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Seelendiebe

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Das Wesen, das vor dem Eingang ihrer Höhle lauerte, schien einem schrecklichen Alptraum entsprungen zu sein.

Zunächst war da nur ein schwarzer Schatten. Ein riesiger schwarzer Schatten allerdings, dessen äußere Form in etwa einem gewaltigen Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen glich. Die Schwingen wuchsen aus einem relativ schlanken Körper, der in einen langen, schmalen und sehr biegsamen Schwanz endete, während am vorderen Ende ein nicht einmal übermäßig großer Kopf saß. Doch dieser Kopf schien eigentlich nur aus Maul zu bestehen und dieses Maul, bewehrt mit einem mörderischen Gebiss, war in diesem Moment weit aufgerissen und wartete darauf Machilla zu verschlingen.

Der Schreck für Machilla in alle Glieder und lähmte für einen kurzen Augenblick alle ihre Bewegungen. Dadurch griffen die Gesetze der Trägheit der Masse. Ihr Körper behielt ohne lenkende Bewegungen Machillas die Richtung bei, die ihm vor dem Auftauchen des Schattens und des weit aufgerissenen Rachens gegeben worden war und trieb nun genau auf den rötlich schimmernden Abgrund hinter den fürchterlichen Zähnen zu, dessen Beute sie gleich werden sollte.

Machilla war nicht in der Lage, etwas gegen ihren unmittelbar bevorstehenden Tod zu unternehmen, der Schock saß zu tief. Wirre Gedanken schossen durch ihr Gehirn. Sie fluchte erbittert in sich hinein, dass sie dumm und leichtsinnig genug gewesen war, ohne ihr Schwert und dazu auch noch ohne ihren primitiven Speer aus der Höhle zu schwimmen. Sie fragte sich, als ob das nun noch von Bedeutung wäre, was nun wohl mit dem wundervollen Schwert geschehen, ob die Klinge jemals wieder zu einem Meister zurück finden würde. Dann spürte sie eine eigenartige Energie auf ihrem Körper, es war als strömte das Wasser um sie herum schneller und trüge sie noch rasanter dem unvermeidlichen Ende entgegen. Sie wurde förmlich von dem bizarren Rachen vor ihr angesaugt und der Abstand zu den langen, spitzen Zähnen, die sie zerfetzen wollten, betrug nur noch wenige Körperlängen, als sich die Situation plötzlich erneut veränderte.

Machilla hatte nicht mit Rettung gerechnet, sie nicht einmal erhofft, ganz zuletzt hätte sie die Rettung durch ein Lebewesen erwartet, dessen Artgenossen ihr so deutlich aus dem Weg gegangen waren, seit Machilla begonnen hatte im Meer zu leben.

Vom Meeresgrund tauchte plötzlich und wie aus dem Nichts kommend ein gewaltiger Körper auf. Selbst der größte Hai, dem sie bislang begegnet war, kam diesem Wesen nicht annähernd gleich, was Größe und Kraft anbetraf. Der Rücken des Wesens war tief schwarz, eine mächtige Rückenflosse, zwei große seitliche Flossen und eine enorme Schwanzflosse ließen aus diesem Riesen einen unglaublich eleganten Schwimmer werden, die Flossen verliehen ihm eine unfassbare Geschwindigkeit und dazu eine atemberaubende Beweglichkeit und sein riesiges Maul stand dem eines der großen Haie in nichts nach, was die Gefährlichkeit betraf. Jetzt schoss dieser Leviathan des Meeres aus der Finsternis der Tiefe nach oben, zeigte seinen fast rein weißen Bauch und dann krachte die harte Spitze seiner Schnauze in Machillas Seite und katapultierte sie förmlich aus dem Sog hinaus, der sie in den Schlund des schwarzen Schattens zu ziehen drohte.

Die Gefahr löste sich so schnell auf, wie sie aufgetaucht war.

Mit einem Orca legt sich niemand an, der im Meer lebt und auch der schwarze Schatten hatte seine Lektion offenbar gelernt. Die großen Flügel begannen heftig zu schlagen und ein paar Atemzüge später war der Schatten im Grau des Ozeans verschwunden, als hätte er nie existiert.

