Читать книгу Shandra el Guerrero - Rudolf Jedele - Страница 9
Königszug
ОглавлениеBorasta und sein König starrten einander verbissen an und keiner der beiden war bereit, auch nur einen Zollbreit von seiner Position aufzugeben. Fuß an Fuß standen sie einander gegenüber, die Köpfe leicht gesenkt, das Kinn wie einen Rammbock vorgereckt, mit wütend funkelnden Augen und bebenden Nasenflügeln. Die ungeheure innere Spannung der beiden mächtigsten Männer im Imperium umgab die beiden mit einer flirrenden Aura aus knisternder Energie und ihnen in diesen Momenten zu nahe zu kommen, wäre für jeden Menschen mit hohem Risiko für Körper und Geist verbunden gewesen.
Dabei hatte doch am frühen Vormittag alles in relativ entspannter Atmosphäre begonnen.
Der König hatte Borasta rufen lassen um mit ihm die dringendsten Maßnahmen der nächsten Tage und Wochen abzustimmen. Edward war auf Borastas Wohlwollen und auf die Zusammenarbeit mit ihm angewiesen, seit der Großteil seiner Adligen und Eliten in den Kriegen und Aufständen auf dem Kontinent ihr Leben gelassen hatten. Borasta war das geistige Oberhaupt der Gaeloch im Reich und außerdem der Mentor und wichtigste Berater der Kanzlerin Chelida. Sowohl die eine als auch die andere Funktion ließen ihn zu einem Machtfaktor im Imperium werden, an dem der Großkönig nicht vorbei konnte.
Wie stets in den letzten Jahren stritten sie aber schon bald, weil sich die Lebensumstände im Reich wieder einmal dramatisch verschlechtert hatten. Seit die Lieferungen an Rohstoffen und Nahrungsmitteln aus den eroberten Ländern auf dem Kontinent ausblieben, wurde die Lage im Imperium zunehmend unhaltbar.
Etwas mehr als drei Jahre waren vergangen, seit das Imperium durch den Krieg in Al Andalus und die Niederlagen gegen Shandra el Guerreros kleines Heer sämtliche Einflüsse und vor allem sämtliche Einkünfte auf dem Festland verloren hatte. Nach der letzten Schlacht in Iberia, als des Königs fähigster General, der absolut skrupellose Thomas Shifford, bei Granada mit seinem gesamten Heer vernichtet worden war und das Imperium zugleich nahezu alle Schiffe seiner Flotte verloren hatte, war eine Region nach der anderen aus den von Edwards Heeren zusammen geraubten Protektoraten heraus gebrochen. Die Macht des Imperiums war zerbrochen, wie ein Stück Glas, das gegen einen Felsen prallt. Zusammen mit den Aufständen in den Regionen war auch das System Chriano förmlich pulverisiert worden. Seit mehr als drei Jahren hatte Edward keine Nachricht mehr vom alleinigen Gott erhalten, obwohl er lange Zeit so intensiv nach ihm gerufen hatte, wie niemals zuvor. Edward hatte nicht glauben mögen, was ihm von Borasta und Chelida über Ninive und seine Bewohner berichtet wurde. Er hatte abgelehnt, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass alles, was er sich im Umgang mit seinem Gott angeeignet hatte, nicht mehr als ein Trugbild gewesen war.
So viel Arbeit stak in der Schaffung und Verbreitung Chrianos, so viele Jahre lang war das Prinzip unerhört erfolgreich gewesen und jetzt sollte mir nichts dir nichts alles vorbei sein?
Borasta und Chelida hatten in allen seitherigen Diskussionen und Debatten immer wieder darauf gedrungen, dass der Großkönig endlich den entscheidenden Schritt tat, um die von den Botschaftern der Länder und Regionen immer wieder vorgetragenen Friedensangebote und Handelsabkommen anzunehmen und so die Situation im Imperium zu verbessern.
Insbesondere Borasta wurde nicht müde, immer und immer wieder dieselben Argumente vorzutragen.
„Die Handwerker deines Reiches sind von unerreichter Qualität, ihr Können findet nirgendwo Seinesgleichen, doch was tun sie? Sie sitzen in ihren Häusern und starren tatenlos vor sich hin, denn sie haben keine Rohstoffe, die sie verarbeiten können.
Ihre Häuser zerfallen und ihre Kinder hungern. Das Können stirbt, wenn es nicht praktiziert wird und da es keine Rohstoffe gibt, bildet kein Handwerksmeister mehr Nachwuchs aus.
