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Koffer packen für Perfektionisten

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Der Vorteil einer überperfektionistischen und durchorganisierten Ehefrau ist: »Mann« muss sich um nichts kümmern«, prahlte mein Mann bei einem Abendessen mit Freunden und lehnte sich dabei entspannt zurück. »Meine einzige Aufgabe besteht darin, das Geld für die Reise zu erwirtschaften, ein nicht zu knappes Reise-Taschengeld zur Verfügung zu stellen und die wochenlangen Selbstgespräche meiner Frau zu ertragen«, fuhr er fort und aalte sich in Selbstmitleid.

Während sich die Männer, allesamt Väter und in ihren Augen hart arbeitende Alphatierchen, zu kurzen Bestätigungslauten zwischen Bierschlucken hinreißen ließen, war meine Freundin Julia ein lebendig gewordenes Modell der nonverbalen Gesprächstheorie. Weit über den Tisch gebeugt verfolgte sie mit schräg gelegtem Kopf seine Ausführungen. »Wochenlange Selbstgespräche«, echote sie, dabei war ihre Anspannung deutlich sichtbar.

»Du meinst also, du leistest genug bei den Reisevorbereitungen?«, paraphrasierte auch Marie, Mutter von drei Mädchen, und strafte meinen Mann sowie ihren mit einem vernichtenden Blick.

Leidensgenossinnen unter sich, dachte ich mir, und warf beiden einen aufmunternden Blick zu.

»Natürlich«, konterte mein Mann, völlig ahnungslos und frei von jeglicher Schuld, »ich lehne mich einfach zurück und warte auf den Startschuss, dass ich das Auto packen kann.«

»Und während deine Frau bügelt, packt und organisiert, bespaßt du die Kinder, damit sie an diesem Punkt entlastet ist?«, platzte Marie wild gestikulierend heraus.

Julia pflichtete ihr unter starkem Kopfnicken bei. Dabei fixierte sie die Männer mit ihren durchdringenden grünen Augen, während sie angriffslustig die Unterlippe vorschob.

Darauf wusste dann keines der Alphatierchen etwas zu erwidern. Stattdessen stießen sie mit ihrem Bier an und diskutierten die Sportergebnisse der letzten Woche.

Frustriert blickten wir Frauen uns an. Wie schön, dass es in jeder Familie so ablief, dachte ich mir und lehnte mich zurück.

Abends fragte ich dann zum gefühlt hundertsten Mal: »Meinst du, es war richtig, die Reise zu buchen?«

»Ja, Schatz, das haben wir doch schon besprochen.«

Die nachfolgende Erklärung, welche zur Beruhigung meiner Nerven dienen sollte, mich aber nie wirklich zufriedenstellte, endete immer mit derselben Frage meinerseits. »Du weißt doch, er ist ein Schreibaby. Glaubst du, sie können uns des Schiffes verweisen, wenn er zu viel weint?« Bei dem Gedanken daran zitterte meine Unterlippe. Die Augen wurden wieder einmal glasig, doch mein Mann hatte sofort ein gutes Argument dagegen: »Kreuzfahrtschiffe sind deshalb ideal, da sie über das weiße Rauschen verfügen, und jedes Baby findet sofort in den Schlaf.« Dabei senkte er seine Stimme, raunte mir diesen Geheimtipp zu und betrachtete mich mit einem selbstgefälligen, allwissenden Blick.

Diese Antwort brachte er jedes Mal. Ich nahm sie hin, hoffte darauf, dass er recht hatte, und langsam versiegten meine innere Unruhe und Anspannung.

Gewissenhaft las ich mich in das Formular für besondere Bedürfnisse ein, welches verpflichtend auszufüllen war, reiste man mit Babys oder Kleinkindern, wie mir die nette Dame vom Kundenservice mitgeteilt hatte. Ich saß über der Liste und arbeitete sie akribisch ab, während mir mein Mann kopfschüttelnd zusah. Jede einzelne Milchflasche, jedes Päckchen mit Grießbrei, jedes Gläschen mit Mittagsbrei und sonstige Lebensmittel wie Babykekse oder Maisstangen mussten genau abgezählt, verwogen und im Formular eingetragen werden, da dies auf dem Schiff weder in Restaurants angeboten wurde noch käuflich erworben werden konnte.

Warum die Reederei dies dann aber wissen wollte, war mir ein Rätsel. Befürchteten sie, wir seien zu schwer und könnten sinken, dann sollten sie wohl eher bei den Koffern der Frauen Gewichts- und Mengenbeschränkungen verhängen.

