Читать книгу 900 MEILEN - S. Johnathan Davis - Страница 10

Kapitel 5

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Freund oder Feind? Spielt das überhaupt eine Rolle?

Die Fähre legte sofort vom Dock ab. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass es sich um ein älteres Schiff handelte. An der Außenseite war die Farbe abgeblättert und nur der Rost schien den Kahn zusammenzuhalten. Der Motor ächzte etwas lauter, als man es eigentlich von ihm erwartet hätte. Ich sah mich um und entdeckte einen jüngeren Mann. Er war offensichtlich der Kapitän dieses Schiffs, denn er stand hinter einem großen Steuerrad. Ich konnte ihn durch eine Scheibe im zweiten Deck sehen. Von dort aus konnte man wahrscheinlich auch den vorderen Bereich überschauen, wo wir noch im Hummer saßen.

Mein Herz raste noch immer. Es schien mir aus der Brust springen zu wollen. Ich blickte zum Ufer zurück. Die Besatzung hatte aufgehört zu feuern, obwohl die Untoten buchstäblich ins Wasser rannten. Ich sah mit Verwunderung, wie sie erst knietief, dann bis zur Hüfte und schließlich vollständig versanken. Ihre Köpfe verschwanden unter der Wasseroberfläche. Ich hoffte, dass sie nicht schwimmen konnten.

»Da treiben sicher unzählige dieser Biester unter Wasser herum«, sagte Kyle, als ob er meine Gedanken lesen konnte. Er wischte sich Schweißperlen von der Stirn und studierte die Mannschaft an Bord.

»Es scheinen zwanzig Mann zu sein«, sagte er leise.

»Die sehen nicht so aus, als wären sie vom Militär oder der Polizei«, kommentierte ich genauso leise. »Zum jetzigen Zeitpunkt ist es mir egal, wer die sind. Die haben soeben unser Leben gerettet. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich.« Kyle zeigte auf das Gebäude, aus dem wir gerade entkommen waren.

»Yeah«, schnaubte ich verächtlich, »Hoffentlich begegnen wir diesem Hurensohn noch einmal.«

»Im Augenblick kann man nicht allzu vielen Leuten trauen«, stimmte er zu.

Ich betrachtete ihn aufmerksam und sagte: »Du bist die einzige Person, der ich im Moment vertraue.«

»Ich empfinde genau so. Wir sollten aufeinander achten. Wir wissen nicht, wie die Jungs drauf sind und was die wollen.« Kyle deutete mit dem Kinn auf unsere Retter.

Ich nickte zustimmend mit dem Kopf.

Wir nutzen die kurze Pause, um durchzuatmen und den Hummer zu durchsuchen. Wir suchten nach verborgenen Schätzen, die uns in diesem Schlamassel hilfreich sein könnten. Kyle spähte in das Handschuhfach und seufzte voller Enttäuschung. Keine versteckten Waffen. Stattdessen fand er ein Twinkie und ein Kit Kat. Mit einem Grinsen fragte er: »Gebäck oder Schokolade?«

Mein Magen zog sich zusammen und erinnerte mich daran, dass ich seit gestern Mittag nichts mehr gegessen hatte.

»Gebäck«, sagte ich. Er gab mir den Twinkie. Ich zerriss die Verpackung und fühlte mich wie ein hungriges Tier kurz vor der Fütterung.

Während ich auf mein schmuddeliges, blutbeflecktes, ehemals weißes Hemd und die schwarze Krawatte krümelte, setzte ich die Untersuchung des Wagens fort. Auf dem Rücksitz lag ein Mantel zusammen mit einem Haufen Verpackungen verschiedener Arten von Junk-Food. Süßwaren, Chips, Gebäck; ich fand sogar ein halb angefressenes Sandwich. Die Funde bestätigten mir nur, dass mein nun pensionierter Boss sein Lebtag ein schmuddeliges Schwein gewesen war.

