Читать книгу Miryams Geheimnis - Ruth Gogoll - Страница 9

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Sie ist wirklich unerbittlich. Miryam lächelte. Und dabei fiel ihr auf, dass sie fast immer lächelte, wenn sie an Ella dachte. Dass sie oft amüsiert wirken musste, wenn sie mit ihr sprach. Das war etwas völlig Neues.

Auf jeden Fall hatte sie sich nicht getäuscht. Ihr Leben unterschied sich von dem von Ella wie der Tag von der Nacht. Anscheinend war sie arm wie eine Kirchenmaus. Miryam wusste nicht, ob sie überhaupt schon einmal so jemanden kennengelernt hatte. Jemanden, der sich noch nicht einmal eine Krankenversicherung leisten konnte.

Leute, die aus dem Ausland stammten, natürlich schon. Flüchtlinge, Asylanten, Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Deutschland kamen. Aber Deutsche, die hier aufgewachsen waren? Da war sie immer davon ausgegangen, dass die alle eine Krankenversicherung besaßen, und wenn eine vom Sozialamt. Außer Obdachlose vielleicht.

Aber zu dieser Gruppe gehörte Ella Cziebinsky gewiss nicht. Ihr Name klang polnisch, aber es gab ungeheuer viele Menschen mit polnischen Nachnamen, deren Familien schon seit Generationen in Deutschland lebten. Alles, was sie noch mit Polen verband, war wahrscheinlich nur genau dieser Name.

Miryam hatte schon öfter sehr blonde Polinnen gesehen, und auch Ella war so blond. Ein sehr blonder Typ. Helle Haut, helle Augen und helle Haare. Miryam selbst empfand sich eher als eine Art Mischform. Ihre Augen waren zwar hell, wenn auch nicht blau, doch ihre Haare waren dunkel. Auch hatte ihre Haut einen fast olivfarbenen Ton, sobald sie mit den Strahlen der Sonne in Berührung kam.

Ellas Haut musste weich wie die eines Kindes sein . . .

Ich sollte mich wirklich schämen. Miryam verzog das Gesicht. Sie bewunderte Ella dafür, wie sie ihr Leben mit all diesen Hindernissen, die Miryam nie gekannt hatte, meisterte. In einer Konsumwelt, in der alles seinen Preis hatte, am Rande des Existenzminimums lebte, und weder ihren Stolz noch ihre Würde verloren hatte.

Auf einmal lächelte sie fast noch mehr. Ella war sehr stolz. Ja, das war sie. Wollte keinen Cent annehmen, den sie sich nicht selbst erarbeitet hatte. Das beeindruckte Miryam sehr, denn sie kannte viele Leute, für die eher das Gegenteil galt. Die gern die Hand aufhielten, ohne das Gefühl zu haben, etwas dafür tun zu müssen. Die meinten, sie hätten das Recht dazu, obwohl sie nie etwas dafür getan hatten, es sich zu verdienen.

Vielleicht war es das, was sie so für Ella einnahm. Sie strahlte nicht nur diese gewisse Art von Unschuld aus, sondern auch Ehrlichkeit. Sicherlich litt sie sehr darunter, dass sie nun auf einmal auf die Hilfe Fremder angewiesen war. Fremder wie Miryam. Sie wollte lieber für sich selbst sorgen. Für sich und ihre Hündin.

Aber irgendwann einmal im Leben war man doch immer auf andere angewiesen. Das musste auch sie lernen.

Und Miryam sah nicht ein, warum sie das nicht in ihrem Haus lernen sollte.

Deshalb würde sie sie jetzt dort hinbringen.

Miryams Geheimnis

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