Читать книгу Menschenseelen Teil 3 - Afarit - - S. N. Stone - Страница 8
5. Kapitel
ОглавлениеJenna eilte durch die Gänge der Notaufnahme des Universitätsklinikums.
„Oh mein Gott! Was ist passiert?“, rief sie Danjal entgegen, der am Ende des Flures stand, noch bevor sie ihn erreicht hatte.
Er hatte sie angerufen und gesagt, er müsse Elias ins Krankenhaus bringen. Sie hatte sich sofort auf den Weg gemacht.
Nun stand sie ihm gegenüber. Er sah erschöpft und müde aus, war rußverschmiert.
„Geht es dir gut?“, fragte sie und wollte ihn umarmen, aber er drehte sich weg und ging in den Wartebereich, der voll von Menschen war. Jen folgte ihm und setzte sich neben ihn auf einen Plastikstuhl.
„Was ist geschehen?“
Danjal hatte ihr alles erzählt, auch, dass er den Abkömmling hatte laufen lassen.
„Wie konntest du nur?“, fragte sie etwas zu laut und sprang auf.
Er zog sie zurück auf den Stuhl.
„Für mich ist es genauso schwer einen von uns zu töten, wie es für euch schwer ist, einen von euch zu töten“, zischte er ihr zu.
„Und das soll ich als Erklärung akzeptieren?“ Sie war immer noch zu laut, die Leute schauten schon zu ihnen herüber.
Irgendwo weinte ein Baby und eine Frau kreischte hysterisch.
„Nein, aber vielleicht könntest du es verstehen.“
„Verstehen?“ Wieder zu laut. „Verstehen?“, flüsterte sie nun. „Millionen von Menschen töten, aber Probleme haben bei einem Killer!“
„Wir töten einander nicht!“
„Ich weiß! Allerdings hattest du keine Hemmungen die zu töten, die mich angegriffen haben, was war bei Elias anders?“
Er schaute sie nur an und sie kannte die Antwort. Er kniff die Augen zusammen und ließ endlich ihren Arm los.
„Gib mir Zeit.“
„Zeit hast du nicht, wir müssen dir vertrauen können.“
„Könnt ihr.“
„Ich hoffe. Was ist mit Elias?“
„Ich weiß nicht viel. Die haben hier eine Menge zu tun. Egal was ich versucht habe, ich habe nur erfahren, dass er immer noch nicht bei Bewusstsein ist. Er hat eine Rauchvergiftung und Brandwunden.“
„So schlimm?“ Sie war schockiert. „So schlimm, dass er das Bewusstsein verloren hat?“ Sie lehnte sich zurück.
„Naja“, Danjal verzog das Gesicht, „an der Ohnmacht bin ich schuld, glaube ich.“
Langsam drehte sie den Kopf zu ihm. Er schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an.
„Ich habe ihn K.O geschlagen, weil er sich von mir nicht helfen lassen wollte.“
Jen schloss kurz resignierend die Augen und atmete tief durch.
„Was?! Wir wären beide in dem Haus verbrannt!“
Es war doch zum Haare raufen mit ihm! „Und du?“ „Mit mir ist alles in Ordnung, brauchst dir keine Sorgen zu machen.“
Die Tür zu einem Notaufnahmezimmer ging auf und ein Mann im weißen Arztkittel kam heraus. In der Hand hielt er ein Klemmbrett. Er blieb stehen, zog einen Kugelschreiber aus der Tasche und notierte etwas. Dann schaute er auf und sein Blick glitt suchend durch den Wartebereich. Danjal sprang auf. „Der war vorhin bei Elias.“ Er ging mit großen Schritten zu dem Mann. Jenna eilte ihm hinterher.
„Ihr Bekannter hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt, wir machen uns Sorgen deshalb. Er wird gleich auf die Station verlegt. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, ich bin in Eile, Sie sehen ja, was hier los ist. Er wird die nächsten Tage hier verbringen. Was sagten Sie noch gleich, wie das passiert ist?“ Der Arzt nahm seine Lesebrille ab und schaute Danjal skeptisch an.
„Beim Verbrennen von Laub im Garten.“
Jen sah den dunklen Nebel in Danjals Augen.
