Читать книгу Der Weltkrieg in den Lüften - Rudolf Martin - Страница 7

Die große Luftschlacht.

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Ohne Zweifel wäre Graf Zeppelin auch zu Lande einer der größten Feldherrn und zu Wasser einer der größten Admirale geworden. Die Luft aber ist sein Element. Von dem Augenblick der Gewissheit der nahe bevorstehenden Luftschlacht war dieser eiserne Mann wie umgewandelt. Er schien jetzt der jüngste unter allen Offizieren seiner Luftflotte zu sein.

Mit rasch beweglichem Geiste gab er Befehl auf Befehl in der erst von ihm geschaffenen Sprache der militärischen Aeronautik.

Der Großadmiral selbst wie der jüngste Leutnant zur Luft waren sich darüber klar, dass mit dem geringen Munitionsvorrat und fast ohne Ballast die Situation der Aluminiumluftflotte bei dem Zusammenstoß mit der ausgezeichneten französischen Grenzluftflotte eine sehr schwierige sei. Die deutschen Aluminiumluftschiffe hatten zum Teil schon 600 Kilometer zurückgelegt. Selbst diejenigen, welche in der Nacht nur von Metz aufgebrochen waren, hatten doch immerhin die 280 Kilometer lange Strecke von Metz bis Paris, eine Fahrt von etwa 60 Kilometern über der Stadt von Paris und eine weitere Fahrt von etwa 70 Kilometern auf der Rückreise hinter sich. Zeppelins Admiralsluftschiff und einige andere Luftschiffe, die vom Bodensee gekommen waren, hatten sogar 750 Kilometer bereits zurückgelegt Trotz seiner Größe und vorzüglichen Beschaffenheit war das Admiralsluftschiff daher bei einer längeren Luftschlacht am allermeisten gefährdet. Es war von vornherein zweifelhaft, ob die etwa 20 bereits angeschossenen Luftschiffe die Schlacht würden überstehen können.

Graf Zeppelin sandte dem Admiral Groß als Antwort folgenden Befehl: „Dehnen Sie Ihre Linie nach Vernichtung der Motorballonhalle in Reims 50 Kilometer nach Süden aus und nehmen Sie Fahrtrichtung auf Paris. Ich steure mit 250 Luftschiffen in der Richtung auf Verdun und Epinal. Wir werden uns innerhalb der nächsten halben Stunde treffen oder den Feind von vorn und hinten fassen.“

Die Depesche war eben abgegangen, als gleichzeitig von dem an der Spitze fahrenden schnellen Luftkreuzer „Berlin 5“ feindliche Kriegsluftschiffe gesichert wurden. In der nächsten Minute liefen noch von 2 anderen Aluminiumluftschiffen, die weiter südlich an der Spitze fuhren, Nachrichten ein, dass insgesamt 50 feindliche Luftschiffe in langer Linie in einer Höhe von 300 bis 800 Metern vom Osten in Anmarsch seien.

Das Wetter war keineswegs klar. Die Morgendünste verhinderten eine weite Aussicht. Als die feindlichen Luftflotten sich bemerkten, konnten sie auch schon das Surren der Propeller hören.

Man sah von den deutschen Luftschiffen wie die Franzosen sofort Ballast auswarfen, um in die Höhe zu kommen.

„Es hat doch auch sein Gutes“, sagte Graf Zeppelin zu seinem Admiralstabschef, „dass wir uns während der Nacht so sehr verschossen haben. Dank der Ballastausgabe haben wir jetzt zunächst Oberwasser.“

Sofort wurde allen Luftschiffen von dem Großadmiral die größte Schnelligkeit anbefohlen, um über die französische Luftflotte zu gelangen, bevor sie durch Ballastausgabe und Anwendung des Höhensteuers auf 1200 Meter und höher gestiegen sei

In diesem Augenblick wurde die Zeppelinsche Aluminiumluftflotte aber von einem Hagel von Infanteriegeschossen überschüttet.

Durch das Fernglas bemerkten die deutschen Offiziere jetzt in einer Höhe von 400 bis 500 Mtr. lange Ketten von Drachenfliegern, die mit Maschinengewehren nach den deutschen Luftschiffen schossen. Jetzt galt es sorgsam Deckung hinter den Wolken suchen. Aber das Wolkengebilde war zerrissen. Nicht selten mussten die Aluminiumluftschiffe trotz ihrer Höhe von 1200 Metern, die sich stellenweise schon bis auf 1000 Meter verringert hatte, über wolkenfreie Stellen fahren.

