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IV

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Ich trete aus dem koketten kleinen Palais der Krasnopolska. Ich atme in tiefen Zügen den kalten, herbstlichen Abendnebel der Newa, in dem schon etwas von Schnee und baldiger Winternähe wittert. Der Albdruck wegen des Passes ist von meiner Brust gewichen. Nun bin ich erst wieder Mensch. Nun fühle ich mich erst wieder daheim in diesem riesigen, feierlichen, alten Petersburg. Nun freue ich mich erst wirklich und aus ganzer Seele, wieder im Elternhaus zu sein. Ich fahre dorthin. Ich greife unterwegs alle Augenblicke nach der Brieftasche, die das Innenfutter meiner Weste wölbt, und lächle still vor mich hin . . .

Gott sei gelobt! Ich bin nicht mehr ein Mensch ohne Pass! Es kann wir niemand mehr etwas anhaben! Herausfordernd mustere ich die Stadtsoldaten an den Ecken der Prospekte, die vielen Beamten und Offiziere auf den schon abendlich dunklen Strassen. Überall Uniformen. Wer trägt in Russland keine Uniform? Selbst die Schüler . . . Der grüne Gymnasiast heute nacht . . . Eine Sekunde ist mir nicht wohl zumute — ach was . . . Fahr zu, Iswoschtschik! So — da sind wir . . .

Oben, im hellerleuchteten, blauen Salon geht Papa mit langen, schnellen Schritten auf und nieder. Es ist selten, dass man Papa so unbeschäftigt sieht. Auf seinem glattrasierten, verbindlichen Diplomatengesicht spielt unterdrückte Unruhe. Sien grossen, klugen, grauen Augen spähen, wenn er stehenbleibt, erwartungsvoll auf die Strasse hinunter. Ich trete auf den Fussspitzen an ihn heran und flüstere es ihm glückselig ins Ohr, so dass Mama, die an ihrem Schreibtisch sitzt, nichts hört:

„Papa — ich hab’ ihn! . . . Ich hab’ den Pass . . .“

„Könnte man nur den Kopf der Krasnopolska auf die Schultern unserer Machthaber setzen!“ sagt mein Vater in Gedanken, und schaut hinaus in die schwarze Nacht.

„Uff! Nun ist alles gut!“

„Es ist noch lange nicht alles gut!“ Papa überzeugt sich durch einen Blick, dass Mama ganz in ihre Papiere vertieft ist. Mama hat den grossen Weg von der estländischen Pastorentochter zu der deutsch-russischen Petersburger Exzellenz zurückgelegt. Sie trägt Würden und Bürden in Menge. Sie schichtet drüben am Tisch, leise vor sich hinmurmelnd, Zuschriften vom Vorstend der lutherischen Peterskirche drüben, vom deutschen Handwerkerverein „Zur Palme“, vom deutschen Wohltätigkeitsverein in der Twerskaja, vom deutschen Alexanderhospital. Mein Vater deutet auf die Michailoeskaja hinab.

„Überall auf der Strasse unten steht Geheimpolizei!“ sagt er. „Exzellenz Tschurin kommt in den nächsten Minuten zu mir zur Konsultation!“

„Das hat er doch schon oft getan!“

„Aber nicht, wenn irgendein Verbrecher mit dem Pass meines Sohnes sich durch die Ochrana unten in meine Wohnung einscheicht und ihm auflauert!“

Papa geht unruhig, alle Winkel musternd, durch die hellerleuchteten Zimmer. Er greift im Flur nervös in das Bündel der dort hängenden Pelze und Mäntel, als stände dahinter ein schwarzer Mann. Aber es ist nur Papas Schlittendecke aus Persianerfell. Er kehrt in die Wohnung zurück. Wie lehnen, Papa und ich, am geöffneten Fenster, durch das die kalte Nachtluft hereiweht. Wir schauen zusammen in die Finsternis hinaus. Um uns ist, in der tiefen Stille, jene unheimliche Atmosphäre, die Tschurin voraussendet — der lebensgefährliche Dunstkreis um solch einen russischen Würdenträger herum . . .

