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Ankunft mit dem Althan

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»Ich wollte Sie ganz sicher nicht beleidigen«, versicherte Antilius.

»Ach, nein? Denken Sie, ich bin taub?«

»Weswegen regen Sie sich so auf?«

»Sie haben gesagt, ich hätte da wohl ein kleines Problem. Wobei Sie ‚kleines’ besonders betont haben.«

»Das habe ich nicht.«

»Haben Sie wohl!«

»Nein!«

»Doch!«

»Also gut, vielleicht habe ich es ein wenig betont, aber ich habe damit auf keinen Fall auf Ihre Körpergröße angespielt.«

»Aha! Sie geben es also zu!«, rief der aufgebrachte Sortaner. Sein beigefarbenes Fell, das seinen leicht ovalen und sehr stämmigen Körper gänzlich bedeckte, sträubte sich.

»Ich denke, es hat keinen Sinn, mit Ihnen weiter zu diskutieren«, sagte Antilius genervt.

»Ach! Vorhin hat es Ihnen ja auch nicht an Wortgewandtheit gemangelt, als Sie sich über mich lustig gemacht haben.« Der Sortaner wandte sich mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck ab und widmete sich seinem Fernrohr, das er die ganze Zeit über in seinen kleinen plumpen Händen hielt. Er schaute übertrieben konzentriert hindurch. Doch irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. »Verdammt, dieses Ding ist schon wieder kaputt! Dabei habe ich es gerade erst reparieren lassen«, fluchte das etwa einen Meter große Wesen.

Antilius war aber sofort aufgefallen, dass das Fernrohr nicht beschädigt war. Das Problem bestand schlicht darin, dass der Sortaner vergessen hatte, die Schutzkappe, die aus feinem (und wohl auch sehr teurem) Leder gefertigt war, abzunehmen. Antilius seufzte leise, überlegte einen Augenblick und fasste einen Entschluss. Beherzt griff er nach der Abdeckung und entfernte sie. Jetzt hatte der Sortaner einen fantastischen Blick von der Aussichtsplattform des alten aber majestätischen Schiffes, auf dem sie sich beide gestritten hatten.

Eigentlich war es kein richtiges Schiff. Zumindest nicht für Antilius. Vielmehr war es ein gewaltiger fast neunzig Meter hoher Baum, der stehend über das weite Meer zu schweben schien. Diese Art von Schiff nannte man auch Althan. Der Stamm hatte knapp über dem Wurzelwerk einen Durchmesser von fast neun Metern. In seiner ausladenden Krone trug er dutzende Baumhäuschen, die als Quartiere für die Passagiere dienten. Sie waren durch unzählige Trassen über mehrere Ebenen miteinander verbunden. Diese recht schmalen Brücken wirkten wie ein unübersichtliches, dreidimensionales Spinnennetz, das die gesamte Krone des schwimmenden Baumes durchzog. Es waren besondere Bäume, Immerfestholzbäume, die nur auf der ersten Inselwelt Arbrit gediehen, und nur sehr wenige von diesen waren geeignet zu schwimmen und damit zu einem Althan zu werden.

Ein riesiger und äußerst robuster Wurzelballen diente als Schwimmkörper. Er bot ein optimales Gegengewicht zum Rest des Baums, der aus dem Wasser ragte. Der Stamm war innen hohl, sodass der gesamte Baum genügend Auftrieb bekam. An seinem gewaltigen Stamm waren auf zwei sich gegenüberliegenden Seiten je ein halbes Dutzend gigantische Segel gespannt. Jedes einzelne hatte eine bestimmte Funktion in der Art den Wind einzufangen, und jedes hatte einen speziellen Namen, von denen Antilius jedoch keinen einzigen kannte. Er hatte sich nie für die Seeschifffahrt interessiert, sondern nur für das, wonach die Kapitäne zur See navigierten, nämlich die Sterne.

Althane waren nicht nur einfach Passagierschiffe. Nein, es waren Kunstwerke. Jedes Althan war ein Unikat und wurde deshalb von der Besatzung mit Hingabe gepflegt.

Das riesige Baumschiff passierte langsamer werdend und praktisch geräuschlos den Leuchtturm der Bogenbucht. Hier befand sich der einzige Ankerplatz, der nahe genug zum Land der Fünften Inselwelt Truchten war, das Antilius zum ersten Mal in seinem Leben betreten würde.

»Ich glaube, so geht es besser«, sagte Antilius lächelnd, als er die Schutzkappe des Fernrohrs des kleinen behaarten Wesens entfernt hatte.

Der leicht erschrockene Sortaner nahm sein Fernrohr herunter und schaute Antilius konsterniert mit seinen dunkelblauen Augen an. »Was..., was erlauben Sie sich?«, schrie er unbeherrscht.

Antilius blieb ganz ruhig. »Nun, ich habe bemerkt, dass Sie Schwierigkeiten hatten, durch Ihr Fernrohr zu sehen. Das kleine Problem. Sie wissen schon.«

»Wollen Sie damit sagen, ich sei zu dumm, mein eigenes Fernrohr zu bedienen?«

»Ich ... ach, vergessen Sie es.« Antilius rollte mit den Augen und wandte sich von dem fremdartigen Geschöpf ab. Er konnte sich nicht erinnern, dass diese Spezies für ihr aufbrausendes Temperament bekannt war.

»Was?«, keifte der Sortaner weiter.

»Vergessen Sie es, und lassen Sie mich jetzt in Ruhe!«, rief Antilius zurück. Das war eigentlich nicht seine Art. Er war müde. Die Seereise war anstrengend gewesen, und letzte Nacht hatte er nach seinem Alptraum kaum schlafen können. Es war merkwürdig. Er konnte sich nur noch daran erinnern, wie er im Traum einen Schlag in den Rücken bekommen hatte und danach in ein tiefes Loch stürzte. Oder war es ein Abgrund? Als er aufwachte, schmerzte ihm der Rücken tatsächlich richtig. Auch jetzt fühlte er noch ein leichtes Drücken in der oberen Wirbelsäule. Es war fast so, als wäre der Traum beinahe real gewesen.

Der Sortaner schien überrascht über den Wutausbruch. Das kleine Wesen begann ihn ausführlich zu mustern.

»Sie müssen mein Verhalten entschuldigen. Ich bin heute wohl nur ein wenig gereizt. Die Reise war sehr anstrengend. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Haif Haven, ich bin Händler. Sie können Haif zu mir sagen.«

Antilius war über den plötzlichen Sinneswandel überrascht. Er zögerte einen Moment, doch dann gab auch er sich versöhnlich. »Ich heiße Antilius. Womit handeln Sie, wenn ich fragen darf?«

»Vorwiegend mit wertvollen Informationen. Glauben Sie mir, damit kann man mehr verdienen, als wenn man mit materiellen Gütern handelt.«

»Verstehe.« Das war das Einzige, was Antilius als weitere Konversation einfiel. Er verspürte trotz des versöhnlichen Tons seines kleinen, pelzigen und beleibten Gegenübers nicht das Bedürfnis nach weiteren Gesprächen, denn irgendetwas an diesem Sortaner war irgendwie falsch, gleichwohl er keinen verschlagenen Eindruck bei ihm erweckte.

Verlorenend

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