Als eben dicht neben dem Admiralsschiff das Aluminiumluftschiff „Baden“ mit möglichster Schnelligkeit eine solche freie Stelle zu überwinden suchte, ereignete sich ein furchtbarer Knall. Die „Baden“ war das Opfer einer Explosion geworden. Sie glich einer einzigen Feuersäule. Ohne jeden Halt plauzten die Gondeln mit ihrer vollen Schwere in die Tiefe.

„Die französischen Drachenflieger“, sagte der Admiralstabschef George zu Zeppelin gewendet, schießen scheinbar mit Geschossen, die mit Phosphorsäure und Teerstoff oder ähnlichen Materialien getränkt sind, um das Gas zur Entzündung zu bringen“

Zeppelin nickte im Stillen und befahl, an Groß zu telegraphieren, er möge sofort die schnellsten Abteilungen seiner Drachenflieger nach dem Schauplatz der Luftschlacht zu entsenden, der ihm gleichzeitig genau angegeben wurde.

„Meinen Sie, George“ sagte Zeppelin, „dass unsere Drachenflieger den Kampf mit den französischen aufnehmen können?“

„Die in den letzten 6 Monaten in der Löweschen Fabrik nach dem System Wright gebauten Drachenflieger neuester Konstruktion nehmen es mit den besten französischen, in der Schiffswerft zu Dünkirchen nach dem Wrightschen Patent gefertigten vollkommen auf.“

„Eine andere Frage ist, ob unsere Leute schon die Übung der alten französischen Aeroplanfahrer haben“

„Darüber wird der heutige Tag entscheiden“, entgegnete der Admiralstabschef ziemlich resigniert.

Es hat wohl niemals der Ausgang einer Schlacht derartig vom Zufall abgehangen wie in der ersten Viertelstunde dieser großen Luftschlacht. Wären die deutschen Aluminiumluftschiffe nicht in einer solchen Höhe und nicht zum größten Teil von Wolken geschützt, so würden sie voraussichtlich durchweg das Opfer der französischen Drachenflieger werden. Aus einem von Gas getragenen Motorluftschiffe kann man nicht mit einem Gewehr oder Maschinengewehr schießen. Die Gefahr einer Explos1on des Gases durch das Abschießen des Gewehres ist eine zu große. Von einem Drachenflieger ohne Gasballon kann man aber mit dem Infanteriegewehr wie mit dem Maschinengewehr nach allen Richtungen feuern. Der Drachenflieger ist als Waffe dem Aluminiumluftschiff weit überlegen. Die Dynamittorpedos des Aluminiumluftschiffes fallen nur in genau senkrechter Richtung. Steht das Aluminiumluftschiff nicht ganz genau mit seinen Torpedolanzierrohren über dem Drachenflieger oder Motorballon, so kann es dieselben überhaupt nicht treffen.

Graf Zeppelin hat wohl niemals mehr die Schwäche seines Systems gefühlt als in dieser Minute, wo die stolze „Baden“ neben ihm explodierte. Aber er ist nicht der Mann, um zu verzagen. Er besann sich, dass er 4 ausgezeichnete Daimlermotore besitze, die seinem Luftschiff die Überlegenheit über die schnellsten französischen geben müssten. Und wie zur Rache seiner Kameraden von der „Baden“ schaute der grimme Kriegsmann in das Luftgetümmel, um das stolzeste und größte der feindlichen Luftschiffe ausfindig zu machen. Jetzt hatte er das Admiralsluftschiff der Franzosen erkannt.

„Ich übernehme selbst den Befehl des Schiffs“, rief er dem Kapitän seines Admiralschiffs zu, indem er hastig auf die Brücke stieg. In einem Augenblick hatte das Zeppelinsche Admiralsluftschiff seinen Kurs nach dem feindlichen Luftschiffe genommen· Dieses suchte aus einer Höhe von 600 Metern schnell in die Höhe zu gelangen. Aber schneller noch, als es das Niveau Zeppelins erreicht halte, stand dieser direkt über ihm.

„Alle Lancierrohre zugleich“ kommandierte Graf Zeppelin. „Schnellfeuer“.

In diesem Augenblick sauste das große französische Admiralsluftschiff in die Tiefe. Man sah deutlich, wie rechts und links die Menschen einzeln herabstürzten. Nicht ein Rest der großen Ballonhülle, die 15 000 Kubikmeter Gasinhalt hatte, war zu erblicken. Von 20 oder mehr Schüssen gleichzeitig getroffen, war die Ballonhülle nach allen Seiten auseinandergerissen und in nichts aufgelöst.

Die deutschen Aluminiumluftschiffe „Hamburg,“ „Lübeck“ und „Bremen“ hatten gleichfalls große Erfolge zu verzeichnen. Es glückte ihnen, nicht weniger als 5 französische Luftschiffe zum Sinken zu bringen. Ein einziges Dynamittorpedo von 25 Kilogramm genügte, um eine solche große französische Ballonhülle zu durchschneiden.