Kurz vor Reiseantritt erhielt ich per Mail die Auskunft der Reederei, dass das Formular nur eine Fleißarbeit war.

Wütend trat ich nach einem Polster, unter welchem sich unfairerweise die Bauklötze versteckten und brach mir prompt zwei Zehen. Na großartig, dachte ich mir, ade Glitzerpumps!

Mein Mann nahm sich das tadelnde Gespräch meiner Mütter-Freundinnen zu Herzen und nervte mich mehr, statt dass er mir half, mit lästigen Kommentaren. »Wenn ich jede Boxershorts wende, kann ich sie zweimal tragen, und wenn das Wetter mitspielt, kann ich sie sogar ganz weglassen.«

Böse starrte ich ihn an und versuchte, ihm zu verstehen zu geben, dass es besser war, doch keinen Beitrag zu leisten.

»Schon gut, ich wollte dir nur beim Platzsparen helfen, damit mehr High Heels und Glitzershirts in den Koffer passen.«

Leider war nur das Polster in Reichweite. Wütend schleuderte ich ihm dieses an den Kopf und wünschte, es wären die Bauklötze.

Belustigt beobachtete er mich beim Kofferpacken, murmelte unnötige Bemerkungen wie »Ich weiß schon jetzt, dass die Hälfte davon nicht getragen wird« und öffnete sich geräuschvoll ein Bier.

»Man muss auf alles vorbereitet sein. Stell dir vor, den Kindern wird schlecht, und wir haben zu wenig Klamotten mit.«

Was für eine Katastrophe, dachte ich mir und erntete sogleich einen spöttischen Blick meines Mannes.

»Dann kann ich das Reise-Taschengeld ja beruhigt kürzen. Shopping wird also nicht notwendig sein, wenn wir genug Klamotten mithaben«. Entsetzt starrte ich ihn an.

Ehe ich entrüstet etwas entgegnen konnte, wandte er sich lachend ab und provozierte mich damit noch mehr. »Ich geh schlafen.«

»Wenn ich zehn Milchflaschen pro Tag einpacke, müssten wir doch durchkommen«, entriss ich ihn unsanft aus dem Land der Träume.

»Weißt du, wie spät es ist?«, antwortete er schlaftrunken.

»Halb vier morgens«, kam meine Antwort, und die ursprüngliche Frage wiederholte ich im selben Atemzug.

»Ja, sicher, du machst das schon«, war seine Reaktion darauf, und er rollte sich dabei auf die Seite, um weiterzuschlafen.

Wütend schnaufend schleuderte ich ihm entgegen: »Immer schiebst du die ganze Verantwortung auf mich ab, aber beschwere dich dann nicht, wenn etwas fehlt!« Damit war diese Unterhaltung beendet, und im selben Augenblick schlief mein Mann wieder ein.

Am nächsten Morgen, dem Tag der Abreise, sah mein Mann ungläubig auf die Anzahl der Koffer und Taschen. »Was ist da alles drin?« Schockiert musterte er mich.

Achselzuckend erwiderte ich: »240 Windeln, 130 Flaschen trinkfertige Milch, Abendkleider, Freizeithosen, Kindershirts, Blusen, High Heels.«

»Und ist auch irgendwas für mich dabei zum Anziehen?«, fragte er irritiert.

Belustigt antwortete ich: »Ja, stell dir vor, diesmal gilt das Motto Family Matching

Niedergeschlagen gab sich mein Mann geschlagen. Dies war mein kleiner Sieg, weil er zu faul gewesen war, sich einzubringen und mir zu helfen. Ich wusste genau, woran er in diesem Moment dachte, und musste laut lachen.

Unweigerlich musste ich auch an das Babybauchshooting unserer Tochter denken. Ich hatte ein pinkes Umstandskleidchen getragen und mein Mann, Family-Matching-like, ein pinkfarbiges Poloshirt. Vom Bauchumfang her war nur schwer erkennbar, wer denn nun das Baby bekommen würde. Das war schon ein besonderer Augenblick gewesen. Die Fotos danach in Händen zu halten hatte diesen magischen Moment zerstört. Von unten zu fotografieren, war ein absolutes No-Go, das wusste doch jeder. Und so lächelten uns auf den Bildern zwei pinke Walrosse an, mit Doppelkinn und voluminösen Bäuchen.

Mini-Me auf Kreuzfahrt

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