„Ja, …, ein Unfall beim Verbrennen von Laub. Aber das ist doch gar nicht gestattet!“
„Das macht nichts, es ist nicht wichtig, es interessiert Sie nicht weiter.“
„Gut“, der Arzt setzte seine Brille wieder auf, „das ist ja auch nicht so wichtig. Herr“, er schaute wieder auf das Klemmbrett, „Norell wird wie gesagt hier bleiben müssen“, fuhr er fort. „Es wird eine Weile dauern, bis er aufgenommen ist. Warum gehen Sie nicht in die Cafeteria und warten dort. Kommen Sie in einer Stunde zur Information im Eingangsbereich, dort erfahren Sie Weiteres. Wiedersehen.“ Und er war weg.
Sie gingen zwar in Richtung Cafeteria, Jenna hatte jedoch keine Lust auf Krankenhauskaffee und so verließen sie die Klinik. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gab es einen 'Späti', ein in Berlin in fast jeder Straße zu findendes Geschäft, das auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten seine Waren anbietet.
'Alkoholische Getränke, Tabakwaren, Lebensmittel, Coffee to go, Internet', pries das grell grün leuchtende Neonschild an.
„Ich gehe alleine rein“, sagte Jen mit Blick auf Danjal, dessen Äußeres stark gezeichnet vom Feuer war.
„Kaffee?“, fragte sie ihn, er schüttelte den Kopf und antwortete: „Wasser.“
Während Jenna im Geschäft war, lehnte Danjal sich an die Hauswand neben dem Schaufenster, um auf sie zu warten. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er war so müde.
Er verspürte einen kurzen, stechenden Schmerz am Hals. Er wollte sich mit der Hand an die Stelle fassen, aber sein Arm war schwer wie Blei. Danjal öffnete die Augen. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Die Männer die vor ihm standen bewegten ihre Münder, sie sprachen miteinander oder mit ihm, er wusste es nicht, er verstand nicht, was sie sagten. Alles wurde undeutlich, unscharf, er fühlte sich wie in Watte gepackt. Er blinzelte ein paar Mal, es half nichts. Die Männer, hier stimmte etwas nicht! Seine Beine waren wie Gummi, sie trugen ihn nicht mehr und er sackte zusammen.
Er wartete darauf auf dem Boden aufzuprallen, stattdessen spürte er Hände, die ihn grob packten und mit sich zogen. Sie schleiften ihn weg, weg von der Wand, weg von dem Späti, weg von Jenna. Kurz drangen Wortfetzen zu ihm durch: … die Frau? … nicht da … wo … egal, weg hier! Er wurde irgendwo rein geschmissen, es wurde dunkel, und bevor er komplett in der tiefen Schwärze der Besinnungslosigkeit versank, wurde ihm bewusst, dass sie ihn abermals erwischt hatten.
Jenna stand an der Tür des Spätis und ließ vor Schreck die Wasserflaschen fallen. Sie musste einen Aufschrei des Entsetzens unterdrücken. Vorsichtig zog sie sich in das Innere des Geschäfts zurück und beobachtete, wie vier Männer den reglosen Körper Danjals in einen Transporter verfrachteten und schnell davon fuhren.
Sie würde keine Angst habe brauchen hatten sie ihr versprochen, als sie sie rausgeholt hatten. Sie würde ihnen helfen müssen böse Wesen zu vernichten, hatten sie gesagt. Sie sei eine 'Auserwählte', etwas ganz Besonderes. Ihre Stimmen hatten sie gewarnt, alle bis auf eine. Und nun stand sie hier und beobachtete, was es hieß gegen das Böse zu kämpfen.
Sie hatten einen Mann hierher gebracht und im Keller, der mehr einem Verlies glich, angekettet. Ein sonderbares Zeichen hatten sie um ihn herum gemalt, zwei Kreise, die sich überschnitten und von einem Pfeil durchtrennt wurden. Komische Buchstaben hatten sie daneben geschrieben.
Der Mann war nicht wach, und sie war froh darüber, denn einer aus der Bruderschaft, er betitelte sich selbst als den 'Ältesten', hatte ein glühendes Brandeisen aus einer Feuerschale genommen und es dem Gefangenen auf die Brust gedrückt. Das zischende Geräusch, das dieses Ding verursachte, und der Geruch nach verbranntem Fleisch ließen sie würgen.
Der Mann kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht genau erkennen. Sein Kopf war nach vorne auf die Brust gesunken. Und gerade jetzt schwiegen ihre Stimmen, hatten sich verkrochen, diese Angsthasen!