Die Franzosen hatten schwer unter der Tatsache zu leiden, dass ihre Ballonettluftschiffe des halbstarren und unstarren Systems nur aus einer Baumwollhülle bestehen. Würden ihre Luftschiffe wie die Zeppelinschen Aluminiumluftschiffe sich aus einer Reihe gesonderter Gasballons zusammengesetzt haben, so wäre die Gefahr nicht annähernd so groß gewesen. Denn es ist immerhin ziemlich schwierig für einen Motorballon, sich so genau über den anderen Motorballon zu setzen, dass man ihn trifft oder gar mehrfach trifft.

Erst mit der Zeit gelang es etwa 30 französischen Motorballons durch fortgesetztes Ballastausgeben und Herabschleudern von Dynamittorpedos, sich auf eine Höhe von 1300 bis 1600 Martern zu erheben. Jetzt wurde die Lage der deutschen Aluminiumluftflotte bedenklich. Fast alle in Paris bereits angeschossenen Luftschiffe der deutschen Luftflotte wurden innerhalb von wenigen Minuten von oben zusammengeschossen. Hintereinander stürzten die prachtvollen Aluminiumluftschiffe „Schlesien“, „Pommern“, „Nürnberg“ und „Stuttgart“ in die Tiefe. Die Lage der braven deutschen Luftschiffer war schrecklich. Sie hatten den Tod nicht auf einmal, sondern ruckweise durchgemacht. Der erste Schuss durchbrach nur einen von 26 Gasballons. Gelang es ihnen, dem hoch über ihnen stehenden französischen Luftschiff zu entkommen, so konnten sie gerettet werden. Aber durch die lange Fahrt war auf der „Stuttgart“ wie auf der „Nürnberg“ einer oder der andere der drei Motore beschädigt.

Bei dem großen Aluminiumluftschiff „Schlesien“ durchschlug der erste Schuss des französischen Luftschiffs „Le Mans“ drei von den 26 Ballons und traf unglücklicherweise mitten in die hintere Gondel. Jetzt explodierte die gesamte hintere Hälfte des Luftschiffs, während merkwürdigerweise etwa 14 Gasballons der vorderen Hälfte vollkommen unberührt blieben. Die hintere Gondel war mit allen Insassen in die Tiefe gestürzt. Wurde sie nicht aufs Neue getroffen, so konnten die Insassen wenigstens hoffen, lebend und ohne Verletzung den Erdboden zu erreichen. ·

Entsetzlich gestalten sich die Lage der Insassen des deutschen Aluminiumluftschiffes „Pommern“, dessen einer Motor durch Infanteriekugeln in Paris beschädigt worden war. Von den beiden Luftschiffen „Marseille“ und „Toulouse“, die nur etwa hundert Meter höher standen, beschossen, verlor dieses 160 Meter lange Luftschiff in dem langen Zeitraum von einer vollen halben Stunde allmählich sein Dasein. Erst hatte ein Schuss der „Marseille“' zwei Ballons zerschlagen. Dann schoss. die „Toulouse“ nicht weniger als drei Schuss ab, ohne zu treffen. Dem geschickten Steuermann der „Pommern“ glückte es immer, den Wurfgeschossen durch eine kleine Wendung zu entgehen. Nun kam aufs Neue die „Marseille“ und flog in einer Höhe von nur 50 Metern ganz langsam quer über die „Pommern“. hinweg, fortgesetzt Torpedos fallen lassend. Aber auch von diesen Torpedos trafen nur drei. Der Zusammenhang der Ballons in der Mitte war zerrissen, aber das Aluminiumgerippe war auch an dieser Stelle standhaft geblieben. Noch gaben die braven deutschen Luftschiffer in der „Pommern“„ die Hoffnung nicht auf, dass irgendeines der deutschen Luftschiffe ihnen Hilfe bringen könnte. Aber es hatte jeder mit sich selbst genug zu tun. Denn inzwischen verflog der Morgennebel und die französischen Drachenflieger sandten aus ihren Maschinengewehren ganze Garben von Geschossen in die Höhe. Auf Befehl Zeppelins machte der Vizeadmiral Dürr mit seinem Aluminiumluftschiff „Prinz Heinrich von Preußen“ noch einmal einen verzweifelten Versuch, um das Luftschiff „Pommern“ von seinen beiden Angreifern zu befreien, indem er in gleicher Höhe wie diese sich ihnen näherte. Aber eine furchtbare Salve von etwa 30 französischen Drachenfliegern riss ihm nicht weniger als sechs seiner eignen Ballons hinweg. Zurückfahrend konnte er mit bloßem Auge noch erkennen, wie die 15 Mann starke Besatzung der „Pommern“ aus einer Höhe von 500 Metern herabstürzte. Einzelne hatten das Glück, noch durch eine Aluminiumstange mit einem oder dem andern Ballon des zerstörten Luftschiffs Fühlung zu haben. Sie wurden vom Winde weit weggetragen. Erlahmten ihre Kräfte, so stürzten auch sie rettungslos in die Tiefe. Vielleicht ließ aber ein gütiges Geschick den allein mit nur einer Person als Anhängsel in der Luft treibenden Ballon nach einigen Kilometern oder gar jenseits der Grenze wohlbehalten zur Erde kommen.

„Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in das kühle Grab“, sagte ein junger Ingenieur, der als Oberleutnant dem Kapitän zur Luft Dürr beigegeben war zu seinem Chef.

Mehr und mehr machte sich das alte Verhängnis der großen 21 stündigen Dauerfahrt des Jahres 1908 fühlbar. Das Gas entwich, die Aluminiumluftschiffe sanken, wie das Aluminiumluftschiff Nr. 4 einst bei Rierenstein und Echterdingen landen musste. Aber immer kecker wurden die Angriffe der französischen Drachenflieger.

Es war 4 Uhr morgens, als Zeppelin zu seinem Admiralstabschef George sagte: „Wenn Groß nicht in 10 Minuten eintrifft, sind wir alle verloren.“ George erwiderte: „Durch die drahtlosen Gespräche der französischen Motorballons haben wir die Verbindung verloren. Ich bin überzeugt, er muss jetzt eintreffen.“

In diesem Augenblick brachte Albert Köhler die Nachricht, dass ein Telegramm des Admirals Groß eingetroffen sei, demzufolge er die französische Flotte schon seit mehreren Minuten von der Rückseite beschieße.

Der Erfolg trat auch sofort ein. Die französischen Motorballons versuchten, sich aus dem Gefechte zu befreien. Ein großer Teil der Drachenflieger der französischen Luftflotte sammelte sich, um augenscheinlich eine Umgehung zu unternehmen. Aber noch genügte die Zahl der zurückgebliebenen Drachenflieger in Stärke von etwa 200, um innerhalb von wenigen Minuten den immer mehr sinkenden Aluminiumluftschiffen Zeppelins ein Ende zu bereiten. Da sausten mit einem Male mit ungeheurer Schnelligkeit — es mochten 90 bis 100 Kilometer in der Stunde sein — 200 Drachenflieger des Deutschen Vereins für Motorluftschifffahrt in einer Höhe von 200 bis 300 Metern gegen die französischen Drachenflieger heran. Es waren durchweg erstklassige Aeroplanfahrer, welche diese deutschen Drachenflieger leiteten Alles Freiwillige, denen der Luftkrieg zugleich Leidenschaft und Vergnügen war.

Jetzt begann ein hochinteressantes, fürchterliches Feuergefecht zwischen den Drachenfliegern der beiden Nationen, Ursprünglich schien es, als würden die Deutschen stracks gegen die Franzosen anrennen, die sich ungefähr in der gleichen Höhe befanden. Aber plötzlich geschah etwas Merkwürdiges. Während die Deutschen bis auf 500 Meter, fortgesetzt schießend, gegen die Franzosen angerannt waren, teilten sie sich plötzlich in 2 Teile. Ein Teil der deutschen Drachenflieger stieg auf die Höhe von 500 Metern, und der andere ging fast auf den Erdboden herab und huschte ein oder zwei Meter über dem Erdboden bis unmittelbar an die französischen Drachenflieger heran. Dann hielt er. Und hinter Deckungen der verschiedensten Art, hinter Bäumen, Mauern, Häusern, Hügeln, begannen vom Erdboden aus plötzlich die hundert deutschen Drachenflieger ein vernichtendes Feuer gegen die Franzosen, während diese gleichzeitig von oben beschossen wurden. Die Verluste der Deutschen waren äußerst gering. Von der Abteilung auf dem Erdboden wurde nicht ein Mann verletzt, nur 2 der hundert Aeroplane in der Höhe wurden von den Franzosen herabgeschossen. Nach 10 Minuten war aber die Hälfte der französischen Drachenflieger aufgerieben.