Die Händler des Imperiums sind von unerreichtem Mut und Bereisen gerne die ganze Welt, wenn es gilt, Erzeugnisse zu verkaufen und Rohstoffe einzukaufen. Ihr Geschick im Handel kann sich mühelos mit allen anderen Händlern messen, denen sie jemals begegnet sind, doch was tun sie?
Sie sitzen zu Hause, starren vor sich hin und hadern mit dem Schicksal, denn es gibt nichts, womit sie handeln könnten. Von den Handwerkern erhalten sie keine Produkte und wenn sie diese erhielten, so könnten sie diese nicht auf den Kontinent bringen, denn du hast ihnen alle Schiffe weg genommen, um eine weitere Armee ausrüsten und nach Iberia schicken zu können.
Auch ihre Häuser zerfallen und auch ihre Kinder hungern und es besteht keine Aussicht, dass sich unter einem wohlmeinenden Imperator etwas ändern könnte.
Unsere Bauern haben aufgegeben, sich weiterhin gegen die Unbilden des Wetters und gegen die immer häufiger auftretenden Katastrophen zu wehren. Immer weniger bestellen noch ihre Felder und die, welche sich noch abmühen, sind kurz davor zu verzweifeln. Der ständige Regen, die vergifteten Gewässer und ausgelaugten Böden machen es schier unmöglich noch eine Aussaat zum Reifen und zur Ernte zu bringen.
Deinen Ländern fehlt es an allem, nur nicht an einem:
Immer noch herrschen deine Adligen über ihre Ländereien und saugen ihnen von dem Wenigen, das hergestellt wird noch den größten Teil ab, um selbst auch in diesen schrecklichen Zeiten noch wie die Maden im Speck leben zu können.
Und was tust du dagegen, großer Imperator?
Du stiehlst Schiffe und bildest neue Krieger aus. Du versuchst immer noch Söldner zu bekommen und versprichst den Herrschern der Pikten, der Bulgar und der Polska das Blaue vom Himmel, ohne es jemals gesehen zu haben. Zum Glück glauben sie dir nicht mehr. Sie schicken dir keine Krieger mehr, denn sonst befänden wir uns schon längst wieder in einem deiner aussichtslosen Kriege.
Doch selbst wenn sie dir wieder Krieger schickten, du könntest diese Krieger nicht zum Kontinent transportieren, denn es gibt niemand, der die von dir beschlagnahmten Schiffe auch bedienen könnte. Die Seeleute, die sich auf diesen Schiffen befanden, hast du ja sinnigerweise aufhängen lassen.
Wann begreifst du also endlich, dass deine Pläne nicht aufgehen werden und unser Reich nur am Leben bleiben wird, wenn wir mit dem Kontinent zu handeln beginnen? Wir müssen das tun, was Chelida und ich dir nun seit Jahren predigen. Unsere Inseln müssen wieder bewohnbar werden, ansonsten geht dein Imperium unter.“
Keines dieser Argumente war dem König neu. Auch wenn er behauptet hätte, er wisse nichts von den bedrückenden Zuständen in seinem – geschrumpften – Reich, wäre das nicht die Wahrheit gewesen. Aber Edward hatte eine Methode entwickelt, wie er sich vor dieser Wahrheit verschließen konnte. Er hatte sämtliche Audienzen zu Gunsten der Bevölkerung eingestellt. Wer dem Großkönig etwas mitzuteilen hatte, gelangte bis zu den Höflingen unter der Führung des königlichen Kämmerers Rodeport of Sussex und schon brauchte Edward sich nur noch mit sorgfältig gefilterten Informationen auseinander zu setzen. Rodeport und sein Klüngel ließen nur Informationen zum König gelangen, die Beschwerden des Adels behandelten. Man schilderte ihm die schrumpfenden Einnahmen der Königssteuer, die ausschließlich beim Adel erhoben wurde mit der Tatsache, dass die Bevölkerung sich als immer fauler und unwilliger entpuppte und selbst unter Einsatz von Waffengewalt kaum mehr zur Zahlung ihrer Abgaben zu bewegen war. Die Barone und Grafen, die Earls und Herzöge, die Unterkönige, sie alle waren angeblich nicht mehr in der Lage, mehr als einen verschwindend geringen Beitrag an die königlichen Kasse abzuführen, weil sie selbst kaum mehr Einkünfte hatten. Die einzigen Informanten, die den König von der echten Realität unterrichteten, waren Borasta und Chelida.