Machilla rieb sich ihre schmerzenden Rippen und starrte den riesigen Mörderwal verstört an.

„Du hast mich gerettet? Warum? Du und deinesgleichen wollten doch nie etwas mit mir zu tun haben.“

Sie rechnete nicht mit einer Antwort auf diese Frage, die sie sich doch eigentlich viel eher selbst gestellt hatte, umso größer war ihr Erstaunen als sie dennoch eine solche erhielt.

„Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Du hast noch eine Strecke Weges zurück zu legen, ehe du dich erfüllt hast. Deshalb habe ich dich vor der Seelendiebin beschützt.“

„Seelendiebin? Dieser schwarze Schatten war ein lebendes Wesen, vor dem man beschützt werden kann?“

„Wärst du nicht so dumm gewesen, unbewaffnet herum zu schwimmen, hätte sie sich nie getraut, sich an dich zu heran zu wagen. Sie gehört nicht zu den mutigen Jägern des Meeres, unsere Mantadame. Aber da sie deine Wehrlosigkeit erkannte, wäre sie töricht gewesen, dich nicht anzugreifen. Leichte Beute ist ihr immer willkommen.“

„Mantadame? Was meinst du mit diesem Begriff?“

„Sie gehört zu den Stachelrochen, die in großen Mengen viel weiter südlich von hier leben. Wenn ein Rochen eine gewisse Größe erreicht hat, nennt man ihn einen Manta. Frag mich nicht weshalb, es ist eben so. Die Mantas hören niemals auf zu wachsen, solange sie leben. Je größer sie werden, desto weiter zieht es sie nach Norden, denn nur in den kälteren Meeren finden sie noch genügend energiereiche Nahrung um am Leben zu bleiben. Die Weibchen werden noch größer als die Männchen und diese hier dürfte das größte Exemplar sein, dem ich auf meinen Reisen je begegnet bin.“

„Und weshalb nennst du sie die Seelendiebin?“

„Mantas haben – wie nahezu alle unter Wasser lebenden Jäger – keine Gliedmaßen, um eine Beute festzuhalten. Wir Jäger der Meere sind daher meist einfach viel, viel schnellere Schwimmer als unsere Beute und können so überleben. Die Mantas hingegen sind relativ langsame Schwimmer. Sie sind aber in der Lage, ihr Opfer durch die Kraft ihres Geistes willenlos zu machen und ihren gesamten Bewegungsapparat blockieren. Dadurch gelingt es ihnen, der Beute so nahe zu kommen, dass sie ihren hochgiftigen Schwanzstachel einsetzen können. Wenn dich ein großer Rochen gestochen hat, bist du verloren. Nichts und niemand kann dich mehr retten. Doch genug geplaudert, ich muss weiter und du passt künftig besser auf dich auf. Ohne dein Schwert auf dem Rücken würdest du auch ein Opfer der Haie werden. Sie akzeptieren dich nicht deinetwegen, sondern weil du den Meerwolf besitzt.“

„Halt, warte noch, großer Orca, ich habe noch Fragen. Willst du mein Freund sein? Willst du mir dabei helfen, meine Ziele zu erreichen? Du könntest es, denn wir können uns verständigen. Allerdings weiß ich nicht, weshalb.“

Die seltsam schwarzblauen Augen des riesigen Wales blickten Machilla nachdenklich an, ehe sich in deren Schädel die Antwort formulierte.

„Du weißt es wirklich nicht?

Nun, derjenige, der dich gemacht hat, benutzte dazu die letzten Erbanlagen die von Atlantis noch existieren. Die Gene der Wale sind in deinem Körper verankert und er hat dich gekreuzt mit den Anlagen der Haie. Deine Schwimmhäute und die Kiemen hast du von den Haien bekommen. Deine Intelligenz und Lernfähigkeit, aber auch die Fähigkeit mit Lungen zu atmen und an Land zu leben von den Walen, also von mir und meinesgleichen. Diese Eigenschaften hat dein Erzeuger in einen weitgehend menschenähnlichen Körper gepackt und dir zugleich die Fähigkeit gegeben, dich mit jedem unserer Art zu paaren und Kinder zu gebären. So wie du bereits menschenartige Nachkommen geboren hast, könntest du auch Nachkommen mit Walen oder Haien haben, was ich dir allerdings nicht empfehlen würde.