Nicht zu erraten, aus welcher Richtung Seine Hohe Exzellenz in die Michailowskaja einbiegen wird. Er haust eigentlich schon ausserhalb Petersburgs, am Ende der Welt, auf der Newaspitze der Apothekerinsel, beim Botanischen Garten, in einer freistehenden, rings von der Polizei bewachten Kronsvilla. Von da fährt er, jedesmal verschieden, über irgendwelche Brücken auf unvermuteten, weiten Umwegen in die Innenstadt. Er kann selbst von der Wilhelmsinsel herkommen, aus der Wiborgschen Vorstadt — wer weiss es . . .

Papa erzählt mir das halblaut, während wir lauschen und warten. Alles still. Nun jäh — durch das Schweigen der Nacht — in der Richtung von der Simeonbrücke her, ein kurzer, scharfer Knall. Gleich darauf noch einer. Wieder tiefe Ruhe . . .

„Man hat auf ihn geschossen!“ sagt mein Vater. In den dunklen Gruppen der Ochrana unten auf der Strasse ist eine erwartungsvolle Bewegung. Ein Zweispänner biegt in ruhigem Trab um die Ecke. Hält vor unserem Haus. Ein kleiner, dürftiger Herr in schwarzer Lammfellmütze und schwarzverschnürtem, pelzbesetztem, dunklem Mantel, steigt schnell aus und verschwindet, geräuschlos in seinen Galoschen, im Tor wie eine Ratte im Loch.

Wir beobachten es durch das geöffnete Fenster. Dann eilt mein Vater dem hohen Besuch an die Flurtür entgegen. Tschurins gelbliches, faltiges Gesicht zwinkert so schläfrig wie sonst mit den halbgeschlossenen, stechenden Augen. Er muster sich aufmerksam im Spiegel. Er fährt sich mit der welken Hand über den spärlich behaarten Grauschädel und den dünnen, grauen Spitzbart und reicht sie dann meinem Vater.

„Durch wen diese Spitzbuben es nur immer wissen, wohin ich in Peterburg fahre!“ sagt er kopfschüttelns, widerwillig anerkennend, in seiner leisen, höflichen Art. Etwas Nervosität zittert doch in der Stimme. Aber seine undurchdringlichen, still aufmerksamen Züge heucheln tiefste Gleichgültigkeit.

„Schoss man wirklich auf Eure Hohe Exzellenz?“

„Man schoss. Zweimal. Beide Male daneben. Aus einem Fenster im zweiten Stock eines Hauses, gleich hier um die Ecke hinter dem Justizministerium! Unter den Augen des Justizministers — das ist ein Bonmot für morgen!“ Boris Tschurin kichert plötzlich mit einme fuchsschlauen Aufflimmern der grünlichen Pupillen fast lautlos in sich hinein. Er scheint dem Justizminister nicht gewogen. Wo hat er keine Feinde?

„Hat man den Übeltäter festgenommen, Eure Hohe Exzellenz?“

„Noch weiss ich es nicht! Die Gendarmen drangen in das Haus. Ich fuhr sofort weiter. Man darf sich bei solchen Gelegenheiten nie aufhalten. Man weiss nie, wer sich noch in der Nähe befindet! Denken Sie an das Schicksal des Zar-Befreiers — gerade dort drüben, Ihrer Wohnung gegenüber. Auch ihn traf erst der zweite Bombenwurf! Nun — und was ware an mir gelegen?“ Der Vater der Lüge fasst sich an seine grosse, kolbige Nase und trippelt, schwächlich, zittrig vor meinem Vater in die Zimmerflucht. „Ein Diener des Zaren weniger! Aber dieselbe ruchlose Hand, die heute auf mich zielt, richtet sich morgen gegen den Imperator! Diese bevorstehende Reise nach der Krim . . . Mir stockt das Blut, wenn ich an alle Möglichkeiten denke . . . Es muss vorher völlige Beruhigung geschaffen werden . . . Mit allen Mitteln . . .“

Er seufzt. Er sieht eine Sekunde alt und verfallen aus. Er lächelt liebenswürdig wie ein alter Pariser. Er reicht mir seine Hand. Sie ist eiskalt gleich der eines Toten.

