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Mittwoch, 30. Mai 2007, 21 Uhr 56
ОглавлениеDas heutige Treffen der Selbsthilfegruppe heute hatte wieder mit einigen Aha-Erlebnissen aufzuwarten. Ich habe das Gefühl, dass sie mich besser vorwärts bringt, als eine Therapie das könnte.
Auf dem Heimweg wurde mir wieder richtig bewusst, wie entsetzlich das ist, was mir als Kleinkind angetan worden war. Zwar durchbrachen schon vor etwas mehr als elf Jahren die Erinnerungen daran die Barrieren meiner inneren Verdrängung. Doch immer noch werde ich manchmal überwältigt von der Ungeheuerlichkeit der damaligen Ereignisse.
Als Baby war mir unerklärlich, warum dieses übermächtige Etwas mich immer wieder schlug. Nur solange ich unbeweglich liegen blieb und nicht atmete, während Es im Zimmer war, war das Dasein erträglich. Anfangs begann ich jedes Mal erneut zu schreien, sobald Es aus meinem Blickfeld verschwunden war. Denn dann wähnte ich mich alleine, fühlte mich sicher. Doch es gab keine Sicherheit. Mein Schreien ließ Es immer wieder aufs Neue erscheinen und auf mich einprügeln, von Mal zu Mal brutaler. Seit dieser Zeit ist es wohl so, dass ich unbewusst immerzu erwarte, dass mein Schädel erneut wie aus dem Nichts heraus mit der Wucht einer Dampframme getroffen wird, sobald ich mich bloß rühre oder einfach nur wahrgenommen werde. Auch heute noch halte ich oft unwillkürlich so lange die Luft an, bis mich der Sauerstoffmangel zum Atmen zwingt.
Eines Tages fiel der Kinderärztin auf, dass ich in Gegenwart meiner Mutter die Luft anhielt und stocksteif wurde. Auch an diese Szene erinnere ich mich. Kleine Kinder begreifen die Ereignisse in ihrer Umgebung sehr viel früher, als man gemeinhin annimmt. Und anscheinend können sie Gesprochenes in extrem bedeutsamen Situationen geradezu fotografisch abspeichern, auch ohne die Worte bereits zu verstehen. Vielleicht gilt das aber nur für traumatisierte Kinder.
Auf die von der erschütterten Ärztin gestellten Frage, ob meine Mutter mich vielleicht schlage, antwortete diese, dass sie nicht wisse, wie sie mich anders ruhig bekommen solle. Meinem Vater gegenüber rechtfertigte sie sich später damit, dass ihre Schläge so schlimm nicht hätten gewesen sein können, da ich trotzdem jedes Mal sehr lange weitergeschrien hätte. Ein Mal hätte ich danach sogar gelächelt.
Es war dieser eine Satz im Verlauf einer längeren und lautstarken Auseinandersetzung, der meinen Vater schließlich dazu trieb, sein Gesicht mit einer Hand zu bedecken und in tiefer Verzweiflung laut aufzustöhnen. Während er sich draußen in seinem Beruf als Polizist tagtäglich darum bemüht hatte, Verbrechen zu verhindern, war in seinem eigenen Zuhause etwas Unvorstellbares geschehen!
Monster findet man nicht unter Betten. Und die Bedauernswertesten dieser Geschöpfe wissen nicht um ihre eigene Natur.