Читать книгу Menschenseelen Teil 3 - Afarit - - S. N. Stone - Страница 9
6. Kapitel
ОглавлениеDer Regen hatte aufgehört und ein Dunstschleier lag über der Stadt. Man hätte meinen sollen, die Luft wäre durch den tagelangen Niederschlag gereinigt worden, aber dem war nicht so. Beinahe 100 % von São Paulo waren bebaut und beherbergte fast 6 Millionen Menschen. Die Luftverschmutzung war ein großes Problem und ließ sich auch nicht davonwaschen.
Aidan bevorzugte große, moderne Städte. Hier konnte er untertauchen in der Anonymität und hier konnte er großen Schaden anrichten.
Er drehte sich vom Fenster weg und ging zu dem Stuhl, auf dem seine Kleidung lag. Er zog sich seine Hose über und griff nach seinem Hemd. Mariza kam aus dem Badezimmer und trocknete sich die Haare mit einem Handtuch. Sie war nackt, und Aidan verschlang ihren wohlgeformten Körper mit seinen Blicken. Noch nie hatte er jemanden so sehr begehrt wie sie. Das war auch der Grund, weshalb er sich, wider seiner Gewohnheit, mit einer verheirateten Frau eingelassen hatte. Sonst suchte er sich immer die unauffälligen, zurückhaltenden aus. Mit ihnen konnte er machen, was er wollte, sie hatte er in der Hand.
Auch wenn es heikel war, so nahmen sie gemeinsam ein Taxi, dass sie von dem Hotel wegbringen sollte. Mariza musste zu ihrem Mann, einem Kaffeebaron, dessen Familie bereits seit dem 19. Jahrhundert im Besitz unzähliger Plantagen war und mit dem Export der Bohnen ein enormes Vermögen machte. Aidan hatte noch einen Termin und würde vom Bürogebäude aus weiterfahren.
Das Taxi quälte sich durch den dichten Verkehr. Aus dem Radio kam der neuste Hit von ABBA. 'Waterloo' hatte es bis nach Brasilien geschafft und ihr schwarzer Fahrer sang mit, wenn er sich auch bemühte nicht allzu laut zu sein, um seine Gäste nicht zu stören.
Aidan nahm Marizas Hand. Sie schaute ihn nicht an, starrte aus dem Fenster.
Vor dem Hochhaus, indem sich das Büro von Ramon befand, stieg sie aus. Sie verabschiedete sich nicht von Aidan, kein Kuss, kein Lächeln. Sie reichte dem Taxifahrer ein paar Geldscheine und öffnete dann doch noch einmal die Tür.
„Im Übrigen, ich bin dich leid. Ich möchte dich nicht wiedersehen“, sagte sie und schlug die Tür zu.
Während der Fahrer wartete, um sich in den Verkehr einfädeln zu können, schaute Aidan Mariza mit offenem Mund nach, wie sie sexy arschwackelnd zum Eingang ging.
Lorita saß an ihrem Schreibtisch, als Mariza hereinkam. Nur ein falsches Lächeln hatte Ramons Frau für sie übrig und ging ohne ein Wort des Grußes an ihr vorbei, in das Büro ihres Mannes. Eingebildete Schlampe!, dachte Lorita und schämte sich ein wenig dafür. Alle Welt wusste, dass Mariza ihren Gatten betrog, wann auch immer sich ihr die Gelegenheit bot. Ramon war geblendet von ihrer Schönheit und tat, als ob nichts wäre.
Lorita ging in die Kaffeeküche und nahm einen kleinen Topf, indem sie Wasser erhitzte und Zucker auflöste. Dann fügte sie Kaffeepulver der Hausmarke hinzu und zog den Topf von der Kochstelle. Sie goss alles durch ein Flanellsäckchen in eine Kanne, stellte sie und zwei kleine Tassen auf ein Tablett und servierte ihrem Chef und seiner Frau den Cafezinho.
„Hattest du einen schönen Tag mit deinen Freundinnen?“, hörte sie Ramon fragen, als sie das Tablett abstellte.
„Oh ja“, flötete Mariza, „es war so entspannend im Spa. Und den Abend haben wir bei einem guten Essen und Wein im Hotel verbracht.“
Die lügt doch wie gedruckt, dachte Lorita.
„Wollten Sie noch etwas Lorita?“ Ramons Frau schaute sie hochmütig an.
„Äh ja, Ramon, Jorge Santos bittet um Ihren Rückruf bis Samstag wegen der Frachtpapiere“, stotterte sie und verließ eilig den Raum.
Aidan betrat das Bürogebäude und ging zu den Fahrstühlen. Er ließ sich nicht von der Frau am Empfang und auch nicht von dem Mann vom Sicherheitspersonal aufhalten. Niemand würde ihn aufhalten, dachte er, als er am Tableau den Knopf zum zwölften Stock drückte. Und niemand würde ihn abservieren, so wie es Mariza getan hatte!