Sie hatten sie weggeschickt, gesagt, sie würden sie holen lassen, wenn er wach wurde. Nun stand sie wieder hier unten, diesmal jedoch in einem Raum, der an das Gefängnis des Mannes grenzte, und blickte durch eine dicke Glasscheibe auf das, was dort geschah.
Sie konnte sich in die Köpfe dieser, sie nannten sie Abkömmlinge, schleichen, sie hatte es ausprobiert.
Ihr war immer gesagt worden, sie sei verrückt. Das, was sie hier gesehen und gehört hatte, das war verrückt.
Der Mann war wirklich wach. Er hob seinen Kopf und schaute den Ältesten an, der vor ihm stand. Nun wusste Louisa auch, woher sie ihn kannte.
„Das wir uns so schnell wiedersehen hätte ich nicht gedacht.“
Danjal starrte den Ältesten der Arsaten an, der vor ihm stand und selbstzufrieden grinste.
„Weißt du“, fuhr der fort und lief langsam vor Danjal auf und ab, „du siehst mich ehrlich erstaunt darüber. Aber ich will mich nicht beschweren, dass du es uns so leicht machst.“
„Ihr habt schon oft geglaubt, dass ihr mich unter Kontrolle halten könnt, und es hat sich gezeigt, dass ihr falsch gelegen habt. Wenn du aber Freude daran hast, wieder ein paar deiner Männer zu verlieren, dann nur zu.“
Der Älteste lachte. „Du bist gefährlich, das ist uns bewusst. Wir haben Vorkehrungen getroffen.“ Danjal sah sich im Raum um. „Dieses Zeichen hat mich noch nie wirklich gestoppt.“
„Naja, aber es schränkt dich doch sehr in deinem Handlungsspielraum ein.“
Ja das tat es wirklich, mehr noch, es machte ihm richtig zu schaffen, weil es seine Selbstkontrolle, seine Gefühle beeinflusste. Es sorgte dafür, dass er nicht richtig funktionierte und, dass er seine Menschlichkeit, von der er immer behauptete, er habe sie sowieso nicht, nicht vollständig unterdrücken konnte.
„Und nun?“, fragte er gelangweilt.
„Nun spielen wir unser kleines Spiel erneut. Wo ist Jenna Drescher?“
„Ach Mensch, wisst ihrs denn schon wieder nicht?“
Er tat gelangweilt, genervt, verdrehte die Augen. Eigentlich war ihm nicht zum Scherzen, er empfand seine Situation sogar als ziemlich bedrohlich und unangenehm, aber das würde er den Arsaten bestimmt nicht verraten.
„Nein, wir wissen es nicht! Wir wissen aber, dass ihr beide Kontakt zueinander habt, dass sie dir Unterkunft gewährt hat im Loft. Wie du es angestellt hast, wissen wir allerdings nicht. Und wir haben ebenfalls keine Ahnung, wo Elias Norell ist.“
Danjals Mund war ganz trocken und das Sprechen strengte ihn sehr an. Trotzdem bemühte er sich seiner Stimme nichts anmerken zu lassen, als er sagte: „Das ihr aber auch immer eure Leute verliert.“ Er schüttelte den Kopf, der zu platzen drohte.
Der Arsat kam zu ihm und schaute ihm in die Augen.
„Wir haben Elias seit einigen Tagen weder gesehen, noch etwas von ihm gehört“, flüsterte er.
Der Älteste holte aus, und stieß ihm etwas zwischen die Rippen. Ein stechender Schmerz in seinen Lungen, ließ Danjal nach Luft schnappen.
„Wenn du ihn getötet hast, dann schwöre ich dir, dass ich dein Leid bis ins unendliche ziehen werde, ehe ich dich auslöschen lasse!“
„Dafür brauchst du Jenna“, stöhnte Danjal.
„Wir werden sie finden, und du wirst uns dabei helfen, dafür werde ich sorgen.“
Ihre Aufgabe war es in seinen Kopf zu sein und seine Fähigkeiten zu blockieren. Er würde die Menschen manipulieren, hatte man ihr gesagt, er sei unglaublich stark, aber das Zeichen würde ihn schon schwächen, sodass es für sie ein leichtes sein würde, ihre Aufgabe zu erledigen.
Tatsächlich wehrte der Mann sich vehement gegen sie, sie schaffte es gar nicht sich in seinen Gedanken festzusetzen, aber sie versuchte es immerzu.