Ein paar Männer von der Bootsmannschaft sahen zu, wie wir den Hummer durchsuchten. Einer von ihnen zeigte in unsere Richtung und drei kamen zu uns herüber. Sie waren fast gleich gekleidet. Zwar trugen alle einen schwarzen Overall, jedoch nicht jedes Outfit glich dem anderen bis ins Detail. Offensichtlich gab es eine Art Kleiderordnung unter ihnen.

»Bist du bereit?«, fragte ich nervös.

»Ich hoffe es«, erwiderte Kyle mit ernster Miene.

Wir öffneten gleichzeitig die Türen und stiegen aus dem Hummer, um unsere Lebensretter zu begrüßen. Nun mussten wir nur noch herausfinden, warum sie das getan hatten.

Die drei Männer standen einen Moment reglos vor uns. Ihre Gesichter wirkten versteinert. Sie schauten uns abschätzig an.

Wir taten dasselbe bei ihnen.

Der Größte der Gruppe trat hervor. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mir Gedanken über den Schnurrbart machte, der er trug. So einen hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Es war ein Monster von einem Bart, der sich über das ganze Gesicht erstreckte und dann in seine Koteletten überging. Diese Barttracht, verbunden mit einem braunen, überdimensionalen Cowboyhut und seinem schwarzen Overall ließ mich an alte Spielsachen denken, mit denen ich in meiner Kindheit gespielt hatte. Dem Typen fehlten nur ein Maschinengewehr aus Plastik, ein Rucksack und eine Kung-Fu-Griff-Taste am Rücken und er wäre die perfekte GI-Joe-Actionfigur.

»Ihr Typen habt echt eine Macke«, rief er mit einem Lächeln aus. Er streckte seine Hand aus. Ich schlug ein. Während ich seine Hand schüttelte, antwortete ich: »Dasselbe denken wir über euch. Wir haben den ganzen Morgen dabei zugesehen, wie ihr diese Kreaturen bekämpft und Leute gerettet habt, während andere einfach nur aus der Stadt fliehen wollten. Wer seid ihr?«

Mr. Schnurrbart sprach eher beiläufig. »Wir sind die Kerle, die euch gerade den Arsch gerettet haben. Sagen wir einfach, wir haben schon seit einiger Zeit erwartet, dass so eine Scheiße passiert. Und wir haben uns ebenso lange darauf vorbereitet.«

Er erklärte weiter, dass er der Anführer des New-York-Chapters, einer Gruppe von Überlebenskünstlern wäre. Bis zum gestrigen Tag seien Leute wie er als paranoid in Bezug auf das Ende der Welt beschimpft worden. Er meinte, dass sie sich hauptsächlich auf einen Atomschlag, die Invasion einer fremden Nation oder einfach den Dritten Weltkrieg vorbereitet hätten.

Er gehörte also zu den Leuten, die überall herumliefen und Einstein zitierten, indem sie solche Dinge sagten wie: »Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im Vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.«

Ich erinnerte mich, mal etwas über diese Jungs im Fernsehen gesehen zu haben. Keine Ahnung, welche Sendung ich da geschaut hatte. Jedenfalls wurden diese Leute dort »Pakers« genannt. Der Begriff wurde deswegen so gewählt, weil sie als Vorbereitung auf das Ende aller Tage allerlei Zeug zusammenpackten. Von Lebensmittelkonserven bis zu schwerem Geschütz. Diese Jungs waren bekannt dafür, Bunker zu besitzen, die gefüllt waren mit diesen Notfallkoffern, den sogenannten Personal Accessory Kits (kurz: PAK). Diese Typen hätten dann alles, um überleben zu können, während die Welt draußen starb.

Ihre Verschwörungstheorien und eine eher unfreundliche Gesinnung gegenüber der Regierung zeichneten die Pakers aus. Die meisten Leute hielten sie für vollkommen verrückt. Das hieß natürlich: Bis zum ersten Tag der Apokalypse. Heute waren sie die klügsten Menschen auf diesem Planeten.