„Lassen Sie sich morgen im Salon meiner Frau sehen! Ich sprach ihr von Ihnen!“ versetzt er höflich. „Und nun zur Konsultation!“

Papa geleitet, mit den gewandt gleitenden Bewegungen eines alten Hofmarschalls, den hohen Besuch in sein Studierzimmer.

„Es muss etwas für Ihre Gesundheit geschehen!“ lispelt er dabei. „Eure Hohe Exzellenz beherrschen sich mit bewunderungswürdiger Energie. Aber dem Auge des Arztes entgeht die Erschöpfung Ihrer Nerven nicht!“

„Nun — wie sollte ich mich wohlbefidnen — ich — der Vater einer dem Antichrist verfallenen Tochter?“ versetzt Boris Tschurin leise und trocken. „Noch weiss ich nicht, ob sie es war, die in Russland eindrang . . . dieser Gymnasiast im Wirballener Zug. Noch ist Hoffnung, das seine andere Übeltäterin — Man ist ihr auf der Spur . . . doch immerhin . . . oh, die Welt — Kommen Sie, Professor . . .“

Die Tür schliesst sich hinter den beiden. Ich stehe allein im Zimmer. Wie ein Gespenst sehe ich wieder den bleichen, brünetten Gymnasiasten in seinem grünen Rock vor mir. Ich möchte ihm an ie Gurgel springen, ihn würgen, ihm in das kleine, weisse, fanatische Antlitz schreien: „Gib mir meinen Pass zurück!“ An der Tür mahnt vorwurfsvoll Mama:

„Aber so komm doch! Es sind alle Verwandten da, um dich zu sehen. Onkel Pauluscha, Polgers — Beate Stichling — Annette Kosiakow mit ihrem Mann. Dein Vetter Sacha!“

Ich nehme resigniert zwischen den Verwandten Platz. Um mich lärmt die Tafelrunde. Onkel Pauluscha Katsch, der irgendwo a draussen eine Gummigaloschenfabrik betreibt, hält ein Stück geräucherten Sigifisch auf der Gabel und schreit:

„Um heutzutage in Russland Geschäfte zu machen, muss man Däne sein! Überall protegiert die Zarin Dagmar ihre Landsleute!“

„Ihre Majestät wird übermorgen ganz bestimmt persönlich den Wohltätigkeitsbasar im Patriotischen Institut eröffnen!“ ruft Tante Annattchen. Neben ihrem Mann, dem berühmten Professor der Medizin Kosiakow, Papas Kollegen, der sich als Vollblutrusse schweigsam mit der eigegen Gabel die kalten Bissen von der allgemeinen Platte nimmt, sitzt Mama und meldet:

„Lisa hat sich verlobt! Denke dir: mit einem Odessiten! Mit einem gewissen Dargens, einem Schweizer von Geburt!“

Und Pastor Polger von der lutherischen Petersburger Matthäuskirche, berichtet von seinem Sohn:

„Eduard besucht jetzt die Bergakademie!“

Um mich schwatzen sie von der italienischen Oper im Saal des Konservatoriums, von der Schlittschuhbahn im Jussupow-Garten . . . Schiffers lassen sich scheiden . . . Plötzlich frage ich brüsk, aus meinen Gedanken heraus:

„Und was machen die Terroristen?“

„Pscht! Pscht! Onkel Genje — eigentlich Heinrich Stichling —, schnalzt missbilligens mit der Zunge. Der alte Junggeselle besitzt eine grosse Apotheke auf dem Newski-Prospekt. „Rede mir von allem! Nur nicht von Kronsangelegenheiten!“

Und der einzige Träger einer russischen Linienleutnantsuniform am Tisch, mein Vetter Sascha von Etwein vom Revaler Armeekorps, warnt schnell und leise:

„Verbrenne dir nur nicht den Mund!“

Wieder Familiengesimpel und Newa-Tratsch um mich. Ich bin still. Dann rücke ich meinen Stuhl.

„Ich höre draussen Papas Stimme!“ sage ich. „Vielleicht braucht er mich!“

Kaum, dass ich auf dem Flur stehe, tritt der Vater der Lüge lautlos und behutsam, von Papas hoher, geschmeidiger Erscheinung gefolgt, aus dessen Arbeitszimmer. Er sieht jetzt viel wohler aus als vorhin. Sein leises, trockenes Französisch hat einen Anflug von Wärme.