Mitten in diesem Kampfe setzten die französischen Drachenflieger die Beschießung der deutschen Motorballons fort. Eine Schar französischer Drachenflieger, die sich kurz vor dem Eintreffen der deutschen Drachenflieger seitwärts in weitem Bogen verzogen hatte, machte plötzlich einen gewaltigen Vorstoß in das Herz der deutschen Aluminiumluftflotte. Während der Großadmiral Graf Zeppelin auf der Vorderbrüstung seines Admiralsluftschiffes mit dem Glase die befreiende Attacke der zweihundert Drachenflieger des Deutschen Vereins für Motorluftschifffahrt verfolgte, erhielt sein Luftschiff plötzlich von 30 französischen Drachenfliegern ein furchtbares Maschinengewehrfeuer in die Flanke. Die Geschosse der französischen Maschinengewehre durchlöcherten in einem Augenblicke sämtliche Ballons seines Luftschiffes, welches sofort schnell zu sinken begann. Es schien ein Wunder, dass unter den Geschossen der französischen Maschinengewehre keine solchen waren, die das Gas entzündeten, wie kurz zuvor bei der „Baden.“ Jeden Augenblick aber befürchtete man auf dem Admiralsluftschiff, dass ein solcher Schuss mit gaszündender Wirkung das Luftschiff erreichen könnte. Innerhalb von 3 Minuten sank das Zeppelinsche Luftschiff als ein Wrack aus einer Höhe von 500 Metern auf den Erdboden. In diesem Augenblick langten die deutschen Drachenflieger zu seiner Unterstützung an. Die französischen Drachenflieger mussten sich vor der deutschen Übermacht zurückziehen. Aber nur ungern entfernten sie sich von der stolzen Beute des Admiralsluftschiffes. Noch aus großer Entfernung beschossen sie das herabgestürzte Wrack. Zum Glück ohne den Großadmiral zu treffen. Nur einzelne Herren seines Gefolges trugen leichte Verletzungen davon. Die gesamte Besatzung des Admiralsschiffes wurde auf die 40 größten der 200 deutschen Drachenflieger verteilt. Graf Zeppelin, der soeben unfreiwillig französischen Boden betreten hatte, nahm neben dem Führer auf einem Drachenflieger des Systems der Gebr. Wright Platz und wurde mit einer Schnelligkeit von 80 Kilometern in der Stunde an der Spitze seiner Luftflotte nach der deutschen Grenze zu befördert.

In Deutschland war man über das Schicksal des Grafen Zeppelin durch viele Stunden auf das Äußerste beunruhigt In dem Momente, als das Admiralsluftschiff von den französischen Drachenfliegern beschossen wurde, telegraphierte Albert Köhler mittelst eines Umschaltapparates gleichzeitig nach Metz, Straßburg und Friedrichshafen: „Das Admiralsluftschiff ist in schnellem Sinken. Wir sind nur noch 400 Meter über dem Erdboden. Grade jetzt beginnt ein heftiges Maschinengewehrfeuer, welches zahlreiche unserer Gasballons zerreißt.“

Der drahtlose Telegraphenapparat der Drachenflieger reichte nur auf kurze Entfernungen bis etwa 30 Kilometern. Der Führer der 200 Drachenflieger des Deutschen Vereins für Motorluftschifffahrt, ein Oberingenieur der Internationalen Luftlinie „Berlin-Peking Namens Richter, hatte wiederholt an das Admiralsschiff des Admirals Groß die glückliche Rettung des Grafen Zeppelin telegraphiert, aber in dem Getümmel der Schlacht und bei dem Wirrwarr von Hunderten drahtloser Funkensprüche verschiedenster Systeme eine Verständigung nicht erzielen können.

Die Rückkehr der 200 deutschen Drachenflieger gestaltete sich außerordentlich schwierig. Die große Luftschlacht hatte etwa 25 Kilometer westlich von Châlons in der Richtung auf Paris stattgefunden. Von dem großen Heerlager zu Châlons aus waren in den Morgenstunden nach allen Seiten Abteilungen von Feldartillerie, Kavallerie und Infanterie vorgeschoben worden, um die deutschen Luftflotten bei ihrer Rückkehr zu beschießen. Die höchste Höhe, welche Drachenflieger bisher zu fahren pflegten, war 500 Meter.

Die weit auseinander gezogene Abteilung der 200 deutschen Drachenflieger war noch nicht 10 Minuten nach der deutschen Grenze unterwegs, als die ersten beiden Schrapnells der französischen Feldartillerie in geringer Entfernung von dem an der Spitze fahrenden Drachenflieger des Oberingenieurs Richter platzten. Ein Schrapnellsplitter durchbohrte das rechte Ende der oberen Tragfläche des Drachenfliegers, ohne aber die untere Tragfläche zu berühren. Zum Glück riss keiner der Drähte. Graf Zeppelin, der seinen Blick nach der Öffnung richtete, konnte jetzt durch dieselbe den blauen Himmel sehen.