Du würdest es nicht überleben.

Wir, die Wale, unterscheiden uns von allen anderen Bewohnern der Meere eindeutig. Unsere Nachkommen werden lebend geboren, sie säugen und wir haben keine Kiemen, denn wir sind keine Fische sondern angepasste ehemalige Landbewohner. Auch unsere Intelligenz ist – wie du vielleicht selbst schon festgestellt hast – weitaus größer als die aller anderen Meeresbewohner. Aus diesem Grund können wir beide uns auch verständigen. Wir beherrschen ebenfalls die Telepathie.

Freunde können wir allerdings nicht werden, denn wir Wale und unsere Verwandten, die Tümmler und Delfine, wir haben unsere Position bereits festgelegt und werden sie auch nicht mehr ändern. Wir werden keinesfalls mit Lebewesen paktieren, die uns derart das Leben schwer gemacht haben, wie die Menschen, die unter der Herrschaft dieses so genannten Großkönigs stehen. Wir werden auch nicht mit dir paktieren, die du so viele Jahre lang an seiner Seite geherrscht und doch niemals einen Versuch unternommen hast, die herrschenden Zustände zu verändern. Wir wurden gnadenlos gejagt, oftmals nur aus purer Lust am Töten heraus und man hat uns die Lebensräume vergiftet und dadurch genommen.

Nein, wir werden uns nicht auf deine Seite stellen.“

Machilla ließ die Erklärung des Orcas zunächst auf sich wirken, dann aber wollte sie noch wissen:

„Gut, du und Deinesgleichen, ihr wollt nicht auf meiner Seite stehen. Auf wessen Seite steht ihr dann?“

„Es ist nicht von Bedeutung und deshalb wirst du es vielleicht nie erfahren.“

Der riesige Mörderwal wandte sich nun endgültig von Machilla ab und bewegte langsam, fast träge seine gewaltige Schwanzflosse. Einmal auf, einmal ab genügten und der gigantische Körper wurde förmlich durch die graugrünen Fluten des Atlantiks katapultiert und gleich darauf war der Orca verschwunden. Machilla aber kehrte rasch in ihre Höhle zurück und kletterte hinauf zu ihrer Grotte. Sie setzte sich auf die Kante der Plattform, ließ die Beine hinunter baumeln und ließ die Ereignisse noch einmal vor ihrem geistigen Auge passieren. Dabei blieb sie an etwas hängen, das sie über alle Massen beschäftigte und faszinierte. Eher beiläufig hatte sie von dem Orca erfahren, was der Grund für ihre plötzliche Erstarrung bei der Begegnung mit dem Rochen gewesen war:

Hypnose!

Der Rochen lähmte eine Beute auf beträchtliche Entfernung hin durch Hypnose und was ein Rochen zuwege brachte, musste auch ihr, Machilla gelingen, denn Hypnose und Telepathie waren streng genommen enge Verwandte. Telepathie aber war ihr mehr als vertraut, sie war eine Meisterin der telepathischen Künste.

Machilla beschloss ihre hypnotischen Fähigkeiten so bald als möglich zu überprüfen und gegebenenfalls auszubauen. Sie hatte nur noch nicht die richtige Vorstellung an wem sie ihre Versuche durchführen wollte.

Die Lösung dieses Problems ergab sich allerdings bereits am nächsten Tag.