„Ein Viertelstündchen mit Ihnen, mein lieber Professor, und man fühlt wieder neue Kräfte! Glauben Si emir: das sind bei mir immer nur kurze Schwächeanwandlungen! Gleich nachher weiss ich wieder, was ich dem Zaren un der russischen Gesellschaft schuldig bin!“

Boris Tschurin hat offenbar jetzt noch allerhand geheime Haussuchungen und Verhaftungen vor. Er hüstelte unternehmend. Seine dünnen Lippen sind zäh zusammengekniffen. Ein unheimliches Lächeln zuckt in ihren Winkeln . . . Ich möchre heute nacht nicht der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit in Petersburg sein.

Nun will er Papas Rezept in seinem Portefeuille aus rotem Juchten bergen. Runzelt betroffen die Stirne: In der Brieftasche steckt ein Stück Papier, das er offenbar nicht kennt. Er muster es. Entfaltet es vorsichtig. Liest. Taumelt . . .

„Hohe Exzellenz . . . Was ist Ihnen?“ Papa beugt sich über Tschurin. Der kleine, kränkliche Herr ist auf den nächsten buntlackierten Beuernstuhl im Flur gesunken. Er schluchzt grell auf, in ganz hellen, sonderbaren Tönen, fast wie ein Kind. Er halt mit abgewandtem Haupt Papa das Blatt hin.

„Wissen Sie, was das ist, Professor? Mein Todesurteil! Irgens jemand aus meiner nächsten Umgebung muss es vorhin, als ich von zu Haus wegfuhr, mir in meine Brieftasche gesteckt haben!“

Papa halt seinem Patienten ein Ätherfläschchen unter die kolbige Nase. Das belebt den wachsgelb erbleichten Vater der Lüge. Er legt sein Todesurteil mit spitzen, langnägeligen, zigarettengelben Fingern umständlich wieder dahin, wo er es gefunden, in die Brieftasche zurück, und hebt den Glatzkopf. Aber sein altes Fuchsgesicht ist verfallen. Er steht mühsam mit Hilfe meines Vaters auf.

„Sie sehen mich erschöpft!“ sagte er leise zu ihm. „Glauben Sie mir: es ist nicht die Furcht! Ich kenne keine Furcht. Jede Stunde könnte ich meinen Abschied erbitten und in der Krim, unter den Tataren, in einem Orangenhain, meine Pension verzehren. Ich tue es nicht. Ich stehe wie ein Soldat auf dem Posten. Aber wenn ein Soldat fühlt, dass der Freund neben ihm sein Feind ist — dass unter den paar Menschen auf Erden, denen man noch vertraut, irgendwo, dicht neben einem, unsichtbar ein Verräter steckt — wie soll man da noch seine Pflicht tun? Herr . . . erbarme dich meiner!“

Die ganze Zeit wird französisch gesprochen. Stumm, kein Wort begreifend, steht der Diener und hält den verschnürten Pelzmantel zum Anziehen bereit. Der ofenheizer wartet mit der Lammfellmütze. Ein Zimmermädchen kniet mit den Galoschen am Boden. Der Oberdwornik hat die Flurtüre geöffnet. Auf den Treppenabsäten stehen die Hausknechte. Unten, im Flur und durch das offene Haustor bis auf den Bürgersteig hinaus, die Geheimpolizisten. Alles ist bereit, Seiner Hohen Exzellenz das geleit bis zum Wagen zu geben, hinter dem unauffällig, in einiger Entfernung, ein zweites Gefährt mit Gendarmerieoffizieren in Zivil wartet. Die Nacht draussen ist tief dunkel. Sturmstösse heulen vom fernen Finnischen Meer her, die Newa-Ufer entlang. Man hört noch hoer, mitten in der Stadt, ihr Stöhnen über das freie, riesige Marsfeld und den Michaelsgarten bis zu uns her. Unser Besucher zögert. Er fröstelt. Es ist, als ob er — der furchtbare Boris Tschurin — plötzlich vor der Nacht da draussen und ihren Geheimnissen bangte . . . Dann raft er sich zusammen.