„Wir müssen ein gefährliches Experiment wagen, Exzellenz“, sagte Richter zu dem Grafen, der zwischen ihm und dem vorderen der beiden Motore saß. „Ich werde versuchen, auf die Höhe von 800 Metern zu steigen.“

Mit raschem Druck riss er das Höhensteuer in die Höhe und setzte durch einen anderen Hebel die beiden ausgezeichneten Motore der Gebr. Körtingschen Fabrik in Hannover auf die höchste Tourenzahl. Wunderbar wie ein Adler stieg der durchlöcherte Drachenflieger fast kerzengerade in die Höhe.

„Aber das Loch in der oberen Tragfläche muss repariert werden, sonst wird sich unsere Schnelligkeit sehr bald erheblich vermindern“, meinte Richter zum Grafen. „Hinter mir auf der unteren Tragfläche sind die Ersatzstücke festgeschnallt. Währenddessen müssen Exzellenz die Leitung des Drachenfliegers übernehmen.“

„Ich bin noch niemals auf einem Drachenflieger gefahren“, erwiderte Graf Zeppelin, „aber ich werde versuchen, die Kunst der Leitung so schnell als möglich zu lernen“

Richter zeigte dem Grafen die Anwendung des Höhensteuers und Seitensteuers. Graf Zeppelin versuchte einige Male die Handhabung nach oben und unten, nach rechts und links.

„Jetzt wird es die höchste Zeit, dass ich die Öffnung schließe“, sagte Richter, „denn schon beginnt der Drachenflieger ein unsicheres Gleichgewicht zu gewinnen.“

Richter stand jetzt auf, öffnete die große Tasche hinter sich auf der unteren Drachenfläche, nahm ein Ersatzstück heraus und schlich ganz langsam auf der Mitte der unteren Fläche nach dem Ende zu.

Der Drachenflieger senkte sich etwas nach rechts.

„Drehen Sie schnell das rote Seitensteuer nach links, oder wir kippen um“, rief Richter hastig dem Grafen zu. Mit sicherem, schnellem Griff hatte der 78 jährige Graf das hintere Steuer herumgeworfen. Jetzt machte der Drachenflieger eine große Kurve und gewann in ihr das schon verlorene Gleichgewicht wieder.

„Wir müssen uns so lange um die eigene Achse drehen, bis die Operation ausgeführt ist“, rief Richter.

Es war eine halsbrecherische Arbeit, gefährlicher, als sie wohl je an der Spitze der Takelage eines von wildem Sturm bewegten Segelschiffes von kühnen Matrosen unternommen worden ist. Während Richter aufrecht stehend den Ersatzteil, ein breites Stück leichten, dünnen und festen Gewebes aus Ramigarn, unter der Öffnung anschnallte, sauste ein ganzer Hagel von Infanteriegeschossen bei dem Drachenflieger vorbei.

„Das Werk ist getan“, rief Richter, „aber ich glaube, ich bin getroffen.“ In diesem Augenblick sank er auf der unteren Fläche zusammen und glitt hinab. Ein rascher Griff des Grafen mit der rechten Hand erfasste noch seinen Rock. Die Lage war eine verzweifelte. Mit der linken Hand hielt Graf Zeppelin das Höhensteuer, mit der rechten den bewusstlosen Oberingenieur, dessen Beine schon in die Luft hinausragten. Noch immer ging der Drachenflieger in großem Bogen nach links.

„Halten Sie fest Herr Graf,“ rief plötzlich eine Stimme von außerhalb, „wir sind in wenigen Sekunden zur Stelle“ Mit wunderbarer Geschicklichkeit fuhr auf der rechten wie auf der linken Seite des Drachenfliegers je ein anderer der nachfolgenden Flieger des Deutschen Vereins für Motorluftschifffahrt heran. Schnell flogen in die Holzstangen und Drähte des Führerschiffs Taue mit Haken.