Machilla hatte früh am Morgen gejagt und einen jungen Seehund – einen Heuler – erlegt. Sie hatte sich an einer geschützten Stelle in den Dünen ein Feuer angezündet und das Fleisch ihrer Beute gebraten und das Fell von allen Fettschichten gereinigt und so zum Gerben vorbereitet. Aus dem extrem weichen und geschmeidigen Fell des Jungtiers wollte sie sich geeignetes Schuhwerk machen, um sowohl ihre Schwimmhäute zu schützen, als auch die notwendige Bequemlichkeit zu haben, wenn sie an Land unterwegs war. Obwohl sie in ihre Arbeit vertieft war, reagierten ihre Sinne auf die Annäherung anderer Menschen. Da waren zunächst rhythmische Geräusche, das Quietschen von Holz auf Holz, wie es beim Rudern eines Bootes entstehen mochte. Dann der gleichmäßige Atem ziemlich schwer arbeitender Menschen und fast im selben Moment der monotone und sehr leise Singsang eben dieser Menschen. Schon kurz nachdem sie diese Geräusche registriert hatte, konnte sie auch den Geruch der Menschen wahrnehmen und feststellen, dass die Fremden sich der Insel näherten. Machilla richtete sich in dem niedrig wuchernden Piniengestrüpp, das die Dünen bedeckte, ein wenig auf und sah hinaus aufs Meer.

Richtig, da näherte sich ein kleines Boot, eine echte Nussschale, die mit sechs Männern besetzt war.

Fischer aus Franca?

Nein, keine Fischer, eher Abenteurer oder aber Krieger. Schwertträger auf jeden Fall. Allerdings von einem Menschenschlag, der ihr bis zu diesem Tag noch nicht begegnet war. Alle sechs waren unübersehbar von kräftiger, gedrungener Statur und ihre Gesichter waren von dichten, schwarzen Bärten fast vollständig überwuchert. Auf dem Kopf trugen sie Kappen aus Tierfellen und auch ihre Kleidung bestand vollständig aus den Fellen derselben Tierart, wie ihre Kappen. Je mehr sich das Boot dem Strand näherte, desto mehr Einzelheiten konnte sie naturgemäß erkennen und unterscheiden.

Die Mützen, Jacken und Hosen waren aus schwarzgrauen Wolfsfellen gemacht und von dieser bevorzugten Kleidung hatten sie auch ihren Namen erhalten:

Polskawölfe.

Machilla erinnerte sich an Erzählungen am Hof zu Winchester in denen man von diesen Söldnern geredet hatte. Sie kamen weit aus dem Osten des Kontinents, aus dem Land Polonia oder – so nannten sie selbst ihr Land – aus Polska. Ein wildes Land, von dichten Wäldern überwuchert, erinnerte Machilla sich an Berichte und seine Bewohner waren gefürchtet ob ihrer Blutrünstigkeit und ihrer hemmungslosen Gier zu töten. Ebenso gefürchtet aber waren sie auch, weil sie einem uralten Glauben anhingen, der in seinen Grundzügen allerdings erstaunlich viele Ähnlichkeiten mit dem hatte, was Machilla im Auftrag ihres Meisters in Winchester verbreitet hatte.

Ihr Gott war vor vielen Jahrtausenden von einem kriegerischen Volk an ein Holzkreuz genagelt worden, an dem er aber nur scheinbar gestorben war. Eine ziemlich verworrene Sache, doch, wie gesagt, in den Grundzügen recht nahe an dem, was sie die Botschaft Chrianos genannt hatte.

Wie kamen Polskawölfe in einem Boot zu dieser einsamen Insel?

Machilla wollte diese Frage möglichst bald beantwortet haben und dachte sich rasch etwas aus, wie sie unauffällig und ohne Verdacht zu erwecken in die Nähe dieser Männer gelangen konnte. Wer weiß, schoss es ihr durch den Kopf, vielleicht konnte sie an diesen Männern das Prinzip der Hypnose testen und sie zugleich zu Übungspartnern im Schwertkampf machen?