Wir erfuhren, dass es überall Pakers gab. Doch dieser spezielle Verband war im Gegensatz zu anderen Gruppierungen sehr gut organisiert. Sie hatten Netzwerke in vielen Bundes-Hauptstädten, einschließlich Cincinnati und Chicago. Mr. Schnurrbart erklärte weiter, die Welt könne nur überleben, wenn auch die Menschheit überlebe. Viele Möchtegern-Pakers würden wahrscheinlich in ihren Bunkern ausharren und das Ende der Apokalypse abwarten. Diese Gruppe würde jedoch Bescheid wissen. Wäre die Menschheit erst vernichtet, würden diese Dinger die Erde regieren.

Kyle und ich schauten uns verstohlen an. Vielleicht war die Glücksgöttin endlich auf unserer Seite.

Mr. Schnurrbart sah zurück zur Stadt, die sich nun in der Ferne befand. »Dieser Ort hat sich schnell in einen Haufen Scheiße verwandelt. Die staatlich finanzierten Soforthilfen haben versagt. Man versuchte, alles gleichzeitig wieder auf die Beine zu stellen. Wir haben uns sofort mobilisiert und nur Menschen gerettet, nicht die brennenden Gebäude. Seitdem es begann, sind wir schon sieben Mal mit dieser Fähre hin und her gefahren. Wir haben über 120 Menschen gerettet. Frauen, Kinder, sogar ein paar Hunde.«

»Nun, da hast du recht. Auch unsere Ärsche hast du gerettet. Danke«, sagte ich, während ich ihm noch mal die Hand schüttelte.

Ich blickte zurück auf einige der anderen Autos, die auf dem Deck standen. Auf dieser Reise gab es nur wenige andere Menschen. Ich war überrascht, dass es überhaupt noch jemand außer uns hierher geschafft hatte. So wie die Straßen in der Stadt ausgesehen hatten, war das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

»Also, wohin fahren wir?«, fragte Kyle.

Ein untersetzter Typ sagte, während er den Wasserweg hinunter zeigte: »Wir haben die Leute nach Jersey gebracht, unweit der Interstate 95. Wie wir erwartet haben, sind alle Brücken zerstört worden. Der einzige Weg, um aus Manhattan herauszukommen, ist also der Hubschrauber oder das Boot. Glück für euch, dass euer Hummer es bis zur Fähre geschafft hat.«

Mr. Schnurrbart fing erneut an zu sprechen und zuckte leicht mit den Achseln: »Es ist nicht toll da draußen, aber es ist verdammt viel besser als in der Stadt.«

»Wie weit hat sich das Ganze schon ausgebreitet?«, fragte ich, und hielt mich noch an dem Hoffnungsschimmer fest, dass es bis jetzt nur den Nordosten betraf.

»Wir haben Amateurfunk auf diesem Schiff und bekommen Berichte von unseren Schwesterorganisationen in Cincinnati und Chicago. Diese besagen, dass es sie auch getroffen hat. Es fing in New York an, aber nun scheint es überall zu sein.«

»Sogar im Südosten? In der Nähe von Atlanta?«, fragte ich und spürte, wie sich mein Magen drehte.

»So weit unten wurde uns noch nichts bestätigt. Im Moment sind wir uns nicht sicher«, erwiderte er.

Ich dachte an Jenn, die in einem Vorort von Atlanta wartete. Ich hatte einen verdammt beschissenen Zeitpunkt ausgewählt, um auf Geschäftsreise zu gehen. Sie war so sauer gewesen, als ich sie neulich morgens zurückließ und ging. Ich hätte ihr zuhören sollen.

»Hat irgendjemand Handyempfang?«, fragte ich und hörte, wie meine Stimme zitterte.