„Ergreifen Sie mit der linken Hand den Tauhaken vor Ihrem Kopf und befestigen Sie ihn über Ihrem Kopfe an der roten Schnalle,“ wurde dem Grafen zugerufen, „dann können wir Sie heranziehen“ Graf Zeppelin tat, wie ihm geraten wurde. In diesem Augenblick wurde auch Graf Zeppelin am linken Oberarm durch eine Infanteriekugel verwundet. Gleichwohl hielt er mit der Rechten den Oberingenieur Richter unerschütterlich fest. Ein kräftiger Ruck noch und das Führerschiff lag fest neben dem Drachenflieger „Spandau“, während der Drachenflieger „Frankfurt“ auf der anderen Seite anlegte. Oberingenieur Richter wurde auf die „Frankfurt“ und Graf Zeppelin auf die „Spandau“ gezogen, während gleichzeitig von jedem der beiden Drachenflieger ein Mann auf das Führerschiff überstieg. Dieser halsbrecherische Wagenwechsel vollzog sich in einer Höhe von 700 Metern, mitten während einer Fahrt von immer noch 50 Kilometern Geschwindigkeit in der Stunde. Ein Drachenflieger kann niemals in der Luft stehen. Hat er nicht mindestens 40 Kilometer Geschwindigkeit, so kommt er schon in ein langsames Sinken. Allerdings genügt eine Geschwindigkeit von 10 bis 20 Kilometern vollkommen, um ihn vor dem Absturz zu schützen. Nur ganz gewandte Führer können es in der Luft wagen, sich neben einen anderen Drachenflieger zu setzen und durch Taue eine enge Verbindung mit ihm herzustellen. Die Führer der Drachenflieger „Spandau“„ und „Frankfurt“ waren als die geschicktesten dazu bestimmt worden, dem Drachenflieger zu folgen, auf dem sich Graf Zeppelin befand. Mit großer Vorsicht musste nun der weitere Weg gewählt werden. Man fuhr nach Möglichkeit mitten über die Wälder und möglichst weit weg von all den Stellen, die von Militär besetzt waren. Mit vollständiger Deutlichkeit sahen aber die deutschen Drachenflieger und hinter ihnen die großen Mengen der zurückkehrenden deutschen Motorballons den gesamten Aufmarsch der französischen Truppen an jenem ersten Morgen des Mobilmachungstages.

Das Bild, was sie sahen, war einzigartig und nie dagewesen. Ein Blick aus der Vogelperspektive auf ein Land inmitten der Mobilmachung. Hunderttausende eilten aus den Dörfern und Stadien nach den Bahnstationen, um die Garnisonstadt zu erreichen. Alle Züge waren von Reservisten überfüllt. Je näher die Drachenflieger der Grenze kamen, umso mehr sahen sie bereits große marschierende Kolonnen. Fast die ganze aktive Armee an der französischen Ostgrenze war auf den Straßen nach der Grenze zu bereits in Bewegung, ohne erst das Eintreffen der Reservisten abzuwarten.

Schon in dem Getümmel der Luftschlacht hatten die Drachenflieger ganz in der Ferne gewaltigen Kanonendonner zu hören gemeint. Kurz hinter Châlons war kein Zweifel mehr, ·dass an der Grenze eine ungeheure Schlacht tobte.

Graf Zeppelin, der auf der „Spandau“ von dem Führer während der Fahrt den ersten Verband erhalten hatte, verlor keinen Augenblick das Bewusstsein. Aufmerksam lauschte er dem immer heftiger werdenden Kanonendonner in der Ferne.

„Das ist der Sturm auf Verdun und Belfort“, meinte er, „die sämtlichen deutschen Grenzgarnisonen sind, ohne die Reserven abzuwarten, während der Nacht in Frankreich eingebrochen. Die Franzosen werden jetzt den Verlust ihrer westwärts gefahrenen Luftflotte und die Zerstörung ihrer Motorballonhallen an der Grenze sehr beklagen. Von der Goltz ist gestern schon in Metz eingetroffen und leitet den Angriff der ersten deutschen Armee persönlich. Zum Glück hat er noch eine Reserve von hundert Motorballons aller Systeme zusammen und von mindestens 3000 Drachenfliegern zur Stelle.“

Jetzt erhielten die deutschen Drachenflieger durch Funkenspruch die ersten Nachrichten von der Motorballonflotte, die ihnen nachfolgte. Admiral Groß hatte nach der Luftschlacht den größten Teil der beiden Motorballonflotten vereinigt und den Oberbefehl übernommen. Er befand sich genau 50 Kilometer hinter dem Drachenflieger Zeppelins.

„Den Oberbefehl mag ich ihm nicht abtreten“, sagte Zeppelin, „ich würde gern auf irgend einen Motorballon der hinter uns kommenden deutschen Luftflotte gebracht sein.“

„Das wäre nur beim Landen möglich, und das Landen ist hier im Feindesland zu gefährlich,“ entgegnete der Führer der „Spandau“, Regierungsassessor Graf Wartensleben, der als Sportsmann auf dem Gebiete des Drachenfliegers bereits einen Weltruf hatte. „In einer Stunde haben wir die kämpfenden Truppen überflogen und dann können Exzellenz sofort bei jedem Stabe einen deutschen Motorballon besteigen, der Sie innerhalb von einer halben Stunde mit der deutschen Luftflotte vereinigt“