Die sechs Männer im Boot waren die letzten Überlebenden einer starken Einheit, die von den Anglialbions an der Grenze zwischen Franca und Lusitania postiert gewesen war. Beinahe zehntausend kampferprobte und bergerfahrene Krieger waren sie gewesen und sie hatten sich in den Bergen und Wäldern der Pyrenas sehr wohl, fast wie zu Hause gefühlt. So lange, bis es plötzlich unter den Einheimischen zu knistern und zu brodeln begann. Aus Lisboa war ein Mann in die Berge gekommen, der sich als Bote der lusitanischen Königin Francisca ausweisen konnte und er hatte begonnen, die Bergbewohner aufzustacheln. Die Menschen der Pyrenas gehörten einem eigenen Volksstamm an, den Baskia und, obwohl eigentlich eher phlegmatisch und friedliebend, waren sie unter dem Einfluss aus Lisboa immer mürrischer, unduldsamer und aufsässiger geworden. Dann kam es zum offenen Aufstand und die Anglialbions unter den Anführern der Polskawölfe konnten nicht verstehen, wieso all die Hirten und Bergbauern plötzlich mit erstklassigen Schwertern und sehr weit reichenden Bogen ausgestattet waren, mit denen sie zudem hervorragend umzugehen wussten.

Von der gesamten Polskagarnison war nicht viel mehr übrig geblieben als die sechs, die jetzt in einem Boot den Strand der Insel Jersey erreicht hatten.

Ihr Anführer war ehemals auch der Anführer einer Hundertschaft gewesen. Die fünf anderen Männer hatten ebenfalls zu dieser Hundertschaft gehört. Er und seine Krieger waren auf einem vorgeschobenen Beobachtungsposten gewesen, als die Baskiarebellen plötzlich in großen Wellen von den Bergen herunter kamen und alles überrollten, was sich ihnen in den Weg stellen wollte. Er hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt als harten Krieger und gewieften Führer betrachtet, doch die Baskia hatten ihn eines Besseren belehrt. Sie kämpften nicht um des Kampfes willen oder um einen möglichst hohen Sold und einen ebenso großen Beuteanteil zu erhalten. Sie kämpften, weil ihnen bewusst geworden war, was die Anglialbions aus ihrem Land gemacht hatten und noch machen würden. Sie kämpften für ihr Leben, ihre Traditionen und Eigenarten und vor allem für die Zukunft ihrer Kinder.

Gnadenlosere Gegner konnte man sich nicht vorstellen.

Es war nicht allein ihre überlegene Bewaffnung und eine unerwartet hohe Disziplin im Kampf. Es war auch die Überraschung, dass diese zunächst so stoischen Menschen plötzlich mit wilder Wut und Leidenschaft zu kämpfen begannen. Einer Leidenschaft, die den Söldnern der Anglialbions die nackte Furcht den Rücken hoch kriechen ließ und dafür sorgte, dass sie unter dem Druck der Angriffswellen den Widerstand aufgaben und die Flucht ergriffen. Dummerweise erhielten sie wenig Gelegenheiten, sich ihrem Schicksal durch Flucht zu entziehen, denn die Baskia hatten Blut geleckt und kannten kein Erbarmen mehr. Anglialbion, Söldner, sie alle wurden bis ans Ufer des Meeres gehetzt und geschlagen, wo immer sie sich zu stellen wagten. Von der gesamten Besatzungsmacht der Anglialbion überlebten höchstens zehn Dutzend untergeordnete Krieger und kaum ein Anführer. Er war vielleicht der einzige Unteroffizier, der das Gemetzel überlebt hatte…

Als der Kiel des Bootes den Ufersand kratzte und gleich darauf fest saß, sprang der Anführer – Tomasz – so wie es sich für einen guten Anführer gehörte, als erster aus dem Boot, zog es weiter auf den Strand und hielt es am Bugseil fest, während seine Männer ebenfalls ins knapp knietiefe Wasser sprangen und so den Landgang vollzogen.

Sie waren immer noch Krieger, auch wenn sie die brutalste Schlappe hatten hinnehmen müssen, die sie sich vorstellen konnten. Ein knapper Befehl ihres Anführers genügte und die fünf Männer bildeten einen abwehrbereiten Halbkreis um den Landeplatz des Bootes herum. Tomasz sicherte das Boot mit dem Bugseil am Wurzelstock eines Pinienbusches ganz in der Nähe, dann begann er sich mit gezogenem Schwert landeinwärts zu bewegen.