»Mal ist Empfang da, mal nicht. Es kommt darauf an, ob die Funktürme im Umkreis noch in Betrieb sind. Einige von uns waren von Zeit zu Zeit in der Lage die Handys zu benutzen. Ist abhängig von unserem Standort.«

Wir passierten Ellis Island. Ich konnte einige Untote erkennen, die sich am Fuße der Freiheitsstatue zusammenrotteten. Früher war die Liberty ein Zeichen dafür, dass man in Amerika angekommen war. Damals kam man nach New York, um einen Neuanfang zu starten. Zeiten ändern sich. Nun wollten wir alle nur noch hier raus.

Ich nahm mein Telefon aus der Tasche, um einen Blick darauf zu werfen, und betete, dass nun endlich Empfangsbalken zu sehen waren. Doch immer noch kein Empfang. Die Sache bekam so langsam einen Bart. Der Akku war fast leer. Trotzdem ließ ich das Telefon an, in der Hoffnung, dass wir auf dem Weg nach Jersey an einem funktionierenden Mobilfunkmast vorbeikommen würden.

Kyle fragte die Pakers, was sie über die Zombies wussten. Sie erzählten uns, dass diese Dinger – abhängig von der Herkunft – durch alles Mögliche erschaffen werden konnten. Von Strahlung über schlechtes Trinkwasser bis hin zu biologischen Waffen. Tatsache war, dass zu diesem Zeitpunkt niemand einen verdammten Scheiß wusste. Sie erklärten weiter, dass die Zombies laut Radioberichten und einigem Geschwätz im Internet zufolge der Tod in Menschengestalt wären.

Kein Scheiß, dachte ich mir.

Mr. Schnurrbart erzählte uns eine Geschichte über eine Autopsie, die in der Nacht zuvor auf einem Wissenschafts-Video-Blog gesendet worden war.

Die Wissenschaftler hatten eines dieser Dinger gefesselt. Sie schnitten ihm direkt in den Magen und rissen die schwarzen Eingeweide heraus. Sie punktierten das Herz, schnitten Gliedmaßen ab und rissen es im Grunde Glied für Glied auseinander. Die ganze Zeit hob es seinen Kopf und versuchte die Ärzte zu beißen, die gerade die Autopsie durchführten. Erst als einer von ihnen eine chirurgische Säge genau durch sein Hirn trieb, hörte es endlich auf, sich zu bewegen.

Wie wir während des Kampfes in der Lobby gelernt hatten, war dies der einzige Weg, sie zu töten. Das Gehirn musste zerstört werden. Wo wir gerade von Klischees reden: Wer hätte gedacht, dass all diese Filme stimmen würden?

In einer erfundenen Geschichte ist doch immer ein Fünkchen Wahrheit.

Mr. Schnurrbart teilte uns mit, dass ein Biss von einem Untoten das eigene Ableben durch irgendeine Art Gift beschleunigte. Was die Nachrichten im Internet anbelangte, würde jeder, der starb, als Zombie zurückkommen. Dabei war es egal, ob er gebissen wurde oder nicht. Im Grunde genommen bedeutete das, dass jeder von uns schon mit was auch immer infiziert war.

Er legte bei diesem Gedanken eine Pause ein und schaute Kyle und mich von oben bis unten an. Er bemerkte mein Unbehagen und sagte: »Beruhige dich! Ich schaue nur, um sicherzustellen, dass ihr nicht gebissen wurdet. Wir können euch nicht einfach in unserer Obhut krepieren lassen.«

Er fuhr fort und berichtete über die zweite Fahrt, die die Pakers gestern machten. Da hätte es einen Typen gegeben, der einen kleinen Biss am Arm hatte. Er war schon fiebrig, als er auf das Schiff kam, und verwandelte sich plötzlich nach der Hälfte der Strecke. Er hatte noch seine Frau auseinanderreißen können, bevor ihn drei Pakers über Bord warfen.

Ich sah zum Ufer und dann runter ins Wasser. Ich dachte daran zurück, was Kyle zuvor gesagt hatte und fragte mich wieder, wie viele von diesen Dingern wohl dort unten waren.

Etwas surrte. Surrte wieder. Es war mein Telefon!

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