und knöchelhohen Mokassins bekleidet und die Lendenschurze zeigten mehr, als sie verhüllten. Alle vier hatten üppige Formen. Mächtige Schenkel, dralle, runde Hinterteile, ausladende Hüften, dicke Brüste und rote Pausbacken. Ihre braunen Haare waren zu dicken Zöpfen geflochten und zu einer Art Krone um den Kopf gewunden und unter den Fleischschichten ihrer dicken Arme verbargen sich unglaublich starke Muskeln. Diese vier Frauen waren nicht für den Kampf ausgebildet, sie sorgten lediglich für das leibliche Wohl der Kriegerinnen.

Als der Trubel der Ankunft der Amazonen überstanden war und alle sich am Abendessen gütlich taten, begann in Alaxandra wieder das Wissen zu gären, dass sie den ganzen Tag von einem jungen Mann – wenn überhaupt, dann kaum älter als sie selbst – an der Nase herum geführt worden war. Doch je länger es dauerte, bis sie den aufwallenden Ärger abreagieren konnte, desto besser bekam sie ihre Gefühle in den Griff und plötzlich begriff sie, dass sie nicht von Shandra getäuscht worden war, sondern sich selbst mit einer vorgefassten Meinung, mit einem von ihr selbst zurecht gelegten Bild in die Irre geführt hatte.

Sie hatte sich einfach nicht vorstellen können, dass ein derart junger Mann Stratege, Heerführer und siegreicher Schlachtenlenker sein konnte. Und sie hatte unterstellt, dass ein Mensch, der Krieg führte, an diesem auch Gefallen finden und damit prahlen würde.

Nun begann sie zu begreifen, dass weder Shandra noch Rollo, nicht einmal Dagge aus Lust am Krieg kämpften, sondern einfach weil es ein Lebensnotwendigkeit war, zu kämpfen. Alaxandra kannte diese Einstellung zum Kampf und zum Krieg von Zuhause. Ihre Mutter, die Schamana, alle älteren Kriegerinnen vertraten dieses Gedankengut. Wenn die Gemeinsamkeit noch weiter ging, konnte sie davon ausgehen, dass Shandra und seine Krieger die Kampfkunst perfekt beherrschten, denn etwas nicht zu mögen, was man gezwungen ist zu tun, muss nicht gleichbedeutend damit sein, dass man es schlecht tut. Wenn sie sich Shandra, Rollo und Dagge ansah, wenn sie ihre Waffen und deren Pflegezustand ins Auge fasste und wenn sie beobachtete, wie auch die beiden riesigen Krieger zu Pferd saßen und wie sie mit ihren Hengsten umgingen, konnte sie davon ausgehen, dass zumindest die drei Männer richtig gut waren.

Man würde sehen …

Shandra und Dagge kehrten ans Lagerfeuer zurück und setzten sich wieder. Ein kurzer Blickwechsel zwischen Shandra und Rollo genügte, damit Shandra über den neuen Stand der Dinge informiert war. Deshalb fragte er Alaxandra ziemlich unverblümt:

„Nun hast du also Shandra el Guerrero gefunden. Und? Bist du enttäuscht?“

„Nein. Weshalb sollte ich enttäuscht sein. Überrascht ist der richtige Ausdruck, denn ich hätte nie geglaubt, dass Shandra el Guerrero noch so jung sein könnte.“

„Muss man alt sein um Schlachten zu gewinnen?“

„Nein, natürlich nicht. Aber als unbedarfter Mensch erwartet man das nun mal.“

„Dann hast du jetzt deine Unbedarftheit verloren? Gut so. Willst du immer noch in Shandras Heer eintreten?“

„Jetzt mehr denn je, denn wer so jung schon mit solchen Leistungen aufwarten kann wie du, von dem zu lernen ist noch viel interessanter, als von einem alten General etwas zu lernen.“

„Du wirst beweisen müssen, dass ihr – du und deine Frauen – nicht nur hübsch seid, sondern auch kämpfen könnt. Und ich werde euch fragen, ob ihr bereit seid, die härteste Ausbildung über euch ergehen zu lassen, die sich ein menschliches Gehirn nur auszudenken vermag.“

„Wir werden jeden Beweis antreten und wir werden jede Ausbildung ertragen, Davon kannst du ausgehen. Wirst du uns aufnehmen?“

„Das werde ich morgen entscheiden. Wir werden sehen.“

Alaxandra hatte sich mehr Begeisterung von Shandra erhofft, doch ihr Lernprozess hatte bereits begonnen. Sie hätte die Unterhaltung mit Shandra noch gerne fortgesetzt, doch da waren die Unterführerinnen ihrer Schwadron – vier Gruppen zu je fünfundzwanzig Reiterinnen – die sowohl mir ihrer Anführerin als auch mit den fremden Männern sprechen und auch die schwarzen Pferde dieser Fremden aus der Nähe sehen wollten. Also war Alaxandra gezwungen, sich noch weiter selbst an die Kandare zu nehmen und siehe da, auch ihre gekränkte Eitelkeit wegen der mangelnden Begeisterung Shandras wich einer nüchternen und sachlichen Betrachtung. Sie würden alle Prüfungen über sich ergehen lassen und erfolgreich bestehen, dessen war sie sich absolut sicher. Dann würde auch Shandra noch ganz anders auf sie und ihre Reiterinnen reagieren.