Lorita hatte nicht die Möglichkeit etwas zu sagen oder den Mann aufzuhalten, der hereingestürzt kam und die Tür zu Ramons Büro aufriss. Alles ging so schnell, dass sie es gerade schaffte von ihrem Stuhl aufzustehen und ihm hinterher zu rennen.
Später, an diesem Tag, würde ihr der Gedanke kommen, dass es besser gewesen wäre, sofort zu fliehen, doch davon ahnte sie jetzt noch nichts. Sie stand da und starrte ungläubig auf das, was sich ihr darbot. Sie war nicht in der Lage zu schreien, sie war nicht in der Lage sich zu bewegen, sie sah reglos mit an, wie Ramon, in Flammen stehend, bei lebendigem Leibe verbrannte. Er schrie und das Feuer griff sofort auf den Schreibtisch, die Regale, die Wandverkleidung über und im Bruchteil eines Moments hatte es fast den gesamten Raum erfasst.
Sie spürte eine Hand, die sie am Arm packte und wegzog. Raus aus Ramons Büro, raus aus dem Vorraum, wo ihr Schreibtisch stand, raus auf den Flur. Das Feuer, es verfolgte sie!
„Oh meu deus!“, hörte sie Mariza neben sich stöhnen.
Der Weg zu den Fahrstühlen war ihnen abgeschnitten. Überall war Rauch und die Hitze wurde unerträglich. Kein Feueralarm ertönte, keine Sirene war zu hören, nur das unglaublich laute Knacken und Tosen der Flammen. Und dann kamen die Schreie, die Hilferufe aus anderen Büros, aus anderen Etagen. Die einzige Möglichkeit, die Lorita noch sah, ihr Leben zu retten, war die Flucht über die Treppe. Nun war sie es, die die andere Frau mit sich zog.
„Komm!“, schrie sie und all die Abneigung gegen Mariza war vergessen.
Und so wie sie sich in Bewegung setzten, setzte sich auch das Feuer in Bewegung.
Sie rannten, Lorita stolperte, aber Ramons Frau hielt sie. Die Tür zum Treppenhaus war zu sehen, nur wenige Schritte und sie standen in dem dunklen und engen Schlauch. Keine Notbeleuchtung, gar nichts, nur das Feuer, das sie überholt hatte. Lorita wusste, dass dieser Gedanke abstrus war, aber es war an ihnen vorbeigeschossen und machte es ihnen unmöglich in die Freiheit zu gelangen.
„Der Helikopterlandeplatz!“, rief ihr Mariza zu. Genau in diesem Augenblick änderte das Feuer seine Richtung und kam wieder hinauf, auf sie zu. Lorita schüttelte hastig ihre Pumps von den Füßen und sie beide stürzten die Treppe hinauf auf das Dach.
Immer mehr Menschen suchten, rußverschmiert, hustend, Schutz unter den Dachziegeln. Wehklagen und Hilfeschreie mischten sich unter die Sirenen der Feuerwehr, die nun endlich zu ihrer Rettung eintraf.
Das Feuer war auch da, aber es schien zu zögern. Die Minuten wurden zur Unendlichkeit. Irgendwann hörten sie einen Helikopter. Lorita und Mariza und die anderen gaben ihre Deckung auf, um besser sehen zu können, um gerettet werden zu können.
Der Pilot unternahm mehrere Anläufe zu landen, es funktionierte nicht, er drehte ab, kehrte zurück, versuchte es erneut, dann von der anderen Seite. Die Leute schrien und winkten. Er konnte einfach nicht landen. Sie kreischten, rempelten sich gegenseitig nieder. Der Helikopter drehte ab, flog davon, wurde immer kleiner und verschwand am Horizont. Die Menschen auf dem Dach schrien noch lauter, einige suchten erneut Schutz, andere rannten wieder in Richtung Treppenhaus.
Lorita schaute über die Brüstung. Auf der Straße lag ein zerschmetterter Körper, ein weiterer schlug gerade auf. Passanten hielten riesige Transparente in die Höhe, auf denen stand, dass das Feuer gelöscht sei.
Lorita wendete sich ab und sah, dass es nicht stimmte, sah, wie das Feuer auf Mariza zulief.
Es war, als hätte es abgewartet, als hätte es gesucht und nun gefunden. Und sie wusste genau, dass das nicht sein konnte, aber die Flammen hatten es auf Ramons Frau abgesehen.
Und sie rannte zu ihr, um ihr zu helfen. Die Flammen waren überall. Eine Hysterie brach unter den Menschen aus und auch Mariza wurde von ihr ergriffen und weggetragen.
Das Feuer hatte wirklich nach Mariza gesucht, denn nun stand es vor ihnen. Und sie konnte ihn genau erkennen. Er war erschreckend und faszinierend zugleich, umgeben von diesem Lodern streckte er die Hand nach Ramons Frau aus und ergriff dabei auch sie. Und während Lorita die sengende, alles vernichtende Hitze auf ihrem Körper spürte, als würden Tausende von Händen sie zerreißen, dachte sie, dass sie besser hätte fliehen sollen, als der Mann vorhin in das Büro gestürmt war.