Edward war aber nicht bereit, die Wahrheit zu akzeptieren. Er wollte glauben, dass er ein Volk von Rebellen und Aufständlern führte, das seinen Vertretern im Land ihm das Leben derart schwer machten. Er wollte glauben, dass es nur zwei Alternativen für das Imperium gab. Entweder musste er Krieg gegen sein eigenes Volk führen, um die Steuerdisziplin wieder herzustellen, oder aber er war gezwungen weitere Kriege auf dem Kontinent zu führen und auf diesem Weg wieder zu Einnahmen zu kommen.
Edward aber wollte nichts anderes, als dieser zweiten Alternative zu folgen. Er sah den immer wieder von Borasta und Chelida vorgeschlagenen Weg der inneren Erneuerung als nicht gangbaren Weg an, als Sackgasse, als untauglichen Versuch, ihn von weiteren Eroberungen abzuhalten. Also ließ er kompromisslos alle Schiffe beschlagnahmen, auch die aller Kaufleute und Händler, die einen der Häfen des Imperiums anliefen. Dabei spielte es keine Rolle, woher die Eigentümer der Schiffe stammten. Imperiumsschiffe wurden genauso kassiert, wie die Schiffe aus fremden Ländern. Auch die Größe der Schiffe spielte keine Rolle mehr. Ob einen dreimastigen Schoner oder eine kleine Barkasse, Edward hatte für jede Nussschale eine Verwendung:
Gewaltsam requirierte Krieger des Imperiums auf den Kontinent zu bringen, um dort Eroberungen und Raubzüge durchzuführen.
Eroberungen wurden immer schwieriger und zu guter Letzt sogar völlig unmöglich, denn Edward mangelte es seit den iberischen Kriegen und den dortigen, katastrophalen Niederlagen an allem, was die frühere Überlegenheit der imperialen Heere ausgemacht hatte.
Seine Seeleute waren schlecht ausgebildet und nur mit viel Glück in der Lage, ein Schiff über das raue Wasser des Kanals zum Festland zu bringen. Er hatte mit seiner Flotte in Malaga nicht nur die mehr als zwölf Dutzend großen Schiffe verloren, sondern praktisch auch alle fähigen Navigatoren und Kapitäne.
Es gab kaum mehr Prälaten und – nicht weniger schlimm – die wenigen Gehirnverbieger, die er seinen Heeren noch mitgeben konnte, stießen bei den kontinentalen Verteidigern immer häufiger auf gleichwertige und sogar besser geschulte Adepten, so dass sich die Kämpfe immer mehr auf die reine Ebene der physischen Gewalt reduzierte. Ohne Pikten, Bulgar, Polska und Mauren aber waren die imperialen Truppen auch in diesen Bereichen den Festlandtruppen unterlegen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der König seinen Kriegern kaum einen Sold bezahlen konnte, ohne zuvor Beute gemacht zu haben und wenn etwas erbeutet worden war, verschwand es viel schneller in den Taschen der Adligen und Offiziere, als die wenigen, dem Großkönig noch loyalen Hofbeamten Ansprüche geltend machen konnten. Truppen aber, die nicht einmal so viel Sold erhalten, dass sie ihre Ausrüstung instand halten können, sind selten übermäßig treu und schon gar nicht außer der Reihe tapfer.
So entwickelte sich in weniger als drei Jahren etwas, das schon in längst vergangenen Zeiten den Umgang des Kontinents mit dem Inselimperium Anglialbion geprägt hatte. Aus Kriegen und Eroberungen wurden letztlich Raubüberfälle. Dies wiederum führte aber dazu, dass die Überfallenen sich schon bald nicht mehr um Kriegsrecht und um damit verbundene Gepflogenheiten kümmerten.
Die Krieger des Imperiums wurden behandelt wie das, was sie ja letztlich auch waren, wie Banditen. Ein Krieger der auf dem Festland gefasst wurde, hatte nichts anderes als den Tod durch den Strang zu erwarten. Ohne Gerichtsverhandlung, ohne Einspruchsmöglichkeit und ohne Gnade.
Eigentlich wäre es schon am Ende des zweiten Jahrs nach der Schlacht von Granada sinnvoll gewesen, wenn eine kontinentale Armee den Kanal überquert und Anglialbion dem Erdboden gleich gemacht hätte. Doch dazu kam es nicht, dazu war der Respekt vor den Prälaten und den Tiermaskenkriegern auf dem Kontinent offenbar immer noch zu groß. Alle Regionen, alle Souveräne, alle Länder waren sich einig, dass es richtiger war, dem Imperium weiter Friedensangebote zu machen und Handelsabkommen anzubieten.