Kasopeia, Mangoa, Salvia und Vurtana waren ziemlich im selben Alter wie ihre Anführerin und – jede auf ihre ganz besondere Art – nicht weniger hübsch wie diese. Kasopeia war die einzige, die blondes Haar hatte, Mangoa und Salvia waren dunkelhaarig wie Alaxandra und Vurtana hatte flammend rotes Haar. Als sie jetzt alle zusammen zuerst Shaitan, danach Dragon und Vektor – Dagges Friesenhengst – begutachteten, um dann auch noch die Pferde der Amazonen anzuschauen, zeigte sich rasch, dass Pferde und Reiten eine gute Basis für die ersten Kontakte von an sich fremden Menschen darstellte. Sie alle waren eigentlich auf die besonderen Merkmale ihrer Pferderassen fixiert und dennoch waren sie alle offen genug, um die Qualitäten der anderen Rassen würdigen zu können.

So kamen die Gespräche rasch in Schwung und am Ende, als man bei einem Schlauch Wein, den Alaxandra auf ihrem Küchenwagen „gefunden“ hatte, am Feuer zusammen saß, herrschte bereits so etwas wie Freundschaft unter den drei Männern und den fünf Frauen. Man kam sich so nahe, dass bald klar war, dass Shandra die Nacht mit Alaxandra verbringen würde, während Rollo und Dagge in den Genuss von zwei Gespielinnen kommen sollten. Wie die Aufteilung aussah, war dabei ohne Bedeutung, wichtig war, dass niemand zu kurz kommen würde.

„Wenn ich mir vorstelle, dass ihr mit eurer Auffassung von Sexualität, Treue und Spaß Teil unseres Heeres werden wollt, kann ich euch rosige Zeiten voraussagen, denn im Moment besteht unser Heer aus etwa dreihundertfünfundneunzig Männern und zehn Frauen. Ihr werdet eine große Auswahl haben. Ich frage mich allerdings, wann ihr jemals schlafen wollt.“

Rollos Grinsen war das eines lüsternen Fauns, als er diese kleine Hochrechnung von sich gab und die Amazonen quittierten sein Grinsen und seine Bemerkung mit fröhlichem Gelächter. Dann war es tatsächlich an der Zeit, sich schlafen zu legen. Die Wölfe wachten unsichtbar im hohen Gras der Flusswiese und Shandra wusste, dass niemals jemand unbemerkt in das Lager würde eindringen können, solange die Wölfe lebten. Außerdem würden neben den Wölfen auch noch über hundert Pferde Wache halten. Es konnte nichts geschehen.

Eigentlich war die Nacht zu kurz, für das, was insbesondere die Amazonen nachzuholen hatten. Doch mit dem ersten Grau des neuen Tages war die Nacht vorbei und der Tag der Prüfungen begann.

In dieser Nacht kehrte nach langer Zeit der Traum wieder zu Shandra zurück und er stand erneut an dem fernen Ufer eines Meers. Ein Strand mit feinem, hellgelben Sand und der Strand lag nach Osten, denn die wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne trafen seine rechte Seite und die Sonne bewegte sich auf ihrem Weg nach Süden hinter seinen Rücken, Also schaute er selbst nach Norden. Zu seiner Linken lag ein dichter Wald aus dem er den Lärm unzähliger Vögel hören konnte. Shandra drehte sich nach links, weg vom Wald, hin zur Wasserlinie des Ufers und jetzt erkannte er, dass er tatsächlich an einem Meer stand. Ein stahlblau blinkendes Meer, dessen Wellen in der sanfter Dünung kleine Schaumkrönchen bildeten, ehe sie mit beruhigendem Rauschen an den Sand des Ufers schwappten und langsam herauf gerollt kamen. Shandra verspürte eine tiefe innere Ruhe beim Anblick dieses Meers und wusste zugleich, dass aus diesem Meer eines Tages sein Schicksal steigen würde.

Seine Augen waren auf einen ganz bestimmten Punkt im Wasser fixiert. Dicht unter der Wasseroberfläche gab es dort ein Felsenriff und genau aus diesem Riff würde eines Tages sein Schicksal auftauchen und das Ufer erklimmen. Wie er so stand und das Riff betrachtete, bewegte sich etwas in der Tiefe und Shandra sah genauer hin. Ein dunkler Fleck, der rasch größer wurde und jeden Moment auftauchen konnte. Höher und höher stieg der dunkle Fleck und dann erkannte Shandra, dass es sich um das lange Haar eines Menschen, einer jungen Frau handelte. Das Wasser kräuselte, sich wallte wie zu einem kleinen Hügel auf, dann stieß ein Kopf durch die Wasseroberfläche, zwei Hände folgten, schoben die Haare zur Seite und Shandra blickte in zwei blaue Augen, die in einem Augenblicke seine Seele einfingen um nie wieder loszulassen. Ein langer, intensiver Blick, der Shandra aber nicht daran hinderte, nun auch noch andere Einzelheiten wahrzunehmen. Die fein geschwungenen, dunklen Augenbrauen, die kleine, gerade Nase und der rote Mund mit Lippen, die nur für einen einzigen Zweck geschaffen zu sein schienen.

Shandra zärtliche Worte ins Ohr zu flüstern und ihn zu küssen.

Ein wunderschönes Gesicht und ein Mund, der ihm etwas sagen wollte, doch leider bewegten sich nur die Lippen, ohne einen Ton hervor zu bringen.

In diesem Augenblick brach der Traum ab und Shandra schrak hoch, lag hellwach auf seinen Fellen und starrte in die Dunkelheit seines Zeltes. Er begann langsam immer nervöser zu werden, der Traum machte ihm zu schaffen. Wer war diese wunderschöne Frau? Wieso erschien sie ihm immer wieder an ein und derselben Stelle? Und weshalb brach der Traum immer wieder ab, ehe er ihre Worte hören konnte?

Die Zeit arbeitete ihm entgegen, aber sie war leider immer noch nicht reif.

Shandra el Guerrero

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