Weit musste er nicht gehen, um mit einer faustdicken Überraschung konfrontiert zu werden.

Er schlich zwischen den etwas mehr als mannshohen Pinienbüschen hindurch und versuchte, auf jedes verräterische Geräusch, auf jeden unpassenden Geruch zu achten, um ja nicht von etwas Unangenehmem oder Gefährlichem überrascht zu werden. Er bog um einen großen Strauch und sah sich an einer kleinen Lichtung im dichten Gestrüpp und auf dieser Lichtung stand die schönste Frau, die ihm jemals über den Weg gelaufen war.

Ihr unglaublich langes, goldenes Haar war aus der Stirn gestrichen und im Nacken zu einem strammen Knoten geschlungen worden, der zusätzlich noch von der gegerbten Haut einer Muräne gehalten wurde. Aus dem Knoten hing ein langer Schwanz der dicken Flechten hervor und war elegant und wie zufällig über die linke Schulter gelegt worden. Dadurch wurde der Blick zusätzlich auf den über dieser Schulter aufragenden Griff eines Schwertes gelenkt, das die Frau in einer Rückenscheide bei sich trug.

Sie war groß für eine Frau. Groß und mit Muskeln bepackt wie eine Kriegerin. Ihre Haut war von der Sonne goldbraun gefärbt, was ihre jadegrünen Augen und die roten, weich geschwungenen Lippen noch besser zur Geltung brachte. Ihre Kleidung bestand aus einem eigenartig dünnen Material und war so knapp, so spärlich, dass weitaus mehr enthüllt wurde, als verborgen. Eigentlich war sie so gut wie nackt.

Die Lippen des Polskakriegers verzogen sich zu einer gierigen, lüsternen Grimasse und er richtete sich aus seiner geduckten und vorsichtigen Haltung auf, um aufrecht und rasch auf die schöne Fremde zugehen zu können. Mit einer solchen Begegnung hatte er nicht gerechnet, doch diese Frau kam ihm gerade zupass um sein angeschlagenes Selbstbewusstsein wieder ein wenig aufzupolieren.

Tomasz hatte noch nicht die Hälfte der Distanz zwischen ihm und der Frau hinter sich gebracht, als ihm der eigenartige Blick der jadegrünen Augen bewusst wurde. Die Frau rührte sich nicht, sie fixierte ihn mit eindringlichen Blicken und dann war es auch schon um ihn geschehen. Plötzlich wurde sein ganzer Körper steif und kraftlos, sein Ich versank in einem wirbelnden Schlund, wurde von jadegrünen Seen aufgesogen, er taumelte ein wenig, stolperte auf die Frau zu, sank vor ihr auf die Knie und murmelte in seiner eigenartig kehligen Sprache ein paart unverständliche Worte.

Machilla antwortete in der Sprache des Imperiums und aus ihrer eigentlich leisen Stimme klang eiserne Härte und ein mächtiger Wille.

„Du wirst mit mir in dieser Sprache sprechen, verstanden. Und nun erkläre mir deine Unterwerfung noch einmal, aber diesmal richtig.“

„Herrin, du hast mich gerufen. Hier bin ich, um dir zu dienen. Befiehl, damit ich gehorchen kann.“

Um Machillas Mund spielte ein kleines Lächeln, das ihre Zufriedenheit widerspiegelte. Schon ihr erster Versuch war erfolgreich gewesen. Mehr als das, der fremde Krieger war nicht nur gelähmt, er war in einem einzigen Augenblick zu ihrem willenlosen Sklaven geworden.

Kurze Zeit später war Machilla Herrin über sechs solcher Sklaven und sie wusste diesen Umstand sofort weidlich zu nutzen.

Vier der fremden Männer mussten sich mit der Wohnlichkeit in ihrer Höhle auseinandersetzen, den beiden anderen aber wuchs die Aufgabe zu, ihr als Übungsgegner im Schwertkampf zu dienen.

Ihre Rachepläne nahmen Gestalt an…

Shandra el Guerrero

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