„Wie denn? Wer will mir Rapport erstatten?“ fragt er barsch.

„Der Gendarmeriekapitän Gejkin, Eure Hohe Exzellenz!“ meldet zitternd der Diener. „Er wartet im Vorzimmer!“

Boris Tschurin trippelt hinein. Gleich darauf steckt er seinen fahlen Ziegenbart wieder durch den Türspalt und winkt uns, ihm zu folgen. Innen wendet er sich an einen jungen energischen Mann mit schwarzem Schnurrbart in Schirmmütze und hechtfarbenem Mantel.

„Wiederholen Sie den Herren Ihren Bericht!“ befiehlt er schroff. Der Offizier gehorcht mit einer sichtlichen Überwindung.

„Die Frauensperson, die gestern nacht im Gymnasiastenuniform die Wirballener Grenze überschritt und in Pskow aus dem Zug flüchtete, wurde heute abend gegen sieben Uhr hier in Petersburg, in Wassilij Ostrow, gesehen, wie sie in Frauenkleidern von Smolensker Friedhof her in einem Iswoschtschik den Kleinen Prospekt hinabfuhr. Ein Geheimpolizist erkannte sie beim Schein einer Strassenlaterne als die . . .“

„Heraus mit der Sprache . . .“ herrschte Seine Hohe Exzellenz kalt und trocken.

„Ich höre! . . . erkannte sia als die polizeilich gesuchte Senatorentochter Ljuba Borissowna Tschurin! Da er zu Fuss und keine Droschke in der Nähe war, konnte sie ihm entkommen!“

„Aber nicht mehr für lange!“ Exzellenz Tschurin reicht meinem Vater und mir seine Totenhand. „Die Entscheidung rückt mit Riesenschritten heran. Von allen Seiten ergänzen sich die Meldungen, dass man im Lager der Verbrecher zu einem seit Jahren nicht dagewesenen Schlag ausholt! Nun — man soll mich kennenlernen! Ich bin auf dem Posten! . . . Wie?“ Er schnaubt einen die Treppe hinaufgeeilten, bärtigen Menschen in Kleinbürgertracht an. „Die Schurken, die vorhin beim Justizminister auf mich schossen, sind entkommen? Immer entkommen sie euch! . . . Man wird euch noch in den Bergwerken verrecken lassen, ihr räudigen Schweine! Weg mit dir, du Sohn einer Hündin . . . Nun . . .“ Er lächelt höflich: „Gute Nacht, mein teurer Professor! Gute Nacht, mein junger Freund!“

Papa hat den hohen Besuch selbst hinab auf die Strasse bis zum Wagen geleitet. Er kommt zurück. Er steigt die Stufen nicht so elastisch wie sonst. Er ist bleich und erschüttert.

„Und sie hat deinen Pass . . .“ sagt er zu mir. Weiter nichts.

Und dann — sich verstört mit der schönen, weissen Hand über die Stirne streichend:

„ . . . oder vielmehr: sie hat ihn irgendeinem ihrer Genossen gegeben! Es gibt jetzt zwei Doktoren der Medizin Axel von Küster in Petersburg! Du und der andere!“

Ich kann nichts erwidern. Papa murmelt in Gedanken:

„Tschurin weiss offenbar noch nicht, dass seine Tochter deinen Pass gestohlen hat!“

„Nein.“

„Er weiss auch noch nicht, dass du, hinter seinem Rücken, einen neuen Pass hast!“

„Nein.“

„Aber er kann es jeden Augenblick erfahren. Gott weiss, was er dann tut. Bis dahin must du deine Stellung gegen ihn möglichst stärken!“

„Wie denn?“

„ . . . indem du in seinem Hause verkehrst! Bei einem jungen Mann, den man in Madame Tschurins berühmtem politischen Salon sah, muss alles Unangenehme vertuscht werden. Alles, nur kein Skandal!“

„Ja“, sagte ich matt.

„Tschurin hat dich ja Gott sei Dank selber eingeladen!“ schliesst mein Vater. „Also fahre unter allen Umständen morgen nachmittag hin und zeige dich bei Madame Tschurin!“

Der flammende Sumpf

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