Louisa begriff erst gar nicht so recht, was der Älteste tat. Er hatte dem Mann, dem Freund von Jenna, ein Messer in die Seite gerammt. Der hatte aufgestöhnt, und war nach und nach blasser geworden. Das Atmen schien ihm schwerzufallen. Die Lunge, kam es ihr in den Sinn. Sie hatte so etwas mal in einem Film gesehen, nur ein kleiner Stich, aber große Wirkung.
Sie sah, wie der Mann langsam und qualvoll erstickte.
Der Älteste wischte die blutige Klinge am Shirt des Mannes ab und kam zu ihr.
„Du bleibst bei ihm“, sagte er.
„Aber er ist tot.“
„Noch, warte ab.“
Jenna hatte nicht gewusst, was sie machen sollte. Sie hatten sich Danjal geschnappt. Eigentlich konnte sie es ihnen nicht verübeln, sie taten Gutes, beschützten die Menschheit. Das, was er im Laufe der Geschichte getan hatte, war für sie so weit weg. Sie konnte es nicht greifen, nicht realisieren. Er hatte Millionen von Menschen den Tod gebracht, aber für sie waren es nur Fakten, die in irgendwelchen Aufzeichnungen festgehalten worden waren. Sie konnte ja nicht einmal begreifen, dass er ihr auch Schlimmes angetan hatte. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen.
Erst war sie ins Krankenhaus geeilt, sie musste mit Elias reden. Der war jedoch nach wie vor nicht ansprechbar. Dann war sie ins Loft zurückgekehrt, besser, sie hatte es vorgehabt. Als Jen nämlich am Straßenbahndepot angekommen war, hatte sie bereits vom Tor aus die schwarzen Wagen der Bruderschaft gesehen, die überall auf dem Hof gestanden hatten.
Sie hatten ihn und suchten nun nach ihr, um ihn auszulöschen. Die Bruderschaft wusste nicht, dass sie sie dazu gar nicht benötigten, und sie würde sie nicht darauf hinweisen. Solange sie glaubten, sie sei die Einzige, war Danjal einigermaßen sicher.
So war sie wieder ins Auto gestiegen und schnell davongefahren, ziellos durch die Stadt.
Die Zeit verging kaum, zog sich wie Gummi. Am Anfang war Louisa am Fenster stehen geblieben und hatte auf den leblosen Körper gestarrt, der schlaff in den Ketten hing. Irgendwann hatte sie sich an die gegenüberliegende Wand gesetzt. Von hier aus konnte sie ihn gerade noch sehen.
Die Stimmen in ihrem Kopf spielten verrückt. Sie schrien, kämpften, bäumten sich auf, litten Höllenqualen. Louisa litt mit ihnen. Erst als sie sich aus dem Kopf des toten Mannes zurückzog, wurden sie ein wenig ruhiger.
Sie war wohl eingeschlafen, denn als sie die Augen aufschlug und auf ihre Armbanduhr schaute, waren mehr als drei Stunden vergangen. Sofort fiel ihr Blick in den Raum mit dem Gefangenen. Sie hatte sich gefragt, was der Älteste damit bezweckte jemanden, der sowieso wiederkehren würde, zu töten. Jetzt verstand sie es.
Louisa stand auf und ging mit weit aufgerissenen Augen näher an das Fenster heran.
Ein tiefer Atemzug ließ den Brustkorb des Mannes anschwellen. Im selben Moment hob er den Kopf und öffnete die Augen. Seine Hände ballten sich in den Fesseln zu Fäusten. Ganz langsam legte er den Kopf in den Nacken und sein ganzer Körper begann zu zittern. Er kniff die Augen zusammen, sein Mund öffnete sich und sie wartete auf einen Schrei vor Schmerzen, aber er kam nicht. Stattdessen biss er die Zähne so stark aufeinander, dass sie die Wangenmuskeln arbeiten sah.
Dann schaute er sie an, schaute durch die verspiegelte Glasscheibe, direkt zu ihr, so, als könne er sie sehen. Über seine Augen legte sich ein Schleier und dann dröhnten seine Worte in ihrem Kopf, und nur dort: Geh aus meinen Gedanken. Finde ich dich dort jemals wieder, werde ich dir dein Herz aus der Brust reißen!
Kälte war in ihr und erschrocken taumelte sie rückwärts, bis sie die Wand in ihrem Rücken spürte. Langsam rutschte sie an ihr zu Boden und rollte sich wie ein verängstigtes Tier zusammen.