Unter dem Eindruck dieser Situation entstand in Edwards Gehirn ein Plan, den er schon bald genauso fanatisch pflegte und verfolgte, wie er zuvor seine angeblich göttliche Sendung gepflegt und verfolgt hatte.
Edward plante den Königszug.
Er hatte vor, einen so genannten Enthauptungsschlag durchzuführen und ließ dazu eine Hundertschaft handverlesener Krieger ausbilden. In einer einzigen, präzise koordinierten und durchgeführten Aktion sollten sämtliche Führer auf dem Kontinent abgeschlachtet werden, danach konnte man die Kriege und Eroberungen mit neuem Schwung fortführen.
Edward hatte eigenhändig eine Rangliste für diese Aktion erstellt und an oberster Stelle dieser Liste stand der Name Shandra el Guerrero.
Immer wenn Borasta ihm mit seinen idiotischen Reformvorschlägen zu heftig in den Ohren lag, zog er diese Liste hervor, präsentierte sie dem Druiden und verlangte dessen militärische Beurteilung des gesamten Planes. Aber genau so, wie Edwards Verhalten einem immer gleichen Muster folgte, so glichen sich Borastas Antworten auch in jeder dieser Auseinandersetzungen.
„Ich verstehe nicht mein König, weshalb du diesem Shandra el Guerrero eine solch eminente Bedeutung beimisst. Ich verstehe deine Rachegefühle, ohne jeden Zweifel. Aber einem Großkönig wie dir kommt es nicht zu, einem politischen Gegner gegenüber Rachegedanken zu hegen. Ein Großkönig muss über den Rand seines eigenen Suppentellers hinaus und das große Ganze sehen können.“
„Und das meinst du, kann ich nicht?“
„Ich bin mir ganz sicher, dass du es könntest, wenn du nur wolltest. Doch du bist verbohrt und stur und willst das Offenkundige nicht sehen. Dieser Shandra ist völlig bedeutungslos geworden, seit die Kämpfe zu Ende sind. Er mag ein kluger Stratege gewesen sein und ein wackerer Kämpfer, aber ein Politiker ist er offenkundig nicht. Also vergiss ihn einfach. Du musst deine Augenmerk auf den Grafen von Malaga richten, auf die Herzogin von Antequera und die Gräfin von Granada. Die Königin von Lusitania ist von Bedeutung und König Ferdinand von Franca. Michael Vanderlek solltest du niemals aus dem Kalkül lassen. Aber Shandra el Guerrero? Er ist ein Nichts geworden.“
„Er ist nach wie vor die Seele des Widerstandes gegen mich!“
„Wie oft mein König, muss ich das noch sagen? Es wird keine Herrschaft Anglialbions über auch nur einen Quadratfuß kontinentalen Bodens geben. Es ist dir nicht bestimmt, über Länder auf dem Festland zu herrschen. Du kannst mit diesen Leuten nur friedlich zusammenarbeiten und dann spielt eine Seele des Widerstandes nicht die geringste Rolle. Gegen wen oder was sollen die Menschen sich erheben, wenn es keine Invasion gibt?“
Der König starrte verdrossen vor sich hin und verzichtete auf eine Antwort. Es gab ja auch kein Argument, das man Borastas Worten entgegen setzen konnte, denn streng genommen hatte er Recht. Er war auch ganz und gar nicht allein mit seinem Standpunkt, bis hin zur Kanzlerin gab es eine Menge Leute, die diesem Standpunkt ebenfalls anhingen. Nur etwa ein Dutzend hochrangiger Adliger waren noch auf seiner, Edwards Linie und planten zusammen mit dem Großkönig weiterhin kontinentale Eroberungen.
Edward starrte Borasta mit wütender Sturheit an und dieser starrte mit nicht geringerem gälischem Trotz zurück. Wie so oft waren sie an diesem Punkt angelangt, da jegliche Basis zu einer Fortsetzung der Diskussion unmöglich geworden war und sie beide wussten das.