Während die Drachenflieger mit der größten Schnelligkeit nach Deutschland zurück zu gelangen suchten, um dort aufs neue Benzin einzunehmen, hatte sich hinter ihnen ein neuer Kampf zwischen den französischen und deutschen Motorballons entsponnen. Beide Teile hatten bereits ungeheure Verluste gehabt. Von den 250 Motorballons, mit denen Graf Zeppelin Paris in der Nacht bombardiert hatte, waren 50 vernichtet. Von den 50 Motorballons des Admirals Groß waren etwa 10 abhandengekommen. Mitten zwischen den deutschen Motorballons befanden sich starke Truppen französischer. Immer aufs Neue versuchten beide Teile von oben herab den anderen zu treffen. Das Bestreben der durch starken Gasverlust geschwächten deutschen Motorballons war aber in erster Linie, so schnell als möglich die Grenze zu erreichen. Immer aufs Neue mussten einzelne deutsche Motorballons aus Mangel an Gas bis auf eine Höhe von 200 Metern oder gar bis auf den Erdboden herabgehen und wurden bei dieser Gelegenheit das Opfer der nachfolgenden französischen Drachenflieger oder des Artillerie- und Infanteriefeuers der marschierenden französischen Kolonnen.

Je mehr man sich den an der Grenze kämpfenden Truppen näherte, umso gefährlicher wurde die Lage der deutschen Motorballons infolge ihres zunehmenden Gasverlustes. Schließlich wurden sie nicht nur du das Feuer der französischen Truppen, sondern durch das Feuer der deutschen Truppen bedroht.

In dringenden Telegrammen bat Admiral Groß bei dem deutschen Hauptquartier in Metz, alle irgendwie verfügbaren Motorballons zu einem entscheidenden Schlage gegen die verfolgende französische Luftflotte herauszusenden.

Der Kampf der deutschen Truppen gegen die französischen Forts war aber ein so heftiger, dass nicht einer der deutschen Motorballons entbehrt werden konnte. Vielmehr erhielt Major Groß zur Antwort, er möge so schnell als möglich zurückkehren, um in Metz oder sonst diesseits der Grenze neue Munition zu laden und sich sodann an der Beschießung der französischen Forts zu beteiligen.

Generalfeldmarschall von der Goltz ließ die Motorballons über den einzelnen französischen Forts und Grenzfestungen nur einmal abprotzen, so dass der ganze Vorrat an schweren Dynamittorpedos innerhalb von etwa 3 Minuten verschossen war, während gleichzeitig die Luftschiffe in demselben Maße durch die Ballastabgabe drei bis vier Minuten lang stiegen. Sodann kehrten sie sofort 20 Kilometer hinter die deutsche Front zurück, wo große Vorräte von Dynamittorpedos für Motorballons bereitgestellt waren. In 20 Minuten waren sie schon wieder über den französischen Forts und Grenzfestungen mit der Entleerung ihrer unheilschwangeren Ladung beschäftigt. Die dem Generalfeldmarschall von der Goltz zur Verfügung stehenden 100 Motorballons gehörten aber nicht mehr der Elite der deutschen Luftschiffe an. Es waren meist kleinere Motorballons des halbstarren und unstarren Systems. Die tragfähigsten und schnellsten Riesenluftschiffe des starren Aluminiumsystems waren fast durchweg mit dem Grafen Zeppelin nach Paris gegangen. Die französische Artillerie der Forts und Grenzfestungen wehrte sich verzweifelt. Sie war ausgestattet mit den modernsten Vorkehrungen zum Hochschießen.

Über der Festung Verdun wurden mitten in ihrer Luftkanonade die beiden halbstarren Motorballons „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ aus einer Höhe von 1400 Metern durch Schüsse der französischen Festungsartillerie herabgeholt. Der „Scharnhorst“, befehligt von Hauptmann Dewitz, fiel trotz der drei großen Löcher, welche die französischen Schrapnellsplitter seiner Hülle gemacht hatten, verhältnismäßig langsam. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Insassen lebend den Boden erreichten. Aber sie hatten noch einen großen Teil ihrer Dynamittorpedos an Bord. Indem Hauptmann von Dewitz aus einer Höhe von 800 und 600 Metern als Ballast zur Minderung des Absturzes die Dynamittorpedos auf die Festung fallen ließ, erregte er die Wut der Besatzung. Ein ganzer Hagel von Infanteriegeschossen durchbohrte jetzt seine Hülle. Nun sank der Motorballon wie ein Stein kerzengrade. Dadurch verbesserte sich aber die Lage der Festung keineswegs. Denn in dein Augenblick, wo die Gondel mit noch 8 schweren Dynamittorpedos im Hofe der Kommandantur von Verdun aufschlug, erfolgte eine fürchterliche Explosion, welche nicht nur die deutschen Luftschiffer in Stücke riss, sondern auch die Kommandantur samt allen Insassen vom Boden wegfegte.

Der Weltkrieg in den Lüften

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