„Geh jetzt, Druide. Verlasse meine Gemächer und lass mich meine Arbeit machen. Geh in dich, denke über deine Loyalität zu deinem Großkönig nach und wenn du festgestellt hast, dass du Fehler gemacht hast, darfst du wiederkommen und ich werde dir wieder meine wertvolle Zeit zur Verfügung stellen. Jetzt aber geh. Hinaus mit dir!“
Borastas Augen waren dunkel vor Zorn und Trauer. Er erlebte diesen Rausschmiss nicht zum ersten Mal und – ganz sicher – auch nicht zum letzten Mal, denn er würde wieder kommen, so sicher wie der nächste Regentag oder der nächste Mondwechsel. So lange wollte er seinem König in den Ohren liegen, bis dieser es leid war und nachgab. Zum Glück, so ging es Borasta durch den Kopf, als er des Königs Gemächer verließ, war er nicht allein in diesem mühsamen Kampf. Chelida unterstützte ihn nach Kräften und, seit die Kriegszüge des Königs in regelmäßigen Schlappen ihr Ende fanden, wechselten auch immer mehr Adlige und hochrangige Bürger die Seiten und schlossen sich der von Borasta und Chelida repräsentierten Friedensbewegung an. So bemühte der Druide sich darum, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden, während er durch die langen, kalten Gänge des Schlosses lief, um zu den Räumen der Kanzlerin zu gelangen.
König Edward hingegen atmete tief durch und war sichtlich erleichtert, als die Tür hinter Borasta ins Schloss fiel und er wieder allein in seinem Arbeitszimmer war. Er hasste diesen Menschen Borasta längst aus tiefster Seele. Früher, vor langer Zeit, waren sie beide beinahe so etwas wie Freunde gewesen. Borasta war nur wenig älter als König Edward und ihre Wege waren parallel verlaufen, seit Edward den Thron von Britain bestiegen und sich dann in relativ kurzer Zeit zum Großkönig der Völker von Anglialbion aufgeschwungen hatte. Borasta selbst war auch damals schon der oberste Druide und damit das geistige Oberhaupt der gälischen Bevölkerungsschichten im Reich Anglialbion gewesen. Somit war er auf Edwards Weg immer ein unverrückbarer Faktor gewesen. Ohne die Freundschaft Borastas ging wenig, wollte man etwas von den Gaeloch. Obwohl die irischen und scotischen Gaeloch einander wenig Freundschaft entgegen brachten und obwohl auch der walisische Bevölkerungsteil fast immer sein eigenes Süppchen kochte, wenn es galt, waren sie da. Allerdings galt es nur, wenn Borasta und seine Druiden die Hände im Spiel hatten, nur dann waren die Gaeloch bereit, sich aus ihrer, dem Großkönig gegenüber eher gleichgültigen Grundhaltung wegzubewegen. König Edward hatte dies besonders schmerzhaft und eindringlich erkennen müssen, als er Borasta dereinst in der Brücke von Ronda hatte festsetzen lassen. Weniger als ein halbes Dutzend Menschen in Anglialbion hatten gewusst, was mit Borasta geschehen war und die hatten geschwiegen wie die Gräber. Doch allein die Tatsache, dass die königlichen Steuereintreiber oder auch die Anwerber der königlichen Truppen ohne Empfehlung Borastas auftauchten, hatte dazu geführt, dass aus den gälischen Völkern weder Steuern in die Kasse flossen, noch neue Rekruten in den Heeresteilen zur Verfügung standen.
„Eines Tages werde ich dich endgültig aus dem Weg räumen und wenn deine Gaeloch dann aufmüpfig werden, bekommen sie den königlichen Zorn in voller Härte zu spüren. Anglialbion ist ohnehin viel zu dicht bevölkert. Es würde nichts schaden, alle Gaeloch auszurotten.“
Der Großkönig hatte diese Gedanken natürlich nicht laut ausgesprochen, aber dennoch hatte er die Überlegung schon des Öfteren angestellt und sie nahm unter dem Schirm, der seine Gedanken beschützte immer konkretere Formen an. Der Plan des Enthauptungsschlages galt nicht nur für Edwards kontinentale Gegner. Auch Borasta und die Elite seiner Druiden waren in dieser Planung enthalten. Allerdings erst in einer zweiten Liste, die außer Edward selbst nur noch sein Kämmerer und Bettgefährte Rodeport kannte.
König Edward schüttelte die Gedanken an Borasta und seine ständige Widerspenstigkeit ab, stattdessen klingelte er nach seinem Kammerdiener und befahl, die königliche Suite zu einem Inspektionsritt nach Sherwood Castle in Bereitschaft zu bringen.
Wann immer der Großkönig den täglichen Verdruss und die Staatsgeschäfte satt hatte, ritt er an der Themse entlang nach Norden, nach Sherwood Castle. Eine kleine, absolut unbedeutende Festung, um diese herum eine ebenso winzige und unbedeutende Ansiedlung von Bauern und doch war Sherwood Castle von herausragender Bedeutung in Edwards Plänen.